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haben sie wohl die Güte, mich zu benachrichtigen. Auf Wiedersehen!"
Er begrüßte und ging, den Staatsanwalt in recht zweifelhafter Stimmung zurücklassend. Was bis jetzt entdeckt worden war, legte zwar Zeugnis von dem Scharfsinn des Kriminalkommissars ab, gestattete aber noch nicht einmal eine Vermutung über die Person des Verbrechers! Wie sollte diese ermittelt werden?
(Fortsetzung folgt.)
Are Kaiseneise nach Jerusalem.
XXVI.
26 Der See Genezareth.
Die Stadt Tiberias am See Genezareth wurde erst zur Zeit Christi von Herodes Antipas erbaut und zu Ehren des Kaisers Tiberius nach ihm benannt. Tiberias liegt von dunklen Mauern umspannt auf knappem Raum zwischen See und Berghalde. Hier am See Genezareth fand im jüdischen Kriege ein Seegefecht zwischen Juden und Römern statt, an dem Hunderte von Booten teilnahmen. Vespasianus Zorn fiel auf die Ueber- lebenden besonders schwer, wer nicht gefallen, wurde als Sklave nach Korinth in Griechenland geführt, wo Kaiser Nero sie mit dem Durchstich der Meerenge beschäftigte. Die Alten und Wehrlosen, 1800 an der Zahl, wurden nach Tiberias getrieben und dort auf einem Platze zur Warnung für andere niedergemacht. Tiberias wurde nach der Zerstörung von Jerusalem als Hauptort Galiläas eine Zufluchtsstätte der jüdischen Nation. Auch heute noch sind dort die Juden in der Mehrzahl, etwa 10 Synagogen bezeugen den religiösen Sinn der Bevölkerung. Die besterhaltenen Häuser stehen am See, an dem früher eine Mauer mit Thürmen entlang lief. Weitaus der bedeutendste Bau ist trotz seiner Schleifung und Verstümmelung die Citadelle, in ihr ergab sich die Gemahlin Raymunds von Tribolis mit ihren Kindern und erhielt von dem edelsinnigen Sultan Saladin freien Wzug, während ihr Gemahl, der sich in der Schlacht durchgeschlagen, in Tyrus aus Gram und Sorge starb.
Scheinbar sind die Ufer des Sees mit Ausnahme von Tiberias ganz unbewohnt. So weit das Auge reicht, sieht man baumlose Berge in öder Stille aus dem See aufsteigen, in den Fluten desselben spiegeln sich weder Städte noch andere Ansiedelungen. Das östliche Ufer ist ganz unter die Herrschaft von Beduinen geraten, die keine festen Niederlassungen begünstigen. Wir bestiegen zwei große Boote, kräftige Ruderschläge der hübschen galiläischen Schiffer, die noch heute sicher denselben Typus haben, wie vor 1800 Jahren, trugen uns rasch an das Nordende des Sees nach Tel-Hum, dem alten Kapernaum, das ungefähr in der Mitte des Bogens liegt, den das nördliche Ufer beschreibt. Die schönen Ueberreste haben die Dominikaner, die das Land gekauft, mit Schutt bedeckt, um sie später wieder auszugraben. Der Ort enthält ein von denselben hergestelltes ebenerdiges Wohnhaus, dem drei Kuppelgewölbe als Dach dienen. Neben diesem wohnt der Custos, ein greiser Beduine mit seiner Familie und seinen Hunden in einem schwarzen Zelte. Die Kinder des Beduinen spielen auf den Marmortrümmern eines einstigen Prachtbaues, in welchem viele die Ueberreste des Palastes des Hauptmanns von Kapernaum erkennen wollen. Am Ausgange der Schlucht, vom See ein wenig zurückstehend, liegt das ärmliche Dörfchen Medjdel, das alte Magdala, Geburtsort der Maria Magdalena.
