738

Unterhaltender Heil.

Beim Kampf um Orleans.

Erzählung aus dem Kriege 1870/71.

^Fortsetzung.^

Gegen Mittag verstummte der Geschützdonner und das Zischen der Granaten hörte auf. Noch einmal war der Angriff der Deutschen abgeschlagen und diese zum Rückzug gezwungen worden. Orleans atmete auf ah! Die Freude sollte nicht lange dauern. Gegen Abend fluteten wieder Verwundete und Nichtverwundete in Hellen Haufen in die Stadt und erfüllten die Straßen mit Geschrei. Noch hielt sich die Armee Aurelles de Paladine's in ihrer letzten Stellung dicht vor Orleans aber der nächste Tag mußte die Entscheidung bringen, und wie diese ausfallen würde, war kaum mehr zweifelhaft. Wenigstens Meister Denfert, der gegen Abend von einer Art Rekognoszierung zurückkehrte, auf der er gleich­zeitig für schweres Geld Brot und Wein in der inneren Stadt für die nächsten Tage erworben hatte, schüttelte auf die besorgte Frage seiner Tochter schwermütig den Kopf und erwiderte kein Wort.

Die Nacht verlief verhältnismäßig ruhig am Morgen jedoch hörten die angstvoll Horchen­den das Feuer der Geschütze, wenn auch ent­fernter als gestern, wie ununterbrochenes dumpfes Rollen, das gegen Mittag immer näher kam.

Heiß wurde an diesem Tage vor Orleans gestritten; das 9. preußische Armeekorps stürmte unter heftigen Gefechten den von den Franzosen stark befestigten Eisenbahndamm vor der Stadt. Groß waren die Verluste auf beiden Seiten; man muß es den Franzosen zum Ruhme nach­sagen, einzelne Truppenteile schlugen sich wie die Löwen und ließen sich eher in Stücke hauen, ehe sie ihre vortrefflichen Stellungen aufgaben. Da standen mitten in einer Ebene zwei völlig intakte französische Bataillone, gegen welche die Ulanen in Carriere heranbrausten. Ein furcht­barer Kampf entwickelte sich, endlich mußten die Franzosen, völlig niedergeritten, das Heil in der Flucht suchen. Und solcher Einzelgefechte gab es eine ganze Menge. Am Abend um 5 Uhr waren die deutschen Truppen Herren des Eisen­bahndammes und drangen in die Vorstadt St. Jean.

Vor dem Hause Denfert's etablierte sich eine preußische Batterie und arbeitete die ganze Nacht, für ihre Geschütze eine gesicherte Stellung zu schaffen. Am andern Morgen sollte von hier aus die Beschießung der eigentlichen Stadt Or­leans beginnen, wenn der Feind nicht inzwischen die Stadt geräumt haben würde.

Alles das erlebten die Bewohner des Kellers im Denfert'fchen Hause in nächster Nähe. Nur drei wußten von der Gefahr und des mörder­ischen Kampfes nichts: Georg und sein Kamerad lagen im heftigen Wundfieber und die Marquise raste sogar in den Delirien eines zum Ausbruch gekommenen Typhus. Sie durchlebte, wie Marie an ihrem Lager aus ihren wirren Reden entnahm, alles Schreckliche, das ihr die letzten Wochen gebracht hatten, noch einmal: bald fluchte sie den Mördern ihres Gemahls, bald rief sie ihn zur Hilfe gegen die räuberischen Franktireurs, dann flehte sie zu Gott um Rettung ihres einzigen Kindes und endlich hob sie sich aufrecht im Bette und stimmte mit lauter Stimme in deutscher Sprache das Lied an:Ein' feste Burg ist unser Gott, Ein gute Wehr' und Waffen!"

VI.

Die Würfel waren gefallen Orleans war zum zweiten Male für die Franzosen ver­loren. Aurelles de Paladine hatte nach dem Ausfall des Kampfes am 3. und 4. November mit seinen Generalen Kriegsrat gehalten: alle waren einstimmig der Ansicht gewesen, daß Or­leans nicht zu halten sei, und daß der unnütze Widerstand nur zum gänzlichen Ruin der ohne­hin vom Kriege schwer mitgenommenen Stadt führen müsse. So hatte man sich entschlossen, die Stadt freiwillig zu räumen und hatte diesen Beschluß noch in der Nacht ausgeführt; eine Deputation der Stadtväter begab sich sofort in das Hauptquartier des Prinzen Friedrich Karl

und lud ihn ein, von der Stadt Besitz zu nehmen. Das geschah in feierlicher ruhiger Weise und gewiß hat unser Kaiser Wilhelm, als er nach Berlin die Siegesdepesche diktierte und die Worte hinzusetzte:Orleans noch in dieser Nacht be­setzt worden, also ohne Sturm. Gott sei gedankt!" das allgemeine Gefühl der Sieger ausgedrückt, die in den Frühstunden des 5. November mit taktmäßigem, festem Schritte in die altehrwürdige Stadt einrückten und bei dem Standbilde der Jungfrau an ihrem geliebten Führer, dem Prinzen Friedrich Karl, vorbeidefilierten.

