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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Alten steig, 8. Mai. In voriger Woche entfernte sich der hiesige Polizeidiener Bauer unter Mitnahme von ca. 1200 -/L Wasserzins, den er eingesammelt hatte. Von seinem Aufent­halt hat man bis jetzt keine Spnr.

Alten steig, 8. Mai. Durch Landjäger Dötling wurden 4 Walddorfer Burschen aus­findig gemacht, die unterhalb der Berneker Station 2 Signalstöcke entfernten und auf das Bahngeleis geworfen hatten, wodurch eine Ent­gleisung des Zugs zu befürchten war.

Pforzheim, 9. Mai. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer wies Abg. Wittum (lib.) bei der Verhandlung über das Eisenbahn­baubudget auf die Pforzheimer Bahnhofs­verhältnisse hin und besonders auf die württemb. Abteilung, die mit fünfzig Zügen täglich an dem Bahnhofsverkehr beteiligt sei. Er halte es deshalb auch für geboten, wenn die württemb. Verwaltung zu den Kosten des Bahuhofneubaues in irgend einer Form herangezogen werde. Unmittelbar nach der Stuttgarter Verwaltung hin möchte er aber den Wunsch äußern, daß die Rauchbelästigung der würtlembergischen Maschinen vermieden werde, die auf offener Bahnhofstrecke zum größten Teil angeheizt würden und dadurch den Anwohnern die größte Rauchbelästigung bereiteten.

Pforzheim, 8. Mai. Wie leichtfertig manche Radler fahren, konnte man, wie man dem Pf. Anz." schreibt, am letzten Sonntag wahr­nehmen. Von einem Ausflug zum Heimweg sich anschickend, waren einige Pforzheimer Damen und Herren auf dem Weg von Neuenbürg zum dortigen Bahnhof, als ein Radfahrer in gleicher Richtung wie ein Sturmwind dahersegte. Trotz­dem man bemüht war, auszuweichen, sauste der­selbe auf eine am Rande des Fußwegs gehende junge Dame mit solcher Wucht an, daß dieselbe an die Randsteine geschleudert wurde und be­deutende Verletzungen am Rücken, an den Händen u. s. w. davontrug. Unter den Bemühungen um die ohnmächtige Dame wurde die Namensfest­stellung des Ungestümen verabsäumt, doch dürfte das in Verwahrung genommene Nummerntäfelchen zur Ermittlung des strafbaren Sportmannes führen. Obgleich der Radler selbst eine kräftige Stirnbeule davontrug, hätte nicht viel gefehlt und er wäre von den empörten Passanten weid­lich durchgeprügelt worden. Die junge Dame befindet sich in ärztlicher Behandlung. Zur Warnung für ungestüme Radler sei der Fall veröffentlicht; das nichtradelnde Publikum hat auch ein Recht, die Straßen zu benutzen. Mögen sich das dieStürmer" auf dem Stahlroß merken.

Calw, 9. Mai. (Viehmarkt.) Die Zu­fuhr zum heutigen Markt betrug 438 Stück Rindvieh, 28 Pferde, 38 Körbe Milchschweine, 140 Stück Läufer. Der Handel in Rindvieh ging flau; israel. Händler hatten selbst Vieh am Platze. Auf dem Schweinemarkt lösten die Eigner von Milchschweinen 1229 pro Paar,

während Läufer zu 3070 pro Paar be­

zahlt wurden.

Deutsches Weich.

Die Flottenvorlage in der Kommission. Die Budgetkommission des Reichstages trat am letzten Dienstag in die Beratung des Antrages Bassermann und Genossen ein der zur Deckung der Kosten der Flottenvorlagc Zollerhöhungen auf Liköre, Bier und Schaumwein vorschlägt. Staatssekretär Frhr. v. Thielmann erklärt, die Regierung beabsichtige, ein Schaumweinsteuergesetz im Herbst vorzulegen. Bei der Abstimmung wird die beantragte Zollerhöhung für Schaum­weine von 80 auf 120 ebenso die vorge­schlagene Resolution mit großer Mehrheit angenommen. Es folgt die Beratung des Antrags Bassermann, betreffend Zollerhöhung auf Liköre, statt 180-/E: 240^, und auf alle übrigen Branntweine, in Fässern, statt 125: 160 ^ in Flaschen, Krügen oder anderen Umschließungen, statt 180: 240 Abg. Frese beantragt, Rum und Arak in Fässern von der Steuererhöhung frei zu lassen. Der Antrag Frese wird abgelehnt. Die beantragten Zoll­erhöhungen werden unverändert angenommen.

