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Abwechslung bietende Programm enthielt Männer­chöre, Gesangs- und Violinsolis, Duette, sowie ein Quartett und Doppelguartett. Die Chöre waren von vorzüglicher Wirkung, sie waren gut eingeübt, von voller Abrundung und harmonischer Auffassung. Der neue Dirigent des Vereins, Hr. Schullehrer Fischer, hat sich mit diesen Chören bei den Vereins­mitgliedern in bester Weise eingeführt. Die Sänger­schar folgte willig dem Dirigentenstab und der um­sichtigen und energischen Leitung ihres Direktors. Eine sehr schöne Leistung war die NovitätBurschen­abschied" von Wengert, ein einschlagender und ge­haltvoller Männerchor. Die Tenorsoli waren von Hrn. Lehrer Lächele in Wildbad übernommen worden. Der Gast trug zwei Lieder vor:Frühlings­glaube" von Schubert undAm Neckar, am Rhein". Diese beiden Lieder kamen mit feinem Verständnis, großer Sicherheit und kräftiger Stimme zum Vor­trag. Der Sänger verfügt über ein wohlklingendes, melodiöses Organ und eine treffliche Aussprache. Die Vorträge, von Hrn. Schullehrer Kohlmann in Döffingen sehr tüchtig begleitet, fanden großen Beifall. Im Verein mit Hrn. Schwämmle sang Hr. Lächele noch ein Duett:Abschied der Schwalben" von Kücken, das ebenfalls lebhaft applaudiert wurde. Hr. Musikdirektor Höfer trug zwei ViolinstückeViolinkonzert Nr. 7" von CH. de Beriot undPhantasie über ein schwäbisches Volkslied" von I. Weis vor. Wie immer zeigte sich Hr. Höfer als vortrefflicher Violinist, der seinem Instrument die herrlichsten Töne zu entlocken weiß. Die Vorträge fanden denn auch den jubelndsten Beifall der entzückten Zuhörer. Die Begleitung zu den Violinstücken wurde von Frl. Gaßner in hervorragender Weise durchgeführt. Frl. Karoline Beißer sang mit Hrn. Schwämmle ein Duett Der Jäger" von Kücken. Beide sehr gerne ge­hörte Kräfte kamen ihrer Aufgabe aufs beste nach und ernteten den wohlverdientesten Beifall. Die Leistungen des Doppelquartetts und Quartetts wurden ebenfalls durch lebhafte Zustimmung aus­gezeichnet; diese zum Teil humoristischen Vorträge trugen ein heiteres Gepräge und schmiegten sich wohlthuend an das Ganze an. Die Mitwirkenden mußten sich zu verschiedenen Dreingaben verstehen; jedermann war von dem Gebotenen hoch befriedigt, da das Konzert einen vorzüglichen Verlauf genom­men hatte.

Stuttgart, 30. Mai. Universitätsprofessor Staatsrat Dr. von Mandry, einer der bedeutend­sten deutschen Rechtsgelehrten, ist heute früh in Tübingen im Alter von 70 Jahren gestorben. Der Verblichene gehörte den beiden Kommissionen für die Ausarbeitung des bürgerlichen Gesetzbuches an. Mandry war seit drei Jahren auch Mitglied der Kammer der Standesherren.

Stuttgart, 30. Mai. In der mit dem gestrigen Tage begonnenen Ausstandsbewegung des Personals der städtischen Straßenbahn sind dem Vernehmen nach ungefähr 350 Angestellte beteiligt, während ungefähr 60 Beamte sich der Bewegung fern gehalten haben.

Stuttgart, 31. Mai. Tie Regierung hat den Ständen eine umfangreiche Denkschrift über die Hoftheater frage vorgelegt. An­knüpfend an die Verpflichtung deS Staates, der Krone für das abgebrannte Hoftheater sowie für die Einrichtung und Ausstattung desselben einen

Ersatz zu leisten, legt die Denkschrift die thatsäch- lichen und rechtlichen Verhältnisse dar. Die Kammer der Abgeordneten kam in ihrer heutigen Sitzung mit der Beratung über die Ein­gabe des Verbandes württembergischer Eisenbahn- und Dampfschifffahrts­bediensteter um Gewährung staatlichen Kredits zur Finanzierung baugenoffenschaftlicher Unterneh­mungen zu Ende. Bei der Abstimmung wurde der auf Berücksichtigung lautende Antrag der Finanz­kommission gegen eine Minderheit von ca. 10 Stim­men angenommen. Nach der Erledigung einiger Petitionen, wurde die Sitzung geschlossen und als nächster Sitzungstermin der 11. Juni bestimmt.

