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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 15. Apr. Gestern Abend 8 Uhr versammelten sich die Mitglieder der hiesigen Orts­gruppe des Alldeutschen Verbands im Gasthof zumBären-, um einen Vortrag von Hrn. Repetent Calmbach-Blaubeuren über die Post- dampferverbindungen mit Ostasien anzuhören. Auch Damen hatten der Einladung Folge ge- leistet. Nachdem der Vorsitzende, Hr. Präzeptor Calmbach besonders die Frauen als Mit- kämpferinnen begrüßt hatte, hielt der Redner seinen Istündigen Vortrag. Er wies zunächst aus den Wettbewerb der Kulturvölker hin, der in letzter Instanz seinen Grund habe in der raschen Bevölkerungszunahme, erläuterte die Bedingungen, durch die der Handel mit China lohnend erscheine, alS: zahlreiche Bevölkerung, eine wenig entwickelte Industrie, reiches Land, und der konservative Charakter der Chinesen. Sodann warf er einen Blick auf die deutschen Interessen in Ostasien, um den Aufschwung der- selben auf die Einrichtung der Reichspostdampfer linie zurückzuführen, die sich als durchaus segens­reich erwiesen habe. Um die Bedeutung der Postdampfer ins rechte Licht zu setzen, erörterte er die 3 Handelswege nach Ostasien 1. Suez- kanal, 2. Weg über Amerika, 3. sibirische Eisen­bahn, behandelte in einem Ueberblick die verschiedenen Postdampferlinien zwischen Europa und Ostasien, wies namentlich darauf hin, daß die jährlichen Betriebskosten eines Postdampfers mit 13 Knoten dreimal so hoch seren, wie die eines Frachtdampfers mit 9 Knoten, woraus sich die Notwendigkeit der Unterstützung von selbst ergebe. Er betonte, daß der Norddeutsche Lloyd seit 1885 für Neubauten, Umbauten, Reparaturen von Reichspostdampfern, für Lade- und Hafenun­kosten an deutsche Empfänger in deutschen Häfen annähernd 60 Millionen Mark ausgegeben habe. Das Geld, das der Lloyd vom Reich empfange, komme also wieder dem Volk zu gute. Die Postdampfer erhöhen unser Ansehen im Aus­land, weil sie als schwimmende Ausstellungen ein möglichst günstiges Bild von deutscher Leistungsfähigkeit geben. Mit dem Wunsch, daß wir uns immer mehr von der englischen Bevor­mundung frei machen, schloß der Redner seinen beifällig aufgcnommenen Vortrag. Hr. Direktor Loos dankte dem Redner namens des Gewerbe­vereins für seinen gediegenen Bortrag. Der Abend verlief vollends in sehr angeregter Stimmung.

Aichelberg, 12. April. Die Arbeiten zur Ausführung der Schwarzwald-Wasser. Versorgung nehmen einen erfreulichen Fortgang. Bei der guten Witterung des vergangenen Winters war es möglich, den ganzen Winter über zu arbeiten und ist es der energischen und bewährten Leitung des Bauleitenden. Herrn Werkmeister Köhler, auch zu danken, daß namentlich die äußerst schwierigen Arbeiten auf der Pumpstation bezw. zur Wöhranlage und Betriebskanal soweit gefördert sind, daß deren baldiger Abschluß in Aussicht genommen werden kann, vor einigen Tagen wurde das Pump­stationsgebäude mit Wärterwohnung aufgeschlagen und wurde sofort mit Montieren der bereits an Ort und Stelle liegenden Maschine begonnen. Was die Röhrenfahrten betrifft, so sind die Strecken Pumpstation Meistern Agenbach, HünerbergHofstelt bis Neuweiler und Aichel- bergAichhalden zum größten Teil ausgeführt, auch wird an dem Hauptreservoir in Hünerberg eifrig gearbeitet. Der engere Ausschuß überzeugte sich von der soliden und dauerhaften Ausführung der Arbeiten zur Werkanlage im Groß-Enzthal und nahm gerne Anlaß zur Feier des Richtfestes der Pumpstation den beteiligten Arbeitern das übliche Essen und Getränke zu spenden.