Es folgt der Antrag, den Zoll auf ausländisches Bier und Meth von 4 auf 6 ^ zu erhöhen. Abg. Prinz Arenberg ist für die Besteuerung des Pilsener Bieres. Es handle sich nur um große Brauerein, die den Zoll sehr gut tragen könnten. Staatssekretär Freiherr v. Thielmann erklärt, daß Bier außerhalb des Zollvertrags stehe, also eine Erhöhung des Zollsatzes keine Unfreundlichkeit gegen Oesterreich bedeute. Bei der Abstimmung wird die Zollerhöhung für Bier mit dreizehn gegen neun Stimmen angenommen. Der beantragte Zoll für Schwefeläther wird darauf nach kurzer Debatte ebenfalls angenommen. Die zweite Lesung der Flottenvorlage dürfte in der Kommission Wohl am Freitag beginnen.

Metz, 9. Mai. Kriegsminister v. Goßler ist heute mittag hier eingetroffen. Heute abend 7 ffs Uhr traf der kaiserliche Statthalter Fürst Hohenlohe-Langenburg hier ein, um dem morgigen Parademarsch der ganzen Garnison bei Schloß Frescath beizuwohnen, den der Kaiser abnehmen wird.

In den südlich von Aachen gelegenen Waldungen der Gemeinden Roetgen, Waldheim, Eupen, Kettenis sowie in den fiskalischen Wald­ungen wütete ein furchtbarer Waldbrand. Ein starker Wind führte das Feuer über die Brand­schutzgräben, Landstraßen und Eisenbahndämme hinüber. Die brennende, 1000 Morgen geschützte Fläche gehört hauptsächlich zu den Oberförstereien Aachen und Roetgen. Eine kriegsstarke Kom­pagnie des 4. Infanterieregiments ist zur Brand­stätte ausgerückt.

Aachen, 8. Mai. Der Waldbrand, der mehrere Tage dauerte und zu dessen Bewältigung zwei kriegsstarke Kompagnien aufgeboten worden waren, kann als gelöscht angesehen werden. Nach oberflächlichen Schätzungen von Sach­verständigen dürfte der Schaden 800 000 bis 1 Million Mark betragen.

Flensburg, 9. Mai. Tine große Feuers­brunst äscherte gestern Abend in dem Dorfe Westerlangenhorn bei Monkebuell 27 Gehöfts ein.

Stolp (Pommern), 9. Mai. Vor dem Lebaer-Hafen kenterten heute früh infolge Sturmes vier Kutter. Sämtliche Mannschaften ertranken; mehrere Kutter fehlen noch.

lieber Südwest- und Süddeutschland ging, wie aus Frankfurt a. M. berichtet wird, Diens­tag nacht ein furchtbares Unwetter nieder, das in verschiedenen Gegenden die ganze Ernte ver­nichtete und den Eisenbahnverkehr zum Stocken brachte.

Kassel, 10. Mai. Bei Corbach wurde ein fahrender Radfahrer, bei Spangenberg ein Schornsteinfegermeister vom Blitz erschlagen.

Aus Franken, 8. Mai. Auf schreckliche Weise kam das 10 jährige Mädchen eines Wirtes in Oberbesenbach ums Leben. Diese schlief in der Nähe des Herdes ein; dabei fingen ihre Kleider Feuer, und sie erlitt so schwere Brand­wunden, daß sie nach wenigen Stunden starb.

Württemberg.

Stuttgart, 9. Mai. Am Samstag 12. ds. Mts. vorm, um 10 Uhr wird Seine Majestät der König über die Garnisonen Stuttgart, Ludwigsburg und Cannstatt auf dem Exerzierplatz bei Cannstatt Parade halten.

Stuttgart, 8. Mai. Kammer der Ab­geordneten. Präsident Payer eröffnet die 111. Sitzung um 3^/4 Uhr. Das Haus fährt milder Beratung des Umgeldsgesetzes fort. Art. III handelt von der Thätigkeit der zu wählenden Bezirkskommission und wird nach dem Kommis­sionsantrag angenommen. Der Berichterstatter führt aus, daß diese Bezirkskommission sehr wohl- thätig wirken werde, indem sie die Differenzen zwischen der Steuerbehörde und den Wirten aus- gleichen Helsen werde. Die Kommission wird ähnlich zusammengesetzt wie diejenige, welche bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes ge­nehmigt wurde. Art. IV enthält die Strafbe­stimmungen, welche ziemlich genau mit denjenigen des Bier-Steuergesetzes übereinstimmen. Der Finanzminister stellt in Aussicht, daß die Aus­führungsbestimmungen bis zum 1. Oktober fertig gestellt werden können. Schließlich wird noch der Kommissionsantrag angenommen, die Eingabe der Wirte Württembergs zu diesem Gesetzentwurf

