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76. Jahrgang,

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Erschrlnt Dienstags, Donnerstags und Samstags. Die EiurückungSgebühr beträgt im Bezirk und in nächster Umgebung V Pfg. die Zeile, weiter entfernt 12 Pfg.

Dienstag, den 10. Dezember 1901.

Vierteljährlicher Abonnementspreis in der Stadt Mk. 1.1S ins HauS gebracht, Mk. 1 . 15 durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. 1t 35.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung.

Es wird bekannt gegeben, daß der res. Ober- amts-Geometer Bühner sein Amt als Kataster­geometer nicdergelegt hat und vom 1. Januar 1902 an Geometer Jootz in Calw als Bezirkskataster­geometer für die Gemeinden Calw, Agenbach, Altbulach, Altburg, Dachtel, Deckenpfronn, Dennjächt, Emberg, Ernstmühl, Gechingen, Hirsau, Holzbronn, Liebelsberg, Lieben­zell, Monakam, Möttlingen, Neubulach, Ober- haugstett, Oberkollbach, Oberkollwangen, Ober­reichenbach, Röthenbach, Schmieh, Simmozheim, Sommenhardt, Speßhardt, Stammheim, Teinach, Unterhaugstett, Unterreichenbach, Würzbach und Zavelstein

ausgestellt worden ist.

Calw, den 7. Dezember 1901.

K. Oberamt.

Vo elter.

Tagesneuigkeiten.

Frankfurt a. M., 6. Dez. Heute vor­mittag kurz nach 5 Uhr fuhr der Luxuszug No. 54 Ostende-Wien mit 85 Minuten Verspätung im Ein­fahrts-Geleise No. 3 hier ein, über die starke Kies­schüttung und den asphaltierten Weg, zerstörte den Prellbock und eine dastehende Bude des Bahnhof- Buchhändlers und fuhr in den Wartesaal 1. Klasse. Die Lokomotive und der halbe Tender stehen in dem Wartesaal, der erste Schlafwagen steht auf dem Querperrou. Von den Reisenden wurde nie­mand verletzt. Die wenigen Personen, welche zur' Zeit im Wartesaal sich befanden, konnten sich ohne jede Verletzung retten. Ein zufällig im Wartesaal anwesender Beamter erlitt eineunbedeutendeKontusion am Unterleib. Die Ursache ist auf zu schnelles

Einfahren zurückzuführen. Herren der Direktion und der Vorstand der Betriebs-Inspektion waren sofort zur Stelle. Untersuchung ist eingcleitet. Die Unfallstelle wurde sofort durch Bahnbcamte, Polizei und Militär abgesperrt.

Frankfurt a. M., 6. Dez. Trotz des Unfalles im hiesigen Hauptbahnhofe verkehren fast sämmtliche Züge vollständig fahrplanmäßig. Nur der Luxuszug nach Ostende, welchem der Unfall zusticß, hatte über drei Stunden Verspätung. Prinz und Prinzessin Friedrich Carl von Hessen mit den ältesten Prinzen besichtigten heute vormittag die Unfallstelle.

Berlin, 6. Dez. (Deutscher Reichs­tag.) Eingegangen ist der Etat, desgleichen die Polen-Interpellation betreffend die Vorgänge in Wreschen. Tagesordnung: Fortsetzung der ersten Lesung der Zolltarif-Vorlage. Abg. Speck (Centrum) spricht für die Vorlage und wendet sich dann gegen den Abgeordneten Bebel, der der not- leidenden Landwirtschaft intensiveres Wirtschaften angergtcn habe. Soweit möglich werde aberJchon intensiv gewirtschaftet. Es würde ein erhebendes Schauspiel sein, Bebel, Molkenbuhr und Singer als ostpreußische Gutsbesitzer zu sehen und zu be­obachten, wie sie Wirtschaften. Das Hauptübel für die Landwirtschaft sei und bleibe Mangel an Absatz für ihre Produkte auf dem inländischen Markte. Redner erklärt dann für sich nnd seine Freunde, dieselben seien sehr gern bereit, auch für eine aber­malige Erhöhung der Jndustriezölle zu stimmen, wenn sie auch auf der andern Seite Entgegen­kommen inbezug auf landwirtschaftliche Zölle fänden. Das sei sicher, eine einseitige Entwickelung der Industrie so wie bisher würde für Deutschland das größte Unglück sein. (Lachen links und Zuruf.) Wo wolle denn schließlich die Industrie ihr Menschen- Material hernehmen? Als Abg. Speck auf die Verhältnisse in Frankreich zu sprechen kommt und

