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Auö Stadt. Bezirk und Umgebung.
Ostern.
Osterglocken klingen wieder
Bon dem Fels bis hin zum Strand.
Friedensengel schweben nieder.
Streuen Blüten durch das Land — Veilchen strömen ihre Dükte,
Wo den Pfad durchwallt der Fuß — Ostern — schon durchhallt die Lüfte Erster Heller Lerchengruß!
Wohl, du Fest des Auferstehens,
Sei gegrüßt mit Glockenklang —
Fest des ersten Lenzenswehens,
Sei gegrüßt mit frohem Sang — Scheuch' des Winters letzte Spuren Nun aus Wäldern, Au' und Hain — Ueber die verjüngten Fluren Gieße deinen sonn'gen Schein!
Aber spende deine Strahlen Auch dem leidgedrückten Herz —
Bann' aus ihm die alten Qualen, Nimm von ihm den letzten Schmerz — Und was noch an Not und Sorgen Auf der Brust belastend lag:
Es entflieh vor deinem Morgen, Heil'ger, hehrer Ostertag!
Frühlingshoffen rings auf Erden, Frühlingshoffen im Gemüt —
Kann wohl schöneres uns werden,
Als das Fest, das jetzt erblüht?
D'rum willkommen, Ostersonne,
Glänz' in jedes Haus hinein —
Jedem Herzen spende Wonne Du mit deinem Gnadenschein!
Die Botschaft von der Auferstehung tönt siegverkündend wieder durch die Lande. Draußen steht die Natur im ersten jungen Grün des Frühlings als ein Sinnbild des neuen Lebens, das aus dem Tode ersteht. Und in den Herzen regt sich, trotz aller Zweifel und Sorgen, mit denen der Lauf der Welt und der Geist der Zeit den Ausschwung der Gemüter Niederdrücken, die frohe Gewißheit, daß auch wir berufen sind nicht zum Tode, sondern zum Leben. Der Heiland, an dessen Kreuze sich die Christenheit vor drei Tagen zusammengefunden hat in ernster Betrachtung, steht heute strahlend in himmlischer Herrlichkeit vor unfern Augen und giebt uns die Versicherung: ich lebe und ihr sollt auch leben. Und Jubel und Fröhlichkeit zieht ein in unsre Seelen, da wir wissen, daß das Leben den Sieg behalten und den Tod, den grimmen Feind der Menschheit überwunden hat.
In dem Lichte der Ostersonne, — wie anders sieht sich das Leben an, als in dem Dunkel des bangen Zweifels! Wie köstlich ist es, wenn wir unserer Heimgegangenen Lieben gedenken, zu wissen, daß wir an dem Heiland die Auferstehung und das Leben haben! Wie friedevoll können wir selbst unfern Weg gehen, der uns mit jedem Jahre dem Ende unseres Lebens näher führt, wenn wir wissen, daß mit dem Ende uns ein neuer Anfang ausgeschenkt wird! Wie viel eifriger und zuversichtlicher können wir unser Lebenswerk vollbringen und am Siege des Guten Mitarbeiten, wenn wir wissen, daß der Weg der Menschheit nicht abwärts in die Vernichtung sondern aufwärts zum Leben führt!
Ostern — der Anfang eines neuen Lebens, wöge es auch unserem deutschen Volke beschieden sein! Es ist viel Dunkelheit und geistlicher Tod üi unserm Baterlande. Aber wer die Osterbotschaft fröhlich ins Herz gefaßt hat, der ist auch berufen, Licht und Leben hinauszutragen in alle Lebenskreise, in denen er steht. Wenn es Uns rechter Ernst wäre, das neue Leben, das uns in Ostern ist geschenkt worden, zu bewähren, wir könnten im Dienste des Lichtes und der Wahrheit viel wirken. Jeder ist an seinem Teil berufen, feinem Volke zum Besten zu helfen, das ^ giebt. So wolle Gott Gnade geben, daß der Geist des Glaubens und der Treue in unserem Volke wieder erstarke und neues Leben erwache überall!
Ottenhausen. 9. April. Blühende Kirschdäumchen befinden sich feit gestern hier im Garten des Jak. Bäzner und beim Hause desI. G. K ie fe r. Das jetzige Herruche Frühlingswetter hat solch geheimnisvolle Kraft bewirkt.
Neuenbürg, den 9. April. (All- deutscher Verband.) Am nächsten Donnerstag wird Herr Repetent Calmbach» Blaubeuren in der hiesigen Ortsgruppe über die Postdampferverbindung mit Ostasten und ihre Bedeutung einen Bortrag halten, worauf die verehrlichen Mitglieder und Freunde der Sache jetzt schon aufmerksam gemacht werden.