Alten steig, 11. April. Am Grün­donnerstag begaben sich der Vorstand und Ausschuß des Fischereivereins Nagold ins obere Nagoldthal, um die künstliche Brutanstalt von Guts- und Sägwerksbesitzer Bücking zu besichtigen. Dle Brutanstalt enthält 27 Kästen, worin gegenwärtig 100000 Fischeier (Forellen und Bachsaiblinge) ausgebrütet werden. Die vor­züglich eingerichtete Brutanstalt, sowie die nach neuestem Muster angelegten 7 Aufzuchtsteiche

fanden allgemeinen Beifall. Gute Erfahrung machte bis jetzt Herr Bücking insbesondere mit der Aufzucht von Bachsaiblingen. Nach den Mitteilungen des Vereinsvorstandes haben sich im Bezirk nun 8 Gemeinden entschlossen. Fisch­teiche anlegen zu lassen. Auf Kosten des Vereins sollen in diesem Frühjahr 5000 Forellen und Bachsaiblinge in die Nagold und ihre Seiten­gewässer eingesetzt werden, auch wird der Verein solchen Mitgliedern, die Fischteiche anlegen, Beiträge zur Anschaffung von Fischbrut bewilligen.

Deutsches Aeich.

Berlin, 15. April. Der Kaiser hat vorgestern das Flottengesetz unterzeichnet.

Berlin, 15. April. Der Kaiser wies dem Verein für Reformationsgeschichte aus seiner Privatschatulle 20000 -M zur Herausgabe noch ungedruckter Werke Melanchthons an.

Karlsruhe. 15. April. Aus Homburg v. d. H. wird derKöln Ztg." gemeldet, daß der Kaiser am 18. d. M. zum Besuche des badischen Hofes sich nach Karlsruhe begiebt und am 19. d. M. nach Berlin zurückreist. Eine Auerhahnjagd findet in diesem Jahre nicht statt.

Das herzliche Glückwunschtelegramm, welches unser Kaiser dem englischen Botschafter in Berlin wegen des glänzenden Sieges des englisch - egyptrschen Expeditionskorps im Sudan über die Dewische am Atbara-Fluffe richtete, hat in England eine merkwürdig große Genugthuung hervorgerufen. Dieselbe kommt durch zahlreiche Preßartikel zum Ausdruck, in denen die kaiserliche Depesche als ein Zeichen wohlwollender und sympathischer Gesinnung ihres erlauchten Urhebers gegenüber England schier überschwänglich gefeiert wird und welche Preßstimmen dann unverhüllt ihre Hoffnungen auf ein künftiges enges Zusammen­gehen Deutschlands und Englands in den Fragen der Weltpolitik äußern. Es wäre in- dessen sehr gut, wenn man sich in England nicht mit derartigen Erwartungen trüge und demnach das erwähnte Glückwunschtelegramm Kaiser Wilhelms erheblich nüchterner beurteilte, denn Deutschland wird sich hüten, nun plötzlich eine dicke Freundschaft mit England einzugehen um dafür Rußland vor den Kopf zu stoßen, dessen Freundschaft für uns doch ungleich wert­voller ist.

Prinz Heinrich von Preußen ist am 13. April, einer Meldung derDaily Mail" in London zufolge, von Hongkong mit dem KreuzerGefion" nach Schanghai abge­segelt. während der Kreuzer Deutschland bis zur Vollendung der an ihm nötig gewordenen Reparaturen noch in Hongkong bleiben muß. Wie verlautet, soll der angekündigte Besuch des Prinzen Heinrich am Pekinger Hofe noch im Laufe des jetzigen Monats erfolgen.

Die diesmal besonders scharf ausgeprägte Ruhepause in der inneren Politik anläßlich des Osterfestes weicht allmählich wieder den Anforderungen des Tages. Auf dem parla­mentarischen Plan ist bereits wieder der säch­sische u. bayerische Landtag erschienen, die sich nur kurze Osterferien gönnten, denn beide haben gleichzeitig am Mittwoch ihre Beratungen wieder aufgenommen, während das preußische und das württembergische Abgeordnetenhaus erst am 19., der Reichstag aber am 26. April wieder zusammentritt. Wie zu erwarten stand, hat die Wahlbewegung zu den bevorstehenden Reichstagswahlen während der Osterzeit weitere Fortschritte gemacht, wie denn auch gerade zum Osterfeste der sozialdemokratische Wahl­aufruf erschienen ist, womit also die Sozial­demokraten wieder einmal den bürgerlichen Parteien zuvorgekommen sind. Der Wahlaufruf selbst stellt sich allerdings nur als ein ödes Machwerk voll der bekannten hohlen Phrasen und Schlagworte aus der sozialdemokratischen Agitatorenschule dar, und das dürfte man viel- leicht auch in den Reihen derGenossen" selbst empfinden, wenigstens in dem urteilsfähigeren Teile derselben. In den obersten preußischen Regierungskreisen weht entschieden eine scharfe Luft gegen die Polen. Dies beweist auch wieder der Erlaß des Staatsministeriums

an die Oberpräsidenten der gemischtsprachigen Provinzen, in welchem die Pflicht der Staats­und Gemcindebeamten in letzteren betont wird, mitzuwirken an der Stärkung des deutschen Nationalgefühls und des preußischen Staats­bewußtseins unter der Bevölkerung und anti­deutschen Bestrebungen entgcgenzutreten. Natür­lich ist dieser Vorstoß der preußischen Regierung gegen das immer unduldsamer und übermütiger werdende Polentum gerichtet, da Dänen, Cechen, Wallonen und noch andere fremde Volkselemente in Preußen weit weniger in Betracht kommen.

