seiner Flucht Zeit gefunden, auch nur eine Z-ile nach Hause zu schreiben, so wäre für Rabeling das Spiel verloren gewesen, aber das Glück begünstigte, wie so oft, das Verbrechen. Nachdem Rabeling mit der falschen Todesnachricht den ersten Schritt gethan, that er auch den zweiten durch die durchaus glaubwürdige, ja folgerechte Vorspiegelung, das Erbe des politischen Flüchtlings sei vom Staate eingczogcn worden, und benahm dadurch Jenem den Mut, zur Rettung seines Vermögens etwas zu unternehmen.

So war es dem unbedeutenden Verwanden, von dem sich Wolfgang einst beneidet sah, gelungen, vollständig dessen Stelle cinzunehmen; er genoß den Mitbesitz des mütterlichen Ver­mögens und hatte die Braut heimgeführt, Ne Wolfgang sich erkoren. Eine Regung wie Eifersucht konnte natürlich in Wolfgang nicht aufkowmen, selbst jetzt nicht, wo er durch die Grabschrift über die ganze Tiefe der Neigung belehrt worden war, welche die frühere Braut für ihn gehegt und über das Grab hinous bewahrt hatte, und wo er dos hochherzige Opfer kannte, das sie um seinetwillen der Mutter dar» gebracht. Er würde allerdings durch duse Erkenntnis vor dem verzweifelten Schritt geschützt worden sein, den Konflikt seines Herzens durch den Heldentod lösen zu wollen, aber ein anderes Gefühl, als das einer übernommenen Pflicht, würde ihn auch heute nicht mit Albertinen zum Traualtar begleitet haben. Jener fiebcrische Pulsschlag hatte Friederiken gegolten, die er nicht besitzen durfte, die seine Leidenschaft nicht erwiderte, and wenn auch Zeit und Entfernung den wühlenden Schmerz hoffnungsloser Entsagung in ihm gedämpft hatten, jo war die Wunde doch wieder aufgebrochen, seit er den Fuß auf den Schauplatz alter Erinnerungen gesetzt und, einem unwiderstehlichen Drange nachgebend, die volle Gewalt von Fricderikevs Persönlichkeit wieder hatte auf sich wirken lassen. Er rang mit sich selbst, den Gedanken an die Künstlerin nieder- zukämpfen, er schien ihm sündig angesichts der wiedergefundenen Mutter, die er um ihretwillen, schon einmal verloren hatte.

Alles das beschäftigte seine Seele während des ganzen Weges, bis er sich vor dem Häuschen des Bildhauers angelangt sah. Als er, wieder stumm begrüßt von der segnenden Engelsstatue, die dem Eingänge gegenüberstand, das Atelier betrat, wurde er, wie gestern, von der Frau des Bildhauers empfangen. Seine Befürchtung, daß ihr Mann noch verreist jn, bestätigte sich jedoch nicht. Er war heute zurückgekehrt, augenblicklich aber in Geschäften ausgegangen, die ihn voraus­sichtlich bis zum Abend vom Hause fernhalten würden.

Doch habe ich meinem Manne Ihr Anliegen bereits mrtgeteilt," jügte die Frau hinzu, und mir von ihm noch einmal den Hergang bei Ausfindung der Leiche Ihres Verwandten erzählen lassen."

Dann könnte ich also die gewünschte Auskunft auch von Ihnen erhalten?" frug Wolfgang und bezwang sich nur mit Mühe, den Schein äußerer Ruhe zu bewahren.

Soweit mein Mann sich darüber geäußert hat, allerdings. Aber er war sehr eilig und Alles, was er mir sagte, beschränkte sich nur auf einige hingeworfene Sätze. Wenn Ihnen daran liegt» Ausführlicheres zu erfahren, so werden Sie sich wohl morgen Vormittag noch einmal herbemühen müssen."

Einstweilen würde ich auch für die ober­flächlichste Mitteilung dankbar sein," versicherte Wolfgang.

Viel weiter reicht diese freilich nicht," antwortete die Bildhauersfrau,als daß mein Mann zu der Patrouille kommandiert war, die Ihren Verwandten suchte, um ihn gefangen zu nehmen. Jemand hatte es verraten, daß er sich im Magazin eines Droguenhändlers versteckt halte. Während man dort vergebens nach ihm suchte, kam der Hausbesitzer selbst und bekanvte offen, daß der Gesuchte sich bei ihm habe ver­bergen wollen; er habe ihm dies jedoch, als einem Rebellen, verweigert, und um der Gefangen­schaft zu entgehen, habe sich der Flüchtling vor seinen Augen erschossen. Jn einem der Wohnräume fand man auch den Toten, mit der Wunde in

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der Brust. Er war dem Führer der Patrouille und einem diese begleitenden Polizeikommissar als Wolfgang Ritter und zugleich als Vetter des Droguenhändlers bezeichnet worden. Der Letztere räumte die Richtigkeit dieser Angaben ein. und als man in den Kleidern des Toten nachsuchte, fand sich darin eine gestickte Brieftasche, welche den Namen Wolfgang Ritter trug und ein Bündel an den gleichen Namen adressierter Briefe enthielt, die von seiner Braut stammten. Das ist Alles, was mir mein Mann in der Eile darüber gesagt hat."

