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meine Erholung fand ich in einem Kreise von Freunden, der täglich Abends im Hotel „Germania" zusammenkam, und an das Freien dachte ich noch lange nicht. Wenn ich auch in irgend einem Salon unter Damen geriet, so glaube ich kaum, daß der Eindruck, den wir gegenseitig erhielten, ein nachhaltiger war. Es war nun im März vor etwa zwei Jahren, da erhielt ich eine Einladung des Geheimrates Winterstein, der, wie Du weißt, in seinem Hause alles vereinigt, was zur eleganten Welt gehört. Ich wußte zwar nicht, wie ich zu dieser Einladung gelangte, denn da ich weder Dichter, noch Musiker, noch Künstler war, kam mir diese Einladung sehr überraschend. Ich folgte derselben und war begierig, die Ursache zu erfahren. Die Gesellschaft, die ich dort traf, war sehr zahlreich. Als ich hinkam, empfing mich der Geheimrat Winterstein mit seiner gewohnten liebenswürdigen Freundlichkeit. Es fiel mir aber auf, daß er mich um meinen Namen fragte. Er entschuldigte sich hierbei mit seiner Vergeßlichkeit, obwohl dies etwas sonderbar schien, daß man Jemanden zu Gaste ladet, den man nicht kennt und dessen Namen man nicht weiß. Ich war etwas verlegen, aber der Geheimrat, der dies bemerkt haben mochte, verstand diese Verlegenheit mit liebenswürdiger Freundlichkeit hinwegzuzanbern. Ich traf mehrere Bekannte dort und von diesen erfuhr ich, daß man heute eine neue Erscheinung erwarte, eine Dame, welche von Paris gekommen und an den Geheimrat empfohlen war, der sie in in die Gesellschaft einführen wollte. Man sprach von ihr wie von einem Weltwunder und beschäftigte sich mit Kombinationen. Endlich erschien die Erwartete, man sah es dem Geheimrate an, daß er stolz und erfreut war, als er sie an seinem Arme in die Gesellschaft führte. Er stellte sie als Frau v. Bülau vor. Die Dame hatte den Ruf, der ihr vorangegangen war, vollkommen gerechtfertigt. Sie war schön, nicht nur in dem gewöhnlichen Sinne, sondern auch von jener Schönheit, welche vernünftige Leute verrückt und Eisberge zu Vulkanen machen kann. Daß die Herren, namentlich jene, welche sich darauf etwas zu Gute thaten, als Lebemänner zu gelten, sofort sich als ihre Vasallen bekannten, ist selbstverständlich. Ich muß gestehen, mich hatte sie ziemlich kalt gelassen, und ich begriff nicht das außerordentliche Aufsehen, das sie erregt hatte. Ich hatte mich ihr auch nicht weiter zu nähern versucht, sondern hatte mich in den Garten zurückgezogen und promenierte daselbst mit einem Freunde, mit dem ich mich über die neuesten Werke der juridischen Literatur unterhielt. Wir waren nicht wenig erstaunt, als uns Plötzlich Frau v. Bülau entgegenkam und zwar allein. Mit liebenswürdigem Lächeln schalt sie uns, daß wir uns von der übrigen Gesellschaft zurübge- zogen hätten. Sie bestand darauf, daß wir ihr Mitteilen, worauf sich unser Gespräch bezogen habe. Wenn wir aber erwarteten, daß sie lachen würde, wenn sie es erführe, hatten wir uns getäuscht. „Mich interessiert solches Thema besonders, wenn es von so gewiegten Fachmännern besprochen wird." Eine Handbewegung ergänzte das Kompliment. „Ihr Name," damit wandte sie sich an mich, „ist mir bereits bekannt. Sie sind der scharfsichtigste und scharfsinnigste Untersuchungsrichter, der Schrecken aller Verbrecher." Ich wußte nicht recht, was ich darauf antworten sollte und verbeugte mich schweigend. „Lassen sich die Herren nicht stören und gestatten Sie mir, Ihnen zuzuhören. Geben Sie mir Ihren Arm."
„Wir mußten in der That unser Thema weiter spinnen," fuhr Lang fort, „obwohl ich meinte, dasselbe werde sie kaum interessieren.
Inzwischen waren wir wieder zur andern Gesellschaft zurückgekehrt und unser Gespräch hatte natürlich ein Ende. Als wir aber schließlich ausbrachen, kam Frau von Bülau noch einmal auf mich zu und lud mich ein, ihr Haus zu besuchen. Ich folgte dieser Einladung früher, als ich mir vorgenommen hatte. Eine seltsame Unruhe hatte mich getrieben, den Besuch schon am nächsten Tage abzustatten. Sie empfing mich mit Lächeln und meinte, sie hätte mich erwartet. Ich erwiderte, sie scheine ihrer Gewalt
sicher zu sein, die sie ausübe, und daß Jeder sich glücklich schütze, in ihre Nähe gelangen zu dürfen.
