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Verlassen gewohnter Geleise ist doch auch für die persönliche Entwicklung von nicht zu unter, schätzender Bedeutung. Das Betreten neuer Bahnen wirkt immer auch neu belebend auf unseren Geist. Dazu kommt die Sorge für die Heranwachsenden Kinder und so mancherlei, was den Hausvater zu einem solchen Schritte bewegt. Wünschen wir. daß Herr Schramm in Stutt gart alles das finden möge, was er erhofft. Unsere Gefühle des Dankes werden ihn auch dorthin begleiten! Von der gar vielseitigen Amtswirksamkeit rühmte der Redner als das Wesentliche, er habe immer als besonders wohl- thuend empfunden, daß Herr Schramm ein vortrefflicher Erzieher der männlichen Jugend gewesen ist; eine besonders herzliche und männlich, kräftige Art der Auffassung und die Gabe, den besonderen Bedürfnissen des einzelnen entgegen- zukommen und ihn zu einem tüchtigen Glied der Gesellschaft zu machen, ist ihm eigen. Er- ziehung und Unterricht war bei ihm stets durch- waltet vom christlichen Geiste. Mancher wird ihm für seine Mühe und Sorgfalt später noch zu danken wissen; und auch außerhalb der Schule weiß man diese seine Arbeit zu schätzen, für die ihm Dank und Anerkennung gebührt. Dank und Anerkennung verdient er auch von seiten der hiesigen Kirchengemeinde sowohl für seine Tätigkeit als Kirchengemeinderat. besonders für seine Bemühung um eine neue Orgel, als auch für sein die Herzen ansprechendes Orgelspiel und für die Leitung des Kirchenchors, dem er manchen Abend geopfert hat. „Gott schütze dich« möge der Geleitsbrief des Scheidenden in die neue Heimat sein. In dankbarem, treuem An- denken wird er in vielen Herzen weiterleben, auch wenn das leibliche Nahesein dahin ist. Alle diese Gefühle und Empfindungen faßte der Redner zusammen in ein Hoch auf den Scheidenden. — Hr. Stadtschultheiß Stirn führte hierauf aus. daß der Weggang des Herrn Schramm einen empfindlichen Verlust für die hiesige Schule bedeute; aber auch sein Wegzug als Mitbürger werde bedauert; jederzeit habe er Freud und Leid mit den Einwohnern geteilt, freundliche Bezieh, migen gepflegt und durch seine Gefälligkeit zum Gelingen manches Festes beigetragen. — Hr. Schullehrer Braun schilderte Herrn Schramm, mit dem er 13 Jahre zusammengearbeitet hat, als liebenswürdigen Kollegen und Freund und ^ gab manche persönlichen Erinnerungen zum Besten, l — Namens der Väter der Schüler sagte Hr. Direktor Loos dem Scheidenden herzlichen Dank. — Hr. Me eh sprach im Namen des Liederkranzes» der seinen bisherigen Dirigenten nur mit Wehmut scheiden sieht; er rühmte dessen Persönliche Liebenswürdigkeit wie dessen Geduld und Ausdauer; die Sänger verlieren darum nicht bloß einen eifrigen Dirigenten, sondern auch den Freund, mit dem sie manche schöne, gemütliche Stunde verlebt haben. Zum bleibenden Andenken überreichte er dem Scheidenden ein großes photographisches Bild von Neuenbürg in hübschem Rahmen mit entsprechender Widmung. — Hr. Schramm selbst lehnte das viele Lob, das ihm gespendet worden, mit Worten des Dankes an die Redner ab. Was er gethan, habe er aus Pflichtgefühl gethan. Dem Kirchenchor wünsche er, daß er auch ferner Zusammenhalte Vom Liederkranz sich loszureißen falle ihm schwer. Es freue ihn der Dank der Eltern, und er seinerseits danke für alle Liebe und Freundschaft, die ihm zu Teil geworden. — Hr. Kamera!- Verwalter Moser brachte in launiger Rede ein Hoch aus auf die Frau des Scheidenden, der man wohl in erster Linie zu danken habe, daß Herr Schramm trotz des vielen Schulärgers allezeit einen guten Humor besessen habe. — 3m Namen der noch lebenden Mitglieder des »Immergrün« sprach Hr. Kade, im Namen des Klrchenchors Hr. Gollmer den Dank aus. Ge- ange des Liederkranzes und des Kirchenchors, sowie gemeinschaftlich gesungene Lieder um- Ahmten die Abschiedsfeier. — Auch wir rufen Hrn. Schramm ein herzliches Lebewohl nach.