So dürftig diese Auskunft der Bericht- erstatterin erscheinen mochte, von so gewichtigem Inhalt war sie für Wolfgang.

Bei der Leiche eines Insurgenten also hatte man seine Brieftasche, Albertine'S Geschenk, nebst ihren Briefen vorgefunden. Wie der Vetter zu jenem toten Gaste gekommen war, blieb für Wolfgang jetzt Nebensache. Daß aber Rabeling diese Gegenstände vorher dem Toten zugestcckt und dadurch Wolfgang's Personalien auf denselben übertragen hatte und daß der fremde Leichnam auf den Namen Wolsgang Ritter beerdigt worden war, schien zweifellos. Auch darüber, wie die Brieftasche samt ihrem Inhalt in Radeling's Hände gelangt sein konnte, hatte Wolfgang seine Vermutung, die an Klarheit kaum zu wünschen übrig ließ. Es fiel ihm sogleich Radeling's Gehilfe ein, welcher im Aufträge des Geheimrats Kammrot diese Gegenstände ihm abgefordert und dafür den Verlobungsring und die Briefe überbracht hatte, die Albertine von Wolfgang besaß Der Austausch dieser Andenken durch die Hand Trimdorn's ließ keinen Zweifel zu, daß der letztere wirklich als Bevollmächtigter des Geheimrats handelte. Naturgemäß mußte aber Wolfgang jetzt auf den Gedanken geraten, daß Trimborn seine Vollmacht mißbraucht und die Brieftasche samt ihrem Inhalt sein em Prinzipale ausgeliefert habe, der sich ihrer dann bediente, um die nach Wolfgang suchende Patrouille über dessen Person zu täuschen. Noch war hierbei manches Rätselhafte, denn unmöglich konnte Rabeling voraussehen, daß Wolfgang als Flächt- ling bei ihm Schutz suchen werde, wenn auch der von Trimborn an ihm geübte Verrat sicher das Werk eines Einverständnisses zwischen Prinzipal und Gehilfe gewesen war, denn Wolf- gang wußte sich von Trimborn gehaßt; er hatte dem ihm durchaus unsympathischen Menschen, der mit im Hause wohnte, nie Beachtung geschenkt und sich durch dieses vormhme Ueberjehen sein llebelwoüen zugezogen, dessen erste Folge offenbar die war, daß er dem Geheimrat Wolfgang's Teilnahme an dem Srraßenkampfe verriet.

Wolsgang dankte der Frau für ihre Mi:- teilung und verließ das Atelier mit dem Vorhaben, am nächsten Vormillage wieder zu kommen, um vielleicht noch Ausführlicheres von dem Bildhauer selbst zu erfahren, dessen Zeugnis von Wichtigkeit werden konnte, falls Rabeling sich weigerte, die Wahrheit zu bekennen.

(Fortsetzung folgt.)

Berlin, 6. Mai. Der heutigen Schluß­feier des Reichstags im Weißen Saale des königlichen Schlosses wohnten, wie bereits mit­geteilt, in einer Zuschauerloge die Tegernseer bei, zur Zeit hier gastierende bayerische Schauspieler, die am Abend vorher beim Staatssekretär v. Bülow Proben ihrer Kunst im Gesang, Zither­spielen und Tanzen gegeben hatten und von dem dort anwesenden Kaiser selbst zur heutigen Feier eingeladen worden waren. Die Leute erzählten, der Kaiser habe sich eine Zeit lang mit ihnen unterhalten; u. a. habe er sich erkundigt, ob sie seineJungens" in Tegernsee gesehen hätten, was sie zu ihrer Genugthuung bejahen konnten; zum Schluffe habe dann, wie dasBerl. Tagbl." berichtet, der Kaiser jedem von ihnen die Hand gegeben. Als sich der Kaiser zurückziehen wollte, trat eine Tegernseerin, Frau Mayerhofer, an ihn mit den Worten heran:Grüaß Gott, Herr Kaiser, gieb mir noch a mol die Hand." Der Kaiser leistete diesem kategorischen Befehl lächelnd Folge.

