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Deutsches Weich.

Homburg v. d. H., 5. April. Der Kaiser nahm heute Vormittag den Vortrag des Kriegsministers v. Goßler entgegen. Am Nach- mittag unternahm das Kaiserpaar einen Ausflug nach der Saalburg und besichtigte daselbst unter Führung des Baurats Jakobi das Reinerkastell, aus dessen Trümmern bekanntlich das Reichslimes- Museum nach den Plänen des Baurats Jakobi erbaut werden soll. Von hier kehrten die Majestäten über den Kaiser-Wilhelm Weg nach Homburg zurück.

DerReichsanz." veröffentlicht die Ver­leihung der Brillanten zum türkischen Osmanie- Orden I. Kl. an den Botschafter in Konstantinopel, Frhrn. v. Marschall.

Zu der pachtweisen Abtretung Wei-hai-weis an England schreibt dieKöln. Zig": Für Deutschland sei es gleichgiltig, welche Flagge über Wei-hai-wei wehe. Dieser Bezirk sei vom deutschen Gebiete durch hohe Berge derarr getrennt, daß sowohl von militärischer wie wirtschaftlicher Seite eine Reibungsfläche so gut wie ausgeschlossen sei In den Beziehungen zwischen Rußland und England bedeute indes der jetzige Schritt Englands eine Verschärfung. Die enl- schicdeneStellungnahmeEnglandssei unzweifelhaft auf ein angeblich zwischen Rußland und Japan erfolgtes Uedereinkommen. wonach Rußland Korea dem japanischen Einflußbereich zurückgiebt. dafür aber freie Hand im Golf von Petschili erhält, zurückzuführen.

Leipzig, 5 April. In dem Prozeß gegen den Chefredakteur desKladderadatsch" Trojan wurde heute vom Reichsgericht die Revision des Angeklagten und des Verlags« buchhändlers Hoffmann als unbegründet verworfen.

Württemberg.

Die Kammer der Abgeordneten ist mit der Beratung der Verfassungsreform nicht zeitig genug fertig geworden und hat sogar noch in der Karwoche Sitzungen abhalten müssen. Mit großer Mehrheit wurde der Regierungs­vorschlag abgelehnt, der 1. Kammer erweiterte Rechte bezügl. der Budgetberatung zu gewähren. Durch die Steuerreform sind höhere Anforder­ungen an die Höchstbesteuerten in Aussicht ge­stellt. Interessant war auch der Beschluß der 2. Kammer, die Proportionalwahlen und die Bezirkswahlen nicht am gleichen Tage vornehmen zu lassen, wie dies die Kommission beschlossen hatte, sondern in einem Zwischenraum von ca. einem ganzen Monat. Das Zentrum allein de- harrte auf dem Kommissionsdeschluß. Gegen die gleichzeitige Vornahme von Bezirks- und Pro­portionalwahlen wurde von der Mehrheit nament­lich der Grund vorgebracht, daß das zu den heillosesten Verwirrungen und zu zahllosen Wahl- anfechtungen führen könne. Nach den Osterferien wird die Kammer der Standesherrn an die Be­ratung der Verfassungsreoision gehen, und dort wird wohl in der Hauptsache die Entscheidung fallen. Wenn eine Einigung nicht zu Stande kommen sollte, so sind daran die maßlosen Forderungen des Zentrums Schuld, das beim Schluß der Gesamtabstimmung über das ganze Berfassungsgesetz folgenden Jnitiativgesetz- entwurf angekündigt hat: Art. 1. Dem Z 78 der Verfassungsurkunde treten folgende Absätze hinzu: Die Leitung des katholischen Religions- Unterrichts in den Volksschulen sowie in den fonstigen öffentlichen und privaten Unterrichts» anstalten einschließlich der Bestimmung der Ka- und Religionshandbücher kommt dem 'O.llchof zu. Den katholischen Religionsunterricht dürfen nur die vom Bischof dazu ermächtigten Personen erteilen und prüfen. Dem Bischof tzeht zu, geistliche Orden und Kongrcga- tonen im Lande einzuführen und Nieder- derselben in Gemeinden mit überwiegend NBevölkerung zu gründen. Die ^otksschulen sind Konfeffionsschulen. Die Lehrer, Volksschule Unterricht erteilen, und ^ die die Aufsicht über diese Lehrer

suben, müssen der betr. Konfession angehören." DerSchw. Merk." schreibt dazu: Das oeutrum hat den Proporz verlangt, so lange

