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Pforzheim, 29. Nov. Die Pforzheimer Gemeindejagd war bekanntlich bisher für 3000 ^ an eine hiesige Jagdgesellschaft ver­pachtet. Als nun jüngst dieselbe zur Neuver­pachtung ausgeschrieben gewesen, wurde nur ein Geoot von 800 -/A abgegeben, auf das aber, weil ungenügend, der Zuschlag nicht erteilt wurde. Die darauf erfolgte neuerliche Ausschreibung mit Termin auf den gestrigen Tag sah nun eine Teilung der ganzen Jagdfläche von 1814 Hektar, welche die ganze Gemarkung und den auf Huchen- felder Gemarkung gelegenen Teil des städtischen Waldes umfaßt, in zwei Jagdgebiete vor, deren innere Grenzen das Flußbett der Enz bilden sollte. Auf die geteilten Gebiete erfolgte nun nun gestern kein annehmbares Gebot. Für das Ganze erhielt sodann den Zuschlag Herr Eisen­werksbesitzer Dr. Aug. Benckiser um den Preis von 1655 c/A, nachdem die bisherige Jagd­pächterin, die Pforzheimer Jagdgesellschaft mit Hrn. PH. Ehrismann an der Spitze, bis zu 1650 gegangen war.

Pforzheim, 29. Nov. Heute früh vor 8 Uhr bemerkten Bewohner der östlichen Karl- Friedrichstraße, daß in einem Hause der Pfarr- gasse Feuer aus dem Dachstuhl schlug. Es war wieder einmal das Bäckerhaus Pfarrgasse 18, in welchem es seit einigen Jahren wiederholt ge­brannt hatte. Der Dachstuhl wurde, soweit er nicht abgebrannt ist, von der Feuerwehr nieder­gelegt. Eine Familie in der Dachkammer, die leider versäumt hatte sich zu versichern, verliert das Meiste ihrer kleinen Habe. Auch andere Hausbewohner haben Verluste zu beklagen.

Pforzheim, 29. Nov. Am 26. ds. Mts. kamen auf dem Wege von der Belfortstraße zum Bahnhof hier 92 goldene Ringe in 18 und 14 Karat von verschiedener Form, gefaßt mit Edelsteinen verschiedener Art (Brillanten und Farbsteinen) abhanden. Auf die Beibringung der Ringe ist eine Belohnung von 500 Mark gesetzt worden. (Pf. Anz.)

Ellmendingen, 29. Nov. Vor einiger Zeit, durchlief die Pforzheimer Presse die Nach­richt, daß auf der Strecke Ettlingen-Ellmendingen eine Probefahrt auf der neuen Bahn stattge­funden habe und daß auf Station Birkenfeld die Bewohner die erste Lokomotive mit Blumen geschmückt hätten. An der ganzen Geschichte ist kein wahres Wort. Die Lokomotive kann noch nicht im Pfinzthal ihren Pfiff ertönen lassen, weil überhaupt noch kein Schienenstrang gelegt ist.

Deutsches Aeich.

Berlin, 29. Nov. Die Eröffnung des Reichstages findet am 6. Dezbr. mittags 12 Uhr im Weißen Saale des königl. Schlosses statt.

Berlin, 29. Nov. DerReichsanzeiger" veröffentlicht die vom kaiserlichen Patentamt erlassenen Bestimmungen über die Anmeldung von Erfindungen, Gebrauchsmustern und Waren­zeichen.

Der preußische Kultusminister, Dr. Bosse, hat in Genua, Haifa, Athen, Neapel und Rom die Schulen der deutschen Kolonien besichtigt und von dem Unterrichts-Betriebe Kenntnis genommen. Im Orient hat er auch die Kranken-Anstalten, insbesondere das Lepraheim der Brüdergemeinde besichtigt, das archäologische Institut in Athen und Rom und das historische Institut in Rom in Augenschein genommen. ^

WennGenossen" als Arbeitgeber auf- treten, dann macht sich ein scharfer Widerspruch zwischen Theorie und Praxis der Sozialdemokrie bemerkbar. So hat beispielsweise der sozial­demokratische Konsumverein in Potschappel auch den beiden Kutschern, die er beschäftigt, eine Stallordnung" gegeben. Darin heißt es, daß die Pferde im Sommer um halb 5 Uhr und im Winter um 5 Uhr zu füttern und um halb 7 Uhr bezw. um 7 Uhr anzuspannen seien. Dann ist die Arbeitszeit abendsunbeschränkt, so lange es das Interesse des Geschäfts fordert." Ueber Eßpausen steht kein Wort in der Ordnung. Wo bleibt denn da der achtstündige Arbeitstag, für den die Macher dieser Stallordnung begeistert schwärmen?

