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voriges Jahr recht wenige sind. Dieses Bild zeigt sich gleich fast im ganzen Oberlande.

Balingen, 3. Niov. (Ertrunken.) Der seit längerer Zeit bei Herrn Kataster­geometer Marquart hier konditionierende 21 jähr. Geometergehilfe Morl.ock von Baiersbronn war am letzten Dienstag geschäftlich im nahen Dürrwangen. Als er nun bis heute nicht zurück­kehrte und keine Spur von ihm zu finden war, obwohl er spät nachts von Dürrwangen fort- aegangen war, ließ man die Feuerwehr in Frommem die Eyach absuchen und fand Morlock erst heute Abend ertrunken in dem an der Staatsstraße in Frommern liegenden Wehr.

In Geislingen a. d. St» verstarb am 3. ds. K. Oberförster a. D. Karl Schlipf im 60. Lebensjahr. Der Verstorbene, Ritter 1. Kl. des Friedrichsordens, war in den 70er und 80er Jahren Oberförster in Langenbrand.

Die Kgl. Hüttenwerke Christopsthal und Friedrichsthal bei Freudenstadt sollen, demSchw. B." zufolge, um den Betrieb vom Wasserstand unabhängig zu machen, durch elektrische Kraft, die von der Murg am Rauh­felsen gewonnen werden soll, betrieben werden.

Ausland.

Das Säbelrasseln Englands in dem Kon­flikt mit Frankreich wegen Faschodas hat, wie schon mitgeteilt, doch einen gewissen Erfolg gezeitigt. Von der französischen Regierung ist beschlossen worden, die Expedition Marchand aus Faschoda abzuberufen und sie den Rückzug nach dem oberen Ubangi antreten zu lassen. Die französische Presse lärmt zwar noch wegen dieser Nachgiebigkeit ihrer Regierung, aber schließlich wird es doch nicht anders werden, man fühlt sich eben in Paris augenblicklich zu einem Kriege mit dem seestarken Albion nicht genügend vor­bereitet. Doch erhält sich das Gerücht, Frank­reich beabsichtige, im Verein mit Rußland später um so wuchtiger die gesamte egyptische Frage aufzurollen, was auch aus der halbdrohenden Sprache des PariserTemps" gegen England zu erhellen scheint. Denn das Pariser Re­gierungsblatt giebt dem Londoner Kabinet zu verstehen, sein diplomatischer Sieg in der Faschoda- Angelegenheit könne England leicht teuer zu stehen kommen, da es durch den Mißbrauch eines augenblicklichen Vorteils Gefahr laufe, eine seinen wirklichen Interessen stracks entgegenstehende Aenderung der intemationalen Konstellation her­beizuführen. Uebrigens heißt es jetzt, der Negus Menelik von Abessynien trage sich mit Absichten gegen das obere Nilthal, er habe deshalb be­reits wieder seinen Frieden mit Ras Mangascha emacht, um freie Hand gegen die Engländer zu ekommen. Der Negus wäre für die Engländer freilich ein höchst unbequemer Gegner bei ihren Sudanplänen.

Die Amerikaner haben mit ihrer jetzt auf der Pariser Friedenskonferenz gestellten For­derung, Spanien solle der Union den gesamten Philippinen-Archipel abtreten, endlich die heuch­lerische Maske abgeworfen, die sie bislang noch vorgebunden hatten. Durch den Verlust der Philippinen würde Spanien definitiv aus der Reihe der Kolonialmächte gestrichen werden, der spanische Stolz sträubt sich daher gegen die neueste amerikanische Zumutung. Aber das er­schöpfte Spanien wird zuletzt doch auch in diesem Punkte dem mächtigen siegreichen Gegner nach­geben müssen, wenn den Spaniern nicht von anderer Seite Hilfe kommt, die will sich jedoch vorerst noch nicht zeigen.

Die Mächte wollen mit der Kretafrage unter allen Umständen reinen Tisch machen. Es heißt, sie seien jetzt einig, dem Sultan die Er­nennung des Prinzen Georg von Griechenland zum Gouverneur von Kreta mitzuteilen und den Prinzen eventuell auch ohne die Zustimmung des Sultans in seine neue Würde einzusetzen. Auf Kreta selber machen die Admirale kurzen Prozeß mit den Resten der türkischen Regierungsherrlich­keit, sie kündigten dem Gouverneur an, daß sie am 4. November die Verwaltungsbureaux mili­tärisch besetzen lassen und den türkischen Beamten den Zutritt zu den Bureaux nicht mehr gestatten würden. Die türkischen Soldaten sollen sich in ihre Kasernen bis zu ihrer Einschiffung zurück­

ziehen, die Gendarmen verabschiedet werden. Was für Geschäfte die neue provisorische Re­gierung auf Kreta machen wird, das bleibt aller­dings noch abzuwarten.

