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Welche sicher kein Mittel unversucht lassen würde, sich aus der Schlinge zu ziehen, um ihm allein alle Schuld aufzubürden.
Bei seinem Verhör machte Bruscher folgende Aussagen:
Der Zufall hatte es gewollt, daß er als Angestellter der Privatpost „Merkur" die Tour bekam, in deren Straßennetz das Haus des Professors Georgi lag. Seine Tante, die gewöhnlich die Briefe in Empfang nahm, betrachtete und behandelte ihn als vollständig Fremden, bis sie seiner zur Ermordung Georgis bedurfte. Da vertraute sie ihm an, daß sie des Professors Universalerbin sei, daß ihre Erbschaft aber auf dem Spiele stände, wenn der Professor nicht beseitigt werde, ehe er Zeit finde, ein neues Testament zu machen. Sie hatte ihren Neffen schon vorher eingeschüchtert, indem sie ihn an seine früheren Gefängnisstrafen erinnerte, die ihn jedenfalls die Stelle kosten würden, wenn seine Chefs davon erführen ; sie war auch dahintergekommen, daß er sich Grotjan nannte, und hielt ihm die Folgen vor, wenn seine Namensfäschung zur Kenntnis der Polizei gelangte. Sie hatte ihn also in ihrer Hand, und da sie ihm einen Anteil an der Erbschaft versprach, wenn er dieselbe durch die Ermordung Georgis rettete, so entschloß er sich zu der blutigen That. Zur Ausführung derselben wurde der Tag bestimmt, an welchem das Dienstmädchen Rest während der ersten Morgenstunden durch Wäschemangeln außer dem Hause beschäftigt war, welches Bruscher als Briefträger unauffällig betreten und verlassen konnte. Frau Bruscher selbst erfand für sich einen geschickten Borwand zu einer Reise, durch welche sie ihre Abwesenheit während der kritischen Zeit Nachweisen konnte. Die Schuld sollte auf Konstanze Herbronn abgelenkt werden, die zu jener Stunde mit dem Professor allein zu Hause war. Ein paar Tage vorher wußte Frau Bruscher sich die Kleider zu verschaffen, in denen Konstanze auszugehen Pflegte, und diese Kleider legte sie mit aller Sorgfalt ihrem Neffen an. Seine schlanke Gestalt, sein schwarzes Haar, seine dunklen Augen, seine ziemlich kleinen Hände, die in den Glaceehandschuhen leicht für Damenhände gelten konnten, kamen der Täuschung sehr zu statten. In dieser Verkleidung kaufte Bruscher bei dem benachbarten Eisenwarenhändler den Hammer, mit welchem er später die That ausführte. Der dichte Schleier, welcher das Antlitz verhüllte, verhinderte ein schärferes Unterscheiden der Gesichtszüge. So wurde denn Bruscher während der kurzen Augenblicke, die er im Laden verweilte, für die Vorleserin des Professors gehalten, die in derselben Kleidung vom Eisenwarenhändler oft genug gesehen und wiederholt als Kundin von ihm bedient worden war.
Frau Bruscher selbst kaufte in einem entlegenen Stadtteil einen ganz gleichen Hammer, den sie am Vorabende des Mordes unter Kon- stanzes Weißzeug legte, nachdem sie ihn vorher naß gemacht hatte, sodaß es den Anschein gewinnen mußte, als sei nach vollbrachter That das Blut abgewaschen worden. Sie hatte ihren Neffen mit einem Gangthürschlüssel versehen, damit er unbemerkt in die Wohnung gelangen konnte, und unmittelbar vor ihrer Abreise hatte sie die auf den Korridor führende Thür des Empfangssalons aufgeriegelt, wodurch dem Mörder der Weg in das Schlafkabinett seines Opfers freigelegt war, ohne daß er erst durch den Sammlungssaal gehen mußte, wo Konstanze ihn vielleicht hätte hören können.
Die grausige That gelang, — nur durch den nicht abgegebenen Brief an das Dienstmädchen Rest und die Folgen der verspäteten Bestellung sowie durch den Spürsinn des Detektivs sollte zuletzt das schlau gesponnene Jntriguenge- webe zerrissen werden, nachdem der Gerichtshof bereits sein Urteil über die unglückliche Konstanze Herbronn gefällt hatte, deren Schuld die vielbelesene Frau Bruscher glaubhafter zu machen wußte, indem sie das junge Mädchen zur hochgradigen Epileptikerin stempelte.
