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den inneren Frieden und das entschwundene Glück konnte er doch nicht wieder zurückerlangen.

5. Kapitel.

War das wirklich die einst so schöne, aber auch stolze Therese, der Abgott ihrer Eltern, das blasse, abgehärmte Weib mit den oft rot­geweinten Augen, die wie ein Schatten einher­ging? Sie war es; die fünf Jahre ihrer Ehe war eine Zeit ununterbrochener Leiden gewesen, nicht eine einzige freudvolle Stunde hatte sie währenddem erlebt und mit ihren vier Kinder­chen ging sie einer noch viel traurigeren Zukunft entgegen. Wer hätte ihr das vor ihrer Ver­heiratung prophezeit, daß sie eine solche Leidens­zeit in ihrem Ehestand durchzumachen haben würde? Und wie war sie von manchem Mäd­chen im Dorfe um den Sohn des Sonnenwirts beneidet worden, diesen flotten Burschen aber wenig Ursache war zu diesem Neid vorhanden gewesen!

Die erste schlechte Eigenschaft, der Anfang aller Laster, der Müßiggang hatte sich bei Xaver schon bald nach der Hochzeit bemerkbar gemacht. Ein solch umfangreiches Anwesen wie der Gaigl- hof erforderte eine ganze Manneskraft, da galt es, von früh bis spät ans dem Posten zu ,ein und den Ehhalten mit gutem Beispiel voranzu­gehen, doch dazu war der Xaver nicht geschaffen, dies behagte ihm nicht, er hatte merkwürdig viel in der Stadt zu thun und verließ zu Hause die Arbeit. Anfangs brauchte er seiner Frau gegen­über diesen und jenen Vorwand, schließlich fuhr er aber fort, wenn es ihm behagte, sagte über­haupt nichts mehr und kam spät in der Nacht heim. Machte ihm Therese darüber Borwürfe, so gab es Zank und Streit und es war sogar vorgekommen, daß er sein Weib geschlagen hatte. Theresens Eltern waren vor Kummer über das Los ihrer Tochter gestorben. Kurz vor seinem Tode hatte der Gaiglhofer seine Tochter noch einmal zu sich an sein Krankenlager gerufen, schwer hatte er nach Worten gerungen, ehe er sagen konnte:

Therese, mich drückt eine schwere Schuld, weil ich damals den Emeran abgewiesen habe wie viel glücklicher wärst Du vielleicht an seiner Seite geworden"

Härm dich nicht darum, Vater," unterbrach Therese ihren Vater.Ich Hab mein Los ver­dient, weil ich mich durch das Aeußere habe blenden lassen und das Herz nicht gefragt habe. Gewiß Hab ich den Emeran gern gehabt, aber mein Stolz hatte es mir anders eingegeben. Du bist nicht schuld, daß er von uns fortge­gangen ist."

Der Kranke konnte nicht mehr antworten, die Schwäche übermannte ihn, darum blieb es unbesprochen zwischen Vater und Tochter, wer die meiste Schuld an dem Fortgang Emerans trug, wer sich am meisten zuschreiben mußte un­dankbar gegen ihn gewesen zu sein.

Nach dem Tode des Gaiglhofer wurde der Lebenswandel von Theresens Gatten immer liederlicher und trotzdem die Therese sich abmühte und plagte von früh bis spät, so ging die Wirt­schaft merklich zurück; ein Stück Vieh nach dem andern wanderte aus dem Stalle und die Geld- leiher kamen oft in den Gaiglhof und hatten lange Unterredungen und Verhandlungen mit dem Xaver, der kaum noch ein Wort mit seiner Frau sprach, überhaupt die meiste Zeit betrunken war, ein Bild, wie ihrer die Wirklichkeit leider viele aufweist in allen Volksschichten und das Ende kann allemal nur Not und Elend sein.

Schließlich verlor auch die Therese den Mut, als alles nichts half, ihren Gatten auf andere, bessere Wege zu bringen, mochte das Unheil Hereinbrechen, sie und ihre Kinder ins Elend stürzen, mit ihrer Kraft, war es zu Ende, sie vermochte es nicht aufzuhalten, wenn Gott nicht in der letzten Stunde ihr heißes Flehen und ihre inbrünstigen Gebete erhörte und den Leidenskelch von ihr nahm.

(Fortsetzung folgt)

Sankt Gallus.

