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Ich habe Dich gequält, Jules, ich wollte mich rächen und wollte mich an Deiner Pein weiden. Oh, wie bitter schmeckt doch die Rache! Verzeihe mir Geliebter; ich habe mehr gelitten um Dich, als Du ahnst."

Er zog sie hinab, daß ihr Antlitz auf seinem Kopfe ruhte.Du machst mich glücklich. Olga!" flüsterte er,nach einem solchen Leben ist solcher Tod eine Wonne."

Finsternis war ringsum und nur die Gischt der Sturzwellen leuchtete bisweilen im Phosphor­scheine. Die Wasser rollten und ein Brausen erfüllte die Luft. Der Sturm hielt seinen Hochzeitstanz und brüllte sich eine schauerliche Melodie dazu.

Mit Glanz und herrlicher Schöne brach der junge Tag an. In Nizza erfuhr dieWelt" beim Frühstück, daß in der Nacht ein Unglück geschehen sei. Der Schiffer meldete der Hafen­behörde, daß sein Boot nicht zurückgekehrt sei, welches er einem Herrn, in dessen Begleitung Gräfin Baltujeff gewesen, vermietet hatte. Der Graf telegraphierte nach allen Küstenorten, ob nicht die Vermißten irgendwo gelandet wären; alle verfügbaren Boote wurden ausgesendet vergeblich. Erst am zweiten Tage brachte der Postdampfer von Marseille die Nachricht, daß man ein umgekipptes Boot habe treiben sehen. Eine Dampfbarkasse, welche der Graf mietete, fuhr mit dem Schiffer hinaus und endlich ent­deckte man das Boot. Es war dasselbe, in welchem die Gräfin mit Mr. Jules hinausge­fahren war. Noch blieb die Hoffnung, ein Schiff habe vielleicht die Beiden ausgenommen, doch bald schwand auch diese. Die Beiden waren in kühler See gebettet.

VI.

Am morgen nach jener Sturmnacht erhielt Lang einen Brief, und als er ihn öffnete, fand er eine Anzahl eng beschriebener Blätter.Mein Vermächtnis" stand auf dem ersten Blatte, und darunter mit kleiner Schrift:Gedenke meiner nicht mit Haß; und vergieb, was ich an Dir gesündigt." Er kannte die Schriftzüge gar Wohl. Mit schmerzlicher Bewegung begann er an zu lesen.

Mein Freund! Darf ich Dich noch so nennen? O doch Dein großmütiges Herz wird mir diesen Trost gestatten; der Gedanke, daß Du mir vielleicht eine Thräne weihen wirst, macht mir die Sühne leicht, die ich mir auferlege. Wie anders wäre mein Leben geworden, wenn ich auf meinen Wegen Dich zuerst getroffen hätte, anstatt Jenen, der mir zum Unglück ward, wie ich ihm. Du hättest veroient, geliebt zu werden, wie ich Jenen liebte; ach, warum sah ich Dich zu spät! Wie glücklich wäre ich gewesen, dieses edle Herz mein nennen zu dürfen! Doch wozu die Klagen? Es ist ja bald vorbei! Wozu aber auch will ich mein Schicksal niederschreiben, Dir erzählen, wie ich unselig geworden bin! Wozu? Ich weiß es nicht, aber mein Herz drängt mich, und ich glaube, ich werde dann froher dem Ende entgegensetzen.

Ich stamme aus einer deutschen Familie, die aus Livland nach Genf gekommen war. Hier wurde ich geboren. Mein Vater war Lehrer am Lyceum, er vergötterte mich, sein einziges Kind, und er that alles, um mich zu einem glänzenden Lose zn erziehen. Ich zeigte viel Talent, zum Entzücken meiner Eltern, ins­besondere aber für die schönen Künste. Als ich heranwuchs, erwachte in mir eine heftige Neigung für Musik, meine Stimme war, wie die Kenner sagten, schön, und man riet meinen Eltern mich für die Bühne ausbilden zu lassen. Dies war auch mein Wunsch, und welchen Wunsch hätten die Theuren mir nicht erfüllt! O, wenn sie ge­ahnt hätten, wie unglücklich ihr Kind werden sollte! Um meinetwillen zogen sie nach Paris, da sie dort bessere Gesangslehrer zu finden glaubten, als in Genf. Nach einem Jahre starb mein Vater; er hinterließ nur ein bescheidenes Vermögen, und als meine Ausbildung vollendet war, zeigte sich die Notwendigkeit, das Erlernte zu verwerten, um für mich und meine liebe Mutter den Lebensunterhalt zu gewinnen. Es kam eine schwere Zeit. Mit Mühe fand ich bei

