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so johlt es und kreischt es aus dem Pöbelhaufen, der sich jetzt um die Ecke wälzt. In der Mitte desselben sieht man einen Haufen bewaffnete Männer, die zwei gefangene Preußen, Ulanen, mit sich führen, nein! mit sich schleppten. Denn den Unglücklichen sind nicht nur die Kleider zum größten Teile vom Leibe gerissen und hängen in Fetzen herab, sondern auch Schläge und Püffe sind auf sie herabgehagelt, daß das Blut von ihnen fließt und sie sich kaum noch auf den Füßen halten. Und noch immer ist die Wut des Pöbels nicht gesättigt, noch immer drängen sich neue Rachgierige heran, um die Erbitterung über das nationale Unglück an den schuldlosen, aber ihnen preisgegebenen Leibern der beiden Prussiens auszulassen. Man sieht die beiden Armen müssen binnen Kurzem ihren Peinigern erliegen, sie werden zusammensinken und das Volk, Männer und Weiber, werden sie mit den Stiefelabsätzen zertreten und dann die zuckende Masse an die Laternenpfähle hängen. Endlich muß der Ruf: An die Laterne! noch einmal zur Wahrheit werden.
Denfert will sein Kind in's Haus ziehen, um ihm den gräßlichen Anblick zu ersparen. Marie steht unbeweglich und starrt mit weit geöffneten Augen in die fürchterliche Szene. Alles Leben scheint aus ihrem Körper gewichen —> aber endlich ringt es sich wie ein Schrei, der dem Vaier durch's Herz geht, von ihren Lippen. „Vater, das sind die VsvKsurs äs la patris, und der, o Gott, Vater! sieh, das ist der mutige Bursche, der Ulan, der mit seinem Herrn sein Leben für unfern kleinen Gaston gewagt hat. Wie kommt der hierher? O Gott, Vater, rette ihn!"
Die Stimme des Mädchens klang flehentlich — mit einem Blicke überschaute Denfert die Lage und der Beschluß, den Feinden womöglich das Leben zu retten, stand bei ihm fest. Aber wie? Mit Gewalt war hier nichts auszurichten — nur List konnte helfen. So schob er sein Kind in das Haus hinein, dessen Thür er ihm verschloß. Dann stand er mit ein Paar großen Schritten vor der wild erregten Menge.
„Mitbürger, Franzosen!" hallte seine mächtige Stimme über den Lärm hin, „ich begrüße im Namen Frankreichs seine heimkehrenden, wackern Streiter. Denn daß Ihr solche gewesen seid und noch seid, das beweisen die Gefangenen, die Ihr mit Euch führt. Das also sind die gefürchteten Ulanen! Laßt mich doch auch einmal die schrecklichen Feinde Frankreichs ein wenig näher betrachten." Damit hatte er sich Bahn durch die aufhorchende Menge gebrochen und stand nun unmittelbar neben Georg, denn dieser war wirklich einer der unglücklichen, beiden Gefangenen, sein Kamerad der den Lesern auch schon bekannte Hildebrand, die beiden Opfer ihres allzu kecken Wagemutes.
Der Pöbel hatte dem Meister Denfert, den die Meisten Persönlich kannten und der als wohlangesehener Bürger unter dem Volke der Vorstadt in hohem Ansehen stand, bereitwillig Platz gemacht. Sie wußten ja, der Mann war ein glühender Patriot. Offenbar freuten sich die Meisten darauf, daß Denfert ihnen einen Extraspaß machen und einen oder beide Prussiens vor ihren Augen mit seinen gewaltigen Fäusten erdrosseln oder sonst einen Gewaltftreich ausführen würde. So jubelten sie ihm denn mit lautem: „Vivs Osnksrt! Vivs xers wareedal!" zu und als er wieder zu sprechen begann, ging es: „silsnee, 8ilenes xour xdrs vsnksrt!" durch die Menge.
„Mitbürger! begann Denfert wieder. „So also sehen diese Unholde aus?" Ich muß gestehen, ich habe sie mir schrecklicher gedacht, als diese halbflüggen, schwarzweißen Täubchen. He, sie scheinen mir hübsch kirre zu sein — ich denke, wir drehen ihnen ganz den Hals um!"
„Bravo, bravo!" scholl es aus der Menge. „Vater Denfert weiß Bescheid wie man mit den Prussiens umgeht. Dreht ihnen den Hals um!" „Doch halt, Bürger und Bürgerinnen!" rief Denfert und wehrte die Andrängenden von den Gefangenen zurück. „Auch ein Prussiens soll nicht sagen, daß er keinen Richter in Frankreich gefunden hat. Halten wir einen Kriegsrat über sie und verurteilen sie nach aller Form Rechtens!"
