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Beschwerden gegen diese Geldstrafe nicht durchdrang. Die Verhandlung wurde sehr ausgedehnt, weil auch über die mit dem Anschläge zusammenhängenden Strafthaten einer Bedrohung und Brandstiftung, deren der Bruder des Angeklagten verdächtig war, Beweis erhoben wurde. Doch ließ sich in dieser Beziehung keine Gewißheit erlangen, wohl aber erkannten die Geschworenen, daß der Angeklagte das Attentat gemeinsam mit einem andern begangen habe.
Cannstatt, 9. April. Die in früheren Zeiten wohl bekannte Pilsenerbierstube in der Karlstraße, die in den letzten Jahren einigemal den Besitzer wechselte und für die bei diesen Verkäufen bis zu 80 000 bezahlt worden ist, wurde kürzlich zwangsweise um 40 000^. versteigert.
Cannstatt, 9. April. Cin Meisterstückchen lieferte heute nacht ein Dieb, der einem hiesigen Bäckermeister in sehr bewohnter Gegend ein Schwein aus dem Stalle holte und davontrieb.
Eßlingen, 9. April. Ein erschütterndes F a mil i end r a m a spielte sich gestern nachmittag und heute vormittag hier ab. Der etwa 26 Jahre alte, in der K. Lokomotivwerkstätte beschäftigte Schlosser Emil Weis geriet gestern nachmittag nach der Rückkehr von der Kontrollversammlung mit seiner Frau in Streit, wobei er dieselbe mißhandelte. In der Aufregung stürzte sich die Frau aus dem ersten Stockwerk zum Fenster hinaus und erlitt hiebei sehr schwere Verletzungen, u. a. brach sie beide Füße. Die Unglückliche wurde ins Krankenhaus überführt. Heute vormittag begab sich nun der Ehemann, von Gewissensbissen gequält, auf den Friedhof und erschoß sich daselbst. Die beiden waren erst Jahre verheiratet.
Heilbronn, 7. April. Die Firma S. Löwengart, Branntwein- und Liqueurfabrik, hat seit einiger Zeit an ihre Kundschaft Fässer zum Versand gebracht, welche seit Jahren nicht mehr nachgeeicht waren und welche teilweise weniger Eichgehalt hatten, als auf den Fässern angegeben war, was der Firma bekannt gewesen sein soll. Gegen die beiden Teilnehmer der Firma wurde wegen Betrugs Anklage erhoben und das K. Schöffengericht erkannte gegen sie Geldstrafen in Höhe von 500 bezw. 600
Heidelberg, 9. April. Ein schweres Unglück, dem 2 Menschenleben zum Opfer fielen, ereignete sich gestern im Schriesheimer Steinbruch. Die verheirateten Arbeiter Valentin Ullrich und Philipp Grüber waren mit der Vorbereitung eines Schusses beschäftigt, als derselbe sich auf bis jetzt unaufgeklärte Weise vorzeitig entlud und die beiden Unglücklichen ca. 10 m weit fortschleuderte. Die Leichen waren teilweise zerstückelt und wurden mittelst Wagen in die Leichenhalle verbracht. Der Steinbruch, der jetzt 3 Jahre dem Betrieb übergeben
ist, hat bis jetzt lt. „Pf. B." schon 4 Menschenleben gefordert, ganz abgesehen von den sonstigen Unfällen, welche nicht tötlich verlaufen sind.
Wiesbaden, 10. April. Heute morgen entleibte sich durch einen Revolverschuß der Kaufmann Ernst Wolfs, Inhaber der seit langen Jahren bestehenden Firma Ernst Wolfs L Cie., Weingroßhandlung und Liqueurfabrik. Wolfs, ein alter Herr, soll große Geschäftsverluste erlitten haben und dies der Grund des Selbstmordes sein.
Berlin, 9. April. Das Kaiserpaar, der Kronprinz und Prinz Adalbert mit großem Gefolge wohnten heute in der „Urania" den Vorträgen deS Prof. Miethe und des vr. Stelle über farbige Photographien bei. — Im Deutschen Theater brach heute Abend infolge Kurzschluß der elektrischen Leitung im Maschinenraume Feuer aus. Die Gefahr war bald beseitigt.