einem kleinen Theater Beschäftigung im Chore. Der Prima-Donna-Traum meiner Mutter wurde bald von der rauhen Wirklichkeit zerstört. Wir zogen dann nach andern Stätten, aber nirgends wollte man mir erste Rollen anvertrauen. Da kamen wir auch nach Straßburg und hier wurde der Direktor einer deutschen Opern-Gesellschaft ans mich aufmerksam. Als er erfuhr, daß ich auch der deutschen Sprache mächtig sei, bot er mir ein Engagement an; es waren keine glänzenden Bedingungen, aber immerhin bessere, als ich bis­her gefunden, und es eröffnete sich mir endlich die Aussicht auf eine bessere Zukunft. So kam ich nach Deutschland. Wir traten in verschiedenen Städten auf; ich gefiel und bald galt ich als eine hervorragende Sängerin, wenn auch mein Ruf nicht über die Kreise der Provinz hinaus­drang.

(Schluß folgt.)

Are Kaiserreise nach Jerusalem.

VIII.

8 Cäsarea.

Mittags gelangten wir nach Cäsarea, der Stadt, welche Herodes der Große an die Stelle von Stratons Thurm gezaubert hat. Vor ihm Pflegte man neu begründeten Städten den Namen des Beherrschers des Landes, von Fürsten oder einer Ortsgottheit zu geben. Dem Jdumäer war es Vorbehalten, die Herrscher des römischen Reiches durch Städteschöpfungen zu feiern; Cäsarea und Sebaste lautete seine Huldigungs-Adresse an den Kaiser Augustus, der ihm zu Rhodus nach der Schlacht bei Actium den Königstitel bestätigte.

Der Prachtliebende, baulustige Fürst liebte neue Schöpfungen. Die Anlage einer neuen Hafenstadt auf der nunmehr ihm ganz zuge­fallenen Küste empfahl sich von selbst. Ihm, dem hellenisch Gesinnten, waren die Wogen des Meeres eine Lust, eine Erlösung aus der kleinen Gebirgslandschaft und den ernsten Mauern Je­rusalems, wo der starre jüdische Geist seine Bauten bekrittelte und in allem Verletzungen des Gesetzes witterte.

Cäsarea ist bis zur Zeit der Kreuzzüge eine reiche und bedeutende Stadt geblieben, heute ist es nur noch ein geschichtlicher Name, an ihn knüpft sich die Herkunft der zwei Granitsäulen auf der Piazetta in Venedig, von denen eine den Löwen von St. Markus trägt. Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus hat den Tod des Königs Agrippa I., des Enkels des Herodes des Großen und der schönen, Hingerichteten Mariamne, in ergreifender Weise geschildert. Hier in Cä­sarea war es, wo Herodes im Zirkus von Plötz­lichen'Leibschmerzen gepackt, sein Ende fand.

Noch lebendiger aber tritt uns das Ge­dächtnis eines größern, als Herodes war, ent­gegen: des Apostels Paulus. Nach seinem Auftritt mit dem Hohenpriester war er von Jerusalem nach Cäsarea gebracht worden, und hatte sich da vor dem Landpfleger Felix, einem Freigelassenen und einem Muster dessen, was ein Landpfleger nicht sein soll, zu verantworten. Felix verurteilte Paulus nicht, gab ihn aber aus Habsucht auch nicht frei, und so blieb Paulus zwei Jahre lang in Cäsarea in Haft. Als der neue Landpfleger Festus ins Land kam, mußte Paulus neue Verhöre bestehen und wurde dem König Agrippa II. und seiner Schwester Berenike vorgestellt. Des Apostels Verteidigung vor Agrippa, Berenike und Festus ist eine seiner eindrucksvollsten Reden, und man wundert sich nicht, daß Agrippa zu Paulus sprach:Es fehlt nicht viel, du überredest mich, daß ich ein Christ würde."

Der Molo, der den heute verlassenen Hafen gegen die Südwinde schützt, und in dessen Fun­dament Herodes Steine von 16 Meter Länge, 6 Meter Höhe und 3 Meter Dicke versenkte, ist derselbe, auf dem die Augen des gefangenen Apostels oft geruht, wenn auch der Säulen­schmuck des Hafens nicht mehr aufrecht steht, wie gefällte Baumstämme kreuz und quer liegen die Schäfte auf den Klippen umher. Die Burg, das Richthaus und der Tempel der Roma und des Augustus sind ganz verschwunden. Manch­mal, wenn die armen Bosniaken draußen vor den Mauern der mittelalterlichen Stadt ackern,

stoßen sie auf ansehnliche Trümmer. Die Flora des Ortes besteht nur aus üppig blühend^ gelbem Mohn. Man sieht noch einige Mauery des Amphitheaters, in welchem Herodes nach olympischem Muster fünfjährige Wettspiele aus­führen ließ, und für deren erstes Kaiser Augustuz und die Kaiserin Livia Preise gestiftet hatten.