„Bravo, bravo!"
„Da ist mein Haus. Kehrt ein bei mir und genehmigt erst einen Morgmtrunk, Bürger und Bürgerinnen, es weht verteufelt kalte Luft heute Morgen. Ich habe noch ein Fäßlein Absynth im Hause, das gebe ich den Vaterlandsverteidigern zu Ehren gern zum Besten. Die Prussiens aber sperrt mir so lange in die Schmiede — ans Entwischen denken die Wohl so wie so nicht!"
Das Volk brüllte Beifall. „Kriegsrat — ja! und das Fäßlein Absynth und dann : ä In lantsras! O, es giebt einen Hauptspaß das! So wälzte sich der Haufe denn in den Hofraum Denfert's wo derselbe schnell die Räume seiner Schmiede aufschloß und die beiden Gefangenen dort hinein schob. Einer der Franktireurs übernahm gegen Zusicherung doppelter Portion Absynth die Wache davor. Dann eilte Denfert ins Haus und kam sehr bald mit dem versprochenen Fäßchen zurück. Von dem augenblicklichen Tode hatte er die beiden Unglücklichen gerettet, was weiter mit ihnen geschehen sollte, Wußte er noch nicht; indessen vertraute er auf gut Glück, das ihm einen Weg angeben werde, diesen wahnsinnigen Pöbel um seine Opfer zu prellen.
(Foi isetzung folgt.)
Eingemachte Kürbisse. Die Kürbisse werden geschält, halbiert, entkernt und das Fleisch in ganz dünne Scheiben geschnitten. Dieses wird mit Essig übergossen und einige Stunden hingestellt. Darauf wird der Essig abgegossen und je 2 Liter in Verhältnis mit 1 Kilo Zucker gekocht, abgeschäumt, ein Stück Zimmt, die ganz dünn abgeschälte in längliche Streifen geschnittene Schale einer Zitrone, etwas Ingwer und einige Nelken hinzu gethan und das Kochen wieder '/s Stunde fortgesetzt. Nun legt man die Kürbißschnitte ein, läßt die Brühe gut einkochen und gießt sie kochend über die Kürbisse. Nach 2 oder 3 Tagen kocht man den Saft nochmals auf, läßt ihn erkalten und gießt ihn über die Kürbisse.
In vielen Gegenden Deutschlands erfriert die Apfelblüte so häufig, daß der Anban von Aepfeln kaum noch lohnt. In solchen Gegenden müssen Apfelsorten bei der Pflanzung von Aepfeln gewählt werden, die möglichst spät blühen. In der neuesten Nummer des praktischen Ratgebers wird eine Reihe spätblühender Apfelsorten veröffentlicht, auf die jetzt vor der Pflanzzeit besonders hingewiesen werden soll. Die Sorten blühen so spät, daß ihnen die Maifröste nichts oder doch wenigstens nur selten schaden können. Die Nummer des Praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau, welche die Liste enthält, wird auf Wunsch an Interessenten kostenlos von dem Ge- schästsamt der Wochenschrift in Frankfurt a. O. zugeschickt.
(Sicheres Mittels Mutter: „Ich möchte nur wissen, wie ich Karl veranlassen soll, die Medizin zu nehmen. Wenn ich ihm sage, was es ist, nimmt er sie sicher nicht." — Vater: „Ich werde dir sagen, was du thun mußt. Stell' sie auf den Tisch und verbiete ihm, sie anzurühren, dann nimmt er sie bestimmt."
Mn Schlauberger.) Kunde: „Und wie ist der Preis von den Bildern?" — Photograph: „Das erste halbe Dutzend kostet vier Mark, während Sie für ein zweites halbes Dutzend nur noch drei Mark zu zahlen haben." — Kunde: „Dann machen Sie mir, bitte, erst 'mal das zweite halbe Dutzend!"
Gedankensplitter.
Der Mensch kann alles werden, wenn er nur erst ruhig geworden ist. In der Stille sehen wir, wie die Dinge gehen sollen, im Getümmel, wie sie gehen.
Mutmaßliches Weiter am 4. und 5. Oktober.
«Nachdruck verboten.)
In Oberitalien ist das Barometer auf 765 ww, im inneren Rußland auf 770 mm gestiegen, weshalb der nock> am südlichen Ausgang des Aermelkanals liegende Luswirbel von 740 ww unter Abflachung auf 747 nach der mittleren Nordsee gewandert ist und wahrscheinlich wenerhin nordwärts verdrängt wird. Für Mittwoch und Donnerstag ist nur zeitweilig und mäßig bewölktes, fast ausnahmslos trockenes und auch zeitweilig aufgeheitertes Wetter bei milder Temperatur in Aussicht zu nehmen.