Der Rückweg ging über Ain-Tabgha, vielleicht das alte Bethsaida. Einem Landhaus am Ufer des Starnberger See gleichend, steht dort in schönem, terrassenförmigen Gärtchen das sehr hübsche Wohnhaus eines deutschen Paters, der ups gastfrei aufnahm und bewirtete. Der Abend senkte sich mit farbigem Schimmer über den See, der fast unerträglichen Hitze des Nachmittags folgte eine erfrischende Kühle. Wir nehmen ein Bad im See am Ufer, und unsere fröhlichen Stimmen schallen über den glatten Seespiegel. Den ganzen Tag standen wir unter dem Eindruck, welchen Siegeslauf die Lehre des Zimmermannssohnes von Nazareth doch ge
nommen, und wie sich sein Wort erfüllt hat: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen." Es ist in Erfüllung gegangen, was Josephus Flavius sagt, als er in Rom seine jüdische Geschichte und seine Beschreibung der Belagerung Jerusalems verfaßte (Kapitel 18, Buch III 3): „Eben um diese Zeit lebte auch Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn anders einen Menschen nennen darf, denn er verrichtete wunderbare Thaten als ein Lehrer der Menschen, welche die Lehre mit Freuden aufnahmen, wie denn auch viele von den Juden und Heiden ihm nachgefolgt sind. Und dieser war Christus. Obwohl ihn Pilatus auf Angeben der Obersten im Volk mit der Kreuzesstrafe hat hinrichten lassen, so blieben ihm doch diejenigen, die ihn zuerst geliebt hatten, beständig, denn er erschien ihnen am dritten Tage hernach wiederum lebendig, wie denn die Propheten Gottes uns vor mehr als 1000 Jahren wunderbare Dinge von ihm geweissagt haben."
Moderner Blödsinn. In dem sozialdemokratischen Verlag von Dietz in Stuttgart ist ein neues Werk von Karl Bleibtreu erschienen: „Der Zar-„Befreier" (Ein Wort für Volkswehr gegen stehendes Heer)", das die bekannte Schrift Bebels gegen v. Boguslawskiverteidigt. Folgender Ausschnitt möge zeigen, welches Geistes Kind die Schrift ist: „Menschliches, allzu Menschliches wuchtet zu Boden, fesselt an den Jchwahn, der Gut und Bös mit subjektiver Elle mißt. Auch der sogenannte Uebermensch Bismarck stand nur moralisch „jenseits von Gut und Böse", intellektuell blieb er bis zum letzten Atemzug eine bei aller Genialität beschränkte, ziemlich oberflächliche, in Nichtigem aufgehende Kraftnatur, dem alles soziale, d. h. objektive Empfindungen in jeder Fiber widerstrebte. Dieser letzte der Barone glaubte am Ende selber noch, sein anachronistisches Kauderwelsch, sogenannter Realpolitik stimme mit der ewigen Realität der Dinge überein .... Niemand wird ja den ostelbischen Junkern ihreselbstzufriedeneTodenklagebemängeln: „Er war unser!" Das war er, er starb in den Sielen, wie er gelebt, das hochmütig bockbeinige Paradepferd der alten Weltanschauung und die Pegasusflügel, welche schmeichelnder Mythos mit bengalischer Beleuchtung ihm ankleben möchte, sind eben nur Zeitungspapier."
Aus der Schweiz, 30. Okt. Bon einem sitzengebliebenen Jüngling berichtet die „Neue Zür. Ztg." eine rührsame Geschichte: Von Zürich kam nach Basel ein junges Pärchen und übernachtete in einem Gasthause. Bor dem Schlafengehen gab der junge Mann seine Wertsachen dem Wirte ab und erhielt darüber einen Ausweis. Am Morgen erbot sich die „junge Frau," das beim Wirte in Verwahrung gegebene Köfferchen zu erheben, und erhielt von dem Jüngling den hierfür nötigen Ausweis. Die Dame erhob das Köfferchen, welches an 700 Franken Bargeld enthielt, und verschwand damit auf Nimmerwiedersehen, den Bräutigam völlig mittellos zurücklaffeud. Geld und Koffer gehörten dem sitzengebliebenen Jüngling.
(10000 Mark von einem Hunde aufgefressen.) Der Inhaber einer großen Firma in der Halleschenstraße in Berlin war dieser Tage in seinem Privatkomptoir damit beschäftigt, die Kaffe zu ordnen, als er Plötzlich abberufen wurde. Sein Hund befand sich nun allein im Zimmer, schnupperte umher und geriet an den Schreibtisch, auf dem außer sonstigem Gelde ein Packet mit zehn Tausendmarkscheinen lag. Als Herr S. nach wenigen Minuten zurückkam, konnte er dem Hunde nur noch die Fetzen von drei Scheinen entreißen; die übrigen sieben waren bis auf wenige Stückchen von dem Hunde verschlungen. Vlos die Numern von drei Scheinen konnten noch ermittelt werden.
(Geistesgegenwart.) Aus dem Operationszimmer ertönt ein entsetzliches „Au!") Zahnarzt (den Kopf durch die Thür zum Wartezimmer steckend): Fürchten Sie sich nicht meine Herrschaften, ich Hab' nur einem Patienten einen Witz erzählt."
