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gesehen und halte es für meine Pflicht. Ihnen dies mitzuteilen.-
„Wer sind Sie?- frug der Gcheimrat barsch. „Ich kenne Sie nicht.-
„Jch habe täglich die Ehre, Sie zu grüßen, wenn Sie am Laden Ihres Nachbars Rabeling vorübergehen-, versetzte Herr Trimborn mit nachsichtigem Lächeln über das kurze Gedächtnis des vornehmen Beamten. „Ich bin Gehilfe in Herrn Rabeling's Droguengeschäft.-
Es war nicht des Geheimrats Art, sich alle die Leute zu merken, die ihn grüßten. Er unter- warf daher den jungen Mann aus dem Nach- barladeu einer kritischen Musterung von Kopf zu Fuß und fand, daß er von einnehmender Persönlichkeit und sehr gut gekleidet war Bon Schüchternheit verriet er keine Spur, sein Benehmen war fest und sicher. Der Geheimrat erhob sich von seinem Stuhl und ging in ein Nebengemach, aus welchem er gleich darauf mit Albertine zurückkehrte.
„Kennst Du diesen Herrn?- frug er seine Tochter, auf den Besuch deutend, welcher die junge Dame, mit einer graziösen Verbeugung begrüßte.
Vielleicht ahnte Albertine, daß ihr eine schlimme Mitteilung über ihren Bräutigam bevorstehe, der sich seit gestern Vormittag nicht wieder hatte blicken lassen, denn sie war auf» fallend bleich geworden.
„Es ist H"r Trimborn-, antwortete sie, ich kenne ihn sehr wohl."
„Bitte erzählen Sie meiner Tochter, was Sie gesehen haben-, forderte der Geheimrat den Besucher auf und dieser wiederholte seinen Bericht.
„Schenkst Du dieser Mitteilung Glauben?" frug der Geheimrat in eisig strengem Tone.
„Ich darf leider an der Wahrheit nicht zweifeln-, gab Albertine zur Antwort, während ihr Haupt sich trauernd zur Erde neigte und ihre Arme matt herabsankcn.
„Ich danke Ihnen-, wandte sich der Geheimrat an Herrn Timborn. „Würden Sie mir und meiner Tochter noch einen Dienst erweisen?-
„Sehr gern."
„Wollen Sie noch einmal den gefährlichen Weg zu dem — früheren Verlobten meiner Tochter wagen?-
„Jedenfalls würde ich den Versuch nicht scheuen-, versetzte Herr Trimborn.
„So sagen Sie ihm in meinem und meiner Tochter Namen, daß das Verlöbnis aufgelöst sei. und daß ich die Briefe, die er von ihr besitzt, zurückerbitten lasse -
„Ich fürchte nur, daß er mir die Auslieferung derselben verweigern wird, wenn ich keine Vollmacht aufzuweisen vermag-, gab Trimborn zu bedenken.
„Sie sollen eine Vollmacht haben, die gewichtigste sogar, welche in diesem Falle denkbar ist-, sagte der Geheimrat und wandte sich dann an seine Tochter:
„Albertine geh und bringe mir die Briefe, die Du von Herrn Ritter aufbewahrst."
Schweigend gehorchte Albertine dem Vater. Nach einer Weile kehrte sie zurück, um Wolf gangs zusammengebundene Briefe in die Hände des Vaters zu legen, der sie Timborn übergab.
„Fügen Sie dieses noch hinzu-, sagte der alte Herr, indem er Albertinen den Verlobungsring vom Finger zog und ihn auf das Briefbündel legte, „und die Deutlichkeit Ihrer Vollmacht wird nichts zu wünschen übrig lassen.-
Trimborn verbeugte sich stumm und verließ mit den ihm anvertrauten Gegenständen das Zimmer. Hinter ihm brach Albertine ohnmächtig zusammen.
Noch an dem gleichen Tage hielt sie die Brieftasche in der Hand, die Sie Wolfgang vergangene Weihnachten gestickt hatte und in welcher er ihre Briefe verwahrte. An den letzteren fehlte keiner und auf gar manchen fielen die Thränen der gewesenen Braut.
* *
Der Ausgang der Dresdener Mairevolution ist bekannt. Die Aufständischen konnten aus ihrem numerischen Uebergewicht keinen Nutzen ziehen.
denn eS fehlte ihnen an Zusammenhang und einheitlichem Plane.