Am 5. und 6. Oktober. !
Ueber ganz Frankreich, Süd- und Mitteldeutschland, Mittel- und Unteritalien liegt nun wieder ein Hochdruck von 765 mm und darüber, über dem inneren und sich, westlichen Rußland, Rumänien und der östlichen Hälfte der Balkanhalbinsel gleichfalls im Hochdruck von 765 mm der Luftwirbel im Norden und Nordwesten mit 740 mm zieht sich langsam nordwärts zurück. Für Donnerstag und Freitag ist zwar noch zeitweilig bewölktes, aber vorwiegend trockenes und auch mehrfach aufgeheitertes Wetter zu erwarten.
Telegramme.
Paris, 3. Oktbr. Der „Figaro" veröffentlicht ein Gespräch, das einer seiner Mitarbeiter, der zum Geographenkongreß in Berlin weilt, mit dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe ! gehabt haben will. Ueber die Beteiligung Deutschlands an der nächstjährigen Weltausstell- ; ung in Paris befragt, soll der Reichskanzler i! geantwortet haben: „Der Gedanke einer Boy- kottierung der Ausstellung sei albern, es sei unsinnig, ganz Frankreich für einen Justizirrtum verantwortlich zu machen. Mehr als je müsse Deutschland in seinem eigensten Interesse sich au der Ausstellung beteiligen. Die Deutschen würden gelviß massenweise zur Ausstellung kommen, denn sie hätten großes Interesse daran, Frankreich den großartigen Aufschwung ihrer Industrie darzuthun." (Die hier wiedergegebenen angeblichen Aeußerungen des Reichskanzlers decken sich ( mit den Anschauungen weitester Kreise in Deutschland; die Unterredung als solche aber erscheint ) wenig wahrscheinlich. Authentische Bestätigung ( bleibt abzuwarten. Die Red.) (
London, 3. Oktbr. Mit atemloser Erwartung blickt man hier der Entwicklung der nächsten Tage entgegen. In afrikanischen Nachrichten herrscht heute große Ebbe. Eine New-Iorker Depesche meldet bereits, daß Dundee in Natal durch die Buren besetzt sei, dabei seien auf englischer Seite 37 Mann gefallen.
Im allgemeinen erwartet man aber, angeblich nach Mitteilungen aus Brüssel von Dr. Leyds, den Ausbruch der Feindseligkeiten erst heute oder morgen. Die Admiralität hat seit gestern be- ' gönnen, im großen Stil Transportdampfer zu chartern. Die Herrichtung für Infanterie erfordert eine Woche, für Kavallerie zehn Tage. „Daily Graphic" versichert, für weitere 20 00Ü (
Mann seien bereits Transportmittel gewonnen. General Buller, der Kommandierende der auszusendenden Hauptmacht, reist am Freitag oder Samstag ab, mit ihm gehen weiter 140 Offiziere zur Verwendung im Stabe, sowie bei den Beförderungs- und Verpflegungsetappen und in sonstigen Dienstzweigen ab.
London, 3. Oktbr. Ein Telegramm der „Times" aus Johannesburg meldet: Obwohl in Johannesburg gegenwärtig eine größere Ruhe herrscht als am Freitag, ist die Lage doch immer noch ernst. Eine große Anzahl von Eisenbahnzügen, sowohl von Johannesburg wie von Prätoria, gehen mit Truppen und Munition an die Grenze von Natal ab. Eine Streitmacht von mehreren tausend Mann muß dort angesammelt sein. Es wurde bemerkt, daß die Artillerieabteilungen eine Anzahl Kanonen größeren Kalibers mitgenommen haben. Weitere Kontingente wurden heute abgeschickt.
Durban (Natal), 3. Okt. Jeden Augenblick wird die Nachricht erwartet, daß die Buren an der Nordgrenze Natals die Offensive ergriffen haben. In Charlestown plünderten Eingeborene einige Häuser. In Saudpruit dürften etwa 1000 Buren mit 23 Geschützen, in Millerfarm 4000 Buren stehen und am Botha-Paß etwa 300. In Durban ist der englische Dampfer „Salpoara" mit einer Feldbatterie, einer Feldhospitalabteilung und Kriegsvorräten angekommen.
Petersburg, 3. Okt. Auf dem Dampfer „Nikolaus" fand gestern auf der Fahrt von Schlüsselburg nach Petersburg eine Kesselexplosion statt. Drei Mann der Besatzung wurden getötet, einer schwer verletzt.
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für das IV. Hnartal
können noch immer bei den Poststellen und Postboten gemacht werden. In Neuenbürg abonniert man in der Geschäftsstelle d. Bl.
Redaktion, Druck und Verlag von L. Meeh in Neuenbürg.