die hinter Mördern und Brandlegern her sind" schloß Neitsch sein Selbstgespräch.
Es waren schon über acht Tage vergangen, daß der Landschaftsmaler Albrecht in H. wohnte, er lebte wenig in seinem Hotel, viel außerhalb die anderen Restaurants der Stadt besuchend, nur die Abende im Hause, entweder auf seinem Zimmer eifrig schreibend, jedenfalls, nach den ankommenden Briefen zu urteilen, seine sehr bedeutende Korrespondenz erledigend', oder er war in der Gaststube, wo er fast täglich den Aktuar sah. Aber der Herr Neitsch schien den Maler zu meiden, vielleicht mochte er von diesem wieder Fragen nach der Todesursache des Barons fürchten, über die er nicht sprechen wollte.
„Wenn Sie mich im Laufe des morgigen Tages nicht sehen, Herr Wirt, sagte Albrecht an einem Abend, als er das Zimmer verlassen wollte und schon an der Thür stand, „dann seien Sie unbesorgt, ich habe jetzt schon lange genug dem Müßiggänge gelebt, ich werde jetzt einmal anfangen zu arbeiten."
(Fortsetzung folgt).
Die drei Eisheiligen.
(ll., 12. und 13. Mai.)
Es fiel ei» Reif in der Frühlingsnacht, Er fiel aus die zarten Blaublümelein,
Sie sind verwelket, verdorret.
Wie ost werden wir nicht an die uralten Klange dieses von Heinrich Heine wieder volkstümlich gemachten rheinischen Volksliedes erinnert, wenn wir mitten in prangender Maienzeit des Morgens erwachen und alle Dächer, Felder, Wiesen, Wälder und Gärten mit Rauh- reif bedeckt, ja sogar auf vielen Wassertümpeln eine leichte Eisdecke sehen. Die drei kalten Tage sind gekommen, .sagt der Landmann und mit Furcht sieht er den drei Eisheiligen Mamertus, Pankratius und Servatius entgegen, denn diese drei gestrengen Herren vermögen seine Erntehoffnungen mit einem Schlage zu vernichten. Weniger gefährlich sind diese Nachtfröste den Obstbäumen, wenn die Blütezeit vorüber ist und bereits der Fruchtknoten angesetzt hat.
Bei den deutschen und französischen Gärtnern berüchtigt sind seit Jahrhunderten die Kälterückfälle im Monat Mai. Schon Luther klagte über Nachtfröste iw Frühjahr für Rebenblüte und Obsternte. Pankratius holt seine Tüffeln wieder, lautete ein altes deutsches Sprüchwort und es ist bezeichnend, Laß man in der deutschen Sprache unter Tüffeln Pantoffel u. Kartoffeln verstand, denen niedrige Temperaturen schädlich seien.
Diese Källetage sind besonders gefürchtet im Gebiete von Ungarn, in den Karpathen, in Südrußland, Kleinasien, Egypten und Nordafrika. Im Jahre 1891 hat man die kritische Periode genauer beobachtet und studiert und fand im Gefolge Hagelschlag, Frost und Eisbildung. Fast ganz Europa stand um Pfingsten herum unter einem ausgedehnten Depressionsgebiete der Lust; es wehten bei niedrigem Luftdruck kühle westliche Winde, die sonst immer feucht und lau waren. Die neueren Beobachtungen haben die Frage der Eisheiligen wenn nicht gelöst, so doch aufgeklärt.
Ist man im Allgemeinen gegen sogenannte Kalender- Weisheit, so ist doch bei alten Erfahrungen Vorsicht geboten und es ist ratsam, die oit wiederholten Warnungen der Vorsicht bei April-, Mai- und Junisrösten zu beachten.
So heißt es vom 23. und 25. April St. Georg und St. Marx dräuen viel Args; Philippi und Jakobi — sind auch noch zwei Grobi (1. und 2. Mai), von Mamertus, Pankrazi, Seivazi, Bonisazius 11. 12. 13. 14. Mai heißt es gar: Die drei aus azi sind echte Lumpazi, Pankrazius und Servatius bringen ost Kälte und Verdruß. Bonisazius fällt erst aus den 5. Juni, behält aber den Verdacht seiner kühlen Temperatur.
Mamertus war bei Lebzeiten ein Bischof von Vienne in Frankreich, dessen Geschichte sich in Dunkel verliert, den aber die katholische Kirche heilig gesprochen und ihm den 11. Mai zum Namenstag gegeben hat. Weil dieser Tag in der Regel Kälte mit sich bringt, so reihte man Mamertus mit zu den beiden nächstfolgenden, die eigentlich die richtigen Eisheiligen sind. In manchen Gegenden wird auch der 14. Mai, der dem heiligen Bonisazius gewidmet ist, noch zu den kalten Togen gerechnet. Der 12. Mai ist dem christlichen Märtyrer Pankratius heilig, der zur Zeit der Christen- versolgungen unter Kaiser Diocletian enthauptet wurde. Schon in alter Zeit nahm man an, daß nach diesem Tag kein starker Nachtfrost in Mitteleuropa mehr ein- trete, was sich jedoch nicht immer bewahrheitete, denn die Natur läßt sich eben keine Vorschriften machen. Mehr noch wie von diesem Heiligen erwarten die Oekonomen und Gärtner von dem heiligen Servatius, der am 13. Mai etwa um das Jahr 400 als zehnter und letzter Bischof von Tongern in Mastricht in hohem Alter verstarb. Auf sein Grab soll -niemals Schnee gefallen sein, weshalb man seinen Todestag gewissermaßen als Lostag festsetzte.