Berlin, 26. Nov. Wir lesen in der Nationalzeitung: Ein ehemaliger Fremden­legionär, namens Richard Fischer, ist kürz­lich nach Landsberg a. W. zurückgekehrt, nachdem er seit nahezu 5 Jahren verschollen war. Von dieser Zeit hat Richard Fischer 4^2 Jahre in der Fremdenlegion gedient, und zwar beim 2. Regiment, das in Saida in Garnison liegt. Von dort ist er vor ungefähr einem Vierteljahr mit einem zweiten Deutschen desertiert, und diese Flucht ist unter unsäglichen Mühen gelungen. 200 Kilometer bis zur marokkanischen Grenze wurden in acht Nächten zurückgelegt, da die Flüchtlinge sich tagsüber versteckt halten mußten. Von Marokko gelangten sie durch Intervention Deutscher nach Malaga, und von da nahm sie ein englischer Dampfer nach Hamburg mit. Fischer ist vor etwa 14 Tagen in Landsberg bei seinem Bruder, dem Fleischermeister Gustav Fischer, an­gelangt und hat unter anderem auch erzählt, daß in Saida in einem Turm ein Deutscher in harter Gefangenschaft gehalten werde, der seit dem deutsch-französischen Krieg dort schmachte. Nun er (Fischer) aber in Freiheit ist, wolle er das Seinige dazu thun, um diesen ehemaligen Einjährigen der deutschen Armee, den man längst tot geglaubt, aus der unverantwortlichen Haft zu befreien. Fischer hat bei dem Bezirkskom­mando in Landsberg a. W. Abzeige davon ge­macht.

Aus Vaden, 24. Nov. Einen ungeahnten Aufschwung nahm der 1884 von Pfarrer Dr. Hansjakob in Hagnau gegründete Winzer- Verein. Das Ziel: Hebung des Weinbaues, Erzielung edler, naturechter Weine und bessere Verwertung derselben, wurde errreicht. Zur Zeit zählt der Winzerverein Hagnau, wie die Konst. Zeitung" erklärt, 90 Mitglieder, denen 1897 für gelieferte Trauben und Wein 86 478 ausbezahlt wurden, 1898 wird der ausbezahlte Betrag nahezu 120000 ^ betragen. Der Verein besaß am 1. Januar 1898 ein Reinvermögen von 48635 ^ In dem letzten Jahre bildeten sich auch zu Meersburg, Immenstaad und Reichenau Winzervereine, was nicht wenig zur Hebung des Weinbaues in der Seegegend bei­trägt.

Eine Lehre.

Das deutsche Reich ist an keiner der großen Streitfragen, die in der letzten Zeit auf dem Gebiete der auswärtigen Politik das meiste In­teresse in Anspruch nehmen, unmittelbar beteiligt; weder durch den spanisch-amerikanischen Krieg und die Arbeiten der Pariser Friedenskommission, die letzthin durch die Forderung der Vereinigten Staaten auf Abtretung der Philippinen ins Stocken geraten waren, noch auch durch den Liefern Gegensatz zwischen England und Frank­reich in afrikanischen Fragen ist Deutschland in direkte Mitleidenschaft gezogen worden. Wir konnten also auch bei beiden Ereignissen auf dem Welttheater die ruhigen Zuschauer spielen, und unser Anteil dürfte sich darauf beschränken, gut zu beobachten und die richtigen Lehren aus den Vorgängen zu ziehen. In einem Punkte war dazu keine besondere Gabe erforderlich, vielmehr drängte sich die Lehre selbst dem blödesten Auge auf: wir meinen die Bedeutung der Flotte in dem einen wie in dem andern Falle.

Beim Ausbruch des spanisch-amerikanischen Krieges ging die allgemeine Meinung dahin: Spanien ist seinem Gegner zur See fast eben­bürtig, es wird ihm im Anfang auf dem Meer zu schaffen machen, aber auf die Dauer gegen ihn nicht aufkommen können, weil die Vereinigten Staaten über viel größere materielle Reichtümer verfügen; das Ende also wird sein, daß Spanien nach ehrenvoller Gegenwehr Kuba verlieren wird. Der Fehler in dieser Rechnung war das über­triebene Zutrauen in der Leistungsfähigkeit der spanischen Flotte. Gleich zu Beginn des Krieges und je länger, desto mehr zeigte sich, wie schauder­haft Spanien seine Kriegsflotte in fast allen Stücken, Material, Armierung, Mobilmachung, vernachlässigt hatte. Die Folge ist, daß es nicht nur Kuba, sondern auch Portoriko herausgeben mußte und zum Ende nun auch die Philippinen verlieren wird. Seine überraschend große Schwäche

zur See mußte begreiflicherweise den Gegner anreizen, seine an und für sich nur geringen Waffenerfolge so viel wie möglich auszubeuten. Die Schuld daran, daß Spanien völlig am Boden liegt und den wertvollen Rest seines Kolonial­besitzes verliert, ist lediglich dem Verfall seiner Flotte beizumessen.