(Schluß folgt.)
Dem Redakteur Seifarth in Greiz, der zu einer Haft von 6 Wochen verurteilt war, weil er den Einsender eines der Beamtenschaft
unangenehmen Artikels nicht nennen will, winkt Gnade. Erbprinz Heinrich der so und sovielte von Reuß j. L. ist größer als sein Reich. Er ließ seine Justizbehörde wissen, daß er mit der Inhaftnahme Seifarths und mit der Erzwingung des Zeugnisses nicht einverstanden sei.
In einer französischen Zeitung wird eine Anekdote von Li-Hung-Tschang erzählt, die wahrscheinlich nicht wahr, aber nicht übel erfunden ist. Sie soll sich bei der Europareise des vielgenannten chinesischen Diplomaten zugetragen haben. Als Li-Hung-Tschang in England weilte, ließ er am Grabe von Gordon Pascha einen Kranz niederlegen. Die Familie wollte diese Aufmerksamkeit erwidern und übersandte dem Mann mit der gelben Jacke einen Prachtvollen Hund, der auf allen Ausstellungen Prämiert worden war, zum Geschenk. Zwei Monate später langte aus China das Dankschreiben Li- Hung-Tschangs an. Es lautete: „Ihr schönes Geschenk hat mich tief gerührt. Das Tier war wirklich herrlich. Leider bin ich ein alter Mann und mein Magen ist schon zu schwach, um solche Leckerbissen zu vertragen. Aber mein Gefolge ist noch immer entzückt, wenn es von dem guten fetten Braten spricht."
Der „dicke Schorsch." Einer der schwersten Männer Deutschlands, wahrscheinlich sogar der allerschwerfte, ist der Gastwirt und Bäckermeister Georg Röder in Fränkisch-Crumbach im Großherzogtum Hessen. Im Alter von 47 Jahren hat er das respektable Gewicht von 417 Pfund und ist 1,75m groß, bei einem Leibesumfang von 1,90 m. Seine Leutseligkeit und Gefälligkeit im Umgänge und in der Bedienung seiner Gäste sind im weiten Umkreise bekannt und bringen ihm viel Zuzug von Fremden. Seine Bäckerei betreibt er mit Hilfe eines seiner Söhne, deren er eine ganze Anzahl hat, selbst. Eine Frankfurter Brauerei wollte ihn für diesen Sommer auf einige Monate engagieren und bot ihm für den Tag sage: 100 ^ Doch das „dicke Schorschchen" lehnte ab, da es zu Haus glaubt mehr zu verdienen.
Bei einer Auktion in London wurde kürzlich ein Ei für 1000 gekauft; es war dieses ein Riesenei eines Vogels, den die Ornithologen als ^.ep^ornis maximu8 kennen. Die Vogelgattung ist bereits ausgestorben, und seine Eier sind bisher nur auf der Insel Madagaskar gefunden worden. Das verkaufte Ei war etwa einen Fuß lang. Sein Inhalt war so groß wie der von 6 Straußeneiern oder 150 gewöhnlichen Hühnereiern.
(Rußfrei brennendes Acetylen.) Ein längst empfundener Uebelstand besteht bei unfern Acetylengasanlagen noch darin, daß das Acetylen beim Verbrennen noch Ruß entwickelt. Um rußfrei brennendes Acetylen zu erhalten, werden, wie uns das Intern. Patentbureau von Hei- mann u. Co. in Oppeln mitteilt, nach einem kürzlich patentierten Verfahren dem Acetylen geringe Mengen, etwa 0,40 bis 1 Prozent Kohlensäure beigemischt. Dies kann so geschehen, daß man dem Entwicklungswasser kohlensaure Salze zusetzt. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachen gratis.)
Wieder die Schußwaffe.' Wie oft kann man nicht in den Zeitungen unter dieser Einleitung von Unglücksfällen lesen, die durch den unvorsichtigen Umgang mit Schußwaffen herbeigeführt sind und gewöhnlich in der Annahme, daß die Waffe nicht geladen sei, ihren Grund haben. Wie uns das Intern. Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln mitteilt, ist kürzlich eine äußerst interessante Vorrichtung für Handfeuerwaffen, welche das Geladensein anzeigt, patentiert worden und besteht dieselbe in der Hauptsache darin, daß ein hervortretender Stift das Geladensein anzeigt und derselbe durch den Patronenboden verschoben wird. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachen gratis.)
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.