für erledigt zu erklären. Die Gesamtabsti«- mung über das ganze Gesetz wird auf Mitt­woch vertagt. Es folgt die Beratung des Antrags der Abgg. Rembold u. Gen. betr. die Einschränkung der Steuerbefreiung des Staats­eigentums von der Gemeindesteuer. Frhr. von Gaisberg berichtet über die diesbezügl. Kom­missionsverhandlungen, welche den Antrag Rem- bvld u. Gen. ablehnte, dagegen selbst den Antrag stellte, die kgl. Staatsregierung zu ersuchen, einen Gesetzentwurf einzubringen, durch welchen die Befreiung der auf Staatsrechnung betriebenen Salinen und Hüttenwerke von der Gewerbesteuer der Gemeinden und Amtskörperschaften aufge­hoben wird. Hähnle empfiehlt warm den Kommissionsantrag und bespricht die Verhält­nisse in Königsbronu und Wasseralfingen, v. Geß wünscht, daß nicht nur die Hüttenwerke und Salinen, sondern überhaupt alle Staats- gewerbe zur Gemeindesteuer herangezogen werden. Der Kommissionsantrag würde ein Spezialgesetz, ein Stückwerk schaffen. Nach weiterer Debatte über diesen Gegenstand führt der Finanz­minister aus, daß die Wünsche des Abg. v. Geß zurzeit mit der allgemeinen Steuerreform schon bearbeitet werden, aber dem gegenwärtigen Land­tag noch einen besonderen Gesetzentwurf vorzu­legen, köckne er und wahrscheinlich auch der Minister des Innern nicht versprechen. Ein solches Notgesetz wäre auch nicht dringlich. Der Staat entziehe sich seiner Steuerpflicht nicht und zahle für die Badanstalt in Wildbad, für die Bodenseeschiffahrt und die Reichsbanknebenstellen durchweg Gewerbesteuer; überdies müsse doch bloß für solche Betriebe eine Gewerbesteuer be­zahlt werden, die einen Gewinn erzielen wollen und das sei durchaus nicht bei allen Staats­anstalten der Fall. Rembold tritt den Aus­führungen des Finanzministers entgegen. Der Finanzminister erklärt, ein Gesetzentwurf, wie ihn Rembold wünsche, sei durchaus nicht einfach. Der Finanzminister sei bereit, für die nächsten 10 Jahren einen der Gemeindesteuer gleichkom­menden Betrag in den Etat einzustellen. Jetzt aber solle man kein besonderes Gesetz wünschen, sonst würde die Steuerreform verzögert. Tag tritt für den Kommissionsantrag ein. Hähnle > bezeichnet das Entgegenkommen des Fmanz- ministers als dankenswert. Damit aber sei die Frage nicht geregelt. Rembold sagt, man solle sich nicht auf den Gnadenweg der Billigkeit ver­weisen lassen. Haußmann-Balingen hält den Zusatzantrag Rembold-Hähnle für besser als den Antrag Geß und Schnaidt. Redner wirst der Regierung vor, sie handle nicht mehr konstitu­tionell, wenn sie ein einstimmiges Ersuchen des Landtags auf Wiedereinbringung der Steuer­reform nicht berücksichtige. Der Minister des Innern erwidert,^, die Regierung treffe keine Schuld, wenn die Steuerreform in diesem Land­tag nicht mehr vorgelegt werde. Dem Abg. Rembold erwidert der Minister, das Zwischen­gesetz könnte erst mit dem 1. April 1901 in Kraft treten, aber für so kurze Frist mache man doch keine Zwischengesetze. Prälat v. Sand­berger weist die Vorwürfe des Abg. Haußmann gegen die Privilegierten der Kammer zurück; da­zu habe Haußmann kein Recht. (Lebhafter Bei­fall.) Haußmann tritt dem Vorredner ent­gegen. Er wolle nicht untersuchen, wer die Schuld an dem Nicht-Zustandekommen der Steuer- > Reform trage, habe aber den Eindruck, daß in der Regierung ein vis inortiav thätig sei. Die Regierung lasse sich 'immer schieben. Prälat v. Sandberger antwortet Haußmann; erhalte schon am 16. Januar 1899 so sprechen sollen wie neulich, dann wäre keine so kostbare Zeit verloren gegangen. Was konstitutionell sei oder j nicht, habe Haußmann nicht allein zu entscheiden. (Beifall.) Dr. Kiene wirft Haußmann vor, daß er noch immer Den Art. 17 Abs. 2 der Steuerreform bekämpfe. Der Minister des Innern verwahrt sich gegen den Borwurf Hauß- manns, daß die Regierung geschoben werden ^ müsse. Ob und wann ein Gesetzentwurf zweck­mäßig sei, darüber habe allein die Regierung zu befinden. Frhr. v. Gaisberg bekämpft die Ausführungen des Abg. v. Geß. Haußmann- Balingen verteidigt sich gegen den Vorwurf des Vizepräsidenten und will näher auf den Art. 17