hierbei seine Verwunderung ausdrückt, daß der Minister Millerand dort noch nicht auf die Auf­hebung der Schutzzölle gedrängt habe, ruft Abg. Gröber (Centrum): er hat wohl keine Zeit dazu. (Große Heiterkeit). Der Tarif komme der Land­wirtschaft allerdings weit entgegen mit den Minimal- Zöllen, aber auch für den Hopfenzoll müsse der Mindestsatz festgelegt werden. Der Gerstenzoll ferner müsse noch weiter erhöht werden. Bayerischer Finanzminister 1>r. Riedel erklärt, die Vorlage sei mit Uebereinstimmung der einzelnen Regierungen zu Stande gebracht und von denselben vollkommen gebilligt worden. Es sei eine Mittel-Linie gewählt worden, weil die verbündeten Regierungen überzeugt gewesen seien, daß eine befriedigende Tarifreform wohl nicht zu Stande kommen würde, wenn mau sich auf einen extremen Standpunkt stellte. Den Regierungen habe jede Begünstigung einseitiger In­teressen fern gelegen. Das Gemeinwohl sei für sie der einzige Leitstern gewesen. In Bezug auf Mini­malsätze treffe das vom Abgeordneten Bebel Gesagte nicht zu. (Sehr richtig rechts.) Die Vorlage strebe nur einen gewissen Ausgleich,«». Die Landwirtschaft werde, wenn die Vorlage zur Annahme gelange, auch in der Lage sein, ihre Hilfskräfte fester zu halten. Bedenklich würde es nur sein, wenn man den Bogen allzu straff spannte. Zu hohe Zölle würden für die Volksernährung schädlich sein. Der Minister wendet sich dann gegen eine noch weitere Erhöhung des Gerstenzolles, worunter die kleinen Brauereien zu leiden haben würden. Die bayerische Gerste sei ja zweifellos gut und werde auch in der ganzen Welt gekauft (Beifall) aber nicht das ganze Jahr hindurch, denn sie reife später. Wünschenswert würde es sein, daß für die Ver­handlungen mit dem Auslande recht bald die defini­tive Grundlage gegeben werde. Eine Verschleppung dieser Vorlage würde die Krise nur noch verschärfen. Reich und Regierung möchten gemeinsam darauf hinwirken, daß Deutschland wirtschaftlich erstarke

Atulütlou» Nachdruck »erboten

Lady Diaim's Geheimnis.

Roman von Florence Marriat.

Fortsetzung.

Warum führst du sie mir dann nicht ein? In Gardenholm thatest du es doch stet'."

O, das war etwas anderes!" lachte der Graf.Wenn du jedoch diese hier mit aller Höflichkeit auch in Gardenholm empfangen willst, so werde ich sie dir bringen."

Du thust entsetzlich geheimnisvoll," rief die Gräfin ärgerlich.Jeden Abend gehst du fort und sagst mir nicht einmal, mit wem du deine Zeit verbringst. Ist das nicht ein unschickliches Betragen?"

Vielleicht nicht!" gab Philipp mit leisem Gähnen zu.Bedenke aber, daß ich kein Schulknabe mehr bin, den du am Gängelbande führen kannst, sondern ein Mann von 25 Jahren, der das Leben genießen will. Und wenn ich dir den Namen meiner Freunde verschweige, so habe ich meine Gründe dafür: Du wür­dest mich totquälen, sie aufzugeben."

Keineswegs! Nur du würdest es vielleicht denken."

Ich werde mich des Urteils enthalten, aber nenne mir ihre Namen."

Gut, vergiß jedoch nicht, Mutter, daß ich nach meinem Gutdünken leben will und daß, wenn du mich wegen meiner Freunde quälen willst, ich mich in ein anderes Hotel einlogiere und euch Damen euch selbst überlaffe."

Natürlich, lieber Junge," willigte die Gräfin ein, deren Neugier aufs Höchste erregt war.Ich weiß ja, daß du für dich selber sorgen kannst und will dich in deinen Vergnügungen durchaus nicht stören. Ich möchte nur wissen, wer

dir hier in der Fremde so gut gefallen hat, daß du ihre Gesellschaft so häufig aufsuchst."

Nun wohl, meine besten Freunde in Florenz, die ich weder dir noch jemand anderem zu liebe aufgeben würde, sind Antony Melstrom und Oliver Fos- brooke.So, nun weißt du es!" Und damit griff Philipp ruhig wieder zu seiner Zeitung.

Die Gräfin war bleich geworden, als sie die Namen hörte, und ihre Ueber- raschung war so groß, daß sie nicht gleich eine Erwiderung fand, sondern sprachlos auf ihren Sohn starrte, Miß Paget saß bewegungslos da, aber sie atmete schwer und drückte die Hand auf das stürmisch pochende Herz. Lily jedoch sprang unge­stüm auf.Antony in Florenz ? Und du hast ihn gesehen, Philipp?" rief sie, während flammende Röte ihr Gesicht bedeckte.

Reg dich nicht auf, Lily! Wenn er auch hier ist, du wirst ihn sicher nicht zu sehen bekommen."

Das glaube ich nicht!" bestätigte die Lady, die endlich die Sprache wieder­gefunden zu haben schien.Wenn dein Vetter auch aus Gutmütigkeit mit Antony verkehrt, du wenigstens sollst keine Gelegenheit haben und das erste Mal, daß dieser Mensch unseren Weg zu kreuzen wagt, verlasse ich sofort die Stadt." Mit diesen Worten erhob sich die Gräfin, raffte die Falten ihres Gewandes zu­sammen und verließ in stolzer Würde das Zimmer."

Philipp, ich fürchte. Sie haben Ihre Mutter sehr erzürnt," wandte sich die Gesellschafterin an den jungen Lord, der ruhig in der Zeitung weilerblätterte.

Ich kann nichts dafür. Miß Paget! Sie wissen gar nicht, wie ich mich über das Wiedersehen mit Tony gefreut habe. Ich werde nie aufhören, ihn als Bruder zu betrachten."