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sichen sollten, ich gezwungen sein würde, sie an- Msechten und zu widerlegen. Es finden sich da zahlreiche schwere sachliche Jrrtümer, Verwechslung von Scherz und Ernst ... Bei allem, was ich jemals in Ihrer Gegenwart zur Unterhaltung meiner Gäste bei Tisch gesagt habe, oder in meinen vier Wänden, oder was Sie aus unkontrollierbaren Erzählungen dritter Personen zusammengestellt haben, nehmen Sie an, daß ich dabei immer meine inneren Gefühle mit derselben Gewissenhaftigkeit zum Ausdruck gebracht hätte, mit der man als Zeuge vor Gericht unter Eid aussagen mag. Bei der Pedanterie, mit der Sie verstreute Bruchstücke aus Unterhaltungen ausnutzen, dürfte ein Mann in meiner Stellung keinen Augenblick aufhören in der formellsten Weise zu sprechen und auf offiziellen Stelzen zu gehen. Alles, was Sie z. B. über mein Verhältnis zum Christentum und zur Judenfrage sagen, ist nicht nur von monströser Indiskretion, sondern auch durch und durch falsch . . . Wenn ich alles das brieflich richtig stellen wollte, müßte ich Ihr ganzes Buch noch einmal schreiben.
Friedrichsruh, 26. Sept. Der Bau des Mausoleums für den Fürsten Bismarck wird durch eine große Zahl von Arbeitern verhältnismäßig rasch gefördert. Die großen Dimensionen treten, wie den „Hamb. Nachr." geschrieben wird, immer deutlicher hervor: die Höhe des Kuppelbaues wird annähernd der Länge des ganzen Gebäudes entsprechen und demnach 26 bis 2? Meter betragen.
München,28.Sept. DerJustizminister hat bekannt gegeben, daß mit Rücksicht auf die durch das bürgerliche Gesetzbuch den Landgerichten erwachsenden Geschäftsaufgaben in Zukunft nur Richter unter 60 Jahren zu Landgerichtspräsidenten ernannt werden sollen.
Württemberg.
Stuttgart, 29. Sept. Die Vermählung der Prinzessin Pauline mit dem Erbprinzen tm Wied ist auf den 26. Oktober festgesetzt.
Durch den überraschend schnell erfolgten Äd des gewählten und vom päpstlichen Stuhl bestätigten, aber noch nicht inthronisierten Bischofs Tr. Linsenmann, haben die Katholiken Württembergs schon wieder ihren geistlichen Oberhirten verloren. Das Rottenburger Domkapitel hat nunmehr eine neue Kandidatenliste für den frei gewordenen Bischofsstuhl der Regierung einzureichen und falls der König in der Liste mindestens 3 Namen unausgestrichen stehen läßt, aus diesen 3 den Bischof zu wählen. Auf welche Persönlichkeit diesmal die Wahl fallen wird, kann noch niemand wissen oder voraussehen. Es heißt zwar, auf der letzten Liste seien die Namen des Professors Keppler in Freiburg, vorher Professor in Tübingen und Stadtpfarrer in Wildbad und des Domkapitulars Ege, früher Stadtpfarrer in Friedrichshafen, gestanden. Wenn cs nun auch wahrscheinlich ist, daß die beiden Namen wiever auf die Liste gesetzt werden, so ist doch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß M 3. Namen bei der Bischofswahl die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Allzulang bis zur Vornahme dieser Wahl wird es jedenfalls nicht Wehen, da es nicht gut angeht, immer wieder benachbarte Bischöfe zur Erteilung der Weihen, oder gar zur Vornahme von Firmungsreisen zu bitten.
Vom schönsten Wetter begünstigt ist das Gannstatter Volksfest, oder wie es amtlich heißt, das landwirtschaftliche Hauptfest unter ungeheurem Menschenzudrang verlaufen, sodaß ^ohl kaum ein früheres Fest auf dem Cannstatter Wasen eine so große Besucherzahl aufzuweisen haben dürfte, als das heurige. Zu diesem lebhaften Besuch, zu dem auch die Landleute ein gewaltiges Kontingent gestellt haben, dürfte nicht unwesentlich die günstige wirtschaftliche Lage und der reiche Erntesegen beigetragen haben. Letzter Grund ist es offenbar auch, daß die landwirtschaftlichen Feste in Crailsheim, Nagold u. s. w. b» förmlichen Volksfesten sich gestalteten.
