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Ich fürchte, es giebt eine solche Person/ sagte sie endlich.

Und warum nannten Sie diese nicht?"

"Weil ich darüber schweigen muß."

Man zwingt Sie zu diesem Schweigen?"

Nein, ich erlege es mir selbst auf."

Sie kennen also den Mörder," begann Gerth nach einer kurzen Pause wieder,und wollen lieber Ihr Leben an diesem traurigen Ort verbringen, hier Ihre Jugend vergraben, als ihn nennen?"

Nein, ich kenne den Mörder nicht," ant­wortete das Mädchen.Es wäre allerdings ein seltsamer Zufall, wenn der Mord unabhängig von jener Person geschehen wäre; wer aber die That vollbrachte, darüber habe ich nicht die leiseste Vermutung."

Die Aerzte der Anstalt durften nicht länger bei den einzelnen Kranken verweilen, als unbe­dingt nötig war. Gerths Zeit war um. Niemand durfte merken oder auch nur ahnen, daß ihm die Bewohnerin dieser Zelle etwas anderes als eine schwere Epileptikerin sei.

Möge Ihnen der Gedanke einigen Trost bringen," sagte er beim Gehen,daß Sie in mir einen Freund besitzen, einen zuverlässigen, mit­fühlenden Freund, der Ihnen Ihre Lage zu er­leichtern suchen wird, so viel in seinen Kräften steht. Bei der eisernen Hausordnung, die hier herrscht, werden diese Dienste leider nur gering sein können."

Als er draußen stand, stieß er einen tiefen Seufzer aus. Im Leben dieser Unglücklichen gab es irgend ein Geheimnis, welches sie fest in ihrer Brust verschloß. Sie stand unter einem Banne, von welchem sie selbst sich nicht befreien konnte. Ward vielleicht mit der Ergründung jenes Ge­heimnisses der Bann gelöst? Der junge Arzt sah sich vor einem toten Punkte angelangt, über welchen hinauszukommen es nur ein einziges Mittel gab: die Entdeckung des Mördes.

(Fortsetzung folgt).

Motorenbenutzung in der deutschen Industrie. Die gewerbliche Verwendung motor­ischer Kraft ist fortwährend im Zunehmen be­griffen. In der deutschen Industrie hat sich die Zahl der Betriebe, welche Motoren benutzen, seit 1875 um ungefähr das Siebenfache, die Zahl der effektiven Pferdestärken, welche die Leistung der benutzten Motoren darstellen, um das Drei- bis Vierfache vermehrt. Bei der 1895er Gewerbe­zählung im deutschen Reiche wurden insgesamt als Kraftleistung der im Gewerbe verwendeten Motoren, unter der Annahme regelmäßigen Be­triebs, 3 421 194 Pferdestärken festgestellt. Die nachgewiesenen rund 3,4 Millionen Pferdekräfte stellen nur die wirkliche Leistung der im Gewerbe verwendeten Motoren, nicht etwa deren mögliche Leistungsfähigkeit (die sogenannten indicierten Pferdekräfte) dar. Die letztere würde natürlich noch viel größer erscheinen, indem die Kraft der Maschine nie voll ausgenutzt werden kann. Welch immense Arbeitsleistung aber bereits durch die ermittelten 3,4 Millionen Pferdestärken ver­richtet wird, läßt sich, wie das kaiserliche Statistische Amt mitteilt, einigermaßen erkennen, wenn man, in etwas roher Schätzung, die mechanische, nicht ermüdende Pferdestärke gleich der von drei lebendigen Pferden und die Muskelkraft eines Pferdes gleich der von acht Männern setzt. Alsdann repräsentieren die 3,4 Millionen im deutschen Gewerbe verwendeten Pferdestärken die Arbeit von 82108656 Personen, rechnet man zu dieser Zahl noch die wirklich im Gewerbe thätigen 10269269 Personen, so ergiebt sich, daß, wenn das Gewerbe ausschließlich mit mensch­licher Kraft betrieben werden könnte und sollte, nicht weniger als 92377 925 arbeitsfähige Menschen hierzu erforderlich wären. Heute dürfte diese Zahl auf erheblich über 100 Millionen gestiegen sein. Zu berücksichtigen ist hierbei, daß die 3,4 Millionen Pferdekräfte nicht die ge­samte, in Deutschland verwendete motorische Kraft darstellen, sondern nur die motorische Kraft von solchen Betrieben, welche in den Bereich der 1895er Gewerbezählung fielen. Es fehlt also namentlich die in der Landwirtschaft, sowie im Eisenbahnbetrieb und anderen öffentlichen, nicht

gewerbsmäßig betriebenen Anstalten benutzte Kraft; außerdem fehlen die Pferdestärken für die deutschen Kauffahrteidampfer-, die Fluß-, Haff- und Küsten­dampfer, sowie für viele Zentralanlagen, welche eine Reihe verschiedener Betriebe mit Kraft ver­sorgen. Im Jahre 1895 waren auf den deutschen Eisenbahnen 16377 Lokomotiven im Betriebe, welche zusammen etwa 7 288650 Pferdestärken repräsentieren. (Deutsche Metallindustrie-Ztg.")

