280
Bor fünfzig Jahren.
„ 1848 ."
XIII.
In Frankfurt ist der Fünfziger-Ausschuß ge- wählt; in demselben sind aus Württemberg vier: Schott.Murschel, PfarrerMack, KanzlerWächter; aus Baden: Jtzstein, Soiron, Matthy, Buhl. Hecker ist mit 171 Stimmen der nächste, welcher ein- treten würde falls irgend ein Gewählter, wie verlautet, die Wahl nicht annehmen würde. Soiron, Rob. Blum und Ab egg wurden zu Präsidenten in den Fünfziger-Ausschuß gewählt.
Der Fünfziger-Ausschuß an das Volk! Im See- und Oberrheinkreise Badens wird ein Aufruf an das Volk verbreitet, nach welchem es an der Zeit seyn soll, das, was die Verfasser jenes Aufrufs, die Forderungen des Volkes nennen, mit den Waffen in der Hand zu verwirklichen. Die ganze Volkswehr des Seekreises soll sich am 14. April in Donaueschingen bewaffnet einfinden, mit Munition, sowie mit Lebensmitteln auf 6 Tage versehen, und dort die weiteren Weisungen empfangen. Man will auf Kehl marschieren, sich mit der aus Frankreich kommenden Ardeiter-Freischaar verbinden und landab ziehen.
Männer in Baden, Württemberg, Rheinbayern und Hessen! Zum Bürgerkriege, zu dem Entsetzlichsten, was ein Land treffen kann, ruft man Euch auf! Ihr sollt die Waffen gegen Eure Mitbürger führen, um Meinungen einer Partei dem ganzen Deutschland aufzudrängen. Und das zu einer Zeit, wo der Wille des deutschen Volkes sich binnen wenigen Wochen in der constituirenden National-Versammlung aussprechen wird, zu einer Zeit, wo Deutschland im Begriff ist, den Forderungen aller seiner Stämme durch wahrhafte Volksvertreter ihr Recht zu verschaffen.
Der Fünfziger.Ausschuß ist der Zuversicht, daß Ihr die Zumutungen jenes Aufrufs mit Enirüst« ung von Euch weisen, und als freie Bürgerwehr, an der Seite der aufgebotenen Truppen, jenen Verblendeten mit Kraft entgegentreten werdet. Man will Euch überreden, daß die Euch zu Hülfe kommenden Bundes- truppen fremde Truppen setzen. Freunde! es sind Eure Brüder, mit Euch aus Einem Volke, mit Euch auf demselben Wege zur Freiheit und zur deutschen Einheit. Man will Euch überreden, daß durch diese Truppen reactionäre Schritte unterstützt werden sollen. Seyd versichert, daß wir mit kräftiger Hand jeden solchen Versuch beseitigen würden; die That hat gezeigt, daß wir den Willen und durch das Vertrauen des Volkes auch die Macht hierzu haben. Aber bedenkt, daß das Unheil der Reaction, wenn diese in Deutschland jetzt möglich, nur noch durch derartige gewaltsame Vernichtung aller staatlichen Ordnung herbeizuführen wäre.
Darum laßt uns mit aller Macht den Despotismus einzelner Parteien bekämpfen. In Euren Händen liegt das Heil Deutschlands; Ihr werdet Eure unermeßliche Verpflichtung zu würdigen wissen.
Frankfurt a. M., den 15. April 1848.
Soiron, Vorsitzender. Simon, Schriftführer.
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung
Tel nach, 11. April. Kaum hat die Sonne die letzten Schncespuren auf unfern Höhen verwischt, jo haben auch schon die Auerhähne zu spielen begonnen. Bon Plorzheimer Jagd- gälten sind im Revier Oberkollwangen — in weitem Umkreise der beste Balzplatz — schon drei schöne Hähne geschossen worden Immerhin durften noch 8 Tage vergehen, bis die Balz in vollem Gange ist
Pforzheim. 13. April. Boa den ausgestellten Touren des BezirksvereinS des württ. L>chwurzwalüvereilis wurden 4 an der Zahl pcogrammäßig ausgcsührt. Die mit Nr. 1 vezeichnele Wanderung, unstreitig auch die schönste, war eine zweitägige in den badischen Schwarzwald. Die Abfahrt erfolgte am Samstag Abend nach Offenburg, von wo über Moosturm, Schliefkopf durchs Durchbacherthal marschiert wurde, um am zweiten Tag auf den Ruhstein zu gelangen. Die genossene Aussicht am ersten Tage war eine prächtige, dagegen hatte man sehr mit den noch vorhandenen Schneemassen zu kämpfen. Die Teilnehmer von Tour Nr. 2 verließen Pforzheim gleichfalls am Samstag Abend, fuhren aber nur bis Achern, um am andern Tag über den Anhalderforst, Edelfrauen-- grab, Allerheiligen, ebenfalls nach dem Ruhstein zu gelangen. JnS Schwavcnland sühne die 3. Tour und zwar über Grindelbach, Michaelskapelle, Bönigheim nach Heilvronn. Endlich führte die 4. Tour in den württ. Schwarzwald nach Herrenalb und dem Bernstein. An der letzten Tour nahmen auch Damen teil.