Cannstatt, 29. Sept. (Vom Volksfest.) Gestern, als am Haupttag, ruhte fast in sämt- «chen hiesigen Geschäften die Arbeit. Auch viele «luttgarter Werkstätten und Fabriken hatten wenigstens für gestern mittag den Betrieb einge
stellt. So füllte sich dann schon vormittags der Wasen ähnlich wie am Sonntag. Bei der Auffahrt der hohen und höchsten Herrschaften um 10 V? Uhr bildete eine zahlreiche Menge von Festbesuchern Spalier, um insbesondere die Majestäten herzlich zu begrüßen. Von 12 Uhr ab setzte ein leichter Regen ein, der ganz sachte immer dichter und dichter herniederfloß. Trotzdem strömten nachmittags immer weitere Besucher herbei. Der vom Regen aufgeweichte Boden, von zahllosen Füßen gestampft, bildete einen prächtigen Sumpf, von dem an Stiefeln, Hosen und Röcken erkleckliche Mengen mit heimgetragen wurden. So etwas geht bei einem Volksfest natürlich drein, ohne allzu unangenehm empfunden zu werden. Ja, das Unwetter hat erst recht die eigentliche Feststimmung geschaffen, so daß Wirte und Schaubuden sehr gute Geschäfte machten. Trotz der riesigen Menschenmenge, die in den letzten Tagen auf dem Festplatz verkehrte, sind keine ernsteren Unfälle zu beklagen. Alle Anerkennung verdient die Eisenbahnverwaltung, die es fertig gebracht hat, ohne jede Störung solch enormen Andrang von Fahrgästen glatt zu bewältigen.
Ulm, 29. Septbr. Wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung und Zuwiderhandlung gegen die Regeln der Baukunst wurde von der hies. Strafkammer der Bauführer T. von Neusatz zu 2 Monaten, und der Werkmeister M. von Göppingen zu 2 Wochen Gefängnis verurteilt. Sie hatten beim Umbau des dem Metzger Schad in Göppingen gehörigen Hauses, das Souterain einen halben Meter tiefer ausgraben lassen, ohne die anstehenden Widerlagsmauern des Kellergewölbes genügend zu sichern. Infolgedessen siel am 9. Mai ds. Js. der Keller ein und verschüttete den Küfergesellen Klaus und den Küfer Frey, die im Keller arbeiteten. Elfterer starb an seinen schweren Verletzungen, letzterer erhielt einen Oberschenkelbruch und war 4 Monate arbeitsunfähig.
Ulm, 28. Sept. Die Arbeiten zur Heiz- barmachung des Münsters schreiten rasch voran. Im Maschinenraum des neuen Verwaltungsgebäudes werden eben jetzt die Fundamente für die Niederdruck-Dampfkessel gelegt, die bei einer Ludwigshafener Fabrik bestellt sind. Im Münster selbst sind die schwierig anszuführenden Heizkanäle unter dem Gestühl des Mittelschiffs fertiggestellt und überdeckt; von ihnen aus wird der Fußboden unter den Sitzplätzen der Kirchenbesucher erwärmt. Für die Temperierung der Luft im gesamten Jnnenraum des Münsters sind eine große Anzahl eiserner Heizkörper bestimmt, die in der Höhe an den Fenstern und unten an den Wänden und dem Gestühl verteilt gegenwärtig montiert werden. Nach der Berechnung der Bauleitung sollte am 1. Dezember d. I. mit der Heizung begonnen werden können.
Heilbronn, 28. Sept. Eine Hausfrau stellte zu ihrer Bequemlichkeit dieser Tage einen mit Wäsche gefüllten Korb in die Küche neben den Herd, wobei offenbar ein Funken in den Korb fiel und die Wäsche nach und nach entzündete. Erst nachdem ein bedeutenderer Schaden entstanden war, wurde der Brand entdeckt und gelöscht.
Mühlacker, 28. Sept. Ein Leichenzug, wie er hier selten gesehen wird, folgte heute dem Sarge des Kunstmühlebesitzers Philipp Bauer zum Grabe und gab Kunde von der großen Beliebtheit, deren sich der Verstorbene wie auswärts so besonders hier erfreute. Mit großer Uneigennützigkeit hat Bauer das Wohl der Gemeinde in verschiedenen Ehrenämtern gefördert.
Obstpreiszettel vom 28. Sept.
Stuttgart. Mo st ob st markt am Nordbahnhof. Zufuhr 2 W. aus Bayern, 1 W. aus Oestreich-Ungarn 14 W. aus der Schweiz, zus. 17 W.-Ladungen zu je ca. 10000 Kilogr. Mostobst, die im^Großen zu 700—850^: und im Kleinen von 3 <4t 60 bis 5 ^ per
50 Kilogr. teils verkauft, wurden. — Wilhelmsplatz. Zufuhr 500 Ztr. Mostobst. Preis p. Ztr. 4 ^4 30 ^
Ulm, 27. Sept. Güterbahnhof. 6 E.B.Wagen Mostobst. Preis 4 ^4 40 ^ bis 4 ^ 50 per Ztr. Handel lebhaft.
