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Union zur Verfügung, die Resolution birgt also eigentlich die Kriegserklärung schon in sich; die Resolution der Minderheit des Ausschusses, welche ebenfalls die Anerkennung derRepublik" Kuba fordert, wurde mit 191 gegen ISO St. abgelehnt. Nun steht allerdings die Entscheidung des Senats noch aus, aber dessen Kommissions, bericht zur Kubafrage deckt sich ja im Wesent­lichen mit der soeben vom Repräsentantenhaus angenommenen Resolution, demnach wird sich der Senat ebenfalls im Sinne des anderen Hauses entscheiden und der Krieg wäre alsdann wohl unvermeidlich geworden. Unter solchen Umständen ist auch nichts mehr von der Inter, vention der Großmächte zu erwarten, und wenn jetzt noch im schweizerischen Nationalrat der Ge­danke angeregt worden ist. die Schweiz möge ihre Vermittelung in dem spanisch-amerikanischen Streit anbieten, so klingt das beinahe scherzhaft.

Die unbeschreibliche Aufregung des Reprä' sentantenhauses während der Verhandlungen verursachte bedauerliche Szenen. Die Deputierten rannten wie Tobsüchtige in den Gängen zwischen den Bänken umher. Der Deputierte Bartlett schleuderte ein Buch nach dem Deputierten Brunn; dieser wich dem Wurfgeschoß aus. das sein Gesicht streifte. Bevor die Ruhe wieder» hergestellt wurde, tauschten verschiedene Deputierte Schimpfwörter aus wieKanaille",Lügner". Endlich nahm die Kammer eine Vorfrage an, wonach die Debatte auf 20 Minuten für die Reder jeder Partei beschränkt wurde.

Madrid, 13. April. Der heutige Tag des internationalen Medizinerkongresses war deutschen Vorträgen gewidmet. Finkelnburg- Bonn führte eine epochemachende Erfindung vor, chemisch reines Eiweiß, Proton genannt, auf künstlichem Weg billig herzustellen.

Marseille, 13. April. Dem König der Belgier, der mit dem. Schnellzug nach Paris abreiste, wurde am hiesigen Bahnhof eine lederne Reisetasche mit Kleidungsstücken, Juwelen und Ordenszeichen gestohlen.

Eine fatale Nachricht ist aus Afrika in Paris eingetroffen. Sie besagt, daß dle fran- zösische Expedition, welche unter Major Mar­ch and in das obere Nilthal eindringen wollte, gescheitert sei, daß Marchand unterwegs von fast allen seinen Leuten verlassen worden sei. Diese Nachricht wird, ihre Bestätigung vorausgesetzt, von den Engländern mit besonderer Schaden­freude ausgenommen werden, hätten sich doch nun die Konkurrenz der Franzosen am Nil vor- erst nicht mehr zu fürchten. Ueber die Nieder­lage der Derwische in der Schlacht am Atbara liegen jetzt nähere Meldungen vor, dieselben lassen erkennen, daß die Derwische aufs Haupt geschlagen wurden und furchtbare Ver- luste erlitten.

Unterhaltender Heil.

Das Rätsel in Marmor.

Original-Novelle von Gustav Höcker.

(3. Fortsetzung)

Endlich mußte er sich doch zur Abreise ent­schließen und nach Leipzig zurückkehren. Wäh­rend hier die Einsamkeit des Hauses, in welchem überall die Mutter fehlte, aus sein Gemüt drückte, flüchtete er in die Erinnerung an die in der Residenz verlebten Tage zurück. Nicht nur der prangende Garten des Geheimrats, nicht nur der alte würdige Herr mit dem schneeweißen Haupte, sondern sogar das Slübchen, welches ihn be­herbergt und der seltsame Vetter mit seiner Putz- Pulver-Propaganda leuchteten in verklärendem Schimmer der Erinnerung; aber der hellste und glänzendste Strahl fiel auf das dunkle Antlitz und die Feuerdlicke des schönen Kindes der Mexikanerin, und so kam es, daß Wolfgang zur Feder griff, um Albertinen zu schreiben, wie gern er an die in ihrer Gesellschaft verlebten Stunden zurückdenke und wie es ihm Bedürfnis sei, den anregenden Verkehr mit ihr brieflich sortzusetzen. Er erhielt Antwort und bald ent­spann sich zwischen ihm und der Geheimrats­tochter ein lebhafter Briefwechsel. Obwohl nicht behauptet werden kann, daß Albertine's Briefe durch besonderen Geist geglänzt hätten, so ent­

stand doch in Wolfgang allmählich ein Gedanke, der in diesem schriftlichen Austausch einen wärmer und wärmer werdenden Ton brachte.