(Vorsicht.) „Ist es denn wahr, daß die Braut unseres Freundes Müller so riesig große Füße hat?" — „Na, kolossal, sage ich Dir! Wo die hintritt, ist ein Bauplatz!" („Fl. Bl."
(Ein Kind der Zeit.) „.. .. Und welchen Namen soll Ihr Neugeborner bekommen?" — „Radolar!"
Auflösung des Rätsels in Nr. 170:
Hamster Damm — Amsterdam.
Richtin gelöst von Gotthilf Meistert in Neuenbürg- Friedrich Kusterer in Schwarzenberg. '
Aufgabe.
Ein reicher Kaufmann in New-Hork hat in Deutschland mehrere Neffen und Nichten, deren gesamte Zahl 9 beträgt. Diesen schickte er zu Weihnachten im ganzen 1200 Mark mit der Bedingung, daß die eine Hälfte des Geldes unter seine Neffen, die andere unter seine Nichten gleichmäßig verteilt werden sollte.
Nachdem die Verteilung, so wie er es gewünscht hatte, geschehen war, fand es sich, daß jeder von den Neffen 30 Mk. weniger erhalten hatte, als jede der Nichten.
Unter wieviel Neffen und wieviel Nichten war das Geld verteilt worden?
Telegramme.
Berlin, 3. Nov. Ein Telegramm aus dem kaiserlichen Zeltlager bei Jerusalem von gestern Abend meldet: Nachdem der großen Hitze wegen die ganze Reise nach Nazareth, Tabor und dem See Tiberias aufgegeben ist, verläßt das Kaiserpaar Jerusalem am 4. Nov. morgens.
Jerusalem, 3. Nov. Das Kaiserpaar unternahm gestern den geplanten Besuch der Anstalt „Thalita Kumi", der Mädchenschule und des Hospizes des deutschen katholischen Palästina- Vereins. Mittags empfing der Kaiser eine Abordnung des Diakonissenvereins, wobei ebenso wie beim Empfang des französischen Konsuls Staatsminister v. Bülow zugegen war, dessen Vortrag der Kaiser später anhörte. — Heute besuchte der Kaiser das Johanniterhospiz, in dem Kaiser Friedrich als Kronprinz im Jahre IM wohnte, die Königsgräber und das sogenannte neue Golgatha. Heute Nachmittag findet in der Erlöserkirche ein Gottesdienst, morgen früh 9 Uhr die Abreise nach Jaffa auf der Eisenbahn statt. Es fängt eben an zu regnen. Alles wohl.
Berlin, 3. Nov. Bis 8 Uhr abends sind 355 Wahlen zum Landtag bekannt: gewählt sind 118 Konservative, 54 Freikonservative, 57 Nationalliberale, 5 freisinnige Bereinigung, 13 Freisinnige Volkspartei, 88 Zentrum, 14 Polen, 2 Bund der Landwirte, 2 Dänen, 1 Deutsche Volkspartei und 1 Fraktionsloser.
Landau (Pfalz), 3. Nov. Der Schnellzug Köln-Basel ist gestern auf Station Rohrbach entgleist, wobei vier Personen verwundet und ein größerer Materialschaden angerichtet wurde. Drei Wagen des Schnellzuges seien die Böschung herabgestürzt.
Paris, 3. Nov. Der „Radical" fordert heute, daß Frankreich, bevor es in der Faschoda- frage kapituliere, die Hilfe Rußlands nachsuche. Der russische Botschafter in London solle den Befehl erhalten, der englischen Regierung mitzuteilen, daß Rußland in dieser Frage Frankreichs Sache zu seiner eigenen mache und daß ein Angriff Englands auf Frankreich wegen Faschodas zugleich als ein Angriff auf Rußland aufgefaßt werden würde.
Konstantinopel, 3. Nov. Der auf Kreta befehligende russische Admiral trifft alle Vorbereitungen für den 5. ds. Mts. zum Vormarsch eines russischen Detachements von Rethymo ins Innere.
Madrid, 3. Nov. Die Mehrheit des Ministerrats hat beschlossen, die Pariser Verhandlungen trotz der ungerechten Forderungen der Amerikaner nicht abzubrechen, da auf Beistand der Mächte nicht zu rechnen sei,^ und die Bevollmächtigten angewisen, die unbestreitbaren Rechte Spaniens auf die Philippinen hochzuhalten. Die Presse erhebt heftigen Einspruch gegen die amerikanische Ausplünderung.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.