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Aus Stadt Bezirk und Umgebung.

Calw, 3. Nov. Heute früh kurz vor 2 Uhr ertönte der Ruf: Feuer. In der Wirt­schaft zum Stern von Kreuzberger war Feuer ausgebrochen. Der Dachstock, in welchem 2 Familien wohnten, brannte lichterloh und wurde sofort ein Raub der Flammen. Die Bewohner konnten nichts mehr retten. Der einen Familie brannte vor 6 Wochen ihr Haus ab; dieselbe ist nun zum zweiten Mal obdachlos geworden. Die Gefahr für die angebauten Nachbargebäudc war sehr groß. Das Feuer ist in einer mit Stroh und Heu angefüllten Kammer entstanden. Die Ursache ist unbekannt.

Pforzheim, 3. Nov. Wie schon vor längerer Zeit verlautete, beabsichtigte der Schrift­steller und Arbeitersekretär Alfred Agster, Reichstagsabg. für den badischen Wahlkreis PforzheimDurlachhieherüberzusiedeln. Derselbe hat sich nun definitiv hier niedergelassen und in der Metzgerstraße einen Zigarrenladen eröffnet. Wie verlautet, soll derselbe bei den kommenden badischen Landtagswahlen kandidieren. - Zu der schon gemeldeten Messeraffaire am vergangenen Montag ist noch nachzutragen, daß der mutmaß­liche Thäter, ein Zementeur, verhaftet ist.

Deutsches Weich.

Berlin, I. Nov. Im Anschluß au die kirchliche Feier der Einweihung der Erlöserkirche in Jerusalem verlas der Kaiser in der Kirche eine Ansprache, in welcher er betonte, daß das, was seine in Gott ruhenden Vorfahren seit mehr als einem halben Jahrhundert ersehnt und als Förderer und Beschützer der hier in evangelischem Sinne gegründeten Liebeswerke erstrebt haben, durch die Erbauung und Einweihung der Er­löserkirche Erfüllung gefunden habe. Jerusalem, die hoch gebaute Stadt, ruft die Erinnerung wach an die gewaltige Erlösungsthat unseres Herrn und Heilandes. Von Jerusalem sei der Welt das Licht gekommen, in dessen Glanze das deutsche Volk groß und herrlich geworden sei. Was die germanischen Völker geworden seien, das seien sie geworden unter dem Panier des Kreuzes auf Golgatha, des Wahrzeichens der selbstausopfernden Nächstenliebe. Wie vor fast zwei Jahrtausenden, so solle auch heute von hier der Ruf in alle Welt erschallen, der unser aller sehnsuchtsvollstes Hoffen in sich birgt: Friede auf Erden. Nicht Leben, nicht Macht, nicht Ruhm, nicht Ehre, nicht irdisches Gut ist es, was wir hier suchen, so heißt es weiter in der Ansprache des Kaisers, wir lechzen, flehen und ringen allein nach dem einen, dem höchsten Gute, dem Heile unserer Seelen. Und wie ich das Ge­lübde meiner in Gott ruhenden Vorfahren: Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen, an diesem feierlichen Tage hier wiederhole, so fordere ich Sie alle auf, zu gleichem Gelöbnis. Gott verleihe, daß von hier aus reiche Segens­ströme zurückfließen in die Christenheit. Der gnadenreiche Gott wird unser Flehen erhören, das ist unsere Zuversicht, er, der allmächtige Hirt, aus den wir bauen. Mit unser Macht ist nichts gethan, wir sind gar bald verloren. Es streit für uns der rechte Mann den Gott hat selbst erkoren. Fragt ihr, wer er ist, er heißt Jesus Christ, der Herr Zebaoth, es ist kein anderer Gott, das Feld muß er behalten. - Nach dem Gottesdienst unterhielt sich das Kaiserpaar vor der Kirche mit zahlreichen Einheimischen. Von dem Ausflugs-Programm mußte wegen der großen Hitze einiges gestrichen werden. Beirut und Damaskus sollen unbedingt besucht werden. In der Ansprache, welche der Kaper nach dem Gottesdienst in der evangelischen Kirche zu Beth­lehem an die evangelischen Geistlichen richtete, betonte er, daß er die Ueberzeugung gewonnen hätte, für die evangelische Kirche biete sich im heiligen Lande ein reiches Arbeitsfeld. Er hoffe, daß es mit der Zeit gelingen werde, dem Pro­testantismus im Orient in friedlichem Zusammen­gehen aller christlichen Konfessionen die seinem innern Gehalt entsprechende Stellung zu sichern. Am Montag nachmittag besuchten die Majestäten das Grab Davids, eines der größten moslemitischen Heiligtümer und das Coenaculum, sowie das

