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Bräutigam, Wolfgang Ritter, den sie als tot be­trauern", sagte Wolfgang, während sich das Gesicht des Lauschers boshaft verzerrte.Aber er ist nicht tot, er lebt und hat mich beauftragt, Sie darauf vorzubereiten."

Die Wirkung dieser Worte war ein tiefes Schweigen.

Mein Gott!" rang es sich endlich aus Albertine's Brust.Wäre es möglich? Diese Stimme!"

Fassen Sie sich, verehrte Frau," bat Wolfgang, aber vergebens, denn Albertine stieß einen Schrei aus, daß der Horcher draußen zusammenschrack und in großer Besorgnis schwebte, es könne dadurch ein Unberufener herbcigelockt werden. Aber es blieb Alles still und auch im Glashause trat wieder ein längeres Schweigen ein.

Ja, ich bin cs selbst." sagte Wolfgang endlich, nachdem sich wahrscheinlich eine stumme Szene des Wiedererkennens abgespielt hatte, eine Vermutung, die dem verborgenen Ohrenzeugen, dessen Auge das dichte Blätterwerk nicht zu durchdringen vermochte, eine quälende Unruhe zu bereiten schien. Er hörte dann Wolfgang fortfahren:

Man hat mich für tot gehalten, und ich weiß wohl, daß meine Auferstehung Verwirrung und Bestürzung über dieses Haus bringt. Ich sehe auch Sie unter diesem Eindrücke, und soweit ich bis jetzt die Lage der Dinge überblicke, haben Sie mehr als einen Grund dazu. Ich werde Sie später bitten, meine Mutter schonend darauf vorzubereiten, daß ihr Sohn lebt und in ihrer Nähe ist. Für jetzt möge es ihr noch verschwiegen bleiben, bis ich mich mit Rabeling, Ihrem Gemahl, auseinandergesetzt habe, der bereits von meiner Wiederkunft weiß."

Er hat mir nichts davon gesagt," wurde von Albertine erwidert,doch bemerke ich heute eine seltsame Verstörung an ihm. Auch trat er sehr hastig und ohne sich von ihr zu verabschieden, eine kleine Reise an. von der er noch nicht zurück ist. Es kann Ihrem vermeintlichen Tode von Seiten meines Gemahls nur ein unseliger Irrtum zu Grunde liegen, den wir Alle geteilt haben."

Mag es ein noch so verhängnisvoller Irrtum sein," hörte der Lauscher Wolfgang in warmem Tone sagen,jo verdanke ich ihm doch die wohlthuende Genugthuung, daß mir ein treues, wenn auch unverdientes Andenken bewahrt wird. Aus der Begräbnisstätte der Margesallenen stand ich gestern vor dem Denksteine, den Sie auf dem Grabe Ihres ehemaligen Bräutigams errichten ließen."

Der Lauscher wandte den Kopf, als traue er seinen Ohren nicht.

Stellen Sie sich nicht fremd,Mlbertine," fuhr Wolfgang fort.

Albertine?" zischte es draußen vor dem Fenster. Ei! welche Vertraulichkeit!"

Suchen Sie den schönen Zug Ihres Herzens nicht zu verleugnen, mag auch immerhin der versöhnende Tod Ihre Gefühle verklärt haben Bereits erfuhr ich Ihren Namen bei dem Bildhauer Kretschmar, der den Denkstein verfertigt hat. Wenn auch zwischen dem Tage, wo Ihr Herz Ihnen jene Inschrift diktierte und Sie mir eine für dieses Leben hoffnungslose Treue geloben ließen, wenn auch zwischen jener Zeit und heute die Schließung Ihrer Ehe mit einem Andern liegt, so sagte mir doch der frische Kranz auf dem Grabe, daß Sie mein Andenken bewahrt haben. Ich dankeJhnen dafür."

Der Horchende draußen hatte während dieser Rede vor Staunen beide Arme verschränkt und glich einer Bildsäule. Als jetzt Albertine das Wort ergriff, mochte der starre Ausdruck seines Gesichts einer hochgradigen Spannung Platz.

Die Indiskretion des Bildhauers nötigt mich, diesen Dank anzunehmen," lautete Albertines Erwiderung, obwohl mich dies mit meinen Pflichten und meiner Stellung als Gattin in Konflikt bringt. Das Gelöbnis, welches ich am Grabe des Toten abgelegt habe, darf ich dem Lebenden gegenüber in mir nicht mehr zur Macht gelangen lassen, so hart dieser Kampf auch ist."

Hart also?" flüsterte der Lauscher und seine Brust hob sich unter einer stürmischen Erregung.

