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Sedantag.

Nicht nur bei unsrem westlichen Nachbar, sondern auch inmitten unsres eignen Vaterlandes begegnet man in den letzten Jahren der miß­mutigen und übelwollenden Frage:Warum feiert das deutsche Volk denn immer noch das Gedächtnis des 2. September 1870? Man sollte davon doch nun ablassen und allenfalls in den Schulen zu der Heranwachsenden Jugend davon das Notwendige sagen." Daß jenseits der Vogesen solches Mißfallen an den Feiern deutscher Siege zu finden ist, kann man begreiflich finden, wenngleich insonderheit unsres Kaisers Ritterlichkeit, Leutseligkeit und Friedfertigkeit im letzten Jahre aufs Neue unwiderleglich gezeigt haben, wie aufrichtig es uns zu thun ist um versöhnliche Stimmung hüben und drüben.

Aber daß die Söhne und Enkel der Sieger von Wörth, Mars la Tour, Sedan unzufrieden sind mit diesem nationalen Gedenktag, kann nur auf das Tiefste beklagt werden. Zweierlei soll doch dadurch erwiesen werden, daß wir der Väter und ihrer Thaten treu gedenken. Zum Ersten, daß unvergessen bleiben die Tausende von Opfern und Ströme von Blnt. durch welche unter Gottes Beistand cs möglich war, die deutsche Einheit, Freiheit und Herrlichkeit zu erringen und wieder aufzurichten. Zum Andren, daß die Nachgeborenen sich bewußt bleiben und immer aufs Neue bewußt werden der heiligernsten Pflichten und Aufgaben, die nationalen Güter und damit die Ehre, Würde, Größe unseres ge­liebten Vaterlandes zu schützen Wider alle Feinde von rechts und links, zu Land und Meer, da­heim oder draußen!

Also nicht eitler Menschenruhm, nicht leeres Festgepränge, nicht wertloses Ausruhen auf teuer erkämpften Lorbeeren sei Inhalt und Gepräge unserer Sedanfeier, sondern dankbarer Aufblick zum Herrn der Heerscharen, heiliger Treuschwur für Fürst und Vaterland, für Kaiser und Reich: Wohl dem Volk, des der Herr sein Gott ist!"

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 30. Aug. Das neue bürger­liche Gesetzbuch stellt eine regelmäßige Ver­jährungsfrist von 30 Jahren fest. Eine große Anzahl von Ansprüchen verjährt aber schon in 2 Jahren und zwar beginnt die Verjährung mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem der An­spruch entstanden ist. In dieser Weise verjähren: die Ansprüche der Kaufleute, Fabrikanten, Hand­werker für Lieferung von Waren, Ausführung von Arbeiten u. s. w. der Gastwirte für Speisen, Getränke, Wohnungen, Auslagen der gewerblichen Arbeiter, der Lehrer, Aerzte, Rechtsanwälte u.s.w. Sind aber die Ansprüche durch rechtskräftiges Urteil festgestellt, so gilt die 30jährige Verjährungsfrist. Die Geschäfts­leute u. s. w., welche langausstehende Forder­ungen haben, müssen also bis zum 1. Januar 1900 ihre Ansprüche feststellen lassen, wenn sie nicht unter Umständen Schaden erleiden wollen.

Neuenbürg, 1. Septbr. In der letzten Nr. ds. Bl. brachten wir eine Bekanntmachung des Bezirksamts Pforzheim vom 26. August, Typhus betr., wornach in den letzten 10 Tagen (also vom 16.26.) ein erfreulicher Rückgang in der Zahl der Erkrankungen eingctreten war. Heute nun lesen wir in demPforzh. Beob." (Amtsblatt) folgenden Erlaß des Bezirksamts: Warnung! Nachdem bis zum 27. August ein erheblicher Rückgang des Typhus hier eingetreten war, hat derselbe in der laufenden Woche wieder erheblich zugenommen; es sind im Ganzen in dieser Woche in Pforzheim und Umgebung 85 Erkrankungen typhöser Natur angemeldet worden. Wir fordern dringend auf, die Hauptvorsichts­maßregel zu beobachten und sich vor dem Ge­nüsse ungekochten Wassers zu hüten! Dasselbe Blatt schreibt an anderer Stelle vom 1. Sept.: Angesichts der gegenwärtig etwas veränderten Witterung glauben Manche, die bisher geübte Zurückhaltung im Genüsse des Trinkwassers aufgeben zu dürfen. Das wäre grundfalsch. Wir möchten gerade jetzt unsere Leser bitten, noch immer weder ungekochtes Wasser zu trinken,