Friedrich der Große hat einst traurige Erfahrungen mit den drei gestrengen Herren gemacht. Trotz des Hinweises auf das Unheil, das dieselben anrichten können, ließ er die Orangerie im Park von Sanssouci aus ihrem Winterquartier vor dem 11. Mai heraus- bringen, weil er, wie er sagte, ein noch viel gestrengerer Herr sei. Wenige Tage darauf waren fast alle die
schönen südländischen Bäume, Sträucher und Blumen erfroren und dadurch ein unersetzlicher Schaden entstanden. Seitdem werden im Park von Sanssouci bis auf die heutige Zeit alle südländischen Bäume, Blumen und Sträucher erst nachdem die drei Eisheilige» vorüber sind, ins Freie gebracht.
(Der Waldmeister.) „Ein Blümlein wunderhold" ist der gemeine Waldmeister. Ihm verdanken wir jenen herrlichen Göttertrank, das Labsal des Frühlings, den Maitrank. Schon in alten Zeiten war es Brauch, den Wein mit duftigen Kräutern zu mischen. Die alten Römer hatten schon, wie Bulwer in den „Letzten Tagen von Pompeji" erzählt, ihre Rosenfilter, über welche sie den Falener gossen. In Deutschland ist man im 15. Jahrhundert darauf gekommen, einheimische Weine mit Gewürzen und Kräutern zu mischen, und in den aus dieser Zeit stammenden Kränterbüchern findet sich zuerst ein Kraut „Herzfreud" erwähnt, das bei der Kennzeichnung seiner sternförmig geordneten Vlättergruppen und seiner weißen, wohlriechenden Blüten zweifellos gleich mit Waldmeister ist. Die Frage, was uns am Waldmeister so vortrefflich behagt, hat die Wissenschaft auch bereits entschieden. Es ist ein flüchtiges Oel, namens Cumarin, das sich außer beim Waldmeister auch noch bei einigen Kleearten, jedoch in verminderter Menge, findet und unter dem Alkohol-Einfluß des Weines sich ausscheidet und der Maibowle ihr Aroma giebt. Freilich muß am richtigen Ort der Maitrank genossen werden, wenn er einen vollständigen Genuß gewähren soll. Nicht in der beengenden Schwüle des Zimmers will die Maibowle ihr Aroma entfalten, sondern zu ihm muß sich der Duft des Flieders gesellen, der den lauschigen Platz umgiebt, den wir zum Genuß des Maitrankes wählen. Etwas gedulden müssen wir uns freilich noch, ehe es so weit kommt.
(Der Spargel.) Der Spargel wächst in ganz Europa und im gemäßigten Westasien auf sandigem Wiesenboden wild. Er stieß daher bei Zeiten auf Liebhaber. Er wurde sogar schon von den alten Egyptern kultiviert, während die vorchristlichen Griechen ihn nur als Arzneigewächs benutzt zu haben scheinen. Die ersten Spargelbeete in Deutschland wurden 1565 im Stuttgarter Lustgarten und 1578 am Niederrhein erwähnt. Bald darauf erscheint Ulm als der Mittelpunkt der neuen Kultur, die in Deutschland rasche Fortschritte machte. In Norddeutschland wird allgemein der Weiße Spargel gebaut, dessen starke Triebe man höchstens 1—2 ein aus der Erde herauswachsen läßt, bevor man sie 20 bis 24 ein tief im Boden absticht. In den übrigen Ländern herrscht der grüne oder Ulmer Spargel vor, dessen schlanke Sprossen sich 15—18 ein über die Beetfläche erheben dürfen und dann nur 5—8 ein tief im Boden abgeschnitten werden. Ueber die Vorzüge dieser beiden Spargelarten läßt sich streiten, denn wenn der weiße Spargel zarter ist, so ist der grüne dagegen von ausgeprägterm Geschmack — ganz unbestritten und über jedem Zweifel erhaben ist die Vorzüglichkeit des Spargels im allgemeinen. „Eine Schmeichelei für den Gaumen" nennt ihn schon der alte Cato, und Plinius ergänzt diese Charakteristik, indem er ihn als die „zuträglichste Speise für den Magen" hinstellt. Die neuern Gesundheitslehrer fügen hinzu, daß die Zuträglichkeit in speeiö auf dem Asparagien beruhe, einem wunderbaren Stoff, der die Herzleiden hebt und die Wassersüchtelei beseitigt. Der Spargel läßt die Tafel selbst im Winter nicht im Stich. Er gehört vielmehr als Büchsenspargel gerade im Winter zu den begehrtesten Gemüsen. Jetzt aber naht die Saison des frischen Spargels. Blicken wir ihr mit Vertrauen und guten Appetit entgegen!
