851
für ganz Deutschland, die Verstärkung der Wehr- lrch zu Lande und zu Wasser, eine neue Straf. pcozeß-Ordnung für das Heer und die Unterstützung in einer kraftvollen und doch friedlichen auswärtigen Politik voranstehen. In der zweiten Kundgebung, dem Trinkspruch auf dem Festmahl für die Reichstags. Mitglieder, zeigt sich unser Kaiser als dankbarer Sohn, als verehrungsvollcr Enkel, der nach dem Vorbilde Wilhelms des Großen im Gefühle der höchsten Verantwortlich keii vor Gott seine Herrscherpflichten erfüllt, und schließlich als der von glühendem Patriotis- inus beseelte deutsche Mann.
Dem Reichstage von 1893—98 mangelte kine feste Mehrheit. Obgleich er seine Thätig- seit mit Genehmigung der von seinem Vorgänger abgelehnien Wehrvorlage begann, schien doch seine Zusammensetzung wenig Gewähr für eine sruchlbare Arbeit zu bieten. Wenn dieser Reichstag schließlich besser war als sein Ruf, wenn der Kaiser am Schluß der Legislaturperiode einen so warmen Dank für bedeutende Leistungen aussprechen konnte, so wissen wir wohl, welches Verdienst dabei den von unserm Kaiser selbst auch ehrenvoll erwähnten Bemühungen der Räte der Krone, der frischen Thaikraft der Armee- und Marineverwaltung, dem Geschick unserer Diplomatie und nicht zum wenigsten der ruhigen und weise vermittelnden Art des Reichskanzlers gebührt.
Aber die treibende Kraft in den wichtigsten Fragen, für deren glückliche Erledigung der Kaiser dem Reichstage gedankt hat. war doch Kaiser Wilhelm II. selbst. Das ist keine niedere Schmeichelei, sondern einfache Wahrheit, die sich am deutlichsten in der Flottenfrage und bei der Erwerbung von Kiauischou gezeigt hat, und jeder gute Deutsche, der über die Vorurteile demokratischer Rabulistik hinaus ist, darf sie offen aussprechen. Da bleibt auch noch genug Raum für die Anerkennung der nützlichsten Dienste, die das Parlament leisten soll und die der verflossene Reichstag mit Ueberwindung mancher Partei. Schwierigkeiten in der Thal geleistet hat. Wirksamer konnte auch das Gerede von einem absolutistischen System, dem wir angeblich zusteuerten, nicht zerstört werden als durch den Kaiserlichen Dank für die Mitarbeit des Reichstages.
Gegenüber den Anwandlungen von Kleinmut und Besorgnis für die Zukunft, die sich mitunter beim Anblick unserer schwankenden und zerfahrenen Partei-Verhältnisse aufdrängen, giebt es keinen bessern Rat als den: Blickt auf unfern Kaiser! Das deutsche Volk, dessen Einigung noch so jung ist, verglichen mit den langen Zeiten seiner Schwäche, mag sich glücklich schätzen, an der höchsten Stelle des Reiches einen ganzen Mann zu sehen, der in tiefer Gottesfurcht, erfüllt von nationaler Begeisterung, mit unermüdlicher Thatkraft und, wenn es sein müßte, mit gepanzerter Faust das Vermächtnis Wilhelms des Großen beschirmt!
Prinz Heinrich, der vor nun bald fünf Monaten unter den herzlichsten Segens- wünschen des deutschen Volkes die Reise nach den ostasiatischen Gewässern antrat, um der deutschen Kultur-Arbeit an der chinesischen Küste me Wege zu ebnen, ist mit dem ihm anvertrauten Mchwader nach langer Fahrt auf dem Flagg- .Deutschland," begleitet von den Kreuzern "Gefion" und „Kaiserin Augusta," in Kiautschou nngetroffen. Der Aufenthalt des Prinzen ist nur aus kurze Zeit berechnet. Die Abreise nach Peking ersolgt am 10. Mai.
Wegen einer stärkern Besteuerung der großen Bazare wird demnächst vom Preußischen Finanzminister eine Konferenz aus den Kreisen der Kommunal-Beamten und der beteiligten Kaufleute berufen werden. Dr. von Miguel empfing bereits eine Deputation der EUner Handel, und Gewerbetreibenden. Die Mitglieder der Deputation erklärten eine Reform der kommunalen Besteuerung der Großbetriebe, Kunden mit einer Entlastung der kleinern Betnebe, für den gangbarsten Weg und besprachen im übrigen alle in Betracht kommenden Fragen nngehcnd mit dem Minister.