Potsdam, 31. Mai. Die heutige Früh­jahrsparade der Potsdamer Garnison verlief bei schönstem Wetter. Gegen 9 Uhr erschien der Kaiser und nahm vom Denkmal Friedrich Wilhelm l. aus den zweimaligen Parademarsch der Truppen ab. Der Kaiser führte dem Schah von Persien, der von einem Fenster deS Schlosses aus dem militärischen Schauspiel zusah, das Regiment der Garde du Corps vor, dessen Uniform der Monarch trug. Anwesend war auch Prinz Heinrich, der heute früh aus Kiel eingetroffen war, ferner der Kronprinz von Siam, der Großherzog von Mecklenburg, Prinz und Prin­zessin Friedrich August von Sachsen und andere Fürstlichkeiten. Nach Beendigung der Parade begab sich der Kaiser nach dem Schloß, woselbst er den Schah von Persien und die übrigen dort anwesen­den Fürstlichkeiten begrüßte. Um 12'/- Uhr fand im Neuen Palais ein großes Frühstück statt.

Berlin, 31. Mai. In der zur Vorberatung der Polen - Vorlage eingesetzten Kommission wurde das Gesetz mit 13 gegen 7 Stimmen angenommen.

(Eingesendet.)

Die Pforzheim-Calwer Bäckermühle G. m. b. H. hier hatte auf Donnerstag, den 29. Mai, ihre Anteilbesitzer und Kunden zu einer Be­sichtigung ihres Etablissements eingeladen und es waren ca. 100 Interessenten dieser Einladung ge­folgt. Die Besichtigung der Kunstmühle fand von 3 bis 4 Uhr unter sachkundiger Führung statt, und hochbefriedigt von der sehr zeitgemäßen und vorzügl. Einrichtung und von dem ganzen Betrieb verließen die Gäste die Mühle, um sich in der Brauerei Dreiß zu geselliger Unterhaltung zu vereinigen. Die PforzheimerKollegen hatten Musik mitgebracht, unter deren Klängen und bei guter Bewirtung der Gäste seitens der Pforzheim-Calwer Bäckermühle sich bald eine allgemeine heitere Stimmung entwickelte. Der Vorstand des Aufsichtsrates, Hr. Wagner aus Pforzheim, begrüßte die Gäste in einer längeren Ansprache und erteilte dann das Wort an Herrn Direktor Spöhrer, der den Anwesenden über die geschäftliche Lage der Bäckermühle ausführlichen Bericht gab, aus dem zu entnehmen ist, daß die finanzielle Lage des Geschäftes eine vollständig ge­sunde sei und wenn auch eine sehr große Dividende noch nicht erwartet werden könnte, so würde doch im Herbst eine gute Verzinsung des Anlagekapitals sich ergeben. Weiterhin streifte Hr. Spöhrer die schädliche Konkurrenz der' großen rheinischen Mühlen, welche die kleinen und mittleren Kunstmühlen durch niedere Preise erdrücken wollen. Herr Spöhrer giebt zu, daß der Preis für rheinisches Mehl zwar

niederer sei, als der hiesiger Mehle, aber daß auch in der Qualität ein sehr großer Unterschied bestehe und wenn man Backproben mache, so werde sich Herausstellen, daß man mit württ. Kunstmehl trotz etwas höherem Preis besser stehe als mit dem billigeren rhein. Mehl. Mit dem Hinweis auf das Dichterwort:Was willst du in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah", ermahnte Herr Spöhrer die Anwesenden zur Erhaltung eines kräftigen Mit­telstandes auch in der Mühlenbranche dadurch mit­zuwirken, daß sie ihren Mehlbedarf bei der hiesigen und den nachbarlichen Kunstmühlen decken. Die Ausführungen des Herrn Direktor Spöhrer fanden sofort aus der Mitte der Versammlung Bestätigung, indem Herr Bäckermeister Kugele aus Pforzheim versicherte, daß er schon genaue Backproben zwischen württ. und rheinisch. Mehl angestellt und gefunden habe, daß dem württ. Kunstmehl trotz höherem Preis der Vorzug gebühre, denn neben einem besseren Backergebnis erhalte man auch eine viel schönere Ware. Mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den eigentlichen Begründer der Pforzheim- Calwer Bäckermühle, Herrn H. Mayer, Pforzheim, schloß Herr Kugele seine Rede, die von Herrn Mayer sofort erwiedert wurde. Weitere Reden wurden noch gehalten von Herrn Stark, Abele, Seeger u. s. w. und sie alle gipfelten darin, daß man fest zusammen halten müsse, wenn man nicht im Kampf um die Existenz unterliegen wolle. Kurz nach 6 Uhr schloß der Vorsitzende die offizielle Versammlung und lud die Gäste ein, den Calwer Kollegen in verschiedenen Abteilungen Besuche zu machen und um 7 Uhr sich wieder im Hotel Waldhorn zu ver­sammeln. Daselbst wurde bei guter Musik von Jung und Alt das Tanzbein noch kräftig geschwungen, und nur zu schnell war der Zeitpunkt zum Abmarsch zur Bahn gekommen. Diese in so schöner und har­monischer Weise verlaufene Versammlung wird ge­wiß allen Teilnehmern in guter Erinnerung bleiben.

