soll aber auch der ganzen Welt gegenüber als ein Zeugnis deutschen Unternehmungsgeistes, deutscher Technik, deutschen Gewerbs u. deutscher Kunst dastehen und, wie schon sein Name sagt, allezeit Deutschland jenseits der Meere würdig repräsentieren. Möge diesem Plan volles Ge­lingen beschieden sein.

Württemberg.

Das diesjährige Manöverprogramm für das württembergische (XIII.) Armeekorps wird imStaatsanzeiger" bekannt gegeben. Die Korpsmanöver finden nach den getroffenen Be­stimmungen vom 20. bis 22. September in dem Gelände bei Crallsheim statt; am Schlußtage (22.) ist Manöver gegen den markierten Feind. Die Divisionsmanöver werden vom 14. bis 19. Septbr. abgehalten; die 26. Division hält Manöver ab bei Kupferzell, die 27. bei Hall und Gerabronn.

Ulm, 7. Juli. Auf die vorgestern an die hiesigen Truppenteile ergangene Aufforderung haben sich zahlreiche Freiwillige nach China gemeldet, z. B. vom Ulanen-Regiment Nr. 19 2 Offiziere. 10 Unteroffiziere und 43 Mann; von dem Pionierbataillon Nr. 13 5 Offiziere und 50 Mann.

Friedrichshafen, 7. Juli. Gras Zep­pelin hat sich befreundeten Kreisen gegenüber eäußert, daß sein Fahrzeug nach einigen Ver­esterungen zur Lenkung brauchbar werde. Die erste wirkliche Fahrt ist nach Meersburg, von da nach Lindau und von dort nach Konstanz und zurück geplant. Zeppelin bedauert, daß das Magnalium, eine Legierung von Magnesium und Aluminium, welches viel billiger, leichter und widerstandsfähiger ist, beim Beginn des Ballon­baus noch nicht bekannt war. Die letzten Ballon- steigversuche kosteten nicht weniger als 30 000 -/ti, allerdings glaubhaft, wenn man bedenkt, daß nur 11500 ebm Gas (allein 10000 ^E) die Extraschiffe und Hilfsmanttschaften, die Inan­spruchnahme der Lüftschifferkommandos rc. kosten. Die französischen Offiziere, die hierher beordert waren, äußerten sich dahin, daß der Zeppelin'sche Luftschiffaufstieg ihnen interessanter sei, als die ganze Pariser Weltausstellung.

Lorch, 8. Juli. Gestern abend zu später Stunde wurde Fräulein Rösle Kolb, Tochter des früheren Oberamtsdieners Kolb, jetzt in Weiler wohnhaft, auf der Straße von Waldhausen nach Lorch von einem unbekannten Italiener ange­fallen und mit Gewalt in einen nahen Kornacker gerissen. Dabei wurden ihr die Kleider vom Leibe geschnitten und sie selbst vollständig aus­geraubt. Der Unhold versetzte dem Mädchen mehrere lebensgefährliche Stiche mit einem Messer. Erst spät abends fand das Mädchen ein Mann der nach Lorch zurückkehrte, in ihrem Blute lieg­end und brachte sie nach Lorch. Der Thiiter ist ca. 40 Jahre alt, trägt schwarzen Schnurr- und kleinen Backenbart. Es wird eifrig nach ihm gefahndet und jedermann wird ersucht, zur Fest­nahme desselben zweckdienliche Anzeigen rasch­möglichst dem nächsten Landjäger oder dem Amtsgericht Schorndorf zukommen zu lassen.

Anstand.

Die Unentschlossenheit und Uneinigkeit der Mächte, die Eifersucht Rußlands, welches die Landung größerer japanischer Truppenmassen mcht zugeben wollte, haben die Rettung der in Peking bedrängten Europäer verhindert und sie einem grausamen Schicksal ausgeliefert. Die 20000 Mann in Peking sind kaum im stände, sich ihrer Haut zu wehren, und werden vermut- «ch den Rückmarsch zur Küste antreten müssen. Die Gemeinsamkeit der Kulturinteressen hat die probe noch schlechter bestanden als im türkischen Orient, und vermutlich hat dieses Schwanken eins der entsetzlichsten Blutbäder herbeigeführt, welches die Geschichte kennt die Abschlachtung einer Mzen Fremdenkolonie in einer halbbarbarischen «tadt. Selbst die Läusernachrichten von Sir Robert Hart bleiben jetzt aus, und alle sonst vorliegenden Privatmeldungen berichten von werteren Metzeleien in Peking, ja, von der Er­mordung und Hinrichtung aller noch übrigen gremden. Das wäre vom chinesischen Stand­punkte begreiflich, denn den gelben Teufeln muß

daran gelegen sein, auch die letzten Zeugen ihrer unmenschlichen Schreckensthaten aus dem Wege zu schaffen.