„Wenn Ihre Wone nicht blos eine Phrase der Höflichkeit sind," war ihre Antwort, „sondern auch auf Sie Anwendung finden, dann Preise ich zum erstenmale das Glück, das mir diese Gabe verliehen hat." Was wir dann sprachen, weiß ich nicht mehr, ich weiß nur, daß ich berauscht, meiner kaum mehr mächtig, sie verließ und daß ich am nächsten Tage wieder kam und immer wieder, Tag für Tag. Ich glaubte vollkommen das Recht zu haben, mich als den erkorenen Günstling zu betrachten. Hatte ich ja bereits jede Gunst, die ein Weib gewähren kann, erhalten. Nicht sie sondern ich war es, der da verlangte, daß sie mein Weib werde. Es mochte mich befremden, daß sie diesen Wunsch kühler aufnahm, als ich erwartet haben mochte. Doch setzte sie keinen Widerstand entgegen, sondern erklärte sich bereit, demnächst unsere bevorstehende Verbindung der Welt bekannt zu geben. Unser Verlobungsfest sollte stattsinden an jenem Tage, an welchem, wie Du Dich vielleicht noch erinnern kannst, Julius v. Marbod aus dem Gefängnisse entflohen war. Meine Berufspflicht zwang mich, an jenem Abend an der Beratung des Gerichtshofes Teil zu nehmen. Als ich nach derselben in das Haus der Frau von Bülau trat, fand ich es schon geschlossen, und auf meine Frage wurde mir die Antwort zu Teil, sie sei vereist."
(Fortsetzung folgt.)
Die Kaiserreise nach Jerusalem.
IV.
4 Konstantinopel.
Die Aja Sofia mit ihrer gewaltigen Kuppel ist und bleibt die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt. Ist sie doch auch der einzige Schmuck aus jener glänzenden Epoche der Stadt, welche mit dem Jahre 1453 ihrer Einnahme und Ausscheidung aus der Zahl der christlichen Städte endigt. Als die Kreuzfahrer im Jahre 1204 Konstantinopel eroberten, standen dort 500 Kirchen; sie sind alle durch Moscheen verdrängt worden. Die Aja Sofia, ein Werk Justinians, der alte byzantinische Dom, wurde in eine Moschee umgewandelt durch bloße Ausräumung. Die hohe Kuppel wölbt sich heute über dem mit Teppichen belegten leeren Dome. Das Mosaikbild Christi in der Kuppel und die Portraits Justinians und Theodoras wurden mit Farbe übertüncht. Im klebrigen ist das Innere der Kirche unverändert geblieben. Lautlos gleitet der Fuß über das bunte Teppichmeer, lautlos und eingeschüchtert durch die hehre Größe des Doms erhebt sich der Blick zum übertünchten Christusbilde. Droben an der Mauer sieht man einen Fleck, von dem der Volksmund erzählt, es sei der Abdruck einer blutigen Menschenhand und beweise, wie hoch zur Zeit der türkischen Eroberung die Leichen der niedergemetzelten Christen aufeinander gelegen hätten. Die anderen Moscheen, die wir demnächst noch besuchten, waren die Moscheen Achmeds und Solimans; ihnen hat die Aja Sofia als Vorbild gedient. Die Soliman-Moschee ist jedenfalls die gelungenste Nachbildung und würde von unvergleichlicher Wirkung sein, wenn sie nicht zu hell wäre und zu bunt dekoriert, wodurch der einheitliche architektonische Eindruck verloren geht. Die Achmed-Moschee befindet sich in der Admeidun, dem einstigen Hippodrom, das die byzantinischen Kaiser so herrlich geschmückt hatten. Von all der Pracht findet man jetzt nur noch einen Obelisken von egyptischem Granit, einen andern aus Mauersteinen, der früher mit Erz bekleidet gewesen sein soll, und die gewundene Säule, aus drei ehernen, umeinander geschlungenen Schlangen bestehend, deren Kopf einst der Sitz der Pythia zu Delphi gewesen sein soll. Die Köpfe sind übrigens abgeschlagen, und gleicht das ganze mehr einem dickem, grüngefärbten Schiffstau, welches in die Erde eingeschlagen ist.