Die sächsischen Truppen umklammerten, im Verein mit den zu ihrer Hilfe erschienenen preußischen Bataillonen, langsam die Freischaaren, die in einem erbitterten Straßen- und Häuserkampfe eine Position nach der andern aufgeben mußten und, nachdem sie ihren letzten strategischen Halt verloren, in aufgelöster Flucht den Rückzug nach dem Erzgebirge antraten.
Es war am Morgen der letzten Entscheidung, den 9. Mai, als Wolfgang mit Staub bedeckt und das Gesicht vom Pulverrauch geschwärzt, in Rabelings Droguenladen gestürzt kam.
„Verbirg mich!- rief er dem Vetter zu. „Schütze mich vor der Schmach der Gefangen- schast, da keine feindliche Kugel sich meiner erbarmen wollte!"
„Wolfgang, was hast Du gethan?- lamen- tierte Rabeling, fast zu Tode erschrocken. „Wie konntest Du unter die Rebellen gehen? Flieh so rasch wie möglich!"
„Jch bin bereits auf der Flucht; das Militär dringt von beiden Richtungen der Straße zugleich vor. Ich bin abgeschnitten; dies hier ist meine letzte Zufluchtsstätte!"
„Nein, Du kannst noch entkommen, besann sich plötzlich der Vetter. „Nimm den Weg über den Hof nach meinem Lagerhäuschen; die Gasse hinter demselben befindet sich nicht in der Gewalt des Militärs; sie ist durch eine Barrikade gesperrt. Die Fenster liegen nicht hoch, Du kannst den Sprung getrost wagen.-
„Es ist auch da bereits zu spät-, ließ sich aus dem kleinen, an denfLaden stoßenden Comp- toir eine Stimme vernehmen, und in der offenen Thür erschien die Gestalt des Herrn Trimborn. „Ich war soeben hinten, keine rote Feder ist mehr in der Gasse zu sehen, sie wimmelt von Pickelhauben.
„Mein Gott!" jammerte der Vetter, „wenn man Dich bei mir findet, bin ich verloren. Wer einen Rebellen bei sich verbirgt und ihn ver- leugnet, wird selbst als solcher behandelt. Ich bin mein Lebtag ein loyaler Unterthan gewesen, und nun soll ich durch einen Revolutionär um die Früchte meines Strebens gebracht werden!"
„Jede Minute ist kostbar!" rief Wolfgang ungeduldig. „Du sollst es nicht bereuen, wenn Du mich rettest. Ich bin reich genug, um Dich zu belohnen, daß Du Deine Unterthanenloyalität für immer an den Nagel hängen kannst."
„Ich will's wagen!" entgegnete der Vetter nach kurzem Bedenken. Folge mir nach dem Lagerhäuschen, ich habe dort leere Fässer stehen und werde Dich in einem derselben verbergen."
„Gut", sagte Wolfgang, „so laß uns eilen. Es ist keine Zeit zu verlieren.- (Fortsetzung folgt.)
Ellwangen, 18 April. Wie bekannt ist, und allenthalben in den Zeitungen zu lesen war, wurde B Nuber, Redakteur des hier erscheinenden Organs „der Jpf" in der Beleidigungsklage des Gerbermeisters Roth von Ulm zu 8 Tagen Gefängnis verurteilt; zurzeit verbüßt Nuber im Amtsgerichtsgefängnis hier diese Strafe. An und für sich ist das nicht gerade etwas Merkwürdiges, aber es knüpft sich hieran ein Spaß der gewiß manchen Leser interessieren dürfte. Der Verurteilte ist nämlich aktives, sehr geschätztes Mitglied des hiesigen Sängerbundes und seine Saugesbrüder konnten es nicht über sich bringen, den Gefangenen ganz ohne Trost zu lassen, und so zogen sie denn gestern in dunkler Abendstunde in stattlicher Zahl hinaus nach des Karzers Mauern und sandten demselben in einem solennen Ständchen ihre Grüße und ihre Teilnahme. Der harmlose Tpaß bildete natürlich gestern beinahe das Tagesgespräch und entbehrt auch gewiß nicht des Originellen.
