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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Herren alb, 10. August. Der für Ende August hier in Aussicht genommene Bezirkskriegertag wird auf Wunsch hiesiger Kreise erst im Monat September stattfinden.
Birkenfeld, 10. Aug. Unter den auf dem Wege nach China befindlichen Mannschaften des deutschen Expeditionskorps befindet sich auch ein hiesiger, nämlich Hermann Göhner, Sohn des Oberlehrers G. Derselbe diente bis vor Kurzem im Pionier-Bataillon Nr. 13 in Ulm. Nach den Mitteilungen eines Kameraden, wurde er, der ein „guter Soldat" war, bei seiner Meldung als Freiwilliger nach China zum Unteroffizier befördert. Es war eine schöne Abschiedsfeier der Kameraden, so schreibt einer der zurückgebliebenen Kameraden, eine große Zahl Offiziere war anwesend, um dem Scheidenden ein letztes Lebewohl zu sagen. Die fortgezogenen China- Freiwilligen, die sich jetzt aus hoher See befinden, versäumten nicht, sich noch photographisch ab- uehmen zu lassen, und so war der treue Kamerad in der Lage ein gelungenes Portrait des hochgewachsenen, strammen und mutigen Mannes, des jungen, schmucken Unteroffiziers, in dessen Auftrag den erfreuten Eltern zu überschickeu. Hoffentlich ist es ihm beschieden, nach glücklichem Verlauf des großen Unternehmens in dem fernen China sich wohlbehalten wieder im Elternhaus einfinden zu dürfen.
Ottenhausen, 8. Aug. Nach dem „Pf. St. L." bemächtigte sich heute nachmittag um 3 Uhr eine große Erregung der Einwohner Ottenhausens. Es wurde der Bäckermeister W. Wolfinger vom Feldrennacher Landjäger wegen Sittlichkeitsvergehen, begangen an der 13jähr. Tochter des Schmieds G.. verhaftet und in das Amtsgefängnis geliefert.
Folg. Eingesandt aus der Sommerfrische geht dem „Schw. M." zu: Immer mehr schlängelt sich die Eisenbahn auch in die engen Thäler des Schwarzwaldes hinein, und immer mehr wird der allerdings wenig bequeme Postwagen zurückgedrängt, und wo er noch fährt, ist er ost wenig oder gar nicht besetzt. Dies könnte anders sein, wenn auf die Bedürfnisse der so zahlreichen Sommerfrischler hie und da mehr Rücksicht genommen würde. Wer z. B. von Wildbad aus einen Ausflug nach Enzklösterle machen oder über Besenfeld ins Murgthal reisen will, kann den Postwagen nicht benutzen, weil er abends statt morgens geht. Ganz besonders ungeschickt ist die Postwagenfahrt zwischen Herrenalb und Höfen eingerichtet. Wer nach Herrenalb reisen will, kann den Postwagen oft nicht benutzen, weil dieser schon 9 Uhr 45 Min. morgens in Höfen abgeht und man zu so früher Zeit in der Regel noch nicht in Höfen angekommen ist. Wer von Herrenalb nach Hause reist, kann den Postwagen in vielen Fällen wieder nicht benutzen, weil er in Herrenalb zu spät, nämlich 2 Uhr 45 Minuten, abgeht. Aus eben diesen Gründen kann man die Post auch nicht benutzen, wenn man von Herrenalb aus einen Ausflug nach Dobel oder Wildbad machen will. Der Postwagen dient aber auch nicht einmal den Bedürfnissen der eingesessenen Herrenalber. Wenn sie in ihrer Oberamtsstadt Neuenbürg etwas zu schaffen haben, können sie von dem Postwagen keinen Gebrauch machen, wiederum, weil er erst Nachmittags von Herrenalb abgeht. Alles das weist darauf hin, daß ein Postwagen morgens von Herrenalb nach Höfen und abends von von da nach Herrenalb gehen sollte. Dies würde den Fremden wie den Einheimischen gleichermaßen dienlich sein. (Dem Uebelstand kann nur durch Wiedereinführung eines zweiten Postwagens Neuenbürg - Herrenalb abgeholfen werden.)
Pforzheim. Wegen Beleidigung einer Telephonistin erhielt der Bijouteriehändler Adolf Gold da um hier eine Geldstrafe von 20 ^ Goldbaum hatte einer Telephonistin des Postamtes Pforzheim, weil er nicht verbunden worden war, nachdem er sich angemeldet hatte, zugerufen: „Fräulein schlafen Sie!" Diese Liebenswürdigkeit
kostet ihn nun 20 und außerdem hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Neuenbürg, 11. Aug. Auf den hiesigen Schweinemarkt wurden 40 St. Milchschweine zugeführt und das Paar zu 12—18 verkauft.