noch Regierung und Demokratie ihm abgeneigt waren. Sein Wunsch also in erster Linie wurde mit der Proporzvorlage erfüllt, die die Macht des Zentrums in der 2. Kammer erheblich steigern wird. Man hat ihm zu Liebe das Stellver- tretungsrecht des Bischofs in der 1. Kammer eingeführt; seinen Wünschen folgend hat die De- mvkratie eingewilligt, die Zahl der zum größten Teil evang. Ritter zu vermindern, die in die 1. Kammer versetzt werden sollten. Ob die 1. Kammer in der Frage des Budgetrechts nachgeben wird; ob eine konservative Kammer, wie es die erste ist, geneigt ist, den Proporz, das radikalste Wahlverfahren, in Württemberg eia- zuführen, ist sehr zweifelhaft. Kommt das Gesetz in irgend welcher Gestalt an die 2 Kammer zurück, so wartet dort die Beratung des Initiativantrags, den heute das Zentrum eingebracht hat. An die Stelle eines auf Grund einer mit großer Mehr­heit angenommenen Verfassungsänderung e:n- kchrenden Friedens tritt dann der Kampf um die Schule, der Kampf um Orden u. Kongregationen, der Kampf um die Geistesfreiheit und die Kultur- intereffen des Volkes. Wenn das Zentrum da­bei bleibt, seine endgiltige Stellungnahme zu dem Entwurf von der Annahme des Jnitiativ- gesetzesentwurfs oder auch nur von einer Zusage in dieser Richtung abhängig zu machen, so ist, da weder Volkspartei, noch Deutsche Partei, noch die Freie Vereinigung diesen Forderungen zu- stimmcn können, die Reform gescheitert, gescheitert an den maßlosen Forderungen des Zentrums, das das Odium dann auch auf sich zu nehmen hat. Sollte je die Verfassungsrevision zu­stande kommen, dann hat die Kammer noch das Wasserrechtsgesetz vor sich Fnd die noch aus­stehenden Punkte der Steuerreform. Der Landtag wird voraussichtlich fast noch den ganzen Monat Mai beisammen bleiben müssen. Alsdann würde die Kammer aufgelöst und nach dem neuen Wahl- gesetz eine neue Kammer gewählt werden.

Cannstatt. Der Neckar, der gestern Abend (von 1,45 m) aus 1,40 m zurückgegangen war, ist über Nacht aufs neue gestiegen. Der Pegel an der Wilhelmsbrücke zeigte heute Morgen 1,5 8 in.

Ausland.

Der von den österreichisch-ungarischen Delegationen zu beanspruchende Marine- Kredit wird 50 Millionen Gulden betragen und soll derart'aufgetcilt werden, daß jährlich 10 Millionen verwandt werdeu.

Neapel, 5. April. Das deutsche Panzer­schiffOldenburg" ist nach Malakka in See gegangen.

Paris, 6. April. Provost de Lannay frägt, weshalb der Justizminister nach dem Ver- dikt der Geschworenen nicht die Streichung Zolas aus der Ordensliste der Ehrenlegion beantragt habe. Der Justizminister erwidert, die Affaire Zola sei noch in Schwebe und die Anfrage des­halb verfrüht.

Paris, 6. April. Gestern abend wurde das Gerücht verbreitet. Dreyfus sei auf der Teufelsinsel gestorben. Der Kolonialminister erklärt den Jnterwiewern, daß er keine diesbe­zügliche Meldung erhalten habe.

London, 5. April. Der erste Lord des Schatzes, Balfour gab vor stark besetztem Hause in längerer Rede Erklärungen über die China­frage ab mit einem Ueberblick über die bisher erreichten Konzessionen. Er fuhr dann fort: Als die britische Regierung von den Verhand­lungen Rußlands über die Erwerbung von Port Arthur hörte, habe sie Rußland vorgeschlagen, von der Besitznahme von Port Arthur abzusteyen, während England seinerseits sich verpflichte, von keinem Hafen am Golf von Petschili Besitz zu ergreifen. Rußland habe den Vorschlag abge­lehnt, worauf es benachrichtigt worden sei, daß England für sich die Freiheit beanspruche, die zum Schutze der englischen Interessen nötig er- scheinenden Schritte zu thun. England habe Wei Hai Wer zu denselben Bedingungen erhalten, wie Rußland Port Arthur. Die Lage von Wei- Hai-Wei am Golf von Petschili sei derart, daß sie den Besitz von Port Arthur aufwiegen werde. Durch dre Besitzergreifung von Wei-Hai-Wei habe England verhindert, daß der Golf von