16. Oktober.

Der heutige Tag spielt im Volksmunde eine ziemlich bedeutende Rolle. Er ist dem Andenken

s

des heiligen Gallus geweiht. Gallus, einer der zwölf Missionare, welche mit Columbanus von Irland nach Europa kamen, war sein bester Schüler und tüchtigster Gehilfe. Mit großen Sprechanlagen ausgerüstet, lernte er bald die Sprache der heidnischen deutschen Volksstämme rc., weshalb er der eigentliche Missions-Prediger wurde. Bei Bregenz soll er sich in einem aus­gehöhlten Felsen oft aufgehalten haben.

Als Columbanus 612 nach Italien zog, mußte der schwer erkrankte Gallus am Bodensee Zurückbleiben. Ausbreitung und Befestigung des Christentums in Alemannien war von nun an die Aufgabe seines Lebens. Zur Heranbildung von Lehrern und Predigern des Evangeliums gründete er das Kloster St. Gallen, welches eine Stätte der Gelehrsamkeit und eine frucht­bare Pflanzschnle fürs Christentum geworden ist, Jahrhunderte lang geblüht, unzählige Geistliche, viele Bischöfe erzogen hat. Eine Wahl zum Bischof von Constanz lehnte er ab, ebenso die eines Abtes von Luxovium. Nach vierzehntägiger Krankheit starb Gallus im Alter von 95 Jahren am 16. Oktober, lieber das Todesjahr sind die Meinungen geteilt. (625, 630).

Besonders für das zukünftige Wetter soll der Gallustag von Bedeutung sein, und er wird sogar für die Witterung des nächsten Sommers verantwortlich gemacht, wie es in einer alten Bauernregel heißt. Nach Sankt Gallus Ver­künden wird sich der nächste Sommer befinden. Auch unsere Landleute haben ein wachsames Auge auf ihn und sorgen dafür, daß speziell die Kraut- und Obsternte beendet wird und nichts mehr im Freien verbleibt, denn: Auf Sankt Gallus Tag muß jeder Apfel in seinen Sack, oder: Sankt Gall, thut heim euer Kraut all, sonst kimmt der Simon und wirft Schnee dran.

Auch die Weide-Saison wird in gewissen Gegenden heute geschlossen, und das Vieh wird von der Weide getrieben, um im geschlossenen Raume sich für die Winter-Campagne einzurichten. Denn auch hierin hat der wunderliche Heilige mitzureden, indem er sagt: Auf Sankt Gall, muß die Kuh in den Stall. Oft tritt er sogar als ein recht trotziger Geselle auf, daß einem die Galle ins Blut gehen möchte, wenn man von ihm hören muß: Sankt Gallen läßt gern Schnee fallen.

Ein Eingesandt desSchw. Merk." macht darauf aufmerksam, daß zur Aufbewahrung von Wein- und Obstmost im Falle des Fehlens von Fässern Korbflaschen von 50 bis 60 Liter Inhalt mit Erfolg verwendet werden können, selbstverständlich bei der Ausstellung im Keller mit der erforderlichen Vorsicht. Solche Korbflaschen werden bekanntlich zur Versendung und Aufbewahrung von Säuren rc. verwendet und sind von chemischen Fabriken, Drogenhand­lungen rc. zu billigem Preis zu haben. Auf diese Weise könnten sich viele auf billige Weise helfen, denen es jetzt an Fässern fehlt.

Berlin, 2. Okt. Die Straßen Berlins zeigten gestern abend nach Eintritt des Neun uhr­laden schlusses ein gegen das gewohnte Aus­sehen selbstverständlich stark verändertes Bild. Namentlich in den Hauptverkehrsstraßen trat der Unterschied in der Beleuchtung und dem Fuß­gängerverkehr auffällig in die Erscheinung. Doch konnte von einer Verfinsterung in dem Maße, wie sie vielfach befürchtet wurde, nicht Wohl die Rede sein, denn für eine starke Beleuchtung sorgen außer den Straßenlaternen noch immer die zahl­reichen Restaurants und Schankwirtschaften. Außerdem hat aber auch die städtische Gasver­waltung sich der Angelegenheit vorsorglich an­genommen und eine durchgreifende Verbesserung der Straßenbeleuchtung in die Wege geleitet. Sehr zu statten kommt ihr dabei eine neue Er­findung, die gerade für die Straßenbeleuchtung besondere Vorteile verspricht. Der städtischen Gasdeputation wurde nämlich eine Straßenlaterne vorgeführt, die, mit einer neuen Art von Glüh­strümpfen versehen, als die beste Gaslicht-Quelle gelten darf. Das 500 bis 600 Kerzen starke Licht erstrahle in einer Reinheit und gleichmäßigen Intensität, daß es dem elektrischen Bogenlicht

nahezu gleichkam. Von der Wirkung der neuen Flamme kann man sich einen Begriff machen wenn man bedenkt, daß die jetzigen Glühluht- flammen in den Straßen nur eine Helligkeit von 50 bis 80 Kerzen zu verbreiten vermögen. Die Deputation beschloß, einen größeren Versuch mit der neuen Lampe schleunigst in Wege zu leiten.