Der schönste Sommer soll uns bevor stehen, eine Nachricht, die gewiß Jeden mit Freude erfüllen wird. Der diesjährige Sommer soll so schön werden, wie er seit Jahr- zehnten nicht erlebt worden ist; sonnenhelle Tage, blauer, klarer Himmel und nicht übermäßig hohe
Temperatur. Es wird kein schöner, nein der schönste Sommer werden. Und wer freute sich dessen nicht? Wohl Jeder! Die Garten, restaurateure, die Hoteliers der Sommerfrischen und vor Allem die Ausflügler und jeder Einzelne, dem nach des Jahres Mühe und Last ein Urlaub winkt. Nun wird man fragen, wen, denn diese freudige Nachricht zu danken ist Einzig und allein der Rührigkeit des Komitees der Wiener Jubiläums Ausstellung! Dieser Komitee hat sich nämlich an sämtliche meteoro- logische Anstalten des Kontingents und an alle berufenen Fachmänner um eine wissenschaftlich begründete Prognose für die Witterungsverhält, niste des diesjährigen Sommers gewandt. Ein Elaborat, dem die Beobachtungen der sämtlichen Anstalten der Hauptstädte zu Grunde liegen, besagt, daß in diesem Jahre die Erde unter der Regentschaft der Sonne stehe und diese Heuer in weit geringerem Maße „Flecken- zeige als früher. Auf Grund dieser Thalsachen und mit Hilfe nicht näher zu erörtender Berechnungen gelangte man zu der Annahme, daß die Monate Juni, Juli, August und September ein dauernd schönes Wetter aufweisen werden. Hoffentlich!
Witterungsbericht von Rud. Falb. Die bedeutenderen Niederschläge am 80. März, 2. und 7. April setzen sich gleichmäßig aus größtenteils vereinzelten, aber starken Regen zusammen. Am 1. und 2. April sielen bedeutende Schneemassen in Oberitalien, in der Schweiz und in Süddeutschland im Gebirge. Auch im Harz schneite es, wie mitten im Winter. Nach so starken Ausscheidungen des Wassergehaltes der Atmosphäre konnte dann der kritische Termin des 6. April nur schwach zur Geltung kommen, Was die Temperatur des April anlangt, stand sie nur vom 8. bis 11. über dem Mittel. Im Ganzen wird der April zu kühl und zu naß ausfallcn. Es ist alio auch ein ziemlich kühler und nasser Sommer (!) zu erwarten, obgleich sich der Mai, namentlich in der zweiten Hälfte, schon recht sommerlich gestalten dürfte Der 20. April ist ein kritischer Termin 2. Ordnung. Um diese Zeit ist Neigung zu Gewittern, namentlich in Süddeutschland und Oesterreich wahrscheinlich. Doch dürften in Begleitung derselben ziemlich bedeutende Niederschläge erst vom 26. an ein- treten. Infolge derselben geht dann die Temperatur in den letzten Tagen des Monats erheblich zurück. Unbedeutend nehmen dann die Regen wieder um den 4. bis 6. Mai zu.
Telegramme.
Paris, 21. April. Für die spanische Nationalsubskription zur Vermehrung der Flotte fließen der hiesigen spanischen Botschaft zahlreiche Gaben zu. Eine hohe Persönlichkeit spendete 250000 Fr.
Madrid . 21. April. Das Ultimatum mit der Frist bis Samstag Morgen, Cuba zu räumen, ist eingetroffen, aber Spanien wird es, weil die Zumutung beleidigend ist, nicht an» nehmen und betrachtet die Beziehungen als abgebrochen. Eine Frist besteht also nicht. Von Amerika muß jetzt der erste Angriff ausgehen. Woodsord reist bestimmt heute Abend ab. England fragt an, wie Spanien das Besuchsrecht der Schiffe mit neu- tsraler Flagge ausüden wird. Spanien nimmt alle laut internationalem Brauche ihm zustehenden Rechte in Anspruch.
London , 21. April. Nach einer Meldung des „Daily Telegraph" lag gestern Mittag die amerikanische Flotte 23 Schiffe stark >n Key West kampfbereit unter Dampf und erwartete den Befehl, nach Havanna auszulaufen. Havanna ist von Key Wcst in sechs Stunden zu erreichen. Man erwartet den Ausbruch der Feindseeligkeiten bestimmt für Samstag. — In den Südstaatsn herrscht große Trockenheit. Die Temperatur um Mitternacht beträgt noch 26 Grad Celslu. Seit 2 Monaten ist kein Tropfen Regen gefallen. Das Trinkwasser für die Flotte wird 500 Kilometer weit von Tampa bezogen. .
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.