Petschili in maritimer Hinsicht in die Gewalt einer einzelnen Macht gekommen sei. England habe das Bestreben, so lange als es nur mög­lich sei, die Integrität Chinas zu wahren. Man muffe sich vergegenwärtigen, daß die Zukunft ungewöhnliche Überraschungen im Vorrat habe. Die Machtverhältnisse im fernen Osten dürsten sich verschieben, wenn die Integrität Chinas ver­letzt werde. Wenn dieser Fall eintrele, zu welcher Zeit es auch immer sein möge, wenn die Groß­mächte es als in ihrem Interesse liegend finden, dann wäre es ein Akt der Politik zu sagen, China soll nicht in die Hände einer einzelnen Macht fallen, ein Akt der Politik, sich rn ein schwieriges kostspieliges Unternehmen einzulassen, um eine unübersehbare Gefahr abzuwenden und aus der Welt zu schaffen. (Großer Beifall)

Die Engländer haben es durch Drohungen gegen die Chinesen erreicht. daß ihnen die Ssefestung Wei-hai-wei gegenüber von Port Arthur nebst einigem Hinterland pachtweise abgetreten wird. Die engl. Blätter schlagen zwar diesen Pachtvertrag nach der volkswirt­schaftlicher Sette sehr gering an und erklären namentlich, Wei-hai-wei und sein Hinterland seien weit weniger wert, als Kiautschau. Sie be­tonen aber gleichzeitig, Wei-hai-wei habe einen umso größeren politischen Wert, weil man von dort aus leichter einen Druck auf die chinesische Regierung in Peking ausüben könne. Es ist bezeichnend, daß die englischen Blätter den wichtigsten Punkt gar nicht hervorheben, und dieser liegt darin, daß England von Wei-Hai wei aus die Russen in Port-Arthur in Schach halten kann.

Japan Uokohoma, 5.April. Reulermsld- ung. Ein großer Teil ver Presse und des Publikums dringt in das Kabinett, angesichts der gegen- wärngen Lage in Ostasien eine aktive Politik einzujchlagen. Die britische Aktion betr. Wei- hei-wai ruft Sensation hervor.

Paris, 6. April. DerTemps" meldet aus Rom: Der apostolische Legat Martinelli telegraphierte: Mac Kinlty äußerte, er möchte den schlechten Eindruck verhindern, welchen die Intervention des Papstes auf das in der Ma­jorität protestantische amerikanische Volk hervor­gerufen habe. Mac Kinky fügte hinzu, er werde alles thun, um den Krieg zu verhindern, doch könne er nicht gegen die Gesinnung eines Volkes Vorgehen, welches die Unabhängigkeit Kubas wolle, damit endlich dort die 3 Jahre andauern­den Greuel aufhöcen.

New-Aork, 5. April. DiePost" schreibt aus Washington, die Botschaft des Präsidenten werde darlegen, Spanien habe seine vollkommene Unfähigkeit zu regieren, bewiesen. Der amerikanische Handel habe Schaden erlitten. Die Existenz amerikanischer Besitzungen werde durch die gegenwärtigen Zustände gefährdet. Die Botschaft mache Spanien für den Unfall derMaine" verantwortlich. Sie mache zwar keine direkten Vorschläge, gebe aber deutlich der Ansicht Ausdruck, daß eine bewaffnete Inter­vention die Ordnung und den Frieden wieder Herstellen werde. Die Botschaft empfehle die Nichtanerkennung der Unabhängigkeit Kubas, da die Ausständischen keine angemessene Regierungs­form eingesetzt hätten. Die Botschaft, welche gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung sei, erkläre, die Ber.-Staaten werden alle weiteren Verhandlungen einstellen und keine Vermittelung annehmen.

Columbia, 5. April. (Reutermeldung.) Hier ist ein früherer Postcourier, der vor einigen Tagen aus Dciwson City eingetroffen, welcher berichtete, der Nordpolfahrer Andröe befinde sich in Klondyke und angab, Briefe von Andräe zu haben. Einer andern Nachricht zufolge soll Andres in St. Michaels in Alaska und nicht in Klondyke sein.

Infolge eines Dammbruches am Ohio in Nordamerika wurde die Stadt Shawneetown (Illinois) unter Wasser gesetzt und teilweise zerstört. Die Einwohner flüchteten sich auf die Dächer. Diejenigen, welche die Flut in den Straßen überraschte, wurden vom Wasser fortgerissen. Man schätzt die Zahl der Ver­unglückten auf 500.