Deutsches Weich.
Deutscher Oberbefehl in China.
Durch ein zur rechten Zeit gekommenes persönliches Eingreifen Kaiser Wilhelms ist die Frage des Oberbefehls über die auf chinesischem Boden stehenden Streitkräfte der Mächte in Erfolg verheißender Weise gelöst worden. Der Mangel an einer einheitlichen Leitung der Operationen hatte sich schon wiederholt als störend erwiesen. Namentlich aber waren, als die Verhandlungen der in China kommandierenden Offiziere über die Wahl eines Oberbefehlshabers aus ihrer eigenen Mitte sich zerschlagen hatten, die Hoffnungen der Chinesen auf ein Erlahmen oder gar eine gänzliche Einstellung des militärischen Gesamtvorgehens der Mächte neu belebt worden. Die Gefahr einer Versumpfung des ganzen Unternehmens erschien nicht ausgeschlossen, als Kaiser Wilhelm eingriff und den Generalfeldmarschall Grafen Waldersee für den Posten eines Oberbefehlshabers über die verbündeten Truppen ins Auge faßte. Die mit dankenswerter Bereitwilligkeit erfolgte Zustimmung Rußlands wird auf einen sehr herzlichen unmittelbaren Meinungsaustausch zwischen den Kaisern Wilhelm und Nikolaus zurückgeführt. Gleichzeitig wirkte im Aufträge seines Monarchen Graf Bülow auf diplomatischem Gebiete für eine allseitige Annahme des deutschen Vorschlages.
Graf Waldersee ist dem Patent nach der jüngste preußische Feldmarschall, steht aber bereits im 69. Lebensjahr. Er sieht übrigens noch bedeutend jünger aus und ist körperlich noch so frisch, daß er es im Sattel mit dem jüngsten Offizier aufnimmt.
Graf Waldersee war schon lange im Falle eines Krieges als Oberkommandeur einer Armee ausersehen und hatte bereits bei Beginn der chinesischen Wirren seine Person für ein Kommando im fernen Osten dem Kaiser zur Verfügung gestellt: er war indessen mit Lank ab- schläglich beschieden worden, da die Zahl der damals in China vorhandenen deutschen Truppen zu gering war, um an ihre Spitze einen so hohen Offizier stellen zu können. Nun aber haben sich die Verhältnisse bedeutend geändert: Ein großes deutsches Expeditionskorps ist unterwegs, weitere Verstärkungen werden vorbereitet, und Deutschland stellt somit ein so bedeutendes Kontingent zu den Verbündeten Truppen, daß ihm Wohl der Oberbefehl übertragen werden kann. Dazu kommt, daß Graf Waldersee nicht nur ein guter Heerführer ist, sondern auch als Politiker und Diplomat nebenbei schon thätig war. Ueberraschend ist die schnelle Zustimmung -der anderen Mächte zur Uebertragung des Oberkommandos an den Grafen Waldersee gekommen.
Den Chinesen wird hoffentlich recht bald fühlbar gemacht werden, daß ihre Hoffnungen auf eine Veruneinigung der Mächte durch die Frage des Oberbefehls hinfällig sind.
Berlin, 10. Aug. Prinz Heinrich von Preußen übergab dem Papste gestern ein eigenhändiges Schreiben Kaiser Wilhelms, welches sich vermutlich auf die Vorgänge in China bezog. Die Unterredung dauerte 25 Minuten. Der Papst drückte seinen tiefen Schmerz über die Ermordung König Humberts aus. Nach dem Besuche beim Papste stattete Prinz Heinrich der Königin-Witwe Margherita einen Besuch ab. Kardinal Rampolla besuchte den Prinzen nachher im Quirinal. Der Prinz reiste nachts nach Deutschland zurück.
Die militärischen Maßnahmen Deutschlands anläßlich des chinesischen Feldzuges sind noch keineswegs abgeschlossen. Bereits sind Vorbereitungen im Gange, um dem nach China abgegangenen Expeditionskorps ein Ersatzkorps Nachfolgen zu lassen, zu welchem nicht nur wieder Freiwillige des aktiven Heeres, sondern auch solche des Beurlaubtenstandes herangezogen werden sollen.