Paris, 26. Juni. Ein reicherAmeri- kaner, Stephen S. Marchand hat sich in Paris ein Schlafzimmer im Stile Ludwigs XVI. bestellt, welches die Kleinigkeit von 4 882 200 Franken kostet. Das Bett allein, an das zwei und ein halbes Jahr verwendet wurde, wird ans andert­halb Millonen geschätzt. Es ist aus massivem Ebenholz, mit Gold und Elfenbein eingelegt. Die Stühle aus gleicher Arbeit kosten 2 500000 Fr. die Kamingarnitur 100 000 Franken, der Toiletten­tisch 200000 und der Nachttisch 75000 Franken. Die Gardinen wurden in Lyon verfertigt, zu 300 Franken der Meter, und dem entspricht der Preis des Bodenteppichs. So melden die französischen Blätter. Gejehen haben wir weder den Amerikaner, noch sein Schlafzimmer.

Aus Steiermark, 3. Juli. Wir lesen in denMünch. N. Nachr.": In Mürzzuschlag verstarb im Alter von 83 Jahren der Kriegs­veteran Franz Zwungsleitner. Während des Winters schon sagte er, daß er nicht mehr lange leben werde. Sein Hauptmann tröstete ihn und sagte ihm Scherze, dann solle er sich aber 14 Tage vor dem Tode bei ihm dem Vorstande des Kriegervereins, dem er angehörte melden. Vor knapp 14 Tagen erschien nun der alte Krieger in großer Uniform beim Hauptmann und meldete sich zum Sterben. 14 Tage darauf, grade jetzt, während in Wien die Veteranen dem Kaiser huldigten, ist er nach kurzem Siechtum gestorben.

(Made der Birntrauermücke.) Es zeigt sich, daß unsere Birnbäume vielfach von der Made der Birntrauermücke heimgesucht werden, und die Folge davon ist, daß die kleinen in der Entwicklung begriffenen Birnchen abfallen oder, gleichwie die Blätter, vom Birnschorfpilze befallen werden. Zur Bekämpfung dieser Schädlinge empfiehlt sich bei eintretender trockener Witterung ein Bespritzen der Bäume mit Kupfer­kalkbrühe.

(Beim Reckturnen.jMüller, was sind Sie von Beruf? Müller:Schneider."Und Sie Lehmann?"Lehmann:Photograph." Na, Müller, dann vergesfen Sie mal jetzt Ihre Anzüge, und Sie, Lehmann, Ihre Ab­züge und versuchen Sie Beide einen guten A uf- zug machen."

(Seine Auffassung.)Denk', Isidor, der Kassierer von Meyer u. Co. ist verschwunden und hat die Kasse nicht angerückt."Gott, was'n vergeßlicher Mensch!"

(Benutzte Gelegenheit.) Junger Ehemann: Käthchen, Du bist das Licht im Dunkel meines Daseins." Junge Frau:Dann mußt Du mich auch gehörig putzen!"

(Weibliche Bosheit.)Du, weißt Du schon, daß die Emmy der Heilsarmee beigetreten ist?" Ja, sie hofft da eher eine Gefreite zu werden.""

Mutmaßliches Wetter am 8. und 9. Juli.

«Nachdruck verboten.'!

Der Hochdruck von 770 inm aus dem atlantischen Ozean dringt langsam ostwärts vor und beherrscht ganz Großbritannien. Frankreich und Süddeutschland, während über Südschweden noch em Luftwirbel von 750 mm über dem südlichen Norwegen, Dänemark, der unteren Ostsee, Ost- und Westpreußen, Russisch.Polen und der westlichen Hälfte von Ungarn, serner über Dalmatien und ganz Italien eine Depression von 755 mm sich noch behauptet. Die Auflösung dieser Depression kann begreiflicherweise nicht sehr rasch erfolgen, wes- halb für Dienstag und Mittwoch noch immer mehrfach bewölktes, jedoch nur zu wenig oder keinen Nieder­schlägen mehr geneigtes Wetter in Aussicht zu nehmen ist.