noch rohes Obst u. dergl. zu genießen und auch darauf zu achten, daß die Familienangehörigen und Dienstboten, insbesondere aber auch die Arbeiter und Arbeiterinnen strenge sich daran halten.

Calw, 1. Sept. Wie bereits mitgeteilt, wurde kürzlich dem Gemeindepfleger B. in Würzbach eine größere Summe Geldes ge­stohlen. Der Verdacht lenkt sich auf einen Knecht, der ein vielgereister Bursche ist und bei dem Sohne des Bestohlenen bedienstet war. Gestern erhielt nun B. eine Ansichtspostkarte mit dem Poststempel Berlin 30/8/99 und der Bemerkung:Das Geld ist bereits alle".

Unterreichenbach, 1. Sept. Unser Ort wird wohl bald elektrisches Licht erhalten. Eine Firma aus Stuttgart beabsichtigt, an der Nagold ein Elektrizitätswerk zu errichten und den Ort mit 400 Lampen zu versehen. Herr Löwenwirt Schmauderer Hierselbst hat das elektrische Licht probeweise eingeführt.

Ettlingen, 30. Aug. Nach zweijährigem Zuwarten sollen heute die Bahngelände-Verkäufer auf dem Rathaus hier den Kaufpreis samt Zinsen ausbezahlt erhalten. Wie man hört, hat die Badische Lokal-Eisenbahn-Gesellschaft", in deren Besitz sich die Albthalbahn befindet, das zur Auszahlung benötigte Kapital der Gelände- erwerbskommission einstweilen vorgestreckt, bis die schwierige Frage, wer den Mehraufwand von 100000 zu zahlen hat, gelöst ist.

Neuenbürg, 2. Sept. (Schweinemarkt.) Zufuhr 65 Stück Milchschweine. Preis Pro Paar 1625 ^