Frau Ritter war nach monatelangem Auf. enthalte im Kurorte zurückgekehrt, aber ohne den gewünschten Erfolg. Wolsgang mußte sich daher mit dem Gedanken vertraut machen, die Mutter vielleicht für ihre ganze, noch übrige Lebenszeit auf den Rollstuhl gebannt zu sehen. Welch' süßen Trost würde es ihr in ihrem Leiden gewähren, wenn ein weibliches Wesen an ihrem Lager waltete, eine liebende Tochter sie durch ihre beständige Gegenwart vor quälender Ein­samkeit bewahrte und ihr die «sorge um den Haushalt abnähme. Das Schicksal hatte der Mutter eine Tochter versagt, aber es lag in Wolfganz's Hand, die jetzt so fühlbare Lücke auszugleichen, er konnte durch ein Herzens- und Ehebündnis der Mutter eine Tochter, dem Hause einen sanft waltenden Genius zuführen. Albertine Kammrodt schien mit allen Eigenschaften ausge­rüstet, diese Stellung einzunehmen. Den Be- ziehungen, die sich zwischen ihm und ihr bereits geknüpft hatten, ließ sich leicht eine intimere Wendung geben, und da Wolfgang sich im letzten Semester seines Studiums befand und bei seiner glänzenden Vermögenslage aus keine Anstellung zu warten brauchte, so stand seinem Plan kein Hindernis entgegen. In den Ge­sprächen mit der Mutter war der Name Albertine Kammrodt seinen Lippen schon öfter entschlüpft; es kam der Kranken daher nicht ganz unerwartet, als er ihr seine Absicht mitteilte, wenn er ihr freilich auch verschwieg, daß die Zärtlichkeit des Sohnes dabei eine größere Rolle spielte, als das eigene Herzensbedürfnis. Frau Ritter gab ihrem Sohne über sein Vorhaben ihre unverholene Freude kund; sie war überzeugt, daß er eine glückliche Wahl getroffen habe und segnete seinen Entschluß.

Dem Briefe, in welchem er Albertinen seine Hand antrug, folgte eine zusagende Antwort, und auch die Einwilligung des Geheimrats, der über Wolfgangs Familien- und Vermögens- Verhältnisse von zuverlässiger Seite das Günstigste erfahren hatte, ließ nicht auf sich warten. So reiste Wolfgang abermals nach der Residenz und erschien eines Abends in Rabelings Droguen- laden, sein altes Stübchen wieder begehrend und den staunenden Vetter mit der Nachricht über­raschend, daß er gekommen sei, seine Verlobung mit Albertine Kammrodt zu feiern. Bei der vorgerückten Abendstunde zog er vor, sich Al­bertinen und ihrem Vater erst morgen zu zeigen; dazu fand er ein geheimes Vergnügen daran, seiner Braut, die ihn heute noch nicht erwartete, so nahe zu weilen, dem festlichen Verlobungs­tage in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ent­gegenzuschlummern, ohne daß sie eine Ahnung davon besaß. Da stand er wieder in dem kleinen, rasch für ihn hergerichteten Zimmer, vom Vetter Rabkling endlich allein gelassen, der ihn mit Glückwünschen überschüttet hatte und sich von der Aussicht auf das künftige verwandtschaftliche Verhältnis zu dem Geheimrat keine geringe Chance für sein Putzpulver versprach.

Der Garten nebenan sandte milde Wohl­gerüche zu Wolfgang's Fenster herein, denn er prangte eben im herrlichsten Frühlingsschmucke und war von weißen und blaßroten Blüten­flocken überschnell, deren Heller Schimmer all­mählich in der Dunkelheit verschwamm. Plötzlich drangen wunderbare Töne an Wolfgang's Ohr. Er war überrascht von der unvergleichlichen Eigentümlichkeit dieses metallenen Klangs, der unmöglich von einem Klavier herrührte; sie er­innerten an David, der mit der Zaubergewalt solcher Töne den bösen Geist scheuchte, welcher zuweilen über König Saul kam; so rauschte es zu den Liedern der Barden, wenn sie die Thaten der Götter und Helden besangen oder das Heer zur Tapferkeit entflammten. In mächtigen Griffen erklangen die Äccordgänge von den tiefsten bis zu den höchsten Lagen, herauf und herunter, aber in dem scheinbar wilden Gewoge schmiegten sie sich einer schmelzenden Melodie an, die in gesangvollen glockenreinen Tönen das Ganze beherrschte. Es war ein ehernes Saiten­spiel, welches offenbar von einer Pedalharse