Telegramme.

Kiel, 7. Juli. Der Kaiser arbeitete gestern mit dem Vertreter des Auswärtigen Amts und erledigte später Regierungsgeschäfte. Heute früh wurde auf derHohenzollern" Gottesdienst abgehalten, worauf der Kaiser die Besatzung der Hohenzollern besichtigte. Mittags begab sich der Kaiser auf das FlaggschiffKurfürst Friedrich Wilhelm."

Berlin, 9. Juli. Staatssekretär v. Bülow reistx nach Kiel ab zum Vortrag beim Kaiser.

Paris, 8. Juli. Der deutsche Botschafter - Fürst Münster ist zu wöchentlichem Kurgebrauch s nach Wildbad abgereist.

Berlin, 9. Juli. Der Kaiser erhielt folgendes Telegramm aus Tsingtau: Auf die Bekanntgabe des Telegramms Sr. Majestät ant­wortet der Gouverneur Schantungs: Bon jeher war ich in größter Sorge wegen der in Peking eingeschlossenen Europäer und versuchte wieder­holt, Kundschafter zu schicken und Hilfe zu bringen, aber vergeblich. Es sind jetzt alle Wege nach Peking voll Rebellen und alle Maßnahmen bieten daher noch weniger Aussicht auf Erfolg. Trotz­dem werde ich es für meine Pflicht halten, mein Aeußerstes zu thun, um Hilfe zu bringen Duanschikai.

Shanghai, 9. Juli. Der ostasiatische Lloyd meldet unterm 6. ds., der Gouverneur Shantungs, Iuenschikai, habe von dem Prinzen Tuan den Befehl erhalten, mit 18000 Mann geübter Truppen auf Nanking zu marschieren, doch sei, wie aus gutinformierter Quelle ver­lautet, dem Befehl nicht Folge geleistet worden, Nanking fei ungefährdet, wenn der Vizekönig von Nanking, Liu, sich entschließe, dem Vorrücken gegen seine Stadt Widerstand entgegenzusetzen. Seine Streitmacht auf dem Jangthe betrage IS Kriegsschiffe. Alles hänge von dem Verhalten des Vizekönigs von Nanking ab.

Berlin, 8. Juli. Der deutsche Konsul in Shanghai meldet, ein Telegramm des Gouverneurs von Shantung besage die Be­schießung der beiden noch bestehenden Gesandt­schaften ließ am 3. Juli infolge starker Verluste der Angreifer nach, sodaß die Lage der Ein- geschlossenen nicht hoffnungslos ist, falls sie noch Munition und Lebensmittel haben.

London, 8. Juli. Das Reutersche Bureau meldet aus Shanghai vom 7. ds.: Nach amt­lichen Konsularberichten waren die Gesandtschaften am 4. Juli unversehrt. Die Chinesen stellten den Angriff ein, so daß nur noch die Befürchtung herrscht, es fehle den Eingeschlosfenen an Nahrung,

Brüssel, 8. Juli. Meldung der Agentur Havas-Reuter. Ein aus Shanghai vom 7. Juli eingegangene Depesche meldet: Nach Angabe eines hohen chinesischen Beamten waren die europäischen Diplomaten in Peking am 2. Juli noch wohl­behalten. Ein Teil der Truppen unter dem Befehl des Prinzen Tsching hätte sich den Boxern nicht angeschlosfen, vielmehr die Aufrührer ange­griffen. Der Gouverneur von Shangtung ver­weigert dem Prinzen Tuan, der ihm befahl, sich der Stadt Nanking zu bemächtigen, den Gehor­sam. Ein Shangaier chinesisches Journal be­stätige, daß Prinz Tsching in Peking eine Gegen- Revolution unternommen habe.

Hongkong, 9. Juli. Das Reutersche Bureau meldet vom 7. ds.: Kanton ist voll­ständig ruhig. Die Chinesen erklären einhellig, es werde zu keinen Unruhen kommen, falls Li-Hung-Tschang in Kanton bleibe.

Gnzthäler-

Abonnemeuts

für das III. Quartal 1900

werden noch von allen Poststellen und Postbote» entgegengenommen. In Neuenbürg abonniert man bei der Expedition. Wir bitten davon recht zahlreich Gebrauch zu machen.

Red. rmd Verlag des Enzthälers.

Redaktion, Druck und Verlag von E. Me eh in Neuenbürg.