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mand aus dem Dorfe sein, der sich zu Wip- pach auf die Bank gesetzt hat. Das wäre ein verdammt unwillkommener Gast!"
„Nein, nein, es ist Allram, verlaß Dich darauf," zischelte die Tante. Trotz der Dunkelheit unterschied sie den hellgrauen Ueberzieher und den ebenso Hellen Hut, in welchem ihr der Detektiv bei ihrem ersten Besuche so unerwartet aus der Thüre seiner Wohnung entgegengetreten war, und woran sie ihn noch lange unterscheiden konnte, als sie ihm später im Straßengewühle nachgeblickt hatte.
Der Müller trat nahe an die beiden heran und lüftete vor dem Herrn in der hellgrauen Kleidung die Mütze.
.Höre Fred," wandte er sich mit lauter Stimme an den Fährmann, „Du mußt uns und diesen Herrn sogleich übersetzen. Am Lindenhofgarten legst Du an, verstanden?"
Der Angeredete erhob sich von der Bank.
Aber was war das? Er erfaßte seinen Nachbar am Arme und an seiner Seite schwankte der Detektiv wie ein dünnes Rohr im Winde.
Mehr getragen als geführt, wurde der schwer Betrunkene vom Fährmann ins Boot gebracht und dort auf die an der Seite hinlaufende Bank gedrückt, wo er, ohne sich zu regen, wie ein Holzklotz sitzen blieb, den Kopf haltlos hintenüber, nach der Wasserfläche herabhängen lassend.
„Nur rasch vorwärts!" gebot der Müller, nachdem er mit seiner Begleiterin ebenfalls ins Boot gestiegen war. „Donnerwetter, Fred! Du scheinst selbst zu tief ins Glas geguckt zu haben."
Der Ausruf galt dem Ungeschick, mit welchem Fred das Segel aufzog und dann auch noch unrichtig stellte, sodaß das Boot dicht am Lande hinglitt.
Der Müller stellte das Segel selbst und gab ihm die Richtung nach dem jenseitigen Ufer, worauf er dem Detektiv gegenüber auf der anderen Seitenbank sich niederließ.
Unter dem sanften Drucke des Nachtwindes bewegte sich das Boot langsam vorwärts. Als es ungefähr die Mitte des Stromes erreicht hatte, sprang der Müller plötzlich auf, faßte den Detektiv bei den Füßen und stürzte ihn über den niederen Rand des Fahrzeugs, welches sich stark auf die Seite neigte, in den Strom. Hoch spritzten die Wasser empor; auf ihren mächtig schaukelnden Wellen tauchte der dunkle Körper noch ein paarmal empor, — dann war nichts mehr zu sehen. Erst nach mehreren Tagen wurde weit von hier der Leichnam des Ertrunkenen aus dem Flusse gezogen.
Noch schwankte das Boot unruhig von einer Seite zur andern, noch stand der Fährmann, betroffen über das, was soeben seine Augen gesehen, wie zu einer Statue erstarrt am Mastbaum, sich mit der einen Hand daran festhaltend, da stürzte auch schon der Müller und seine Begleiterin auf ihn zu, um mit vereinter Kraft ihm das Schicksal des Detektivs zu bereiten. Blitzschnell hatte der Fährmann seinen rechten Arm erhoben, — ein Feuerstrahl zuckte auf, — ein Knall erschütterte die Luft, — und ohne einen Laut von sich zu geben, sank der Müller auf den Boden des Fahrzeugs nieder.
Von Entsetzen gepackt, prallte seine Begleiterin zurück. Der Fährmann ließ ihr keine Zeit, sich zu sammeln und einen Entschluß zu fassen. Er riß sich die Jacke vom Leibe, um diese als Strick zu benutzen, 'und so verzweifelt sich die kleine Frau auch wehrte, so tapfer sie auch Zähne und Fingernägel als Waffen zu gebrauchen wußte, so gelang es ihm dennoch, sie nach dem Maste zu zerren und an diesem mit beiden Händen festzubinden.
Totenstille herrschte; nur das Plätschern der an das Boot Prallenden Wellen und das keuchende Atmen der Gefesselten war zu vernehmen; em leises Stöhnen, welches zuweilen vom Boden des Fahrzeugs heraufdrang, verriet, daß der von dem Geschoß hingeftreckte Mann noch lebte.
Unsanft stieß das Boot, auf welches der Fährmann nicht hatte acht geben können, drüben ans Ufer, wo sich mehrere dunkle Gestalten hin-
und herbewegten.