Der Besuch des großen Bazars in Stambul gehört nicht nur zu den beliebtesten, sondern auch zu dem sich häufig wiederholenden Aufenthalt eines jeden Touristen, der Einkäufe machen will;
denn beinahe jeder Handel gestaltet sich zu wortreichen Verhandlung, welche öfter abgebrochen und nach einiger Zeit wieder ausgenommen wird. ^'
Ueber das türkische Staatsleben, welches bekanntlich seit dem Berliner Kongreß den Weg der Reform beschritten hat, hat der englische Botschafter, Lord Stratford de Redcliffe schau vor 30 Jahren in einer Weise sich geäußert die jeden Kenner der heutigen Verhältnisse zu dem Zugeständnisse nötigt, daß sich seitdem nicht viel ! geändert hat. Er sagte bei seinem Abschieds- Bankette: „Während der ganzen Dauer meiner Mission in Konstantinopel verfolgte ich das Ziel den englischen Handel kräftig zu schützen und gleichzeitig die ottomanische ^Regierung in der Erfüllung der schwierigen Aufgabe, die sie seit Jahren verfolgt, zu leiten und zu unterstützen. Zn Zeiten habe ich vorübergehend an Erfolg geglaubt, doch heute sehe ich, daß trotz der guten Absicht des Herrschers, trotz einer kleinen Anzahl ihrem Lande ergebener Männer ein Erfolg unmöglich ist. Die Masse des Volks ist durch und durch korrupt. Verschwendung, Diebstahl, Käuflichkeit herrschen überall. Der Niedergang ist auf allen Gebieten wahrnehmbar, und in meinen Augen ist das Uebel nicht mehr zu heben."
Seither haben sich weder der Patriotismus der ottomanischen Beamten noch die Moralität der Bevölkerung gehoben. Nach wie vor beutet ein Teil der Nation die Gesamtheit derselben schamlos aus. Wer sich Armee, Marine, Schule, Spitäler ansieht, kann sich nicht verhehlen, daß sie mehr für die Günstlinge, als für das Reich geschaffen sind. Daß die Armee sich tapfer schlägt, hat sie auch im letzten griechischen Krieg wieder bewiesen, in Friedenszeiten aber verwildern diese schlecht oder gar nicht bezahlten Soldaten leicht und werden dann, wenn es sich um Steuer-Exekutionen oder sonst um Herstellung der Ruhe handelt, zur Räuberbande, wie es die in den letzten Jahren von angeblich Steuer eintreibenden Truppen verübten Greuelthaten gezeigt haben.
Im Arsenal wird das ganze Jahr hindurch laut gehämmert. Hier werden unter anderin die s Einkünfte der Schiffbrücke zwischen Galata und Stambul verbraucht, aber trotzdem hat die Flow keine kriegstüchtigen Schiffe. Und doch besteht das türkische Reich durch das Gesetz der Schwere, durch das Gesetz der Trägheit unfern europäischen Anschauungen zum Trotz. Der Moslem scheint nach dem Satze zu leben: „Es geht auch so!" Die Großmächte hüten sich, ihm ein Haar zu krümmen, denn der Kalife, „Beherrscher aller Gläubigen", könnte sich bewogen fühlen, die grüne Fahne des Propheten zu entrollen, das heißt, den Krieg erklären zu lassen, und zwischen Singapore u. Gibraltar, Adrianopel u. Uganda würde ein Christengemetzel entstehen, dem nur Erschöpfung Einhalt gebieten könnte.
Konstantinopel ist das Dornröschen Europas; es schläft und schläft. Sein Haushofmeister schläft und sein Gesinde schläft. Sein Palast ist baufällig geworden; tief überwuchern ihn schon Gärten, und die ganze Welt bedauert, daß Schön-Dornröschen nicht zu neuem Leben' erwacht. Auch der Besuch des Deutschen Kaisers wird Wohl Kundgebungen prachtvoller Art in den Palästen des Sultans und in der Bevölkerung Hervorrufen, aber der Fürst, dem es gelingt, Schön-Dornröschen ins Leben zu küßen und mit ihm in seinem schönen Palast in Herrlichkeit und Freuden zu leben, wird nicht kommen, schon wegen der mächtigen Patinnen fern im Abendlande nicht, denen daran liegt, daß Dornröschen weiter schläft.
(Der kluge Piccolos Herr Oberkellnerr, darf ich heute nicht ins Theater gehen, es wno nämlich ein Kellnerstück gegeben!" — „So, wie heißt es denn?" — „Die Piccolomini!"
jSummarisch.j Das'merkt Euch, der Soldat muß uff Proprete, treu zur Fahne, sowie Schrill und das Maul halten! Verstanden?
(Der Pantoffelheld.) Ehemann (seufzend): Ls ist doch zu arg, ich muß zu Haus^le-be,
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh i» Neuenbürg.