kam. Und keine Dilettantenhände konnten es sein, welche die Saiten rührten, denn das SM trug den Stempel künstlerischer Vollendung. Die Klänge kamen von dem Seitenbau, der,« dem Hause des Geheimrats gehörte und weit in den Garten hineinragte. Von Wolfgangs Zimmer aus war dieser Seitenbau sichtbar, nur hier und und da durch Bäume und Gebüsche versteckt; die Aussicht auf zwei erleuchtete Parterrefenster lag frei und diese letzteren gehörten zu dem Zimmer welches Wolfgang von Albertinen als dasjenige ihrer abwesenden Schwester bezeichnet worden war. Dieser konnte daher über den Virtuosen nicht im Zweifel bleiben. Er wußte über Friederike, daß ein in früher Kindheit empfangener Eindruck sie derart für die Pedalharfe begeistert hatte, daß sie dieses Instrument zum Gegenstände ernsten Studiums gemacht und deshalb das Kon­servatorium bezogen hatte. Wahrscheinlich war sie nun nach beendeten Studien in die Heimat zurückgekehrt, oder die schwere politische Wetter­wolke, welche sich über der Residenz zusammen- ballte und den Ausbruch eines Ausstandes be­fürchten ließ, hatte sie zur eiligen Heimreise ver­anlaßt, um dem väterlichen Hause im Augenblick der Gefahr nahe zu sein.

Wolfgang lauschte dem Saitenspiele, bis es verstummte. Er sah den Schatten einer weih- lichen Gestalt hinter den beiden erleuchteten Fenstern ein paar Mal hin und hcrgleiten und dann das Zimmer in Finsternis versinken.

Spät erst fand er den Schlummer. Mehr noch als Albertine, die er von morgen an seine Braut nennen sollte, beschäftigte die Harfen­spielerin seine Gedanken. Die entzückende Musi! klang noch immer in seinen Ohren nach; er hätte diesen Genius und diese Künstlerhand auf Al­bertine übertragen gewünscht, die es nur bis zu einem unfertigen Klaoierdilettantismus ge- bracht hatte. Er malte sich den Besitz einer Gattin reizvoll aus, welche über das Glück der Häuslichkeit, über Leid und Freud des täglichen Lebens hinaus, dem Gatten solche weihevolle Stunden zu bereiten, die Seele so poetisch an- zuregen vermochte, durch ihre Meisterschaft in einem Kunstgenre, das so ungewöhnlich war und doch nichts Unweibliches an sich trug. Er ivai gespannt, die Künstlerin von Angesicht zu An­gesicht zu sehen, die er künftig seine Schwägerin nennen sollte.

(Fortsetzung folgt.)

sDer moderne Kunstjünger.j Mama: . . Und hast du deine schönen Malereien schon hergezeigt Tochter:Der Tante schon; aber dem Onkel zeige ich sie nicht!" Mama:Warum nicht, Elschen?" Tochter: Weil ... der Onkel immer gleich wissen will, was es vorstellt!"

Telegramme.

Berlin, 15. April. Ein heute morgen in der Hasenheide ermordet aufgefundenes Mädchen rst das 20jährige Dienstmädchen Luise Günther. Die Leiche ist stark verstümmelt. Es handelt sich zweifellos um einen Lustmord. Vom Mörder hat man. bisher keine sichere Spur. Für die Ergreifung desselben ist eine Belohnung von 1000 ausgesetzt worden.

Madrid» 15. April. Von Havannah sind Berichte eingegangen, welche darthun, daß der Aufstand seinem Ende nahe sei. Die Regierung der Aufständischen sei geneigt, über den Frieden und umfangreiche Unterwerfung zu unterhandeln. Ferner wird gemeldet, daß Oberst Tejeda Holguin die Aufständischen schlug und ihnen einen Verlust von 19 Toten beibrachtc. Auf spanischer Seite sollen 25 Mann gefallen setn. In Barcelona veranstalteten gestern über 3000 Personen eine Kundgebung vor dem amerikanischen Konsulate unter Pfeifen, Schreien und Hochrufen auf Spanien. Der amerikanische Konsul sah hinter einem Fenster stehend zu. Die Ansammlung wurde schließlich zerstreut, ohne daß ein Zwischenfall vorgekommen wäre.

Bombay, 15. April. In der verflossenen Woche sind 562 Personen an der Pest gestorben. Die Gesamtsterblichkeitsziffer beläuft sich auf 1303 oder 81,5 pro Tausend. ^

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neueubürg.