armenische Patriarchat. Abends fand beim Kaiser­paar eine größere Tafel für die türkischen Be­hörden statt und später eine Vereinigung eines großen Teiles der hier anwesenden deutschen Landsleute. Am Dienstag früh besuchten die Majestäten zu Pferd den Oelberg, Gethsemane und Bethanien, nachmittags das syrische Waisen­haus. Das Befinden der Majestäten ist vor­trefflich, ebenso ist auch das ganze Gefolge ge­sund. Beim Durchzug durch die Tempel­kolonie von Jerusalem erwiderte der Kaiser ans eine Ansprache des deutschen Kolonisten­führer ungefähr folgendes:Es freut Blich, hier soviel Landsleute zu sehen und Ich danke Euch für den schönen Empfang. Es freut Mich, datz Ihr es verstanden habt, durch Euer Persönliches Leben Euern Nachbarn ein gutes Beispiel zu geben und daß Ihr gezeigt habt, wie man es machen muß, um in diesem Lande dem deutschen Namen Achtung zu verschaffen. Ihr habt, wie Ich es schon in den anderen Kolonien gesehen habe, durch Euren Fleiß und Eure Frömmigkeit dem deutschen Namen Ehre gemacht und Euch einen guten Ruf erworben hier und im Ausland und habt gezeigt, wie man es angreifen muß, um öde Felder wieder fruchtbar zu machen. Ihr seid dem größten Teile nach, so viel Ich weiß, Schwaben. Ich habe dem König von Würt­temberg telegraphiert, daß Ich seine Landsleute in Haifa und Jaffa in gutem Wohlsein ange- troffcn habe und habe auch von ihm eine freund­liche Antwort erhalten und er hat Mir aufge­tragen, Euch zu grüßen. Ihr habt es leichter als die anderen, weil Ihr in nächster Umgebung der heiligen Stätte wohnet, wodurch ihr immer wieder neue Antriebe zum Guten schöpfen könnt. Ich hoffe, daß wie augenblicklich, so auch in Zukunft die freundschaftlichen Beziehungen znm osmanischen öleich und insbesondere die Freund­schaft zwischen dem Sultan und Mir dazu dienen wird, Eure Aufgaben Euch zu erleichtern. Wenn irgend einer von Euch Meines Schutzes bedarf, so bin Ich da und er kann sich an Mich wenden, welcher Konfession er auch angehören möge und erfreulicherweise ist das deutsche Reich im Stande, seinen Angehörigen im Ausland nachhaltigen Schutz zu gewähren."

Das von unserem Kaiser den deutschen Katholiken in Palästina geschenkte Grundstück derOvrinition" war schon seit vielen Jahren vom Palästina-Verein sowohl als auch von andern ausländischen Kreisen viel umworben; aus ihm soll das Sterbehaus der Mutter Gottes gestanden haben, es grenzt vor allem an das sogenannte Grab Davids, das mächtige Gebäude, in dessen obern Stockwerke sich das Coenaculum, der Saal der Einsetzung des heiligen Abendmahles, und in dessen unterm Stockwerk der Fnßwaschungs- saal befindet. Dieses Grab Davids ist eines der größten Heiligtümer der Mohammedaner, seine Erwerbung durch irgend eine christliche Konfession gilt demgemäß für völlig ausge­schlossen; um so wichtiger für die deutschen Ka­tholiken ist der Erwerb des Nebengrundstücks, der ihnen stets den sicheren Zugang zum Abend­mahlssaal gewährt. Der Palästina-Verein hat bereits seit mehreren Jahren ein größeres Kapital ausgebracht, um dieses Grundstück, das etwa 2000 Quadratmeter groß ist und auf das an der andern Seite der amerikanische Kirchhof angrenzt, zu kaufen und aus ihm eine katholische Kirche zu bauen; alle Bemühungen waren aber vergeblich gewesen. Wenn Kaiser Wilhelm jetzt das große Grundstück dem Palästina-Verein zur Verfügung gestellt hat, so ermöglicht er damit zugleich dem Verein, die bisher für den Erwerb des Grundstücks gesammelten Gelder zum Bau der geplanten Kirche zu verwenden. Wie vor 29 Jahren das Geschenk des Muristan-Grnnd- stückes, des ehemaligen Klosters der Johanniter, seitens des Sultans an den deutschen Kron­prinzen die Erbauung der protestantischen Er­löserkirche hervorgerufen hat, so wird jetzt'durch das kaiserliche Geschenk dervorinition" der Bau einer neuen katholischen Kirche in Jerusalem hervorgerufen.