Paris, 8. Mai. In den Champs-Elhsöes kam ein dramatischer Zwischenfall auf offener Straße vor. Eine junge Frau stürzte sich auf einen vornehmen Wageu, worin eine alte Dame mit einem kleinen Kinde saß, mit den Worten: „Geben Sie mir mein Kind wieder." Das Kind war an Händen und Füßen gebunden. Es stellte sich heraus, daß der vierjährige Knabe von seiner Mutter, einer Baronin aus altadeliger Familie
mit Recht verlangt wurde, denn nach der Scheidung von ihrem Gatten war ihr das Kind zugesprochen worden. Während einer Reise hatte sie es der Mutter ihres Gatten anvertraut, und diese hatte ihr lange Zeit mit Erfolg das Kind vorenthalten.
(Zweierlei.) A. (im Cafü): . .. „Sind denn unsere beiden Freunde, der Maler und der Dichter, schon fortgegangen?" — V.: „Ja, der Maler macht einen Ausflug aufs Land, weil er mal gern auf andere Gedanken kommen wollte, und der Dichter ging in die Bibliothek! — A.: „Aha, weil er aus die Gedanken anderer kommen wollte!"
Dreisilbige Charade.
Im Wald und aus den Fluren, da findet Ihr die letzten beiden gar oft im deutschen Land. Die erste Silbe doch indessen, sie windet Sich von Land zu Land als breites Band.
Das Ganze lebet in der ersten, es ist ein Tier, Das zu den Fischen zählen wir.
Auflösung der Charade in Nr. 70:
Weltausstellung.
Auflösung der Rätsels iu Nr. 70.
Frühling.
Mutmaßliches Wetter am 9. und 10. Mai.
< Nachdruck verboten.:
Ueber Wolhynien und dem inneren Rußland behauptet sich noch ein Hochdruck von 765 mm, über der unteren Ostsee, Südschweden, Ost- und Weftpreußen, Polen, Ungarn, der Balkanhalbinsel und ganz Italien ein solcher von 761—763 wm, während andererseits an der Westküste Irlands das Barometer aus 747 mm gefallen ist. Für Mittwoch und Donnerstag ist verwehrte Gewitterneigung und vielfach bewölktes, aber noch immer vorwiegend trockenes Wetter zu erwarten.
Am 10. und 11. Mai.
Der letzte irische Lustwirbel nnt 750 mm ist nach Süd-, Mittel- und Nordwestdeutschland gewandert. Die Vorposten eines neuen Hochdrucks sind von Rord- westen her mit 760 mm Barometcistand in Mittelnorwegen eingetroffen, ein neuer Lustwirbel von ca. 753 mm aber am südlichen Ausgang des irischen lindes Aermelkanals. lieber Mähren, Mittel- und Westrußland steht das Barometer noch auf nahezu Mittel, ebenso in Spanien und Italien. Für Donnerstag und Freitag steht noch immer größtenteils bewölktes, aber nur noch zu ganz vereinzelten Niederschlägen geneigtes Wetter in Aussicht.
Telegramme.
Köln, 8. Mai. Die Torpedoflotille ist heute früh nach Bonn abgefahren, wo sie um 11 Uhr vormittags eintraf und trotz des Regens von einer vieltausendköpfigen Menge begrüßt wurde. In Bonn hatte Prinz v. Schaumburg-Lippe die Offiziere mittags zur Tafel em- geladen.
Lourentzo-Marquez, 8. Mai. Aus dem Lager des britischen Obersten Plumer eingetroffene Depeschen melden: Die Buren vor Mafeking haben nach und nach Verstärkungen erhalten und werden auf 3000 Mann geschätzt. Es ist Oberst Plumer gelungen, mittels Brieftauben mit der eingeschlossenen Besatzung zu verkehren.
London, 8. Mai. (Reutermeldung aus Mafeking vom 28. d.) Die Buren begannen am 25. d. ein starkes Bombardement, das dazu bestimmt war, den Sturm auf die Verteidigungs- Werke zu decken. Die Offiziere der Buren versuchten aber vergebens, die Mannschaften mit sich fortzureißen. Diese weigerten sich, unter dem Feuer Stand zu halten. Seitdem haben die Buren ihre Geschütze bis auf 2 Fünfpfünder fortgeschafft. — Die Typhusepidemie nimmt ab.
Smaldeel, 8. Mai. Lord Roberts telegraphiert: Die schottische Brigade hielt gestern Winburg besetzt. Die Bahnstrecke zwischen Brandfort und Smaldeel ist stark beschädigt. Die Brücke über den Vctfluß ist unbrauchbar gemacht. — Wie das Reutersche Bureau von hier meldet, war General Hntton gestern im Vorrücken und hat am Abend ein Lager bei Welgelegen auf- geschlagen. Nach hier eingelaufenen Gerüchten beabsichtigen die Buren beim Zandfluß energischen Widerstand zu leisten, doch hält es schwer, die Burghers zu sammeln. Lord Roberts besuchte gestern die Brigade Hamilton.
Redaktion, Druck und Verlag vo« «. M««h in Neuenbürg.