London, 7. Juli. Die Abendblätter ver­öffentlichen eine Nachricht aus Shanghai vom 6. Juli, die Niedermetzlung der Gesandten in Peking, der Frauen und der Kinder der europäischen Wachen nach 18tägigem Widerstand bestätigt. Als Munition und Lebensmittel er­schöpft waren, drangen die Chinesen ein und töteten die am Leben gebliebenen: sodann steckten sie das Gesandschaftsgebäude in Brand und ver­brannten die Verwundeten und die Toten. Vom Prinzen Tuan wurden selbst gegen Chinesen erschreckliche Grausamkeiten verübt: Er ließ 4000 angesehene chinesische Bürger töten, weil sie es wagten, ihn zu bitten, dem Blutbad Einhalt zu thun.

Brüssel, 6. Juli. Nach hier eingetroffenen Privatnachrichten ist der belgische Gesandte in Peking von chinesischen Soldaten geköpft worden.

Nach den neuesten Nachrichten aus China besteht die Hoffnung, daß die Gesandtschaften in Peking doch nicht alle zerstört sind und die be­wohnenden Europäer sich doch noch zu halten vermögen. Damit würden die Befürchtungen der letzten Tage im wesentlichen hinfällig.

London, 6. Juli. Gerüchtweise verlautet hier, daß es den Buren gelungen sei, den General Rundle mit mehreren Offizieren in der Nähe von Pretoria gefangen zu nehmen. Die Be­stätigung bleibt abzuwarten.

Kapstadt, 7. Juli. Londoner Blätter melden, daß der Burenkommandant de Wet 12000 Mann zur Verfügung habe, diebis zum Aeußersten zu kämpfen bereit" sind.

Das deutsche Sängerfest in Brooklyn hat unter ungeheurem Andrange des Publikums seinen Anfang genommen. 8000 Zuhörer be­reiteten den 4500 Sängern stürmische Ovationen. Der deutsche Botschafter v. Holleben überreichte den vom Kaiser gestifteten Ehren-Preis, wonach an den Kaiser ein Huldigungs-Telegramm ab­gesandt wurde.

Anteryatteuder Heil.

Die Irre von Sankt Rochus.

Kriminalroman von Gustav Höcker.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.'»

Der Trauerfall, der den Arzt betroffen, und die Abspannung, welche die Erfüllung der ihm dadurch auferlegten Pflichten nach sich zog, hatten in ihm die Erinnerung an jene Begegnung auf der Bahnstation zurückgedrängt. Jetzt trat ihm die Fremde mit dem ganzen Zauber ihrer Per­sönlichkeit wieder entgegen. Seine Befürchtung, sie hier wiederzusehen, hatte sich bewahrheitet. Er glaubte sie unter dem Drucke einer still zehrenden Schwermut, welche die aufmerksamste Pflege, die schonendste Fernhaltung von aller Aufregung der Nerven nötig machte, und nun fand er sie in dieser Gesellschaft, in der tiefsten Klasse, unter den freundlos Verlassenen, den längst Aufgegebenen, wo es zwischen seelischer Entartung und Verbrechen keinen Unterschied mehr gab!

Er konnte die Lösung dieses Rätsels kaum erwarten und begab sich zum Direktor der An­stalt. Dieser kam seiner Frage entgegen, denn er empfing ihn mit den Worten:Wir haben während Ihrer Abwesenheit die uns angekündigte Patientin bekommen."

Angekündigt?" frug Doktor Gerth, der sich nicht gleich erinnern konnte.

Oder sagen wir: uns überwiesen durch die Staatsanwaltschaft und überbracht durch einen Kriminalbeamten in Zivil."

Und wer ist das junge schöne Mädchen, das ich soeben im Hofe der vierten Abteilung sah?" frag Gerth.

Das ist sie ja eben," erwiderte der Direktor. Sie scheinen zu zweifeln? Nun, es erging mir fast ebenso; denn was auch die Zeitungen über ihre äußere Erscheinung schrieben, so einnehmend hätte ich mir diese Konstanze Herbronn d«nn doch nicht vorgestellt."

Konstanze Herbronn!" wiederholte Gerth wie vernichtet. Er brauchte nicht mehr zu hören.