Pforzheim, 13. April. Auf dem heutigen Schweinemarkt waren 53 Ferkel zugeführt, wovon 42 Stück zu einem Preis von 26 dis 30 das Paar verkauft wurden.
Deutsches Aeich.
Aus Berlin wird dem „Standard" gemeldet, aut Anordnung des Kaisers werde demnächst ein höherer Offizier nach dem Hauplquartier des Generals Kitchener Pascha udreisen, um den Operationen der englisch- ägyptischen Armee beizuwohnen
Die zu zahlenden Matrikular-Beiträge für 1898 sind nach dem Etat unter Abzug des Ueberschusscs des Etatsjahrcs 1896/97 in der Höhe von 28.7 Millionen auf 467,2 Millionen festgcstellt worden. Davon entfallen auf Preußen 275,4, auf Bayern 59,9, auf Sachsen 32,7, auf Württemberg 20,9. auf Baden 16,2, auf Hessen 8 9, auf Hamburg 5,8, auf Elsaß-Lothringen i5.4 Millionen.
Die Relchsdruckerei wird in den Erörterungen über die Unterschlagung Grünen- lhals stets als vom Reichs-Postamt repartierend bezeichnet. Dies trifft nicht zu. Die Reichsdruckerei untersteht vielmehr unmittelbar dem Staatssekretär des Reichs Postamts, genau so wie die vier Abteilungen des Reichspostamtes. Düse Unterscheidung wird auch zwischen den Verfügungen des Staatssekretärs und des kollegial organisierten Reichs-Postamtes gemacht.
Die Hamburg. Amerika-Linie schickt schon jetzt Schiffe an die amerikanische Küste, um im Fall eines Krieges zwischen Amerika und Spanien den amerikanischen Küstenhandel und die dortige Küstenfahrt zu übernehmen. Die amerikanische Kauffahrtei Flotte ist dazu außer Stande, einerseits aus Mangel an Schiffen, andernseits aus Furcht vor spanischen Kapern.
In der „Berl. Klin. Wochenschrift" berichtet ein Spezialarzt über eine Epidemie von — Kahlköpfigkeit unter Schulknaben, und seine Ausführungen verdienen weitere Verbreitung, da sie zur äußersten Vorsicht anregen. Die Epidemie umfaßte acht Quintaner einer Berliner Schule. Sämtliche Schüler zeigten auf dem Kopfe die ausgesprochenen Erscheinungen einer umschriebenen Kahlköpfigkeit, die Mehrzahl in Form eines runden Fleckes; drei von ihnen wiesen sogar zwei und drei kahle stellen auf — bei dem jugendlichen Alter von 12 bis 13 Jahr- n e,n recht eigenartiger Anblick Genauere Nachforschungen ergaben mit Sicherheit die An- steckungsfähigkcit des Uebels.
Der bekannte Wetterprophet Rud. Falb, der in Berlin ansässig ist. vollendet am 19. ds. sein 60. Lebensjahr. Der Vorausverkünder der „kritischen Tage" wurde am 19. April 1838 in Obdach i. d. Steiermark geboren und war einst römisch-katholischer Priester. Er ist aber aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten und hat sich der protestantischen Kirche angeschlosien.
In Karlsruhe legte die Polizei einer „Wahrsagerin" das Handwerk, die mehreren Dienstmädchen kleinere Beträge zu entlocken wußte, indem sie ihnen aus den Zügen der flachen Hand „wahrsagte" und großes Glück in der Lotterie prophezeite. Die Mädchen gaben in ihrer Leichtgläubigkeit der Schwindlerin Geld zur Beschaffung eines „Originalloses", bekamen aber nicht einmal ein Los, geschweige denn einen Gewinn zu sehen.