, ff- Feldrennach, 20. April. Die Gemeinde, welche ihre Lehrer ehrt, ehrt sich selbst. Nach nunmehr 9jähriger Wirksamkeit an der hiesigen Schule verläßt Hr. Elsäßer die Ge- meiude Feldrennach. Ihm zu Ehren veranstaltete
die Gemeinde im Gasthaus zum Lamm am Sonn, t tag abend einen Abschied, wie er wohl selten einem unständigen Lehrer zu teil geworden ist. Der Saal war gedrängt voll; nicht nur von hier, sondern auch aus den Nachbarorten hatten sich Freunde und Kollegen des Scheidenden ein- gefunden. In einer Reihe von Reden und Toasten wurde hervorgehoben, wie Hr. Elsäßer während der Zeit seines Hierseins durch seine Freundlichkeit und treue Pflichterfüllung es ver standen hat, die Herzen der ihm anvertrauten „Kleinen« zu erobern, sowie auch das Ver- trauen und die Wertschätzung der „Alten« zu erwerben. Hr. Schultheiß Bürkle überreichte dem Scheidenden im Namen der Gemeinde als Zeichen des Dankes und der Anerkennung einen prächtigen Regulator mit dem Wunsche. Hr. E. möchte beim Schlagen der Uhr auch hie und da an seine Feldrennacher zurückdenken. Hr. Elsäßer dankte gerührt für die Beweise der Liebe und Anhänglichkeit, die ihm das Scheiden aus lieb- gewordenen Verhältnissen doch recht schwer mache; er werde auch in seiner neuen Heimat hoch droben auf der Münstnger Alb ferne Feldrenn, acher nie vergessen. Möge es ihm rn seinem neuen Wirkungsort als Schullehrer von Magols- heim recht gut gefallen, wir sind überzeugt, daß es ihm auch dort gelingen wird, Achtung und Vertrauen sich zu erwerben. Auch an dieser Stelle nochmals ein herzliches „Lebewohl!«
Ober- u. Unterniebelsbach, 18. April. Heute fand dahier die neue Schultheißen- wahl, vor die sich unsere beiden Gemeinden gestellt sahen, statt, und zwar vormittags im Ober», nachmittags im Unlerdorf. Von 47 Wahl- berechtigtiglen in Oberniebelsbach haben 44 ab- gestimmt, davon erhielten Verw.-Kandid. Eugen Burger von Birkenfeld 20, Gemeindepfleger Glauner 17 Stimmen, zersplittert haben sich 7. In Unterniebelsbach haben von 33 Wahlberechtigten nur 24 abgestimmt, davon fielen auf rc. Burger 21, zersplittert und ungiltig sind 3 Stimmen. Burger ist somit für beide Gemeinden gewählt.
Calw, 18. April. (Corr.) Aus dem 7. Reichs- tagswahlkreis. — Heule fand in Calw eine sehr zahlreich besuchte Versammlung von Ver- trauernsmännern der deutschen und konservativen Partei aus den Oberämtern Calw, Nagold, Herrenberg und Neuenbürg statt. Nach sehr lebhafter und höchst anregender Debatte vereinigten sich sämtliche Vertreter einstimmig auf einen Kandidaten. Letzterem wird von einer aus 8 Herren bestehenden Kommission die Kandidatur persönlich angeboren werden und es ist zu hoffen, daß schon in den nächsten Tagen den Wählern ein sehr tüchtiger und populärer Kandidat präsentiert werden kann. So viel steht mit Sicherheit fest, daß die bisher vereinigte konservative und deutsche Partei auch diesmal geschlossen in den Wahlkampf eintreten wird. Auch in den übrigen Wahlkreisen ist auf ein einmütiges Zusammengehen der beiden Parteien zu rechnen.
Calw. Laut Bekanntmachung des Ministeriums der ausw. Angelegenheilen, Abteilung für die Verkehrsanstallen, wird die hiesige Telephonanstalt am 20. April eröffnet. Die neuen Teilnehmer werden somit dieser Tage Anschluß erhalten. Es sind nun im Ganzen 22 Teilnehmer.
Deutsches Aeich.
Karlsruhe, 18. April. Der Kaiser traf heute vormittag 10 Uhr 15 Min. hier ein. Zum Empfange auf dem Bahnhofe waren erschienen der Großherzog in Marine-Jnfanterie- Uniform und Prinz Karl mit Gefolge, sowie der preußische Gesandte. Mittags 1 Uhr fand im Schlosse Frühstückstafel und Marschalltafel statt. Um 5 Uhr nachmittags hatten sich der Kaiser, sowie der Großherzog und die Großherzogin bei dem preußischen Gesandten, Wirklichen Geheimen Rat v. Eisendecher. zum Thee angesagt. Abends um 7 Uhr besuchten die Herrschaften das Hof- theater.
Homburg v. d. H., 19. April. Der Kaiser ist heute Nachmittag hier wieder ein. getroffen und von der Kaiserin am Bahnhofe empfangen worden.