Der Name hatte ihm alles gesagt; denn er kannte den Mordprozeß aus der Zeitung. Es wäre übel angebracht gewesen, hätte er sich hier seinen Empfindungen ganz hingeben wollen. Dennoch sagte er:In mir sträubt sich jede Fiber, an die Schuld dieses jungen Mädchens zu glauben."

Der Direktor zuckte die Achsel.Es ist ein pathologischer Fall, etwas Lügen- nnd Ver­stellungskunst vielleicht abgerechnet."

Im Laufe des Tages machte Doktor Gerth der neuen Patientin seinen ersten Besuch. Man hatte ihr eine besondere Zelle angewiesen, doch nur für die erste Zeit; später sollte sie anderen Leidensgenossinen zugesellt werden. Ob sie es als eine Vergünstigung betrachtet haben würde, daß sie nicht Tag und Nacht die Gemeinschaft Verrückter teilen mußte, erscheint zweifelhaft, wenn sie gewußt hätte, daß diese Zelle der Schauplatz eines gräßlichen Mordes gewesen war, indem eine frühere Bewohnerin derselben eine Wärterin hier erwürgt hatte.

Als Konstanze den jungen Arzt eintreten sah, schlug sie die kleinen weißen Hände vors Gesicht. Mit dumpfer Gleichgiltigkeit hatte sie vorher die anderen Doktoren empfangen; sie wußten ja bereits, daß sie es mit einer Mörderin, mit einer Irrsinnigen zu thun hatten; seit ihrer Verhaftung war Konstanze es gewohnt, dafür gehalten zu werden. Aber daß sie diesen Mann, welcher ihr das tiefe Leid aus dem Gesicht ab­gelesen und, wie sie wohl bemerkt, ihr eine warme Teilnahme geschenkt hatte, nun an diesem Orte wieder treffen mußte, erschien ihr, wie das Walten eines höhnischen Schicksals, und sie kam sich wie eine Entlarvte vor.

Doktor Gerths freundlicher Zuspruch, das feine Taktgefühl, welches er dabei bekundete, in­dem er nichts sagte, was auf den Ort und die Verhältnisse, unter denen er sie wiederfand, Be­zug haben konnte, schienen ihr wohlzuthun. Aber ihre Hand, die er tröstend ergreifen wollte, ver­weigerte sie ihm.

In den Augen der Welt ist diese Hand mit Blut befleckt," sagte Konstanze. Sie sank auf den Stuhl und verbarg wieder ihr Gesicht, wie sie es bei Gerths Eintritt gethan. Trockenen Auges hatte sie vor ihren Richtern gestanden, denn es giebt einen Schmerz, welcher das Gefühl betäubt und das Herz erstarren macht. Was sie aber jetzt empfand, brach sich in einem stillen Thränenstrome Bahn.

Ich sehe nicht mit den Augen der Welt," entgegnete Gerth.Sagen Sie mir, daß Sie das Opfer einer Verkettung unglückseliger Um­stände sind, und ich glaube Ihnen."

Sie glauben an meine Unzurechnungs­fähigkeit und entschuldigen mich damit," schluchzte das junge Mädchen.

Nein, ich glaube, daß Sie die Thal über­haupt nicht begangen haben. Und wenn Sie mir die Hand reichen, die Sie mir versagten, so ist mir das genug. Einer anderen Antwort be­darf ich nicht!"

Die im Tone ehrlicher, männlicher Ueber- zeugung gesprochenen Worte machten auf Kon­stanze einen tiefen Eindruck. Sie blickte auf und sah ihn mit ihren großen dunklen Augen forschend an. Dann streckte sie ihm ihre Rechte entgegen. Der Arzt ergriff diese so schwer verdächtigte Hand und drückte sie leise und zart; ja, er that noch mehr, er neigte sein Haupt und führte sie an seine Lippen. Und auch das ließ sie willig geschehen.

Dank! Dank!" flüsterte sie kaum hörbar und unter Thränen lächelnd, und in diesem Lächeln lag die verklärte Glückseligkeit eines Kindes.

Giebt es keine Hoffnung, daß Ihre Schuld­losigkeit an den Tag kommen könnte?" frug er.

Keine! Ich bin gerichtet, und diese Mauern sind mein Gefängnis, welches sich mir niemals wieder öffnen wird.

Regt sich in Ihnen kein Verdacht auf irgend eine Person?" frug Gerth weiter.Um einen Raubmord hat es sich nicht gehandelt. Wer konnte ein Interesse daran haben, das Leben eines so harmlosen Mannes wie Professor Georgi zu verkürzen?"

Konstanze schwieg eine Weile. Sie schien mit sich zu kämpfen, ob sie diese Frage beant­worten solle oder nicht.