Umgekehrt zeigt uns das Beispiel der eng­lischen Rüstungen, die sofort in einer für Eng­land wichtigen Streitfrage das Zurückweichen seines Widerpartes bewirkten, welch unentbehr­liches und nützliches Werkzeug eine imponierende Flottenmacht für jede überseeische Politik ist. Anderseits ist Frankreich dank seiner zwar schwächer», aber immerhin nicht zu verachtenden Flotte vor einer ähnlich hilflosen Lage, wie der Spaniens gegenüber Nordamerika, bewahrt ge­blieben. England hat sich gehütet, über die Er­reichung des unmittelbaren Rüstungszweckes seine Uebermacht, etwa durch Erklärung des Protek­torats über Egypten auszunutzen.

Angesichts solcher Ereignisse können wir unserm Kaiser nicht dankbar genug sein, daß es seinen unablässigen Bemühungen gelungen ist den Ausbau der deutschen Flotte durchzusetzen! Eine kraftvolle auswärtige Politik kann in unserer Zeit des hochgesteigerten Weltverkehrs dieses j Hilfsmittels nicht entbehren. Wir glauben, daß auf dieser Bahn fortgefahren werden muß, und das, was uns jetzt noch an dem Rüstzeug M Schutze unserer überseeischen Interessen fehlt, einstweilen zu ersetzen ist durch die moralische Kraft, die durch Einmütigkeit des ganzen Volkes in den großen Fragen der auswärtigen Politik hergestellt wird. Die politische Selbsterziehung, an der wir arbeiten müssen, hat auch den Vor­zug, daß sie uns nichts weiter kostet als die Einsicht und den festen Willen, gegenüber den weltbewegenden und weltentscheidenden Problemen der auswärtigen Politik kleinliche Parteistreitig­keiten zu unterdrücken und den Blick von unter­geordneten inneren Angelegenheiten weg ins Weite zu richten.

Württemberg.

Stuttgart, 23. Nov. DerStaatsan­zeiger schreibt: Neuerdings scheinen in ver­schiedenen Landesteilen wieder Versuche gemacht zu werden, Ansprüche auf angeblich in England vorhandene Verlassenschaften geltend zu machen. Namentlich bilden die völlig aussichtslosen Millionenerbschaften" des englischen Generals Köhler vor deren Betreibung wir schon im Jahre 1883 gewarnt haben, des angeblich in der irischen Grafschaft Donegal verstorbenen Schiffsrheders oder Kapitäns Georg Michael Traub, des an­geblich in Indien verstorbenen Generals Walter Rheinhard (Reichert Reinert), des 1851 ver­storbenen David Ochterlony Dyce Sombre, ein angeblicher Vaier'scher Nachlaß u. a. noch immer den Gegenstand zahlloser Anfragen bei dem Kaiserlich Deutschen Generalkonsulat in London. Die Gerüchte über das Vorhandensein solcher Millionen-Erbschaften finden dauernd Nahrung durch verführerische Nachrichten in deutschen und englischen Zeitungen, wonach viele Millionen Pfund Sterling unerhobener Gelder in London verwaltet werden sollen. Derartige Annoncen gehen von Agenten aus welche sich gegen die Zahlung hoher Kostenvorschüsse zu Nachforsch­ungen und zur Nachlaßerhebung anbieten. Em günstiger Erfolg der angebotenen Schritte ergrebt sich zumeist schon deshalb nicht, weil selbst bet solchen in dem amtlichen Verzeichnis uner­hobener Gelder erwähnten Nachlaßsachen, deren Erbberechtigte bekannt sind, die Erhebungs­kosten häufig den Nachlaßbetrag überschreiten. Wir halten es daher für begründet, um den betreffenden nutzlose Opfer an Zeit und Geld zu ersparen, zur Vorsicht zu mahnen Auf das eindringlichste aber muß vor der Auf­wendung von Kosten zur Hebung in England befindlicher Nachlässe, über deren Existenz ge­nauere Angaben fehlen, immer wieder von Neuem gewarnt werden.

Fortsetzung i« der Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.