Ausland.
Cznernowitz, 28. Sept. Bei den gestrigen Landtagswahlen der städtischen und Handels
kammer wurden durchweg Kandidaten deutscher Richtung gewählt.
Paris, 29. Sept. Nach der „Aurore" besitzt die Regierung einen Brief Esterhazy an du Paty de Clam, in dem er in Hinblick auf den Prozeß im Januar 1898 fragt: „Sind Sie der Schreibsachverständigen auch ganz sicher?" Die „Aurore" verlangt daher eine neue Untersuchung gegen du Paty de Clam.
Die an der kretischen Frage noch interessierten 4 Großmächte, Rußland, England Frankreich und Italien haben nun an dm türkischen Sultan eine Art Ultimatum gerichtet. In diesem wird die Zurückziehung aller türkischen Truppen aus der Insel Kreta verlangt, wogegen die genannten Großmächte das Eigentum und das Leben der Muhammedaner auf der Insel sicher zu stellen versprachen, und ebenso die Aufrechterhaltung der Oberhoheit der Pforte über die Insel. Auf einen Kampf mit den 4 Großmächten wird es der türkische Sultan nicht ankommen lassen, und so wäre denn die Hoffnung ziemlich begründet, daß auf der Insel Kreta endlich einmal geordnete Zustände eingerichtet werden.
Unterhaltender Teil.
In festen Banden.
Eine Kriminal-Novelle von Hans Kelling.
(Fortsetzung.^
Die Gräfin wandte sich jetzt um, und wie eine verzückte Seherin schaute sie über das Meer hin nach dem Rande des Horizontes, der in Flammen zu stehen schien. Von der Küste her kam ein Windstoß, und schwankende Weiße Linien, die Kämme der Schaumwellen, erschienen auf dem Dunkel des Wassers.
„Weiter?" fragte Mr. Jules, indem er aufblickte. Im Norden zeigte sich eine schwarze Wand, die immer höher emporwuchs und deren Ränder gelblich leuchteten.
„Weiter!" war die Antwort, und er trieb das Boot weiter, jetzt vom Winde unterstützt, der mit immer heftigeren Stößen daherfuhr, Endlich sagte er wieder: „Wir werden nicht mehr zurückkehren können; wenn ich nicht umwende."
„Wir kehren auch nicht zurück!"
Eine Sekunde lang schwebten die Ruder wie festgebannt über der Wasserfläche, nur eine Sekunde; dann tauchten sie wieder in die Gischt.
Es wurde dunkler, nur im Wesen noch lag ein lichter Schein über dem Wasser.
„Jetzt ist es genug," sagte die Gräfin; nachdem sie in die Runde geblickt hatte. Die Küste war verschwunden, kein Segel, kein Dampfschlot zeigte sich auf der See.
„Komme zu mir her, Jules," sprach sie weiter, und er gehorchte. Die Ruder hatte er eingezogen und er saß jetzt ihr zu Füßen auf dem Boden des schaukelnden Bootes.
„Wir werden nicht mehr zurückkehren; es müßte denn ein Wunder geschehen, und für uns hat der allmächtige keine Wunder."
Ihre Stimme klang so weich, so lieblich, daß es den Mann durchschauerte vor Entzücken. Er konnte nicht sprechen, nur hören wollte er.
„Wir werden sterben; zusammen sterben, Jules! Fürchtest Du den Tod?" — „Ich begrüße ihn als Erlösung. Aber Du?"
„Auch für mich ist er ein Erlöser. Er befreit von einem verfehlten Leben, er sühnt alle Schuld. Ach! Jules, hätten wir uns nie gesehen!" Sie schlang ihren Arm um seinen Nacken und zog sein Haupt in ihren Schoß. „Wir haben uns beide unglücklich gemacht."
„Ich habe Dich getäuscht, verlassen —"
„Nicht weiter!" sagte sie sanft. „Du warst schwach und konntest die Stärke meiner Leidenschaft nicht ertragen. Es war Dein Irrtum, daß Du mich zu lieben vermeintest; — ich habe Dich geliebt; Du weißt nicht, wie sehr. Um Deinetwillen bin ich gesunken, so tief, ach so tief! Um Deinetwillen habe ich gethan, was nur der Allbarmherzige mir verzeihen kann —"
Sie schwieg eine Weile, der Sturm hatte ihr das Haar gelöst und trieb ihr die blonden Flechten ins Antlitz.