In den nächsten Tagen gab es Wohl viel Unruhe und hier und da Streit, ehe Quartier­geber und Einquartierte sich in einander ge­funden und zumal bei gegenseitiger Unkenntnis der Sprache sich mit einander verständigt hatten, aber im Großen und Ganzen atmeten die Franzosen doch auf, daß die Ungewißheit vorüber und das Schlimmste, das Bombardement, ihnen erspart geblieben war. Ja, wenn sie ehrlich hätten sein und aussprechen wollen, was sie dachten, so hätten die Meisten von ihnen bekennen müssen, daß ihnen die fremden Barbaren, trotz rauher Manieren und der abscheulich klingenden Sprache, durchweg besser gefielen, als die komplaisanten, aber zügel­losen und übermütigen Landsleute.

In der Präfektur, wo der Prinz sein Ab­steigequartier genommen hatte, ging es lebendig und laut her. Adjutanten und Ordonanzen gingen und kamen, Generalstabs-Offiziere erteilten Be­fehle, Soldaten aller Gattungen und Grade drängten sich durcheinander, Meldungen zu machen oder Anweisungen zu erhalten. Dazwischen schnatterten und lamentierten zungenfertige Fran­zosen, denen man nach ihrer Meinung zu viel Einquartierung gegeben hatte oder die für ge­machte Lieferungen ihre Bons zu erhalten trach­teten, während gleichzeitig die Führer eben an­langender Kolonnen um Anweisung von Quar­tieren oder weitere Marschdirektiven ersuchten. Der sinnbetäubende Lärm, der selbst bei der geregeltsten Verwaltung und dem genauesten Funktionieren der Heeresmaschinerie in den ersten Stunden nach dem Einrücken einer Armee und ihrer Trains nicht ausbleibt, füllte die weiten Höfe, Korridore, Hallen und Säle.

Ein junger Ulanenoffizier, dessen Aeußerem man die Strapazen der letzten Tage ansah und der noch nicht Zeit gehabt oder sich genommen hatte, in seinem Quartier der Ruhe und Er­holung zu Pflegen und Restaurierung seiner äußeren Erscheinung vorzunehmen, drängte durch die Menge dem Eingangsthore zu. Es war Herr v. Hochfeld, der so, wie er aus dem Sattel gestiegen war, die Suche nach den beiden ihm teuren Personen beginnen wollte. In seinem Eifer rannte er gegen einen kleinen, brillentrag­enden Herrn in der Uniform eines Stabsarztes an, aber ohne sich umzusehen, wollte er mit einer leichten Entschuldigung und einer grüßenden Be­wegung an die Mütze vorüber. Dieser aber hielt ihn, halb ärgerlich, halb lachend am Rockzipfel fest.

Hochfeld, Mensch, hat der Kanonendonner Sie taub und der Pulverrauch Sie blind ge­macht, daß Sie alte Bekannte nicht mehr kennen? Oder was ist in Sie gefahren, daß Sie wie der rasende Ajax einherstürmen?"

Ach, Sie sind es, Senden. Kommen Sie Doktor, helfen Sie mir suchen. Wo sind die Lazarethe der Franzosen? Geschwind, Sie werden sich da eher zurecht finden, als ich."

Ja, aber Wertester, wen oder was suchen Sie eigentlich?"

Sie wissen nicht? Meinen Georg, meinen

Goldjungen, den mir die gottver-Franktireurs

verwundet und mit fortgeschleppt haben. Er muß hier in Orleans im Lazareth liegen, wenn sie ihn nicht-o, mein Gott!"

Und laut stöhnend zog der Leutnaut den kleinen dicken Stabsarzt mit sich fort, der bei dem Namen Georg hoch aufgehorcht hatte. Hatte er doch selbst kein geringes Interesse an dem braven Burschen, der ihm von früher her gar Wohl bekannt war. Beide Offiziere waren ge­meinschaftlich auf die Suche gegangen, aber keine Spur des Verlorenen hatte sich finden lassen, obgleich sie alle Spitäler in Orleans abgesucht hatten.