Landwirtschaft!. Krsirksverem.

Den Mitgliedern, welche die Landwirt­schafts-Ausstellung in Mannheim besuchen, wird zur Kenntnis gebracht, daß die schnellsten Ver­bindungen zwischen Calw und Mannheim folgende sind:

Hinsahrt:

Calw ab vorm. 5 Uhr 45 oder 7 Uhr 50 Min.

Pforzheim an 6 35 8 34

Pforzheim ab 7 37 9 58

Karlsruhe an 8 39 11 00

Karlsruhe ab8 56 11 04

Mannheim an 9 ' 51 12 38'

Rückfahrt:

Mannheim ab nachm. 3 Uhr 13 oder 6 Uhr 52 Min.

Carlsruhe an 5 01 8 16

Karlsruhe ab 6 12 9 05

Pforzheim an 7 17 10 19

Pforzheim ab 8 00 10 26

Calw an 8 52 11 12

Die Züge Carlsruhe ab nach Mannheim 8 Uhr 56 und 11 Uhr 04 Min. sind Schnellzüge und empfiehlt es sich schon in Pforzheim Zu- schlagsbillete zu lösen.

Calw, 2. Juni 1902.

Vereinsvorstand:

Voelter, Regierungsrat.

Feuilleton» Nachdruck verbalen.

»Schloß Diamanlstein.

Original-Roman von O. Elster.

(Fortsetzung.)

Er trat an den Tisch und trank ein Glas Wasser. Dann nahm er Platz und blickte ernst in den das Haus umgebenden Wald hinaus.

Onkel Thiemo . . ." sagte Jürgen zögernd.

Ah so Du sagtest, daß Du Liselotte liebst?"

Ja, Onkel, ich will es nur gestehen. Ich liebe Liselotte, und ich glaube ihrer Gegenliebe gewiß zu sein."

Der Freiherr lächelte ein wenig.

Das würde mich nicht wundern," entgegnete er.Jugend gehört zur Jugend und ich glaube, Ihr gebt ein sehr hübsches, paffendes Paar ab."

Aber Thiemo," warf die Gräfin ein,daran ist ja nicht zu denken! Fräulein v. Jmhoff ist arm und Jürgen hat alle Ursache, eine reiche Frau zu wählen."

Der Freiherr atmete tief auf.

Du hast recht, Schwester . . . Liselotte besitzt nichts außer ihrer Schön­heit und Liebenswürdigkeit . . . doch nein, sie besitzt auch ein eminentes künst­lerisches Talent . . . doch darauf giebft Du wohl nichts, Schwester?"

Die Gräfin zuckte die vollen Schultern.

Ich denke, es sind genug Worte über diesen Zwischenfall gewechselt," sagte sie stolz.Eine Verbindung zwischen Jürgen und Fräulein v. Jmhoff ist unmöglich."

Mama, ich bitte Dich . . ."

Kein Wort mehr. Laß uns heimfahren, Thiemo."

Sie erhob sich und ging den zurückkehrenden jungen Mädchen entgegen.

Jetzt trat auch der Oberförster aus dem Hause; die Frau Oberförsterin bedauerte unendlich, daß die Herrschaften sie schon verlassen wollten zu einem intimeren Gespräch war keine Gelegenheit mehr.

Der Wagen ein eleganter hochrädiger Jagdwagen fuhr vor. Graf Jürgen schwang sich auf den Bock, um selbst die Zügel zu ergreifen; es war ihm weh ums Herz, er hätte es nicht ertragen können, den harmlos fröhlich plaudernden jungen Mädchen gegenüber zu sitzen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte eine tiefere Neigung von seinem Herzen Besitz ergriffen.

Schweigend saß auch der Freiherr da und hörte dem munteren Geplauder der beiden Mädchen zu. Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, wenn er in das froh erregte Antlitz Liselottens sah. Ja, sie war glücklich in ihrer Liebe zu Jürgen! Das sah man ihr an. Zuweilen flogen ihre Blicke mit einem Aus­druck leichten Erstaunens zu Jürgen hinüber, der auf ihre und Theas neckende Bemerkungen nur einsilbige Entgegnungen hatte. Weshalb sollte sie auch diesen hübschen, flotten jungen Husarenoffizisr nicht lieben? Beide schienen für einander geschaffen. Beide waren jung. Beide blickten hoffnungslos in das Leben hinaus sie mußten sich lieben.

Und er? Er stand an der Grenze des Alters! Hatte ihm doch seine Schwester vor wenigen Tagen noch gesagt, daß er auf das Glück des Lebens und der Liebe keinen Anspruch mehr erheben könnte.

(Fortsetzung folgt.)