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zum Besten aller seiner Angehörigen ohne Rücksicht auf Stand und Beruf. (Beifall.) Abg. Payer (südd. Volksp.) bemerkt, seine Parteifreunde wenden sich nicht nur gegen die Minimalzölle, sondern auch gegen die vorgeschlagenen Getreidezölle und zwar einmütig. (Zuruf rechts: Augst.) Die verbündeten Regierungen wünschten zwar, daß es bei der von ihnen als Mittellinie bezeichneten Linie bleiben möge. Er, Redner, befürchte aber, daß in der Kommission den Consumenten das Brot noch ganz anders ge­heizt werde. Die Vorlage bringe weitere Zu­wendungen gerade denjenigen Kreisen, den Groß­grundbesitzern, welche an den Lasten des Reiches verhältnismäßig am allerwenigsten teilnehnien. Red­ner wendet sich weiter dagegen, daß man die Bäcker zu Prügelknaben mache und ihnen die Schuld an­derer in die Schuhe schiebe. Für die Mannschaften, die in unseren Kriegen ebenso aufopferungsvoll ge­jochten wie die Offiziere, sei es ein schlechter Dank, wenn sie jetzt zahlen müßten für die Enkel der da­maligen Offiziere. (Ruf: Sehr gut!) Die Notlage der Großgrundbesitzer sei nicht so groß, nicht so allgemein, nicht so hoffnungslos, daß man jetzt zu ihren Gunsten auch die Geringsten der Consumen- tcn so schwer belasten wolle. Aldann geht Abg. Payer auf die vielen Bankkrache der letzten Zeit ein und bekämpft weiter lebhaft die Fleisch- und Viehzölle-Erhöhung, die sich für die Viehbesitzer selber um so schädlicher erweisen würden, als ohnehin schon die wirtschaftliche Depression mitsamt der durch die Kornzölle bedingten Brotverteuerung den Fleisch­verbrauch stark schmälern würden. Von den geplan­ten Jndustrie-Zollerhöhungen seien am allerwenigsten die Erhöhung der Eisenzölle berechtigt. Seine, Redners, Freunde hielten es für patriotisch für die Consumenten zu sorgen und patriotisch würde es vom Herrn Reichskanzler nur sein, wenn er die Großgrundbesitzer und sonstigen Produzenten er­mahnen wollte, ihre Begehrlichkeiten einzudämmen. (Beifall links.) ^ Württembergischer Minister des Innern v. Pischek: In Württemberg leben von der Landwirtschaft im Hauptberuf 45°/° der Bevölkerung während die entsprechende Durchschnitts­zahl für das ganze deutsche Reich nur 35 °/° be­trägt und in Sachsen sogar bis auf 14 °/° herunter­geht. Wir sind in der Entwicklung vom Agrckrstaat zum Industriestaat noch lange nicht so weit vor­geschritten, wie es im Durchschnitt im Reiche ge­schehen ist, und nach-Lage der Verhältnisse werden wir auch auf diesem Wege nicht allzu weit fort­schreiten. Daher ist die württembergische Regierung verpflichtet, sich die Fürsorge für die Landwirt­schaft angelegen sein zu lassen. Wenn ein so großer Teil der Bevölkerung in eine Notlage gerät, so muß darunter das Ganze leiden. Ein längeres Beharren der landwirtschaftlichen Bevölkerung in dem starken Sinken der Gctreidepreise und der da­mit verbundenen Erschütterung des landwirtschaft­lichen Kredits und' Gefährdung großer Kapitalien wäre eine Kalamität, die über die Kreise der Land­wirtschaft weit hinaus gehen und das Ganze, auch die Industrie, mit treffen würde. Auch bei uns ist die Rentabilität der Landwirtschaft auf dem Tiefpunkt angelangt. Auch hat die Zahl der land­wirtschaftlichen Bevölkerung gar nicht zugenommen, sondern ist von 18821895 von 800 000 aus 600 000 zurückgegangen. Bebel stützt seine Be­