Hochfeld war unermüdlich; er nahm sich kaum die Zeit zum Essen und Trinken. Der sonst so schneidige, auf sein Aeußeres mit Pein­licher Sorgfalt bedachte Leutnant hatte selbst für die notwendige Aufbesserung der hart mitge­nommenen Toilette und für die Pflege seiner Pferde keinen Sinn gezeigt, sondern war, seitdem sein Regiment in Orleans eingerückt war, fast ununterbrochen auf der Suche nach seinem ge­treuen Burschen, an den ihn Heimat und ge­meinschaftlich verlebte Jugendzeit, wie die un­zähligen empfangene Beweise rührender Treue mit herzlichster Zuneigung knüpften.

Aber drei Tage waren ihm erfolglos ver­strichen und am Abende des dritten Tages gab Hochfeld sein Suchen als aussichtslos auf. Er konnte nicht mehr, er brach fast zusammen, und wankenden Schrittes eilte er, in sein Quartier zu kommen, um nicht auf der offenen Straße vor Ermattung umzusinken. Der Nachfolger Georgs empfing ihn mit der Nachricht, daß Befehl zum Ausrücken für morgen früh gekommen sei. Es gab für die Deutschen selbst hier in Orleans kein längeres Ausruhen, als unumgänglich notwendig war, die Kriegsfurie tobte weiter und riß Roß und Mann mit sich fort.

^Fortsetzung folgt.)

Mus der Schule, s In einer Schule gabs das Aufsatzthema: «Die Bewohner Deutschlands nach ihrer Zahl, Abstammung, Religion und Beschäftigung." Zu einer originellen Behaupt­ung verflieg sich nun in feinem Aufsatz ein 12jähriger Junge, der allem Anschein nach ein den fremden Elementen unter den Bewohnern Deutschlands abholder Reichsbürger zu werden verspricht, denn er schrieb:Im deutschen Reich wohnen 46 Millionen Deutsche, dazu sind 3 Millionen Slaven, 150 000 Dänen, 300 000 Franzosen und 600 000 Juden eingeschleift."

In Long Island wurde kürzlich eine Schildkröte aufgefunden, welche auf ihrem Rücken die Gravierung A. B. 1800 zeigt. Wie sich nun herausstellte, gehörte in der betr. Gegend vor 100 Jahren eine große Farm einem gewissen Albert Brown und man nimmt nun an, daß dieser die Inschrift eingraviert hat.

sPoesie des Vaterhauses.) .Oft

wird auch das Eigenschaftswort dem Hauptwort nachgestellt, besonders in der dichterischen Sprache. Wer weiß ein Beispiel?" Der Sternwirts­sohn:Lausbub verdammter!"

(Berechtigte Frage.) (Student):Lieber Onkel, ich komme mit einem Anliegen willst Du mir nicht 50 ^ zur Anschaffung wissen­schaftlicher Bücher leihen?" Onkel:Soll das ein Anliegen sein?" Neffe:Ja, lieber Onkel weshalb denn nicht?" Onkel: Weil ich es für ein Anlügen halte!"

(Ein Bericht.) Gerichtsvollzieher:Habe zu melden, die Pfändung war ohne Erfolg gekrönt!"

Auflösung des dreisilbigen Charade in Nr. 152: Nichts. Würdig. Nichtswürdig.

Zweisilbige Charade

Alles was immer geschah, ist in der Ersten geschehen, Und wie lange sie war, hat noch kein Rechner geforscht. Ach, eine Mutter, die Alles verschlang, was sie je geboren,

Nagt an dem werdenden Keim schon ihr vernichtendes Gehn

Kostbar ist sie den Handelnden stets, Geld ist sie den Briten,

Und wer klüglich bedenkt, sorgend in ihr für die Not, Wer die Zweite erfand, war sicher klüger als Mancher, Denn die feste Gestalt gab er dem flüchtigen Wort. Wie viel liebende Herzen, die fern vom Teuersten schlagen,

Würden vor Schmerz vergehn, brächte die Zweite nicht Trost.

Ruht auf dem Ganzen nicht eben Dein Blick, verehrlicher Leser?

Als Du das Rätsel bemerkt, war auch die Lösung schon da.

Nrdattio», Druck und Verlag von S. Meeh i» Neuenbürg.