Der Puna - Atacama - Grenzstreit zwischen Chile und Argentinien soll nun wirklich beigelegt sein. Nach einer Privatdepesche der Times" aus Valparaiso ist jetzt das betreffende chilenisch-argentische Abkommen von den beider­seitigen Regierungs-Bevollmächtigten thatsächlich unterzeichnet worden.

Kairo, 4. Novbr. Der französische Major Marchand ist gestern von Faschoda hier eingetoffen.

Are Kaiserreise nach Jerusalem, xxvn.

27. Beirut.

Bei dem Ausflug nach Baalbek und Damas­kus werden Ihre Majestäten eine der interessan­testen und schönsten Bahnstrecken der Welt benutzen, die von der8ooiet6 anonyme Otto­mane äea cdewill8 äe ker" erbaute, erst 1895 eröffnete Libanonbahn, welche von Beirut über den Libanon und Antrlibanon hinweg nach Damaskus und weiter nach dem Hauran führt. Von Haifa gelangten wir ans einem russischen Schiffe nach dem Hafen von Beirut. Diese Stadt ist der Hauptausgangspunkt für die evangelische Mission in Syrien, die hier von Amerikanern, Engländern und Deutschen ein­trächtig betrieben wird. Die Zahl der Evange­lischen ist stetig gewachsen, und über 600 Kinder besuchen in Beirut die evangelischen Missions­schulen; von zwölf arabischen Zeitungen der Stadt sind nicht weniger als sechs protestantisch.

Die Amerikaner haben hier seit 1823 einen Mittelpunkt für ihre vor allem Syrien um­fassende Missionsarbeit. Ein theologisches Seminar, eine medizinische Schule, noch andere höhere und niedere Schulen, endlich eine große Druckerei, aus der außerordentlich viele arabische und syrische Schriften hervorgehen, präsentieren sich recht stattlich neben dem katholischen Priester­seminar. Kaiserswerth hat hier nicht bloß ein Waisenhaus, das schon vor 15 Jahren 130 Kinder, und eine höhere Töchterschule, die schon damals 120 Schülerinnen zählte, sondern auch am Bergchhang seine Erholungsstation für die Schwestern, die im Morgenland arbeiten, und in seinem Diakonissenhause bietet es auch der deutsch-evangelischen Gemeinde im Beetsaal ein Heim, in dem außer deutscher auch französische Predigt gehalten wird. Vor der Stadt in wonniger Umgebung leuchtet herüber das Hospiz des Johanniter-Ordens, das auch von Kaisers- werther Diakonissen bedient wird, hebt sich auch vom gelben Wüstensand sas Grün der Frucht­gefilde der Templer-Kolonie ab.

Die alte, menschenreiche Stadt selbst macht den Eindruck einer orientalischen Stadt, Elend und Unsauberkeit starren dem Besucher der oft ruinenhaften, überthorten Gäßchen entgegen. Schwarz- oder weißvermummte Frauen mit ihrer dunkel gefleckten Gazescheibe vor dem Gesicht, wie Aussätzige im Leichentuche anzusehen, von Haremswächtern gefolgt, erinnern an die Ent­würdigung des weiblichen Geschlechtes, und die Araber, die vom frühesten Morgen an vor den Kaffeebuden mit untergeschlagenen Beinen sitzen, können als Sinnbilder dienen für die allgemeine Trägheit und Erschlaffung des Orients.

Wir besichtigten das Männerhospital des deutschen Johanniterordens. Es war uns eine Freude, im fernen Osten ein dem deutschen Namen so zur Ehre gereichendes, mild- thätiges und menschenfreundliches Unternehmen vorzufinden. 5 Diakonissen von Kaiserswerth Pflegen hier jährlich über 500 Kranke, in dem Rosengarten mit herrlicher Aussicht auf die blaue See steht dies stattliche, musterhaft gehaltene Asyl für die leidende Menschheit. Von da be-- gaben wir uns in das MädchenwaisenHaus Zoar", das beinahe 40 Jahre besteht mit 143 Zöglingen und 10 Kaiserswerther Schwestern, aus welchem bisher schon über 1000 Mädchen im Christentum erzogen, hervorgingen. Unter dem gleichen Dache befindet sich eine höhere Töchterschule und ein Pensionat für Wohl­

habende mit gleichfalls 9 Kaiserswerther Schwestern und einigen Hilfslehrerinnen für 124 und mehr Töchter, auch jüngere Knaben, von Europäern und Eingeborenen aller Bekenntnisse Vorzugsweise sind natürlich Evangelische ,U Pensionat, außerdem aber auch Katholiken Juden und Muhammedaner. '