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Die angebliche Frau Baronin hatte sich in ihrer letzten Unterredung mit dem Detektiv selbst als Lügnerin entlarvt, ohne es zu ahnen. Die äußeren Kennzeichen, welche sie dem flüchtigen Gatten andichtete, erkannte Allram als diejenigen des betrüger. Bankrotteurs Sexauer, den sie zum Baron stempelte, um ihr Lügengewebe zu vervollkommnen; sie wollte sich mit dem Manne, dessen Photographie ihr der Detektiv zeigte, zu einer Zeit vermählt haben, als er in der Untersuchungshaft saß. Mehr bedurfte es nicht für Allram, um sich gegen diese Frau mit all seinem Mißtrauen und all seiner Vorsicht zu wappnen. Als beständig gefährdeter, oft von Rachsucht verfolgter Detektiv, geriet er sogleich auf den Gedanken, es könne ihm hier wieder einmal ein Fallstrick gelegt sein. Und da er sich eben anschickte, die Verfolgung Sexauers aufzunehmen, so vermutete er, die Gefahr drohte ihm von dieser Seite, und er habe es mit Komplicen des Bankrotteurs zu thun, die ihn unschädlich machen wollten.
Sein Plan war rasch fertig. Er verständigte die Kriminalpolizei von dem angeblichen Versteck Sexauers im Lindenhofe und reiste in Begleitung eines Kommissars in Zivil, der zur Verhaftung Sexauers Vollmacht hatte, nach Wörb, wo beide bereits gegen Mittag eintrafen.
Sie vermieden es, sich öffentlich zu zeigen; doch fand Allram Gelegenheit, sich nach dem Besitzer der am anderen Flußufer gelegenen Sägemühle zu erkundigen. Die Baronin hatte ihn als einen alten Bekannten bezeichnet und für die heutige Expedition seinen Beistand in Aussicht gestellt. Als der Detektiv den Namen Grotjan vernahm, übersah er plötzlich mit einem einzigen Blicke die ganze Situation wie eine Kette, deren erstes Glied der Mörder Georgis, deren letztes Frau Bruscher war. Irgendwie hatte sie Kenntnis erlangt, daß der Detektiv dem Schuldigen auf der Spur sei, und von mancherlei Umständen begünstigt, hatte sie eine geschickte Komödie eingeleitet, um ihm das Spiel, wohl gar ihn selbst zu verderben. . .
(Fortsetzung folgt).
Die Hitze der vorletzten. Woche hat einen Geschichtsforscher zu einer Arbeit veranlaßt, der wir nachstehende Daten entnehmen. Im Jahre 627 war die Wärme in Deutschland und Frankreich so stark, daß viele Quellen versiegten und eine große Anzahl Menschen infolge Wassermangels verschmachtete; 870 mußten die Feldarbeiten der Hitze halber längere Zeit eingestellt werden. Im Jahre 1000 trockneten die kleinen Flüsse aus, die Fische faulten, Epidemien entstanden, die jahrelang andauerten. 1260 fielen während der Schlacht am Marchfelde (Niederlage der Ungarn unter Bela) mehr Soldaten durch Hitzschläge, als durch die Waffen. Im Jahre 1303 waren Rhein, Donau, Seine, Loire und zahlreiche andere Flüsse zum Teil ausgetrocknet; viele Menschen und Tiere kamen durch die Hitze um, die Ernte verbrannte. 1493 war die Elbe so seicht, daß man an etlichen Stellen mit Wagen hindurchfahren konnte. Die Sommer von 1500, 1506 und 1590 waren ebenfalls abnorm heiß, im nächsten Jahrhundert die Sommer von 1615, 1619 und 1679. Im Jahre 1718 regnete es von Mai bis Oktober nur wenige Male, das Getreide verbrannte, die Flüsse trockneten aus, Wälder entzündeten sich, zahlreiche Menschen und Tiere starben infolge der Hitze und des Wassermangels. Im Juli 1792 war die Hitze so stark, daß die Pflanzen .verdorrten, die Baumfrüchte vertrockneten und Fleisch innerhalb einer Stunde faulte. Im vorigen Jahrhundert zeichnete sich besonders der Sommer 1811 durch Hitze und außerordentliche Dürre aus; in Berlin stieg die Temperatur auf 35 Grad Celsius im Schatten, in Paris sogar auf 40 Grad. Ein schöner Komet stand eine zeitlang glänzend am Nachthimmel ; der Wein geriet ausgezeichnet (berühmter „Kometeuwein"). 1832 war die Hitze von der Cholera begleitet, die namentlich in Westdeutschland und Frankreich viele Opfer forderte, in Paris allein 20000. Denkwürdig trockene und heiße Sommer brachten ferner die Jahre 1846, 1857,1865,1874 und 1892 (Cholera in Hamburg.)