Berlin. (GctreidemarklBericht.) An­haltende Befürchtungen bevorstehender Kriegs­gefahr beeinflussen teils fördernd, teils hemmend das Verkehrsgeschäft im Getreide. Während die einen den Krieg zwischen Spanien und Nordamerika für unvermeidlich halten, hoffen die andern, daß der Friede werde erhalten bleiben können. Die Saatenstands-Berichte aus Nordamerika und Westeuropa lauten andauernd günstig, während aus Rußland nichts zuverlässiges über den Stand der Staaten zu erfahren ist Nichtsdestoweniger bleibt die Ausfuhr Rußlands für Weizen groß, sie hat gegen die Vorwoche sogar zugenommen. Auch Ostindien verzeichnet aus seiner neuen Ernte einen Ausfuhr-Zuwachs während Argen­tinien weniger verschiffte. An deutschen Märkten war die Entwicklung reger Geschäftsthätigkeit bemerkbar. Die Kauflust erstreckte sich nach wie vor auf gute Auslands-Qualitäten, von denen bedeutende Mengen umgingen. Infolge dieses regen Einfuhrgeschäfts haben sich die Preise ansehnlich und zwar für Weizen um etwa 34 Mark, für Roggen um etwa 45 Mark pro 20 Zentner gehoben.

Württemberg.

Stuttgart, 13. April. Die Luther­festspiele, an deren erhebenden Verlauf die weitesten Kreise mit inniger Befriedigung zurück­denken, haben eine Einnahme von 24 000 «kL ergeben, welchen 15 000 Ausgaben gegenüber­stehen. Von den 9000 Reingewinn soll ein Teil für wohlthätige Zwecke verwendet, der Rest als Grundstock für künftige billige Volks­festspiele verwendet werden.

Heilbronn, 15. April. Auf recht bedauerliche Weise kam gestern Abend ein hies. Weingärtner ums Leben. Der Mann kam abends nach Hause. Die Frau setzte ihm zum Nachtessen Fleisch vor, doch kaum hatte der Mann einen Bissen davon gegessen, als ihm ein Stück in der Luftröhre stecken blieb. Sofort angewandte Mittel waren erfolglos, auch der sofort herbei­gerufene Arzt konnte leider nichts mehr ausrichten, und so war der Mann alsbald eine Leiche. Eine sehr zahlreiche Familie betrauert den Vater.

Ausland.

Die hohe Politik wird selbstverständlich noch immer von dem spanisch-amerikanischen Konfikt wegen Kubas beherrscht. Die Bot­schaft des Präsidenten Mac Kinley an den amerikanischen Kongreß, welche sich entschieden gegen die Anerkennung der kubanischen Insur­genten als kriegführende Macht wenigstens im jetzigen Moment ausspricht, konnte im Hinblick auf den gleichzeitig von der spanischen Regierung zugestandenen Waffenstillstand auf Kuba aller­dings als ein Zeichen für eine vorläufige Milder­ung der Krisis gedeutet werden. Aber inzwischen ist der Inhalt der Botschaft Mac Kinley's spe­zieller bekannt geworden, und da zeigt's sich denn, daß sie doch weit drohender und entschiedener gegen Spanien klingt, als dies die ersten dürf­tigen Nachrichten über den Charakter dieser offiziellen Kundgebung vermuten ließen. Bor Allem aber haben die Chauvinisten und Kriegs­hetzer im amerikanischen Kongreß sichtlich immer mehr Oberwasser erhalten, wofür namentlich die Washingtoner Meldung zeugt, wonach das Repräsentantenhaus am Mittwoch in sehr stürm­ischer Sitzung die kriegerische Resolution der Mehrheit seines Ausschusses für die aus­wärtigen Angelegenheiten mit erdrückender Mehr­heit, mit 324 gegen nur 20 Stimmen ange­nommen hat. Denn diese Resolution verlangt die Erklärung der Unabhängigkeit Kubas und den sofortigen Rückzug Spaniens von Kuba und stellt dem Präsidenten die Gesamtstreitkräfte der