(Zur angeblichen Auffindung Andrees.) Es war wieder einmal nichts! Der schwedisch norwegische Konsul in San Franziska, Lund, telegraphierte an das Ministerium des Aeußern: „Carrs Bericht über Andrer offenbar grundlos." Ueber drc Alarmnachrichten, die angebliche Landung Andrees in Alaska betreffend, äußerte sich, wie man uns aus Hamburg schreibt, Geheimrat Dr. Neu- mayer, der bekannte Leiter der deutschen Seewarte zu Hamburg, einem Besucher gegenüber folgendermaßen: „Andrer kann gelandet sein, kann aber auch nicht gelandet sein. Jedenfalls muß man nähere Mitteilungen erst abwarlen. Das Unternehmen eines Abenteurers fällt vollständig aus dem Rahmen wissenschaftlicher Kombinationen und Berechnungen. Wer will da etwas Genaueres darüber sagen, wohin sein Ballon verschlagen ist, wohin er getrieben wurde, wo er etwa auftauchen könnte? Ja, bei Nansens Unternehmen, da handelte es sich um etwas Anderes; das ist ein Mann, der uns
Unschätzbares gebracht, aber Andrees Wagnis? — Weisen Sie nur immer und immer wieder das Publikum darauf hin. daß eS sich bei der Andree'schen Expedition um weiter nichts alz ein tollkühnes Abenteuer handelt." Aus diesen Auslassungen geht mit untrüglicher Deutlichkeit hervor, daß Prof. Dr. Neumaysr sich von dem ganzen Unternehmen AndreeS durchaus keinen wissenschaftlichen Erfolg verspricht, vielleicht
nicht einmal auf das Wiederauftauchen Andrees rechnet.
Württemberg.
Die Abteilung für Verkehrs-Anstalten im württcmbergischen Ministerium hat die probe-
weise Verw e ndu n g von Buchen.Schwellen
auf den württembergischen Staatscisenbahnen genehmigt. Preußen ist mit solchen Versuchen vorangegangen.
Stuttgart, 12. April. Goldarbeiter
Eb. Fr. Fa user von Feucrbach, der am
2 April von dem Schwurgericht wegen Verbrechens des Vatermords zum Tode verurteilt wurde, hat gegen dieses Urteil Revision an das Reichsgericht angemcldct.
Stuttgart, 12. April. In nächster
Zeit erhalten wir einen seltenen Sängerdesuch. Die Harmonie Zürich wird auf einer größeren Sängerfahrt auch Stuttgart berühren und ein großes Konzert veranstalten. Der sehr bedeutende Verein, der unter der Leitung des Komponisten Angerer steht, wird uns ohne Zweifel eine» genußreichen Abend bereiten.
Heidenheim, 12. April. Der nach längerem Leiden unerwartet rasch an einem Herzschlag dahingeschiedene Forstrat Prescher (vorher Revierförster in Herrenalb) wurde am lctzten Samstag unter zahlreichem Trauergeleite zur letzten Ruhe bestattet. Zu beiden Seilen des reichgcschmückten Sarges und unmittelbar hinter demselben schritten, Kränze tragend, die Forstwächter des Heidenheimer Forstamls, denen sich die Forstbeamten, sowie viele Freunde des Verewigten anschloßen.
Göppingen, 13 April. Der „Verband deutscher Verstcherungsbeamren", welcher zunächst die Bereinigung aller Versicherungs-Inspektoren Württembergs anstrebt, hielt am Donnerstag den 7. April in der Dinkelacker'schen Brauerei in Stuttgart seine zweite Leriammlung ab. Es wurden 8 neue Mitglieder ausgenommen. Das Interesse der Mitglieder an den gemeinsamen Bestrebungen ist ein sehr reges, und es steht zu hoffen, daß der Verband rasch weiter erstarkt und in die Lage kommt, seine Interessen mit Energie zu verfolgen. Diese Bestrcvungen, welche leider von seiten der oberen Verwaltungsorgane der Gesellschaften nicht die Unterstützung finden, wie sie es im Gesamtinteresse des Versicherungswesens verdienen, bestehen vornehmlich in Pflege der Kollegialität, Hebung des Standes der Mitglieder, Beseitigung der gehässigen Konkurrenztreibereien unter Kollegen und der Entfernung aller unehrlich arbeitenden und unsoliden
Elemente aus dem Versicherungsbeamten-Personal,
seien cs Inspektoren oder Agenten. Der Verband rechnet in seinen Bestrebungen auf die Unterstützung aller anständigen Kollegen und eines gutgesinnten Publikums.
Schwenningen, 12. April. Kürzlich sind in zwei hiesigen Schuhfabriken Streike ausgebrochen, welche aber nach einigen Tagen, hauptsächlich in Folge der Entlassung der Streikenden durch den Arbeitgeber, wieder bei- gelegi wurden. Wie üblich, wurde auch hier sofort eine Streikkommission aufgestellt, welche Sammellisten ausstellte und einen Kassier zur Entgegennahme und Verteilung der eingegangenen Gelorr wählte. Als nun am letzten Samstag Abend der Kassier über seine Thätigkert Rechenschaft ablegen sollte, zeigte sich, daß er einen beträchtlichen Teil der Gelder unterschlagen und für sich verbraucht. Auf ergangene Anzeige voa seiten der Streikkommisston wurde der bett. Kassier verhaftet und an das K. Amtsgericht emgelicfert. , _.
Biberach a. d. Riß, 14. April. Eine unheimliche Postwagenfahrt haben die Passagiere der vorgestern von Eberhardzeü nach Ummendors abgegangenen Post hinter sich. In Fischvach