Während der Fahrt auf der Eisenbahn kann man, ohne das Abteil zu verlassen, Telegramme aufgeben wie folgt: Man nehme eine Postkart? streiche die Aufschrift „Postkarte" durch und schreibe das Wort „Telegramm" auf. Nm, klebe man Postmarken auf im Werte des aufzuaeb- enden Telegramms und lasse die Karte (mit dem auf diese geschriebenen Wortlaut des Telegramms) von dem Schaffner in den betr. Postbriefkasten des Zugs oder des Bahnhofs legen.
Vorsicht vor unreifem Obst! Der „Staatsanz." bringt folgende Warnung: Man hört auch Heuer wieder Klagen, daß auf dem Stuttgarter Markt so viel unreifes Stein- und Kernobst feilgeboten werde. Da zu gewissen Arten von Gelee unreifes Obst nötig ist, so läßt sich das Feilbieten nicht gänzlich verbieten; um so mehr ist Vorsicht, namentlich für die Kinder nötig.
jBoshaft.s „Man hört Sie ja gar nicht mehr blasen und flöten, Herr!" . . . .— Der Arzt hat mir's streng untersagt!" — „Der wohnt Wohl in Ihrer Nachbarschaft?"
Rätsel.
Um ein letztes Paar zu machen, Nahm ich mir bas Ganze her,
Und da fand ich, daß dies Späßchen Schwer nicht auszuführen wär.
Ich zerlegte nun das Ganze Klüglich in sein erstes Paar,
Und bemerkte, daß es eben Viermal drin vorhanden war.
Und nun teilte ich das Ganze,
Das nur die Charade ist,
In zwei Teile, deren jeder Grad ein ganzes Wort verschließt.
Mutmaßliches Wetter am 12. u. 13. August.
1 Nachdruck verboten.!
Der letzte Luftwirbel ist nunmehr an der Weser- und Elbmündung angelangt, aber auf 755 mw abgeflacht worden, da in Jrlanv und Westfrankreich, sowie in Spanien der Hochdruck neuerdings auf 785 mm gestiegen ist. Die ältere Depression von gleichfalls 7S5 wm liegt über Mittel- und Nordskandinavien. In Italien, ferner in Galizien, Rumänien und Südrußland liegt ein Hochdruck von 765 mm. Bei nur ganz vereinzelter Gewitterneigung ist für Sonntag und Montag forlge, setzt größtenteils trockenes und auch vorwiegend heiteres Wetter zu erwarten.
Telegramme.
Berlin, 10. Aug. Der „Reichsanzeiger' veröffentlicht eine Bekanntmachung betr. das Verbot der Ausfuhr von Waffen und Kriegsmaterial nach China und nach europäischen Niederlassungen an der chinesischen Küste sowie nach China benachbarten Hafenplätzen.
Berlin, 10. August. Die Abendblätter melden: Zum Chef des Stabes des Grafen v. Waldersee ist der Kommandeur der ersten ostasiatischen Brigade, Generalmajor vr. jur. v. Groß gen. Schwarzhoff, ernannt worden.
Prätoria, 10. Aug. Nach der „Daily Mail" ist hier eine Verschwörung entdeckt worden, die den Zweck hatte, alle englischen Offiziere in Prätoria zu erschießen und Lord Roberts gefangen zu nehmen. — lieber diese Verschwörung wird dem Reuter scheu Bureau gemeldet: Eine Anzahl hiesiger Einwohner, die mit dem Feinde in Verkehr standen, trafen am 7. August, abends, Anstalten, um die Ermordung aller in der Stadt wohnenden englischen Offiziere und die Wegführung Lord Roberts zum nächsten Burenkommando auszuführen. Die Verschwörung wurde erst im letzten Augenblick entdeckt, 10 Verschwörer sind verhaftet; die Verschwörer wollten während einer durch Brandstiftung hervorgerufenen Verwirrung die That aussühre«.
Tschifu, 10. August. „Daily Expreß meldet, die Verbündeten marschierten am Montag früh auf Dangtsun, das von 15000 Chinesen gehalten wurde. Nach 4 stündigem heftigem Kampfe wurden die Chinesen zurückgeworfen. Die Verbündeten hatten 322 Tote und Verwundete.
Mit einer Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von T. Meetz in Neuenbürg.