Wir lesen in denMonatsblättern des Badischen Schwarzwaldvereins":Am Oster­

montag war die Aussicht vom Mercur so klar, wie sie höchst selten beobachtet wird. Dir Pfälzer Berge, die Vogesen waren in ihrer ganzen Ausdehnung bis zum Sulzer Belchen deutlich zu sehen, Straßburg so klar, daß man die einzelnen Häuser unterscheiden konnte. Zn unserer großen Ueberrafchung zeigte sich aber auch da, wo das vorteffliche, unten am Turm angebrachte Panorama zwischen Vogesen und Schwarzwald eine Lücke ausweist, eine gewaltige Bergkette mit ungeheuren Schneeseldern und drei besonders hervortretenden Bergrissen. Der west­lichste bemerkbare Punkt, einer der eben erwähnten drei Berge, lag in der Einsattelung zwischen Iburg und Jberst, nach Osten war dieses Ge- birge sichtbar bis zum Omerskopf. Zwei der Hauptberge erschienen rechts, also westlich, einer links des Jberst. Es konnte nichts anders sein als ein Teil der Alpen. Sinnestäuschung war ausgeschlossen, ebenso konnte der Jura wegen seiner geringen Höhe und seiner ganz anderen Formation nicht in Frage kommen. Um einen einwandfreien Zeugen zu haben, rief ich den Wirt des Mercurwirtshauses herauf, der gleichfalls höchst überrascht war und meine Beob­achtungen und Vermutungen völlig bestätigte. Er erklärte, weder jemals in der Lücke zwischen Vogesen und Schwarzwold Berge gesehen, noch auch je gehört zu haben, daß man vom Mercur aus die Alpen sehen könne. Zu Hause wieder angclangt, suchte ich nach der auf dem Turm entworfenen Skizze die Richtung auf der Land­karte und kam zu dem Ergebnis, daß wir jeden­falls die südlich des Genfer Sees gelegenen Savoyer Alpen gesehen hatten. Daß diese von einer verhältnismäßig so unbedeutenden Höhe aus, wie es der Mercur ist, gesehen werden können, erklärt sich dadurch, daß die RichtungS- linie nur noch einige niedrige Vorhöhen des Schwarzwaldes schneidet."

Tübingen, 8. Mai. Eine ergötzliche Anzeige finden wir in einer der letzten Num­mern derTüb. Chronik":Kilchberg. Das­jenige, welches mir seit 2 Jahren 5 Hennen die Füße abgeschlagen hat, bitte ich, es zu unter­lassen, da ich es auch so machen kann. Matthäus Röhm.

Aus Oesterreich, 5. Mai. Aus Bielitz in Oesterrich-Schlesien berichtet dieNeue Freie Presse", daß ein dortiger Fabrikbesitzer am 2. Mai früh eine Auerhahn-Doublette geschossen habe. Jn dem Augenblick, als der Schutz! den balzenden Hahn vom Aste herunterbrachte, ließ sich ein zweiter Hahn auf dem nämlichen Aste nieder und wurde unmittelbar darauf zur Beute des glücklichen Jägers. Eine Auerhahn-Doublette gehört zu den allerseltensten Ereignissen des Jagdlebens. Gilt doch grade der Auerhahn als dasjenige Tier, welches die allergrößte Vorsicht im Umgang mit Pulver und Blei anwendet.

jBoshaft.jGegenwärtig, Herr Kapell­meister, komponiere ich wieder an einer neuen Oper!"Geben Sie nur Acht, daß Sie nicht einmal erwischt werden!"

sAus der Jnstrukiionsstunde.j Sergeant: Was ist Terrain?" Rekrut schweigt. Sergeant:Man sollt' es nich für möglich Hallen, leeft der Mensch alle Tage drinne 'rum und weeß nicht emal, was Terrain is!" Rekrut (p'ötzlich):A paar Stiefeln!"_

Te legramme.

Luino, 11. Mai. Die Manifestanten versuchten in die Carabinieri-Kaflrne und in das Gefängnis einzudringen; die Polizei feuerte, wobei es mehrere Tote und Verwundete gab.

Florenz, II. Mai. Der Belagerungs- zustand wurde für den ganzen Bereich des achten Armeekorps erklärt.

London, 11. Mai. Reutermeldung aus Washington: Das Marinedcpartement erhielt die Nachricht, das spanisch-atlantische Geschwader traf in Cadix ein.

L8K- Trotz der vorliegenden Beilage zur heutigen Nr. muffen wir noch verschiedene Mit- teilungen zurücklegen.

«edecktio», »ms n»d »«rl,g von ». i» »«»«»bürg.