Berlin. Am Donnerstag nacht, kurz vor 12 Uhr, ertönte ein einem Kanonenschlag ähnliches Getöse, welches bis auf eine Stunde Entfernung gehört wurde. Das Getöse war durch eine im Hause Jagowstraße 30 entstandene Gas-Explosion entstanden. Der betreffende Teil des erst am I. April ds. Js. in Gebrauch genommenen Hauses wurde nur von zwei Familien bewohnt. Die Bewohner sind bis auf den 18 Jahre alte Elektrotechniker Armin Hahn und die 8 Jahre alte Tochter des Polizeiwachtmeisters Klein unverletzt geblieben. Die Leiche HahnS wurde von der Feuerwehr unter den Trümmern hervorgezogen. Leichtere Verletzungen durch Glassplitter erhielten ungefähr 30 Personen. Ein besonderes Glück war es. daß die Einweihung des Hansa-Restaurants stattfand, welcher die meisten Einwohner des Hauses beiwohnten, da sonst gegen fünfzig Personen einem sicheren Tode entgegen gegangen wären.
Landshausen, A. Eppingen, 5. Mai. Ein zu Besuch bei einem hiesigen Bürger befindlicher Knabe klagte über Zahnschmerzen. Der Onkel des Knaben holte einen Revolver und sagte im Scherze, er wolle den Zahn herausschießen. Der Schuß ging los und traf den Knaben in die Wange, wo die Kugel sich festsetzte. Bis heute Abend konnte dieselbe noch nicht entfemt werden und befindet sich der Knabe noch in Lebensgefahr. Der unvorsichtige Schütze zeigte sich selbst dem Bürgermeisteramte an.
Grenzach, 4. Mai. Ein 14 jähriges Mädchen war seit einigen Jahren bei Verwandten hier in Pflege gegeben. Nun wollte der Vater das Mädchen zu Hause haben; dieses hatte jedoch einen solchen Widerwillen gegen seine Stiefmutter, daß es beschloß, sich das Leben zu nehmen. Es überreichte einem Fuhrmann einen Brief, und während dieser im Fortfahren denselben las, warf sich das Mädchen unter den ca. 60 Zentner schweren Wagen. Es wurden ihm aber nur beide Beine überfahren und die Verletzungen sind verhältnismäßig leichte. Das Mädchen ist außerordentlich begabt, ein Muster an Fleiß und Gehorsam und wird allgemein bedauert.
Württemberg.
Württembergischer Landtag.
212. Sitzung.
Stuttgart. 9. Mai. Tagesordnung: Wajserrecht. Fortsetzung. Art. 3 enthält die Bestimmungen über die bleibenden Vorrichtungen, welche in öffentlichen Gewässern angebracht wer- den Die Erlaubnis zur Anbringung solcher Vorrichtungen gehen von der Ortspolizeibehörde aus. Berichterstatter Nieder (Zir.) referiert über die Verhandlungen der Kommission, welche unveränderte Annahme des Artikels empfiehlt. Abg. v. Luz tritt für Vereinfachung der Bestimmungen betr. die Einlegung von Gerber- Häuten ein und wiederholt seinen schon in der Kommission eingebrachlen Antrag, demzufolge bleibende Vorrichtungen in öffentlichen Gewässern nur angebracht werden können, unter Einhaltung der Bestimmungen des Art. 5 (letzterer besagt, daß der Gemeingebrauch der öffentlichen Ge wässer nur soweit zulässig ist. als es ohne Verletzung der Rechte Dritter geschieht.) Abg. Rembold (Zir.) spricht dafür, daß den Besitzern des Bettes eines Kanals die gleichen Vorzugsrechte eingeräumt werden sollen, wie den Anwohnern der User eines Flusses und stellt einen bezügl. Antrag. Minister v. Prschek hat gegen diesen Antrag nichts einzuwenden. Abg. Käs (V.P ) wünscht, daß die Gerber bei Anlagen neuer Betriebe auf die Folgen der Bestimmungen im Art. 3 aufmerksam gemacht werden. Berichterstatter Nieder (Ztr) bespricht die gestellten Ergänzungsanträge, desgleichen Minister v. Pischek und Direktor v. Geßler. Nach längerer Debatte, im Laufe deren der Abg. Rembold seinen Antrag zu Gunsten eines besser gefaßten Antrags Nieder zurückzieht, wird Art. 3 dem Beschluß der Kommission gemäß angenommen. Art. 4 besagt, daß die Entnahme von Sand, Kies, Schlamm, Eis u.s w., soweit sie nicht behufs Reinigung geschieht, nur mit vorgängiger Genehmigung der Orlspolizeibehörde geschehen darf. Abg. Rembold stellt einen ähnlichen Antrag wie zu Art. 3. Dieser Antrag wird an
genommen. im übrigen dem Beschlüsse der Kommission. welche nur unbedeutende Aenderungeu im Entwurf vorgenommen hat. Folge gegeben. Es folgt Art. 5. dessen Inhalt in der Haupt- fache schon oben angeführt worden ist; derselbe wird unverändert angenommen, ebenso Art. 8, welcher festsetzt, daß über die Art der Ausübung des Gemeingebrauchs im einzelnen Fall Anordnungen von der Polizeibehörde getroffen oder allgemeine Polizei-Vorschriften erlassen werden können, und Art. 7, demzufolge durch ortsstatutarische Vorschrift für die Entscheidung der in Art 4 erforderlichen Erlaubnis eine in die Gemeindekasse fließende Gebühr zu entrichten ist. Art. 8 handelt von dem Verbot der Verunreinigung der öffentlichen Gewässer. Der Artikel wird mit unwesentlichen Aenderungeu im Kommissionsbeschluß angenommen.