Bienen mit Extrazug. Ende Juli und Anfang August konnte man des Nachts aus mancher Eisenbahn in Hannover Extrazüge ver­kehren sehen, in denen Bienen befördert wurden. Wer nämlich recht viel mit seiner Bienenzucht verdienen will, der möchte, daß die Bienen nicht nur im Juni Honig sammeln, wenn Reps und Wiesengräser blühen, sondern auch im August ! zur Zeit der Blüte des Haidekrautes, das viel > Honig liefert. Ist nun aber in seiner Gegend j das heißt eine halbe bis eine Stunde im ! Umkreise kein Haidekraut, so muß er, wenn er Haidehonig haben will, seine Bienenvölker auf die Wanderschaft schicken. Dies geschieht be­sonders in Hannover, nach der Lüneburger Haide. Abends, wenn die Bienen nach Hause gekommen sind, werden ihre Behausungen wohlverwahrt sodaß die Tiere nicht entweichen, aber doch Luft schnappen können. Dann geht es auf die Eisen­bahn. In der Haide angekommen, werden die Bauten aufgestellt, und alsbald fliegen die Bienen aus und widmen sich mit Eifer ihrer Arbeit, j Ist dann die Blüte des Haidekrautes vorüber, so geht es wieder heim aus der Sommerfrische, die allerdings den Bienen wenig Erholung und viel Arbeit bringt.

(Ein vorzüglicher Stoff.) Das ist aber doch unerhört. Kaum vier Wochen trage ich diesen Anzug, und schon ist die Farbe ganz verschossen, sodaß er vollständig graugelb ausschaut." Kleiderhändler:Gott über de Welt, was machen Se for e Geseires! Werden de Leite glauben, Se haben jetzt e fainen Khaki-Anzug und wollen gehen nach China!"

Mutmaßliches Wetter am 16. u. 17. Okt.

«Nachdruck verbalen.!

Der mitteleuropäische Hochdruck ist durch den über der oberen Nordsee und in Nordskandinavien aus 740 mm vertieften Lustwirbel aufgelöst worden, so daß nur noch im Südosten ein schwacher Hochdruck sich zeigt. Bei vorherrschend westlichen Winden ist für Dienstag und Mittwoch größtenteils trübes und auch zu ver­einzelten Niederschlägen geneigtes Wetter zu erwarten.

Telegramm^

London, 14. Okt. Die Blätter melden aus Peking vom 16. ds. Mts.: Eine Abteil- j ung von 1000 Franzosen und 100 Engländern befindet sich auf dem Marsche nach den westlichen Hügeln über Tsotschau, um die ein­geborenen Christen zu befreien und nach Peking zn bringen. Es sei ein allgemeines Abkommen getroffen worden, wonach die kaiserlichen Truppen nicht angegriffen werden sollen, die von Li-Hung- > tschang den Befehl erhalten haben, nicht auf die ! Fremden zu schießen.

London, 14. Okt. Aus Peking wird über Tientsin gemeldet: Li-Hung-Tschang ist heute in Peking eingetroffen und stattete dem « englischen Gesandten Macdonald und allen anderen daselbst anwesenden Gesandten Besuche ab.

Schanghai, 14. Okt. (Reuter-Meldung).

Die Dysenterie herrscht unter den Truppen in Tientsin. Es heißt, Graf Waldersee werde sein Hauptquartier in den nächsten Tagen nach Peking verlegen.

Krovnstadt, 14. Okt. (Reutermeldung vom 13. Okt.) Der Burenkommandant de Wet erließ eine Proklamation, in welcher er erklärt, alle Burghers, welche sich weigerten, Waffen zu tragen, würden zu Kriegsgefangenen gemacht werden.

Lindley, 13. Okt. (Reuter.) Bei einem « Zusammenstoß zwischen einer Patrouillie mit einem Burenkommando wurden zwei Offiziere getötet und ein Soldat gefangen genommen. Es heißt die Buren sollen in Richtung nach Wyn- burg Vorgehen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.