Berlin, 9. April. Nach einem Telegramm der Vossischen Zeitung aus Wien hat daselbst Bülows Besuch ziemlich überrascht. Seine Anwesenheit wird den Kreis der Beratungen, die der Reichskanzler in Italien zur Erneuerung des Dreibundes gepflogen hat, schließen und durch die rasche Aufeinanderfolge der Konferenzen mit Pri- netti und Goluchowsky wird die politische Bedeutung des Besuches erhöht. Vielleicht wird, wie man in Wiener diplomatischen Kreisen glaubt, dadurch auch die am Freitag in Budapest beginnende Fortsetzung der Beratungen des österreichisch-ungarischen Zolltarifs eine andere Grundlage bekommen, da Bülows Besuch ebenso der Lösung politischer wie wirtschaftlicher Fragen gilt und auch dem österreichischen Ministerpräsidenten von Korber wird dadurch vielleicht eine neue Stärkung in der Ordnung der parlamentarischen Verhältnisse gegeben.
Berlin, 10. April. Stadtrat Kauffmann hat der Stadtverordnetenversammlung schriftlich mitgeteilt, daß er auf seine Wahl zum zweiten Bürgermeister von Berlin verzichtet.
Berlin, 10. April. Den Berl. Pol. Nachr. zufolge, würde dem Reichstage ein weiterer Nachtragskredit zugehen, nach welchem statt bisher 40000, 50—60 000 Veteranen eine Jahresunterstützung von 120 zuzuweisen ermöglicht wird.
Berlin, 10. April. Große Güter- Diebstähle wurden dieser Tage auf dem Anhalter und Tempelhofer Bahnhofe von der Polizei aufgedeckt. Vier Bahnarbeiter wurden verhaftet, die sich zum gemeinsamen Plündern von Warensendungen verbunden hatten. Sie schnitten von den Wagen die Bleisiegel ab, erbrachen Kisten und Körbe und nahmen, was sie nur bekommen konnten.
Berlin, 9. April, lieber ein furchtbares Verbrechen in Paris wird von dort gemeldet: In der Gegend am Faubourg St. Antoin wohnt ein Friseur Namens Legrand mit Frau und einem 6jährigen Söhnchen. Gestern früh ver
ließen Legrand und Frau wie gewöhnlich das Haus. Legrand kehrte nach einer Stunde zurück und stürzte nach einer Weile mit dem Rufe „man hat meinen Sohn ermordet" bleich und verstört heraus. Nachbarn, die herbeieilten, fanden den kleinen Sohn blutbedeckt im Bette liegend. Der Kopf war durch einen Schnitt vom Rumpfe getrennt. Am Boden lag ein blutiges Rasiermesser. Der Vater wurde als des Mordes verdächtig verhaftet.
Berlin, 9. April. Dem Berliner Tageblatt wird aus London telegraphiert: Der Dampfer der Allan-Linie „ Huronian ", der am 11. Februar von Glasgow nach St. John abgefahren ist, um Heu für Südafrika zu landen, ist mit seiner Besatzung von 70 Mann verschollen. — Der deutsche Schooner „Helene", der von Bremen nach Plymouth unterwegs war, und am 9. März bei der Insel White gesichtet wurde, ist in Plymouth nicht eingetroffen. Man befürchtet, daß das Schiff mit der Mannschaft vor 3 Wochen auf der Höhe von Portland untergegangen ist.
Berlin, 10. April. Aus London wird berichtet: Zu den Besprechungen der Buren führer meldet eine Drahtung der Exchange Telegraphischen Company aus Pretoria vom 9. dS. Mts.: Steijn, Reitz, Schalk Burger und Lukas Meyer passierten am Sonntag Kronstadt auf der Reise nach Clarkdorp, wo am Montag Botha von Vryheit kommend, eintrifft. Man glaubt, daß Delarey und Dewet der Beratung beiwohnen werden.
Zürich, 9. April, In den letzten Nächten wurden hier mehrere Einbruchs dieb stähle in Goldwaren- und Uhrengeschäften begangen. Die Diebe drückten die Rollladen in die Höhe, schnitten mit einem Diamanten ein Stück aus der Schaufensterscheibe und gelangten so zu den ausgelegten Gegenständen. Einmal erbeuteten sie Uhren im Wert von 2000 Fr., ein anderes Mal im Wert von 1000 Fr. Bei einem dritten Einbruchsversuch wurden sie von der Polizei verscheucht, die aber einen von ihnen, einen Italiener, dingfest machen konnte. Man glaubt, daß man es bei den verschiedenen Einbrüchen mit ein und derselben, aus Italienern bestehenden Bande zu thun hat.
Wien, 9. April. Graf Bülow, welcher heute abend hier eintrifft und bis Freitag in Wien bleibt, wird morgen mit dem Grafen Goluchowsky eine Unterredung haben und dann vom Kaiser in Audienz empfangen werden. In hiesigen politischen Kreisen erblickt man in dem Besuch Bülows den besten Beweis dafür, daß die Beziehungen zwischen den Dreibund-Staaten die besten sind, und daß der Erneuerung des Bündnisses kein Hindernis im Wege steht.