Ravensburg, 7. Mai. Wie der „Oberschwäbische Anzeiger" aus sicherer Quelle erfährt, hat der bisherige Präsident des Reichstags Landgerichtsrat Frhr. von Buol-Beerenberg auf das Bestimmteste erklärt, für die nächste Reichstagsperiode eine Kandidatur nicht wieder anzunehmen.
Heilbronn. 7. Mai. Unter scharfer Bedeckung wurden heute Nachmittag die Einbrecher hier eingeliefert, welche anfangs März d. I. durch ihre frechen Einbrüche die ganze Einwohnerschaft in Aufregung versetzten und schon seit einiger Zeit in der Schweiz inhaftiert waren.
Weilderstadt. Am 30. April wurde hier Tuchmacher Zeile, ein geborener Reutlinger, im Alter von 86 Jahren begraben, der vor 66 Jahren als erster Evangelischer sich hier niedergelassen hat und die ganze Entwicklung der jetzt 500 Seelen zählenden evang. Diasporagemeinde mitgemacht hat. Er hat es u. a. durch Fleiß zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht. — Seit April hat die hies. evang. Gemeinde, wie 3 andere im Bezirk, Malmsheim, Merklingen, Eltingen, eine Gemeindeschwester vom Diakonissenhaus.
Anstand.
Brüssel, 7. Mai Als die Königin gestern eine Spazierfahrt in dem Parke von Lacken machte, stürzte der Wagen an einer scharfen Biegung des Weges in einen Teich. Die Königin wurde, da sofort Hilfe zur Stelle war. ohne Schaden zu nehmen, aus ihrer gefährlichen Lage befreit.
Paris,6. Mai. Nach einer Madrider Meldung des „Matin" ries die Ankunft des Paketbootes „Alfonso XIII" in Puerto-Rico wahre Begeisterung hervor. Das Paketboot brachte 1000 Mann Ersatztruppen, 10 Kanonen und sonstiges Kriegsmaterial. Puerto-Rico werde nunmehr dem Feinde thatktäftigen wirksamen Widerstand leisten können.
Newyork, 7 Mai. Ein Telegramm der World aus Hongkong meldet, der überfällige amerikanische Aviso Mac Culloch, der aus Manila angekommen ist, überbringt über die Schlacht bei Cavite die Meldung, daß bei derselben dieqesamte aus 11 Schiffen bestehende spanische Flotte zerstört worden sei. Auf spanischer Seite seien 300 Mann getötet und 400 verwundet worden. Die Amerikaner hätten nur 6 Verwundere gehabt. Ein amerikanisches Schiff sei beschädigt worden..
Anterhattender Heil.
Das Rätsel in Marmor.
Original-Novelle von Gustav Höcker.
(16. Fortsetzung)
„Wie kommen Sie an diesen Ort?" frug Albertine im Tone des Mißtrauens. War noch Jemand bei Ihnen?"
„Auf diese Frage mutz ich schweigen", lautete die Antwort. „Ich könnte Ihnen mit einem Worte allen Argwohn benehmen und Ihr Vertrauen gewinnen, aber dazu bedarf es schonender Vorbereitung. Sie würden zu sehr erschrecken."
„Was werde ich hören müssen?" frug Alberrine.
„O, nichts Schlimmes, wenn es Sie auch überraschen wird. Sie besaßen einst einen