Berlin, 8. Aug. Die Tropen-Ausrüstuna die sich Graf Waldersee bestellt hat, ist bereits fertig in einem hiesigen großen Geschäft ausgestellt. Sie besteht nach dem Berliner „Lokalanz." aus einem geräumigen Zelte, einem eisernen Feldbette mit Gestell für das Moskitonetz, einem großen Feldstuhl, der ebenfalls mit einem Moskitonetze versehen werden kann, zusammmen- legbarem Waschgeschirr, Koch-Utensilien, Laterne Eß- und Trinkgerälen u. s. w. Sehr interessant ist ein kleiner Filtrirapparat in Taschenformat den man überall mit hinnehmen kann und der in den Sümpfen Chinas sicherlich vorzügliche Dienste leisten wird. Er ist aus Hartgummi hergestellt. Der Boden ist siebartig durchlöchert.
In dem Apparat befindet sich ein auf künstlichem Wege hergestellter Stein, der in einem Saugapparat eingelassen ist. Man braucht also den Apparat nur in das Wasser zu senken und dann zu saugen, um stets reines Wasser zu erhalten. Sehr Praktisch sind auch die Wickelgamaschen aus einer Art Lodenstoff, die sich in Süd-Afrika sehr gut bewährt haben. Zum Schutze gegen die Moskitos dient ein Kopsnetz, das auf einem auf den Schultern ruhenden Gestell befestigt ist.
Die ganzen Utensilien sind aus Metall oder Hartgummi angefertigt.
Berlin, 6. August. Der schöne Erfolg, den die deutsche Technik und Industrie aus der Pariser Ausstellung errungen haben, wird jetzt auch im Auslande anerkannt und es muß uns angenehm berühren, wenn auch unsere großen Mitbewerber, die Amerikaner, dies zugestehen. Charakteristisch hierfür ist eine Veröffentlichung „Lleetrial Yorick auä blngiiwer" über die Siemens u. Halske-Ausstellung auf der Pariser Weltausstellung, die mit den Worten beginnt: „Zweifellos hat in Paris auf dem Gebiere der Starkstrom- Technik Deutschland, dessen Generatoren einen Riejenanteil im fremdländischen Teil der Kraft- station entnehmen, am besten abgeschuitten." Die Anerkennung selbst ist unseren Konkurrenten jenseits des Ozeans gewiß nicht allzu leicht geworden.
Sie zeigt, daß die deutsche eleltro-technische Industrie es verstanden hat, sich die Vorteile der Massenfabrikation und des Präcisions-Maschinenbaues, deren Vereinigung das große Verdienst der amerikanischen Elektrotechniker und Maschinenbauer ist, nutzbar zu machen, ohne die wissenschaftliche Seite zu vernachlässigen.
Berlin, 7. Aug. Ein erschütternder Vorfall trug sich am Sonntag am Schluß des Gottesdienstes in der Parochialkirche in der ^ Klosterstraße zu. Bereits begannen die An- - dächligen das Gotteshaus zu verlassen, als Herr j A. Heldt, der Vater des amtierenden Geistlichen, s der soeben von seinem Sohn das Abendmahl empfangen hatte, bei den Textworten des Gesanges: „Und wenn ich einst erkalte, in dir mein Ende sei," leblos niedersank. Ein Herzschlag hatte dem Leben des Greises ein Ziel gesetzt.
Kassel, 9. Aug. Gestern Abend trafen in Wilhelmshöhe die von Leutnant Boselli geführten italienischen Lanzenreiter ein. Der kommandierende General und zahlreiche Offiziere waren ihnen entgegengeritten. Das Kaiserpaar erwartete an der Schlößrampe die Ankömmlinge, die im Galopp aufritten und salutierten. Leutnant Boselli überreichte dem Kaiser ein Hand- j
schreiben des verewigten Königs Humbert. Der >
-Ritt hat mit Einrechnung des Aufenthalts in München 29 Tage gedauert. Täglich sind 70 bis 80 Kilometer, insgesamt 2400 Kilometer, zurückgelegt worden. Die Pferde sind in guter Verfassung. j
In Hamburg ist an einem in der Epidemie- abteilvng des Eppendorfer Krankenhauses untergebrachten Schtffssteward, namens Rauhut, die P e st konstatiert worden. Beruhigend wird jedoch gemeldet, daß das Befinden des Kranken befriedigend sei, und daß auch die mit ihm in Berührung gekommenen und ärztlich beobachteten Personen sich Wohl befänden, man habe Grund zur Annahme, daß dieser Fall vereinzelt bleiben werde. Hoffentlich ist diese optimistische Auffassung gerechtfertigt!
Die türkische Regierung bestellte 258 Marinegeschütze bei Krupp in Essen. Krupp siegte trotz scharfer Konkurrenz.