Wien, 10. April. Graf Bülow, welcher heute vormittag 11 Uhr dem Grafen Goluchowsky im Auswärtigen Amt einen längeren Besuch abstat- tete, wurde um 2'/» Uhr vom Kaiser in besonderer Audienz empfangen. Nach derselben wird Graf
Sie sandte sofort einen Boten ab. Herr Guntermann ließ nicht lange auf sich warten Er war sehr erstaunt, Frau v. Düringshofen in dem Salon der Frau Konsul zu finden und ein verstohlenes Aufleuchten strahlte, wie ein kurzer Blitz aus seinen Augen. Aber als er schon aus den ersten Worten erfuhr, daß Klara aus Plantikow käme, von einer Unterredung mit ihrem Gatten, senkte sich wieder ein Schatten über sein schmales, blasses Gesicht und seine Zähne preßten sich ingrimmig aufeinander.
Die Frau Konsul begann in vollem Zorn zu schelten.
„Nun sagen Sie mir blos, Herr Guntermann, bei Ihnen rappelt es wohl? Verzeihen Sie den Ausdruck! Aber ich bin außer mir. Ich habe Sie immer für einen vernünftigen, ruhigen Mann gehalten, und nun wollen Sie auf einmal den Helden spielen und wollen sich auf ein Schießen mit Pistolen einlassen. Sie, ein Kaufmann, ein Mann in gesetzten Jahren! Ja, was ist denn plötzlich in Sie gefahren?"
Der Gescholtene lächelte. Und dann begann er in dem gemütlichen, vertraulichen Ton, der sich schon seit Jahren zwischen ihm und der Frau Konsul eingebürgert hatte, sich zu verteidigen.
„Ja, sehen Sie, Frau Konsul, da mache ich wieder einmal die alte Erfahrung, daß man über eine Sache oder Situation nicht richtig zu urteilen vermag, ehe man sie nicht selbst praktisch an sich erprobt hat. Ich bin immer ein Gegner des Duells gewesen und habe oft genug meine Glossen darüber gemacht und nun — nun muß ich erkennen, daß es Lagen geben kann, in denen ein Mann, der Ehrgefühl besitzt, sich nicht anders zu helfen weiß, als seinen Gegner vor die Waffe zu fordern."
„Unsinn!" fiel die Frau Konsul ärgerlich ein. „Wenn Sie auf einmal so empfindlich geworden sind und glauben, partout eine Sühne verlangen zu
müssen, so citieren Sie Ihren Gegner doch vor das amtliche Gericht, wie es sich gehört und wie das Gesetz es vorschreibt."
»Ja, Frau Konsul, daran habe ich auch gedacht. Aber dann wird die Sache in öffentlicher Gerichtsverhandlung verhandelt und kommt in die Zeitungen und ich bin erst recht der Blamirte. Was nützt cs mir, daß mein Beleidiger vielleicht zu einer Geldstrafe von fünfzig oder hundert Mark verurteilt wird. Das dürfte mir kaum als eine entsprechende Sühne erscheinen für die mir zugesügte schwere Beleidigung."
„Also Sie meinen," erwiderte die Frau Konsul ironisch, „Ihre Ehre erfordert, daß Sie sich gegenseitig die Hälse brechen?"
Herr Guntermann lächelte abermals.
„Das scheint mir nicht gerade notwendig," erwiederte er, und wieder ernst werdend, fügte er hinzu: „Aber ich glaube doch, daß einen ein ganz anderes Gefühl der Genugthuung durchströmt, wenn man seinen Gegner mit dem geladenen Revolver in der Hand zur Rechenschaft zieht und ihn ein paar Sekunden lang zwischen Leben und Tod schweben läßt."
„So? Und wenn Sie selbst, der Beleidigte, noch obendrein Schaden davontragen?"
„Ja," — Herr Guntermann zuckte mit den Achseln — „diese Eventualität muß man allerdings mit in den Kauf nehmen."
Während die Frau Konsul ärgerlich brummte, griff Klara in das Gespräch.
„Ich habe mit Herrn v. Düringshofen gesprochen, weil mir der Gedanke unerträglich war, daß ich die Ursache eines Blutvergießens werden sollte. Herr v. Düringshofcn hat mir ehrlich zugegeben, daß er Sie mißverstanden, daß er Ihnen Unrecht gethan hat, und er ist bereit, die Beleidigung, die er Ihnen zugefügt hat, zurückzunehmen.