Beirut besitzt im Hersch einen Korso, aus dem an Festtagen Musik spielt und die höhern Stände zu Wagen und zu Pferde erscheinen' dort im sandigen Boden am Pinienwäldchen sieht man bisweilen hochedle Pferde, die reiche Syrer fernen Beduinenstämmen haben abkausen und herfüheen lassen, und reiche Syrer giebt es hier ziemlich viel. Es wurde uns einer als der größte Grundbesitzer von Palästina bezeichnet. Was König Salomo und die Kreuzfahrer nur kurze Zeit thun konnten, ist diesen Herren mög­lich sie können auf eigenem Grund und Boden von St. Jean d' Acre, Ptolemais bis Jerusalem reiten.

Von der Küste an klimmt die zum Teil auf Zahnradstrecken errichtete Bahn zunächst in zahlreichen Schleifen und Kehren durch viele Tunnels und über kühn die wilden Schluchten überspannende Bogen zum Kamm des Libanon empor. Der Reisende hat hierbei immer neue, herrliche Ausblicke auf das tiefblaue Meer und auf das Beirut und seine herrlichen, von rote« Gestein des Gebirges sich farbenprächtig A hebenden Pinien- und Olivenwälder, Obstgärten, Weinberge und Palmengruppen. Ihren höchsten Punkte, nahezu 1500 Meter, erreicht die Bahn innerhalb des 306 Meter langen Tunnels von Baidar. An dieser Stelle ist sie eine der höchst­gelegenen Bahnstrecken der Erde.

(Fein gvgeben.sPapa, was ist extravagant?' Eine Toilette, wie sie Mama hat, wenn sie von anderen getragen wird."

sKatheterblüte.sNach der verlorenen Schlacht brachte der unglückliche Regent die erste Nacht in Verzweiflung, die nächste in Wien zu!'

(Unangenehme Schlußfolgerung.) Mi,' Mein Bräutigam und ich wir sind zusamM fünfzig Jahre alt." Grethe:Und solch einen grünen Jungen willst Du heiraten?

Telegramme.

Jerusalem, 4. Nov. Das Kaiserpaar besuchte am 2. ds. mittags das deutsche evangel. Waisenhaus Tabitha Cumi, die älteste prote­stantische Anstalt Jerusalems, welche schon Kaiser Friedrich im Jahre 1869 besucht hatte. Dieselbe Oberin, Schwester Charlotte, welche damals den Kronprinzen begrüßte, empfing die Majestäten. Nachdem die syrischen Zöglinge die deutsche Nationalhymne vorgetragen hatten, besichtigte das Kaiserpaar eingehend alle Räume der Anstalt, welche durch Ordnung und Sauberkeit einen sehr günstigen Eindruck machte. Das Kaiserpaar verweilte über eine Stunde im Gespräch mit den Diakonissinneen. Von dort begaben sich die Majestäten nach dem deutschen' kath. Hospiz, welches mit deutschen Fahnen geschmückt war.

Jaffa, 4. Nov. Die Majestäten schifften sich auf derHohenzollern" bei schönem, aber heißem Wetter und ruhiger See ein und gehen um 5 Uhr nach Beirut in See. Es ist alles wohl.

Paris, 4. Nov. Im heutigen Minister­rate wurde der bisherige kommandierende General des 11. Armeekorps, Branlt, zum Chef des Generalstabes an Stelle des Generals Renouard ernannt, welcher das Kommando des 11. Armee­korps übernimmt. Zum Kabinetschef des Kriegs­ministeriums wurde General Pamard ernannt.

Paris, 4. Novbr. Eine Meldung der Agence Havas" besagt: Die Regierung beschloß, die Mission Marchands in Faschoda nicht auf­recht zu erhalten. Der Beschluß ist von dein Ministerrat nach eingehendster Prüfung der Frage gefaßt worden. .

London, 4. Novbr. Der russische und französische Botschafter hatten heute Besprechung mit Salisbury.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.