Aus Pforzheim wird derHandelsztg. für die Gold- und Silberwaren - Industrie" geschrieben: Wie schon im letzten Bericht bezüglich des Juli erwähnt, so ist auch im lausenden Monai der Geschäftsgang im allgemeinen befriedigend. Die Arbeiter, welche in den letzten Wochen nach Saisonbrauch weniger stark be- schäftigt gewesen, haben nun schon seit einiger Zeit vollauf zu thun. Unsre Arbeiterinnen hatten dieses Jahr überhaupt keine eigentliche Ruhepause, und an­gesichts der gesteigerten Aufnahme weiblicher Hilfskräfte in der Doublekettenbranche wird es für diejenigen Ge­schäfte, welche im Anfang des Sommers die eine oder die andere Arbeiterin ziehen ließen, schwer halten, sich Ersatz zu schassen. Nach einer kurzen Pause im Früh­jahr, während welcher es schien, als ob der Markt mit Doubleketten genugsam versehen wäre, ist die Fabrikation in diesem Artikel wieder stärker als je geworden, 'und unsre Lokalpresse enthält ungezählte Gesuche nach Kettenmachern und Kettenmacherinnen, denen dauernde Beschäftigung und höchste Lohnzahlung zugesichert wird. Daneben sucht diese Branche sich noch auswärts billiae Arbeitskräfte heranzuziehen. In Nagold ist eine Filial- fabrik von Fr. Speidel vor 1 Jahr eingerichtet worden, in welcher ausschließlich Lehrlinge herangebilder werden sollen, um später einen billigen Arbeiterstamm daselbst zu haben. Den paar Dutzend Lehrlingen stehen zwei Arbeiter als Lehrmeister zur Seite. In Mühlacker >13 Kilometer von hier) hat dieser Tage die Firma I. Emrich eine Fabrik eröffnet, und gleichzeitig erfährt man, daß Kollmar u. Jourdan, A.-G. hier, m Mühl­hausen a. d. Würm ein Anwesen erstanden haben, um daselbst eine Fabrik einzurichten. Wie lange noch w>rd dieser Aufschwung dauern? Wird er Bestand haben? Oder ist eine Reaktion mit all' den bittern Folgen einer solchen Bälde zu sürchten? Angesichts der fortdauernden Ausdehnung dieser Branche werden auch diese Fragen, sowohl den fernstehenden Beobachter als den interessierten Fabrikanten und Arbeiter beschäftigen müssen, ohne daß indessen eine exakte Antwort darauf möglich wäre. Unser deutscher Markt, wie auch der übrige europäische Kontinent, hat sich für die Double­artikel samt und sonders in ungeahnter Weise aufnahms­fähig erwiesen. Es wird aber auch noch fernerhin in hohem Maße geschehen müssen, wenn die derzeitige Produktion keine Einschränkung erfahren soll. Daß in den letzten Wochen der südamerikanische Markt wieder etwas stärker als Käufer aufgetreten, ist erfreulich. Aber die Hoffnung von Fabrikanten der alten Schule, daß dieses Südamerika wie vor >2l5 Jahren und noch früher wieder ein Abnehmer von ausschlaggebender Bedeutung für die hiesige Fabrikation werden könne, wird man kaum teilen dürfen. Auch die Ausfuhr nach Italien wird die früheren höchsten Ziffern nicht mehr erreichen. Vor einigen Wochen starb einer der hervor­ragendsten Käufer in Neapel, der Chef der Firma L. Mugnier u Cie., Herr Louis Mugnier, ein unter den hiesigen Fabrikanten überaus populärer Mann, der seit etlichen 30 Jahren in Pforzheim einkauste und dessen Bestellungen das Jahr hindurch früher wohl die höchste Ziffer ausmachten, die von einem einzelnen Be­steller je einkamen. Vor einigen Jahren noch hätte die Todesnachricht hier bedeutende Sensation erregt und manch' einen Fabrikanten vor die bange Frage gestellt, ob hierdurch nichts in der Ausdehnung dieses großen Engrosgeschäfles geändert werde. Heute wird wohl kaum ein Fabrikant mehr so ausschließlich für Italien und speziell Neapel beschäftigt sein, daß eine solche Trauerbotschaft sein Geschäft ernstlich alterieren

aktiou, Druck und Verlag von C. Meeb ta Neueubü

könnte. Von der Spezialisierung der Fabrikate NM dem Absatzgebiete sind wir immer Weiler zu der Spezialisierung derselben nach Art und Gattung über, gegangen und die Unterschiede bezüglich des in jede«, Lande bevorzugten Genres haben sich immer mehr ver­mischt. Der Unterschied zwischen dem, was man ' Deutschland und dem, was man überseeisch trägt, js, obwohl noch bedeutend, doch nicht mehr so groß wie vor 25 Jahren Das ist im Fall einer teilweisen Ab, satzstockung ein großes Glück für unsere Fabrikation und mit ein Grund, daß wir vor einer Krisisich« mehr die Furcht zu haben brauchen, wie vor 25 Jahren da der Wiener Krach mit seinen Folgen die hiesig Edelmetallindustrie an den Rand des Abgrunds brachte Ein weiteres Moment, das uns vor ähnliche,, Schrecknissen bewahren dürfte, ist die Einführung von Branchen der Edelmetallindustrie in unsere Stadt, die s. Z. noch nicht existiert hatten. Hier sind es neben den Doudlekettenfabriken, vor allem die Silbergerät- sabriken, von denen wir 4 bis 5 auf Großstücks, und ! e ne ganze Anzahl auf Kleingeräte jetzt hier haben ! Dieselben sind, wie schon srüher ausgesührl, fast durch/ > weg gut beschäftig!. Als Spezialitäten sind weiter zu nennen die Fingerhutfabrikation von W. Lolihammer die zu den bedeutendsten ihrer Art gehört, und die Fabrikation optischer Goldwaren. Während srüher hier nur die Fassung für die optischen Artikel angesertigt wurde, ist jetzt eine Fabrik, die optische Industrie. Anstalt von Ernst Würtz, auch dazu übergegangen die optische Glasschleiserei damit zu verbinden. DH Fabrik, die im Maler'schen Fabrikneubau, Zerronnen straße 3V, Unterkunft gefunden und mit elektrischer Kraft und Beleuchtung eingerichtet ist. beschäftigt em, 50 Personen und ist sehr gut beschäftigt. Es'ist alle Aussicht vorhanden, daß auch dieser Jndustriezweiz hier rasch heimisch werden wird.