Ich weiß Ihre veränderte Lage vollkommen zu würdigen." gab Wolfgang zur Antwort.

Und ich will Ihnen offen mitteilen, wie diese Lage geschaffen wurde." fuhr Albertine fort.Sie selbst. Wolfgang,"

Wolfgang!" knirrschte es draußen wie höhnend zwischen den zwei Reihen perlengleichcr Zähne hindurch.

Sie selbst waren der bewegende Gedanke dabei. Ihre Mutter hatte mich lieb gewonnen; ihr Herz klammerte sich an das Mädchen, welches der totgeglaubte Sohn seine Braut genannt hatte, wie an ein teures Vermächtnis, wenn auch unsere Verlobung schon früher gelöst worden war. Sie wünschte die Bande der Verwandtschaft mit mir, die dem Sohne zu knüpfen nicht vergönnt war, durch Ihren Neffen geknüpft zu wissen, der sich der verlassenen Frau liebevoll annahm, und dieser Wunsch war mir heilig. Das Einzige, was ich in diesem Leben für den mir entrissenen Bräutigam thun konnte, war, seiner Mutter eine gute Tochter zu werden."

Das wohlgebildete Antlitz des Lauschers war kaum wiederzuerkennen, so grinste aus den ver­zerrten Zügen die innere Leidenschaft und in den dunklen Augen brannte eine ganze Hölle.

Nun kenne ich das Opfer, das Sie dem toten Bräutigam brachten", sagte Wolfgang warm.Sie giengen eine Ehe ein, die Ihrem Herzen fremd war. O! hätte ich diese Hoheit Ihrer Seele früher gekannt, es wäre Alles anders gekommen. Ich kann Ihnen nur damit lohnen, daß ich meine Hand schirmend über dem Frieden Ihres Daseins halten werde."

Der Horcher draußen nickte ironisch mit dem Kopfe.

Niemand in diesem Hause soll der Stunde meiner Rückkunft fluchen dürfen", beteuerte Wolf- gang, während um den Mund des Lauschenden ein heimtückisches Lächeln spielte.

Wie ein flüchtiger Traum würde ich von dieser Stelle weichen und auf Nimmerwiedersehen in die Fremde zurückkehren, hielt mich nicht das heilige Anrecht auf meine Mutter zurück. Ueber- lassen Sie vorläufig alles Weitere mir und schweigen Sie Ihrem Gemahl gegenüber, wenn er Sie nicht selbst ins Vertrauen zieht, woran ich jedoch zweifle."

Ich werde mich ganz nach Ihren Wünschen richten und lege das Schicksal dieses Hauses ver^ trauensvoü in Ihre Hand", hörte der Lauscher Albertinen sagen, und da in diesem Augenblick vom Vorderhause her das Dröhnen eines Wagens und der Hnfschlag von Pferden die Rückkehr Rabeling's ankündigte, so hatte er Grund, das belauschte Gespräch als beendet zu betrachten. Er wartete, bis er den Wagen in den Hof fahren hörte und verließ dann seinen Posten, leichten Schrittes den Laubgang entlang eilend und durch das Pförtchen verschwindend.

Bald auch verließ Wolfgang, während Albertine im Glashause zurückblieb, auf dem gleichen Wege den Garten. Er hielt es nicht für wohlgethan, sich unmittelbar an den Vetter selbst zu wenden; er fühlte sich der Schlauheit desselben, über die ihm jetzt erst eine gewaltige Ahnung aufgegangen war, nicht gewachsen und fürchtete mit Recht, daß dieser seine gefährliche Position eher mit neuen Kriegslisten verteidigen, als ein unumwundenes, ehrliches Geständnis ablegen werde. Indem Wolfgang sich die Lage vergegenwärtigte, in welche sich der Vetter durch seine Ankunft versetzt sah, fand er den Schreck desselben allerdings gerechtfertigt. Nie aber hätte er in dem kriecherischen Männchen, das er mit Lächeln einst um die Protektion der Großen buhlen sah, jenes unerhörte Maß mutvoller Frechheit gesucht, womit er der Gefahr entgegen­getreten war. Jeder Zug, den Wolfgang heute in des Vetters Benehmen beobachtete, jede Aeußerung, jede Maßnahme desselben lag jetzt in allen ihren hinterlistigen Motiven klar vor Wolfgangs Auge: des Vetters heftiger Wider­spruch, als Wolfgang ihm die Absicht zu er­kennen gab, in Leipzig der Mutter Grab zu besuchen, seine vorgeschützte Unwissenheit über Albertine's Schicksal und Aufenthalt, sein eifersüchtiger Hohn, als sich Wolfgang von ihr ein unvergeßliches Andenken bewahrt glaubte. Ueber die Person und die Beweggründe jenes