Zur Novelle znm Invaliditäts-Gesetz schreibt dieNordd. Allg. Ztg.": Die Anregung, die Altersgrenze für die Altersrente herab­zusetzen, hat wegen ihrer großen finanziellen

Tragweite unberücksichtigt bleiben müssen. Ax Zahl der Altersrenten betrug am 1. Januar Ws 200492. Bei einer Herabsetzung der Alters­grenze von 70 ans 65 Jahre würde diese Zahl sich um 199 329, bei einer Herabsetzung aus 60 Jahre sogar um 530189 vermehren. Die jährliche Ausgabe würde sich bei der Herabsetz­ung aus 65 Jahre um 30,28 Millionen Mark aus 60 Jahre um 80,5 Millionen Mark steigern! Der in diesen Summen enthaltene Beitrag des Reiches würde für dieses eine jährliche Mehr­leistung von etwa 10 Millionen bezw. 26 p. Millionen Mark bedeuten. Gegenüber dieser Mehrbelastung konnte die Herabsetzung der Alters­grenze im Hinblick aus dre finanzielle Lage der ungünstig gestellten Anstalten nicht vorgeschlagen werden.

Obwohl der sozialdemokratische Redakteur Dr. Lütgen au seine Empfehlung der Prügel­strafe de- und wehmütig zurückgezogen hat, ist ihm doch seine Stellung von Partei wegen gekündigt worden. Die Unterwerfung hat ihm also nichts genützt. In Berlin ist neulich ff einer sozialdemokratischen Versammlung ein Scherbengericht über denVorwärts' abgehalten worden. Ein Hausdiener warf der Vorwärts"-Redaktion vor, sie sei ungerecht und Parteiisch, die Preßkommission habe keinen Zweck, ihre Mitglieder würden nur als Strohpuppe» betrachtet, einzelne beschwerdesührende GenvM würden von den Redakteuren angeschnauzt'. Mit der Freiheit und Gleichheit sei es im Vorwärts" nichts alsMumpitz", man graule sich förmlich, dort Beschwerden anzubrmgen. Ein anderer rügte die langweilige Schreibart des Blattes. Auch der Inseratenteil wurde verurteilt. Es wurde nachgewiesen, daß derVorwärts" nicht nurAnzeigen gesperrter und arbeiter­feindlicher Firmen" bringe, sondern neuerdings auch unsittliche und zweideutige Inserate trotzdem er sich stets viel aus dieReinheit" seines Annoncenteils zu gute thuc.

Ein Paar Worte überWarenhäuser." Wer viel hat, dem wird gegeben, und wer wenig hat, dem wird das wenige genommen werden/ Unwillkürlich erinnert man sich dieser furchtbaren Drohworte der heiligen Schrift, wenn man das Emporschießen der Warenhäuser sieht und daneben den unaufhaltsam scheinenden Niedergang der ehrlichen Gewerke, der kleinen Kaufleute und Gewerbetreibenden. Ihnen bietet niemand Hilfe, ihnen schadet man vielmehr mit zwar gutgemeinten, aber am grünen Tisch ersonnenen, lästigen und unnützen Vorschriften. Wie anders gehts doch den großen Warenhäusern! Sie stammen aus einer Zeit, wo kein Mensch eine Entwickelung des Geschästslebens, wie wir sie heute zu beklagen haben, voraussehen konnte. Das kaufende Publikum läßt sich anlocken von einzelnen staunend billigen Preisen und glaubt ernsthaft, der Warenhausinhaber schenke ihm alles, wolle nichts verdienen! Die Frauen des Mittelstandes wie die Damen der großen Welt sie alle meiden ihre jahrelangen Einkaufsquellen, wo sie gut und redlich bedient wurden, und wenden sich wie in Entzückung dem neuen Wunder zu. Daß sie damit eine schwere Sünde auf sich laden, ihre eigene Existenz, die Kraft des deutschen Mittelstandes verwüsten das bedenken sie nicht. Und doch sollte ihnen schon das prunkende Aeußere solcher Warenhäuser sagen, daß diese bei den angeblich billigen Artikeln viel, sehr viel verdienen müssen.

Im zweiten Vierteljahre 1898 ist nach der Statistik des Kaiserlichen Gesundheits-Amts che Maul- und Klauenseuche in rund 5500 Gehöften mit rund 127 000 Tieren ausgebrochen. Im ersten Vierteljahr war sie in 10000 Ge­höften mit 340000 Tieren festgestellt worden.

Karlsruhe, 2. Nov. Der Großhcrzog ernannte den früheren Reichstagspräsidenten v. Buol zum Oberlandesgerichtsrat.

Baden-Baden, 31. Oktober. Mit dem heutigen Tage hat die diesjährige Sommersaison ihren Abschluß gefunden. Die Zahl der Fremden betrug 69185, eine noch nie dagewesene Höhe. Bisher waren die höchsten Fremdenziffern M Jahre 1869 mit ca. 62 000, im Jahre 189» mit 63000 und die vorjährige, welche mit einer. Gesamtzahl von 67 000 abschloß.