Durch die badische Wahlreformfrage ist, wie sich dies infolge der bekannten Beschlüsse der zweiten Kammer zur Wahlreform-Vorlage vorausjehen ließ, ein Gegensatz zwischen beiden Häusern des badischen Landtages bewirkt wor. den. In der Samstagssitzung der ersten Kammer kam bei der Beratung des Etats des Ministeriums des Innern die Wahlreformangelegenheit aufs Tapet. Sämtliche Redner drückten dabei dem Minister Eisenlohr ihr Vertrauen aus und 'tadelten das ihm von der zweiten Kammer er. teilte Mißtrauensvotum, das sie als weder in politischer noch sachlicher Beziehung gerechtfertigt bezeichneten. Minister Eisenlohr dankte in seiner Entgegnung den Rednern aus dem Hause und erklärte, er sei überzeugt, daß weiteste Volkskreise das ihm von der andern Kammer erteilte Miß» trauensvolum als jeder Begründung entbehrend betrachteten, auch habe dasselbe im ganzen Lande eine Enttäuschung hervorgerufen. Der Minister schloß mit dem Ausdrucke der Befriedigung da- rüber, daß die Stellung des Ministeriums ihre wirksamste Unterstützung in der Haltung der ersten Kammer finde.
Karlsruhe. Welche Bedeutung man auch außerhalb unserer Residenz dem zu er. bauenden Stich kanal beimißt, dürfte daraus hervorgehen, daß die Firma Lenz u. Cie beab» sichtigt, von Ettlingen aus ein Verbindungsgleise der Albthalbahn an den Hafen zu legen. Damit sollen die Holzindustriewerke südlich von Karlsruhe und die Steinbrüche des Albthales für die Rheinkorrektion nutzbar gemacht werden. Handelskammer und Stadtrat haben sich befürwortend zu diesem Projekt geäußert.
Ein außerordentlich günstiges finanzielles Ergebnis wird die preußische Eisenbahn- Verwaltung für das eben abgelaufene Rechnungsjahr aufweisen können. Nach den bisherigen vorläufigen Ermittelungen wird die Einnahme den schon hochgegriffenen Voranschlag noch um ein ganz Bedeutendes übersteigen. Ver- anschlagt war der Ertrag von 1110 Millionen Mark, der nun in Wirklichkeit um 60 bis 80 Millionen übertroffen werden, also nahezu den Voranschlag für das laufende Jahr mit 1203 Millionen Mark erreichen dürfte. Die enorme Steigerung des Verkehrs und seiner finanziellen Ergebnisse scheint dauernd zu sein.
Die Verwendung radfahrender Offiziere, Unteroffiziere u. Mannschaften zum Aufklärungs- und Ocdonnanzdicnst hat sich derartig gut de- währt, daß bei der „Kaiscrbrigade«, der zweiten Garde-Infanterie-Brigade ein Radfahrer- Detachement gebildet worden ist. Der Zweck dieser neuen militärischen Formation ist, für das nächste Manöver gewandte Patrouilleure und Ordonanzen zu schaffen, die dann jedenfalls als Stamm für eine „Radfahrer-Kompagnie des Garde-KorpS« verwendet werden sollen.
Das Anwachsen des Po len tu ms zeigen folgende Angaben: Während die Zahl der in der Provinz Posen lebenden Deutschen von 1861 bis 1890 um nur 40 000 zugenommen hat, ist die Zahl der Nichkdeutjchen um fast 250000 größer geworden. Auch in den übrigen östlichen Provinzen hat sich die Zahl der Nichtdeutschen stärker vermehrt als die oer Deutschen.
Ueber die Sozialdemokratie als Arbeit» geber ist auf einer in Halle abgehaltenen Generalversammlung des Verbandes der Lager» Halter und Lagerhalterinnen in Konsum- und ähnlichen Vereinen Licht verbreitet worden. Von besonderem Interesse war der Bericht über die Geschäfts, und Arbeitszeit in den Konsum- Vereinen , die sich von 61 bis zu 96 Stunden erstreckt, während die Dividenden 4'/» bis 18 Prozent betragen. Die Sozialdemokratie, welche die Achtstunden. Arbeit als eine ihrer Haupt- lehren verkündet, scheut sich in der Lage als Arbeitgeber also nicht, einen scchzehnstündigen Arbeitstag einzuführen. In kurzem wird die Sozialdemokratie bei Gelegenheit der Maifeier sich aufs Neue für den Grundsatz begeistern: Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Erholung, acht Stunden Schlaf! Die sozialdemokratischen Lagerhalter werden hierbei Gelegenheit haben, über den Unterschied zwischen Theorie und Praxis nachzudenken.