Deutsches Aeich.
Der Reichstags-Abgeordnete F r h r. von Hertling, der als einziger bayerischer Centrums-Äbgeordncter für die Flotten- Vorlage gestimmt hat, veröffentlicht jetzt eine Erklärung, worin er die Gründe für sein Verhalten mitteilt: Ec habe als einziger bayerischer Abgeordneter die Darlegungen des Staatssekretäs Tirpitz gehört, welche geheim gehalten werden müßten. Diese seien für ihn zwingend gewesen. Die Flottenvorlage sei notwendig, um der Gefahr eines feindlichen Einfalls vorzubeugen. Bei der Notwendigkeit der Flotten-Vorlage müßten andere Erwägungen als minder erheblich zurücktreten. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und es für dringend wünschenswert gehalten, daß unter den Zustimmenden sich wenigstens einige bayerische Abgeordnete befänden, weil die Bayern sonst bei der Stellung ihres Landes im Reiche Gefahr laufen. eine ausreichende Berücksichtigung bayerischer Wünsche und Interessen auf die Dauer nicht zu finden, wenn sie bei gemeinsamen Aufgaben abseits stehen.
Friedrichsruh, 1. April. Dem Fürsten Bismarck find zu seinem heutigen Geburtstage wieder eine Unzahl Geschenke zugegangen, die auch nur summarisch auszuzählen nicht möglich ist. Der Kaiser sandte, wie bereits mitgeteilt, einen ebenso bequemen wie kostbaren Krückstock — den Schaft bildet ein spanisches Rohr von dunkelrotbrauner Farbe. Handgriff und Zwinge sind aus gediegenem Golde. Die Krücke ist mit Arabesken und Blumen und Blattwerk nachgearbeiteten Ornamenten reich verziert, unter Freilassung desjenigen Teiles, auf dem beim Gebrauch die Innenfläche der Hand zu liegen kommt. Hier befindet sich nur in zarter Gravierung ein ^ mit der Krone darüber. SchweningerS Geschenk besteht, wie alljährlich, aus einigen Fäßchen Salvatorbier und einer großen Portion Hopfenkeimcyen, die, als Salat zubercitet, eine Lieblingsdelikatesse des Fürsten bilden. Die sonst noch immer von Schweninger dargebrachten Kräheneier find diesmal fortgeblieben, da noch keine zu haben waren. Ein Berliner Schutzmann hat einen von ihm komponierten Marsch „Hoch Fürst Bismarck" eingesandt, eine vornehme Wiener Dame einen kostbaren Schlafrock in blutrotem Seidenrips, innen mit hell-erdbeerfarbener Seide abgesteppt, Bremer Damen, wie alljährlich, zwölf Flaschen edlen Rheinweins aus dem Vorrat des Bremer Ratskellers. Verleger senden die neuesten Erzeugnisse ihres Verlages, namentlich wenn diese militärischer Art sind. Dichter widmen ihre Poesteen, Musiker ihre Kompositionen, Brauereien ihr bestes Bräu, Brennereien ihre köstlichsten Schnäpse und Liqueure, Erfinder ihre „zur Abhelfung dringend gefühlter Bedürfnisse konstruierten" und patentierten Gegenstände. Unter den letzteren ist diesmal ein Apparat erwähnenswert, der übrigens nicht das Geschenk seines Herstellers ist, sondern von einer Dame kommt, die damit dem Fürsten eine Annehmlichkeit zu bereiten bestrebt war. Der Apparat bezweckt nämlich,, dem Pfeifenraucher die immerhin viel Lunge erforderliche und für viele Raucher einigermaßen lästige Mühe des Anraucheos einer frisch gestopften Pfeife abzunehmen. Es ist ein kleiner polierter Kasten mit einer wie ein Horn daraus hervorragenden Röhre, in die man den Pfeisenkopf hineinsteckt. Im Innern des Kästchens befindet sich ein kleiner Blasebalg, bezw. Exhaustor, der, durch einen Hebel in Thätigkeit gesetzt, mit ausreichender Kraft das Ansaugen besorgt. Sobald der Tabak in genügendes Glühen gebracht ist, setzt man den Kopf auf die Pfeife und hält sie, ohne seine Atmungs» Werkzeuge mit ^fürchterlichem Anziehen in
Bewegung gesetzt zu haben, durch leichtes Paffeu aufs schönste in Brand. Eine Notwendigkeit, die Maschine in Gebrauch zu nehmen, lag bisher, wie die „Hamb. Nachrichten" bemerken, bei der Gesundheit und Kraft des fürstlichen Pfeifen, rauchers übrigens nicht vor. Von einem indischen Prinzen, der sich Prinz Alexander Tzar nennt, ist dem Fürsten ein Paar Gralstauben. auch Tauben mit blutendem Herzen genannt, aus Singapore gesandt worden. Die Tauben führen ihren Namen wegen eines blutroten Fleckens, den sie auf dem Kopfe tragen. Der Prinz, der in Singapore als Leiter der „Mission of the Grail sund" benannten Wohl» thätigkeitsgesellschaft lebt, hatte die Bluttauben einem Angestellten des Lloyddampfers „Darmstadt," mit dem die Tiere nach Europa gekommen sind, zur sorgfältigsten Wartung übergeben. Die Tauben erhalten als Futter ungeschälten Reis, wovon der Prinz einen reichlichen Vorrat in drei versiegelten und mit dem prinzlichen Wappen versehenen Säcken mitgeschickt hat. Von den fünf im Aufträge des Prinzen besorgten Gralstauben sind zwei Stück unterwegs und eine gleich nach ihrer Ankunft in Singapore eingegangen, das übrig gebliebene nunmehr nach Friedrichsruh gesandte Pärchen hat die lange Reise über das Meer gut überstanden. Württemberg.