Unser Kaiser wird mit seinem Gefolge ain Abend des 26. Oktober ein Zeltlager in der Nähe der Stadt beziehen, vielleicht aus der grünen Ebene, die zwischen der Stadt und de« Zirkus liegt, in welchem Herodes seinen Tod fand. _

Aus der Schweiz, 25. Sept. Ist Prügelstrafe durch das Volk haben kurzer­hand die Zosinger vergangenen Donnerstag au einem Frevler ausgeübt, der sich an einem acht­jährigen Mädchen vergreifen wollte. Der Strolch konnte an seinem Vorhaben rechtzeitig verhindert werden und wurde dann, wie dieNeue Ziir, Ztg." berichtet, von dem herbeigeeilten Volk so gewaltig durchgehauen, daß er in das Cantons- spital verbracht werden mußte. Höflichkeit ist die Tugend der Behörden. So erläßt der Sectionschef von Uerkheim imZosinger Tagblatt" an die Ersatzpflichtigen jeder von der Militärpflicht befreite Schweizer muß Steuer zahlen der Section Uerkheim und Mühletal folgende Mahnung: Eine Anzahl Militärsteuer­pflichtige der beiden Gemeinden stehen pro 1898 noch aus. Ich nehme an, dringendere Geschäfte haben die Regulierung der Militärsteuern bis heute verhindert. Da die höheren Organe den Sectionschefs Endrechnung bis Ende September vorschreiben, so würden Sie mich zu hohem Danke verpflichten, wenn Sie sich gelegentlich der Militärsteuer erinnern wollten. Höflich um Entschuldigung bittend, stehe jederzeit gerne zu Ihrer Verfügung."

(Ein Gemütsmensch.)O, Ernst, ich habe nur das eine Ideal, kaufe mir diesen prachtvollen Hut!"Aber wo denkst du hin, Frauchen, ich werde dir doch nicht deine ganzen Ideale rauben!"

Berlin,27.Sept. Witterungsprognose von Rud. Falb. Mit dem kritischen Termin des 16. September war die Trockenheitstendenz noch nicht ganz überwunden, allein es traten doch am 18. wieder zahlreiche Gewitter und eine Zunahme der Niederschläge ein. Zumeist äußerte sich dieser Termin im westlichen Europa: große Stürme und lieberschwemmungen in Spanien am 18. und furchtbarer Orkan in Montreal an demselben Tage. Der 30. September ist ein kritischer Tag I. Ordnung. Es ist um diese Zeit jedoch eine schwache Zunahme der Niederschläge zu erwarten. Vereinzelt sind Gewitter wahr­scheinlich. Darauf wird es sehr trocken. Schwache Regen um den 4. Oktober unterbrechen das schöne Wetter nur für kurze Zeit. Erst kurz vor dem 15., einem kritischen Termine I. Ordnung, ist wieder schlechtes Wetter und darauf Schneefall im Hochgebirge mit Rückgang der Temperatur wahrscheinlich.

An die in. Mer d. EnWlrrs in ßcmnbiirg,

welche über unregelmäßigen Empfang des Bl. durch die beiden Austrägerinnen zu klagen haben, richten wir das dringende Ersuchen, jede Nach­lässigkeit bei uns anzuzeigen, aber auch die Austrägerinnen selbst zum regelmäßigen und pünktlichen Ueberbringen des Blattes ernstlich anzuhalten.

Es sind besonders wieder in der letzten Zeit mehrfache Klagen eingekommen, die wir gut zn machen suchten. Die Austrägcrinnen empfangen selbstverständlich stets die volle Zahl von Zeitungs- Exemplaren, da jeder Abonnent sein Blatt regelmäßig zu erhalten Anspruch hat. ,

Bestellungen auf den Enzthälcr für das Vierteljahr ( 1 . Oktober bis Ende Dezbr.) wollen jetzt noch gemacht werden.

Expedition u. Vertag des Knzthäler.

Mit einer Beilage, Preisliste von Sigm»»>

Höchstetter, Pforzheim._

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.