(Das Präsentieren.) Beim Exerzieren: „Nun seh einer mal den Einjährigen Levy ^ Der Schrittwechsel bringt er nicht fertig und das Gewehr präsentieren kann er auch nicht ordentlich. Ich glaube, das einzige, was er noch am Ende verstehen würde, wäre Wohl einen Wechsel zu präsentieren!"
(Gedankensplitter.) Menschen streichen die Segel, richten die Masten, allein Gott sitzt am Steuer und spricht: "So soll es sein!"
Mutmaßliches Wetter am 14. u. 15. August.
l Nachdruck verbalen
Auf seiner Wanderung von der Weser- und Elb. mündung nach den Provinzen Brandenburg. Pommern und der unteren Ostsee ist der letzte Lustwirbel aus nahezu 760 mm abgeflacht worden und wird rasch voll, ends ausgelöst. In Großbritannien und säst ganz Frankreich ist der Hochdruck auf 770 mm, über der Nordsee, Süd - und Westdeutschland mit Holland aus 765 mm gestiegen. Für Dienstag und Mittwoch ist bei wärmerer Temperatur trockenes und größtenteils heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.
Telegramme.
Hamburg, 13. Aug. Das Kaiserpaar ist gestern abend 8 Uhr abgereist. Die Kaiserin reiste kurz nach dem Kaiser ab.
Oppeln, 12. Aug. Schnellzug Nr. 35 ist heute vormittag bei der Ausfahrt aus dem Bahnhofe in Kandrzin mit einem Güterzuge zu- sammeugestoßen. Ein Reisender wurde schwer, 4 Bahnbeamte leicht verletzt. Nach östündiger völliger Sperre wurde der Betrieb auf der Strecke wieder eingleisig ausgenommen. Bis dahin wurde der Verkehr nach Gleiwitz durch Umsteigen der Reisenden aufrecht erhalten. Der Materialschaden ist bedeutend. Untersuchung wurde sofort eingeleitet.
Rom, 12. August. Der König empfing vormittags die Senatoren und Deputierten, welche eine Ergebenheitsadresse überreichten von insgesamt 600 Parlamentariern.
Rom, 15. Aug. Bei dem Empfang der Deputationen des Parlaments sagte der König, er habe bisher aus dem Auslande allein 26000 Kondolenzdepeschen erhalten.
Rom, 12. August. (Meldung der Agenzia Stefanie). Das Ministerium des Aeußern erhielt eine chiffrierte Depesche des italienischen Gesandten in Peking vom 8. ds., in welcher derselbe sein Beileid anläßlich des Todes Königs Humbert übermittelt, der ihm durch das Tschung-li-Iamen mitgeteilt wurde. Der Gesandte fügt hinzu, er habe seit 2 Monaten keine Depeschen erhalten, In der Nacht vom 4. auf den 5. August wurde zwischen dem Kontingent der europäischen Truppen, welche die Gesandtschaften verteidigen und den Chinesen ein Gewehrfeuer gewechselt. 1 Russe fiel, 2 wurden verwundet. Wir sind, schließt der Gesandte seit dem 30. Juli ohne Nachricht über die Truppen der Verbündeten. Wir hoffen, daß sie nicht zögern werden, auf Peking vorzurücken,
Washington, 12. August. Der hiesige chinesische Gesandte übergab dem stellvertretenden Staatssekretär Adse ein ihm von den Vizekönigen einschließlich Li-Hung-Tschangs übergebenes Schreiben, in welchem die Vereinigten Staaten um ihre guten Dienste bei den Mächten ersucht werden, um der Landung weiterer Truppen in Shanghai Einhalt zu thun.
London, 13. Aug. Reutermeldung ans Washington: Die Regierung der Vereinigten Staaten nimmt vom 10. August an von dem an sie gerichteten Appell der chinesischen Vizekönige betreffend die Landung europäischen Truppen in Shanghai keine Notiz.
London, 12. Aug. Lord Roberts telegraphiert aus Prätoria vom 12.ds.: Kitchener stellte die Verbindung mit Methuen her. Der Feind in der Front der Truppen Kitcheners und Methuens befindet sich auf der Flucht. Er versuchte heute früh, die Bahnlinie bei der Wolverdien-Station zu überschreiten, wo er von Smith-Dorrien angegriffen wurde. Am 9. ds. hatte Methuen ein Nachhutgefecht bei Buffels- hoek und nahm 6 Wagen und 2 Ambulanzen weg.