Deutsches Neich.

Kaiser Wilhelm tritt in diesen Tagen seine alljährlichen großen Manöverreisen an welche den Kriegsherrn diesmal nach Südwest- i deutschland führen. Zunächst begiebt sich der Kaiser nach Straßburg zur Parade am 4. Sept., hierauf nach Stuttgart (6./8. Sept.), dann nach Karlsruhe (8./14. Sept.). Ein besonders glänz­ender Kreis wird den Kaiser bei den diesmaligen Kaisermanövern umgeben. Bedauerlicher Weise sieht sich die Kaiserin verhindert, ihren Ge­mahl zu den Manövern nach Süddeutschland zn begleiten, da, wie verlautet, der kranke Fuß der hohen Frau wieder Schmerzen bereitet; auch scheint sie zur Zeit überhaupt an einer allge­meinen Indisposition zu leiden. Der Leibarzt der Kaiserin brachte die letzten Nächte im Neuen Palais zu.

Der von der preußischen Regierung ver­lorene Feldzug in der Kanalfrage dürfte doch einen für die konservativen Kanalgegner einiger­maßen unangenehmen Nachklang gezeitigt haben. Wenigstens wurde die signalisierte Stellung zur Disposition von 2 Regierungspräsidenten und 20 Landräten, die als Mitglieder der konser­vativen Partei des preußischen Abgeordneten­hauses mit gegen die Kanalvorlage gestimm hatten,' jeden Tag erwartet, ein Schritt, zu dm sich die preußische Regierung vermutlich aus der > Erwägung heraus entschlossen hat, um sich vor der öffentlichen Meinung des Landes wenigstens einigermaßen zu rehabilitieren. Ueber die Zweck­mäßigkeit dieser Maßregel, gegen welche die kon­servative Partei schon vorher durch die bekannte ! Kundgebung in derKons. Korresp." einen en­ergischen Protest erlassen hatte, kann man frei­lich streiten, obwohl natürlich die Berechtigung der preußischen Regierung, gegen politische Be- i amte, die als Parlamentarier gegen die Re- s gierungspolitik auftreten, vorzugehen, nicht be­zweifelt werden kann.

Berlin, 1. Sept. Getreidemarkt-Be-. richt. Die Preisschwankungen in letzter Zeit j waren unbedeutend. In Deutschland sind die; Zufuhren neuer Waren noch unregelmäßig, weil - die Landwirte vielfach mit einem raschem Ver­kauf in der Hoffnung auf bessere Preise zögern. Das zögernde Angebot und die anhaltende Trockenheit, die der Entwicklung der Kartossel- Pflanzen entgegensteht, bewirkte im Berliner Lieferungshandel eine langsame Preisbesserung für Roggen um etwa 3 während Warzen die anfängliche Besserung verlor, da reichlich An­gebot vorhanden ist und die hierher liefernden Provinzen wesentlich niedriger stehen. HG" zog im Werte um etwa 2 - ^ an, da die neuen ! Qualitäten weniger gut ausfallen und daher am ! Ware hoch bezahlt wird.

Fortsetzung in der Beilage

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