hauptung, daß es der Landwirtschaft nicht schlecht gehe, darauf, daß der Wert der Grundstücke von 700 bis 900 Prozent sich gesteigert habe. Es wird dabei übersehen, daß infolge der ungleichen Ent­wickelung der ganzen wirtschaftlichen Verhältnisse der Geldwert ganz ungeheuer gefallen ist, so daß man auch die Löhne von früher nicht mit den jetzigen vergleichen kann. Auch aus dem Rückgang der Zwangsvollstreckungen kleiner Bauerngüter kann man nicht die Schlüsse ziehen, die Bebel zieht, ohne die Ursachen zu berücksichtigen. Noch weniger be­weiskräftig ist die Anführung, daß die landwirt­schaftlichen Güter jetzt mehr produzieren als früher. Allerdings hat die Intelligenz und der Fleiß der Landwirte es verstanden, durch Verbesserung des Betriebes mehr Erträge herauszuzichen, dafür sind aber die Betriebskosten in erheblich größerem Pro­zentsatz als die Erträge gestiegen. Molkenbuhr meinte, die Vorlage stecke dem Großgrundbesitz auf Kosten der Kleinen ein Geschenk in die Tasche. Das ist jedenfalls in Württemberg nicht erreichbar. Denn dort wäre es ein Versuch an untauglichem Objekt. Daß der kleine Besitzer nichts verkaufen kann, weil er selber alles braucht, daran ist allerdings etwas Wahres. (Hört! Hört! Links.) In Württem­berg existiert dieser Bauer allerdings und zwar in sehr zahlreichen Exemplaren. (Hört! Hört! Links.) Aber auch dieser kleine Bauer hat von den erhöhten Getreidepreisen einen erheblichen Gewinn. Ah! Links.) Auch der kleine Besitzer hat dasselbe Interesse wie der größere, daß die steigende Rentabilität, der Kapitalwert eines Grund­stückes erhalten bleibt und daß er davor bewahrt bleibt, daß ihm die Hypothekengläubiger die Hypo­theken kündigen. Das Interesse von Groß- und Kleingrundbesitz geht Hand in Hand und eS liegt ein großes allgemein politisches Interesse in der Erhaltung unseres kleinen Bauernstandes. Wir dürfen aber nicht verkennen, daß die Erhöhung der Getreidepreise auch eine Erhöhung der Brotpreise bedeutet. (Also doch! Links.) Die Consumenten werden sich aber doch in keiner ungünstigeren Lage befinden als bisher die Landwirte. Wir sind nicht in der Lage, das Getreide, das wir brauchen, selbst zu produzieren. Ein Drittel unseres Getreidekonsums wird nach Württemberg eingeführt. (Hört! Hört!) Auf der einen Seite haben wir ein unabweisbares Interesse an der Verbesserung der Lage der Land­wirtschaft durch die Zölle, auf der anderen Seite muß eine Ueberspannung der Erhöhung über das notwendige Maß vermieden werden. In dem Tarifentwurf ist eine Mittellinie vorgeschlagen, die diesen beiden Gesichtspunkten entspricht. Auch die konsumierende Bevölkerung hat ein großes Interesse an der Erhaltung der Kaufkraft der Landwirtschaft. Der Zoll von 5 Mark ist schon von 18871890 da gewesen, ohne daß irgend welche Mißstände oder Erschwernisse eintraten. Die württembergische Regierung hat daher den vorgeschlagenen Sätzen zugestimmt und in ihrem Landtag hat sich auch ein Viertel der Volkspartei für die wesentliche Erhöhung der Getreidezölle ausgesprochen. (Hört! Hört! Rechts.) Und das waren die Männer, die als kleine Landwirte am eigenen Leibe spüren, wie es der Landwirtschaft geht. Wir halten also die vor­geschlagenen Sätze für richtig, müssen uns aber

gegen eine etwaige weitere Erhöhung durchaus verwahren.

(Eingesandt.)

Hirsau, den 8. Dez. 1901.

Der Verfasser des in No. 145 dieses Blattes aus Hirsau <!. ä. 1. Dez. erschienenen Artikels hat absolut keine Veranlassung mit seinem Namen vor die Oeffentlichkeit zu treten, da es ihm durchaus fern liegt, irgend welche Ehrenämter der Gemeinde Hirsau zu erstreben und außerdem noch um so weniger als die Einsender des im letzten Wochen­blatt abgedruckten Hirsau-Eingesandt gleich­falls die Veröffentlichung ihrer Namen vergessen zu haben scheinen. Derselbe ist indeß sehr gern bereit, letzteren mit Verbesserungsvorschlägen zu dienen. Schon im Interesse eines dauernden Friedens zwischen den hiesigen Einwohnern und der Ortspolizeibehörde sollte dafür Sorge getragen werden, daß endlich mal mit der leidigen Polizei­stunde aufgeräumt wird, denn man kann sich wahr­lich nicht darüber wundern, wenn es friedliche hiesige Einwohner sowohl als Fremde peinlich empfinden, um 11 Uhr abends vom Polizeidiener nach Hause geschickt zu werden. Die Erfüllung dieses Wunsches dürfte doch wohl kostenlos erfolgen können. Anders ist es allerdings mit der Ein­führung der Gasbeleuchtung, obwohl sich solche gleichzeitig mit der Wasserleitung verhältnismäßig ohne sehr erhebliche Kosten hätte Herstellen lassen, zumal die Gemeinde zweifellos bei der städtischen Verwaltung in Calw das weitgehendste Entgegen­kommen gefunden hätte. Die dadurch notwendig gewordene Steuererhöhung hätte Wohl niemand gegenüber den großen Vorteilen, die Gas nicht nur für Beleuchtungs- sondern hauptsächlich auch für Nutzzwccke bietet, belastend empfunden. Bezüglich des Calwer Wiesenwegs ist dessen Korrektion doch ein dringendes Bedürfnis, sofern die Gemeinde Hirsau überhaupt ein Interesse daran hat, daß an demselben noch weitere neue Häuser erstehen. Wäre die seiner Zeit von privater Seite zur Verfügung gestellte Summe zur Verbesserung dieses Wegs nicht zwecklos in dem Schmutz desselben vergraben worden, so würde jetzt schon für die Ausführung dieses Projekts ein nicht unerheblicher Fond vor­handen sein. Sehr empfehlenswert wäre auch für Hirsau die Aufstellung einer sichtbaren Orts­uhr, zumal die vorhandene Kirchenuhr zeitweise nicht nur minuten-Zsondern stundenweise vor- oder nachgeht, ferner dürften die Herren Einsender des letzten Artikels ihre Sorgfalt mehr als bisher der Ortsbeleuchtung zuwendcn, es ließe sich hier ohne Aufwand besonderer Kosten noch manche neue Laterne anbringen. Sollten sich dieselben aber dem Beispiel der benachbarten Gemeinde Liebenzell folgend, die durch ihre ganz bedeutenden Fortschritte eine wesentlich erhöhte Fremdenfrequenz geschaffen hat, zu größeren neuen Unternehmungen entschließen, so ist Schreiber dieses ebenfalls gerne bereit, den­selben bezüglich der Lösung der finanziellen Frage mit feinem Rat zur Seite zu stehen. ES ist höchst bedauerlich, daß in einem von der natürlichen Lage so sehr begünstigten Ort wie Hirsau für die Hebung des Fremdenverkehrs so wenig geleistet wird.