Stuttgart, 6. April. Von der württ. Jnvaliditäts- und Altersversicherungs. Anstalt wurden in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1898 verwilligt: Invalidenrenten 730, Altersrenten 254, zusammen 984 Renten, Beitragserstattungen in Herratsfällen 776, in Todesfällen 182, zusammen 958 Erstattungen. Von den seit 1. Januar 1891 bis 31. März 1898 im ganzen verwilligten 10220 Invaliden-, 8042 Altersrenten, zusammen 18 262 Renten, laufen am 1. April 1898 noch 7175 Alters- und 4993 Invalidenrenten, zusammen 12168 Renten. Bertragserstattungen sind seit Anfang (d. i. seit Juni 1896 nach zurückgelegten 235 Wochen Wartezeit) gewährt worden in Heirals- sällen 6106, in Todesfällen 1252, zusammen in 7358 Fällen.
Reutlingen, 5. April. Die landwirtsch. Berufsgenossenschaft des Schwarzwalds hielt gestern unter dem Vorsitz des Hrn. Regierungs- rals Stamer ihre diesjährige Genossenschafts. Versammlung ab. Nach erfolgter Wahl von 2 Mitgliedern zum Genossenschastsoorstand, sowie eines Beisitzers zum Schiedsgericht ent- spann sich über die Einführung des Ortssystems bezüglich des Instituts der Vertrauensmänner an Stelle des bisherigen Bezirkssystems eine lebhafte Debatte. Die oft ventilierte Frage endete, vor allem beeinflußt von Sparsamkeits» rücksichten und zumal auch die übrigen Kreise Württembergs das Ortssystem eingeführt haben, damit, daß der Antrag, es möge unter der Voraussetzung, daß Ortsvorsteher nicht als Ver- trauensmänner fungieren dürfen, das Ortssystem eingeführt werden, einstimmige Annahme fand. Einer Beschlußfassung über die Erhöhung der Gehälter der beiden ständigen Beamten der Genossenschaft, sowie Gewährung des Rechts auf Ruhegehalt an dieselben, folgte eine Besprech. ung über die vom Reichsverstcherungsamt vorgeschlagene Erlassung von Unfallverhütungs- Vorschriften, jedoch erklärte sich die Versammlung mit Einstimmigkeit gegen die Einführung solcher, insofern dieselben bei unserer Bevölkerung auf entschiedenen Widerstand stoßen würde. Nach beendigter Verhandlung vereinigten sich die Teilnehmer an der Versammlung zu einem ge- meinschaftlichen Essen im „Schwan."
Stuttgart, 31. März. Der bekannte Ga st Hof zum schwarzen Bären wurde für 250 000 durch den neuen Besitzer Restaurateur Dauer, welcher ihn noch nicht bezogen hat mit 10000 Mark Gewinn an Jauß zur Tivolibierhalle (welche letzterer bekanntlich letzter Tage an das Baugeschäft von Müller und Zrrweck mit über 120 000 Gewinn verkaufte) erworben. — Das ehemalige Reichshallentheaterjetzt (Kömgsbauthealer) soll sein späteres Domicil in dem Saalneubau des Jmmobilieavereius im Wittwerschen Anwesen Ecke Schloß- und Friedrichstraße erhalten.