rätselhaften Fremden grübelte Wolfgang v«. gebens. An sein Spionenhandwerk glaubte er nicht mehr. Wohl aber mußte dieser Mann mit allen Verhältnissen des Hanfes genau vertrant sein und, nach Wolfgangs Schilderung von, Vetter sogleich erkannt, hatte dieser mit großer Geistesgegenwart einen Spion aus ihm gemacht und mit diesem glücklichen Griffe nicht nur Wolfgangs Mißtrauen sofort niedergeschlagen sondern diesen auch von der Notwendigkeit einer raschen Flucht überzeugt. So ward er den ge- fährlichen Ankömmling aus Amerika wieder los' der eilige Aufbruch mittelst eigener Equipage war eine Komödie und des Vetters Mitfahrt eine Vorsichtsmaßregel gewesen, um ein etwaiges Ausfragen des Kutschers durch Wolfgang zu verhindern.

(For tsetzung fo lgt.)

^Medizinisches Examen.jNennen Sie mir verschiedene Schädelknochen, Herr Kandidat!" Die Schädelknochen sind . . . sind ... Ach, Herr Professor, ich bin momentan so aufgeregt . . . ich, ich weiß sie augenblicklich nicht, aber ich ... ich Hab' sie alle im Kopfe, Herr Professor!"

Auflösung der Aufgabe in Nr. 70.

Nansen."

Richtig gelöst von Maria Toussaint in Wildbad.

Telegramme.

Paris, 8 Mai, nachmittags 5 Uhr. Die Wahlen zur Deputiertenkammer vollziehen sich in aller Ruhe.

Peking, 8. Mai. (Rcutermeldung.) Prinz Heinrich oon Preußen wird mit 12 Offi­zieren am 13. Mai hier erwartet. Eines der deutschen Kriegsschiffe wird auf der Rhede von Taku ankern.

Honkong, 8. Mai. Wie das Reutersche Bureau meldet, begann die Schlacht bei Manila um 5^/e Uhr früh und dauerte bis nachmittags um diese Zeit. Die ganze spanische Flotte ist vernichtet. Im Arsenal fand eine Explosion statt, durch welche viele Personen getötet wurde». Der Gesamtverlust der Spanier soll mehr als 1000 Tote und Verwundete betragen.

New-Jork, 8. Mai. DieWorld" ver­öffentlicht folgende Depesche ous Puerto Plata auf San Domingo vom heutigen Tag: Beamte von San Domingo berichten, daß eine fcharse Kanonade bei Monte Christo gehört worden sei. Man glaubt, daß das Geschwader des Admirals Sampson mit der spanischen Flotte, die von den Kap Verdi'schen Inseln kommt, in ein Gefecht verwickelt sei. Die Kanonade habe gegen 11 Uhr vormittags begonnen.

Madrid, 8. Mai. Nach amtlicher Meld­ung aus Havana wagte sich gestern abend das feindliche Geschwader bis auf Schußweite an eine Batterie von Havana heran, wurde jedoch gezwungen, sich mit leichter Havarie eilig zurück- zuzichen. Um 5 Uhr feuerte ein amerikanisches Schiff auf die Batterie an der Einfahrt von Matanzas. 65 Geschosse wurden gegen ein Blocktau gerichtet, wovon 19 trafen. Außer einem Zivilingenieur, der leicht verwundet wurde, kamen Menschenleben nicht zu Schaden.

Madrid. 8. Mai. Eine Depesche von der Insel Labuan meldet: Die Spanier nahmen Pa nah. den Hauptplatz des Aus­standes auf den Philippinen, welches von 4000 Mann verteidigt war. Die Rebellen ließen 171 Tote auf dem Platze und verloren etwa 500 Mann auf dem Rückzuge. Panay ist zer­stört. Der Verlust auf spanischer Seite betragt 3 Offiziere und 73 Soldaten. Eine gestern abend gegen 7 Uhr eingegangene Puvatdepesche aus Gibraltar meldet das Gerücht von einem Zusammenstoß der spanischen und amerikanischen Flotte auf dem Atlantischen Ozean, welcher Zusammenstoß einen für die Spanier befriedigenden Ausgang genommen haben soll.

Kairo. 8. Mai. Der Prinz Achmed

Safedin, ein Vetter des Vizckönigs von Aegypten hat im Khedival-Klub auf seinen Ohenn, den Prinzen Achmed Fuad, 3 Schüsse ab­gegeben, welche in den Rücken trafen. Man hofft den Verwundeten wieder herzustellen. 2e Prinz Safeddin ist verhaftet.

Redaktion» Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.