Das ist sehr edel von Ihnen, Philipp! Wollen Sie mir sagen, wie es ihm geht? Er war ja früher gleich Ihnen, mein Zögling."

Nun, es scheint ihm gut zu gehen, wenigstens führt er mit seinem Freunde Fosbrooke das lustigste Leben und vergnügt sich jeden Abend im Theater oder im Klub Lei Wein und Kartenspiel."

Hoffentlich führt ihn das nicht zu Ausschweifungen! Und auch Sie, lieber Philipp, amüsiren Sie sich nach Herzenslust, aber hüten Sie sich vor schlechter Gesellschaft! In der Fremde weiß man oft nicht, mit wem man verkehrt. Gegen Ihre Mutter aber seien Sie nachsichtig. Sie lebt ja nur für Ihr Glück und Ihr Wohlergehen!"

Aber sie braucht mich nicht beständig zu bevormunden. Wenn ich Antony an der einen und Fosbrooke an der anderen Seite habe, kann mir doch wahr­haftig nichts zustoßen!"

Die Gesellschafterin erwiderte nichts darauf, sondern verließ schweigend mit Lily das Zimmer, um sich für die von der Gräfin beabsichtigte Spazierfahrt an­zukleiden.

Bisher hatte Lily sich tapfer beherrscht; als sie aber mit Miß Paget allein war, rerlor sie die mühsam behauptete Fassung.

Mein armer Tony!" klagte sie.Ihm so nahe zu sein und ihn doch nicht sehen und sprechen zu können!"

Ihre Gefährtin suchte sie zu beruhigen.Mein liebes Kind," sagte sie, liebkosend über das blonde Haar des Mädchens streichend,was hättet ihr von einer Begegnung? Es würde für euch beide nutzloser Kummer sein."

Aber ich liebe ihn so sehr!"

Still, still!" Versuche diese Gefühle zu unterdrücken, du darfst Antony doch nie heiraten."

Und warum nicht?"

Muß ich dir die bittere Wahrheit nochmals wiederholen? Der arme Junge hat weder einen Namen noch eine Familie, er ist daher keine paffende Partie für die Nichte der Gräfin Culwarern und dein Tante würde nie ihre Eiwilligung zu eurer Heirat geben."

Dann werde ich überhaupt nicht heiraten. Ich liebe nur Antony und kann ich nicht seine Frau werden, so will ich keinem anderen angehören. Wenn ich ihn nicht offen lieben darf, so werde ich es heimlich thun bis zum Tode!"

Gott segne dich, du gutes Kind!" erwiderte Miß Paget tief bewegt, einen Kuß auf die Stirne des jungen Mädchens drückend.

12. Kapitel.

Mutter und Sohn.

Die Cascinischen Gärten waren an diesem Abend geöffnet und in dichten Scharen strömten die Fremden wie die Einheimischen hin, um in den von bunten Lampions erleuchteten Wegen zu lustwandeln oder den Klängen der ausgezeichneten Musikkapelle zu lauschen.

Auch Lady Culwarren hatte sich mit den Ihrigen hinbegeben; ihr gefiel das lebhafte Treiben der Menge außerordentlich und sie betrachtete es mit großem Interesse, weil es ihr ebenso neu wie unterhaltend war.

Der junge Lord hatte seine Mutter begleitet, benützte aber die erste Gelegen­heit, sich zu entfernen und eine Dame zu begrüßen, die durch ihre auffallenden Toiletten und durch ihr extravagantes Benehmen allgemein bekannt war.

Nun, wo ist Philipp hin?" rief die Gräfin, als sie seine Abwesenheit bemerkte.Vor einer Minute sprach er noch mit mir. Haben Sie ihn nicht gesehen, Miß Paget?"

(Fortsetzung folgt.)