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Rechtsbruch zu begehen. Minister v. Pis che! erwidert dem Vorredner, daß er um die von ihm (dem Redners erhobenen Vorwürfe von sich und seiner Fraktion abzuwälzen, die ganze Sach läge verschoben habe. Der Minister versucht, durch Zurückgreifen auf die Verhandlungen des Jahres 1895 seine Behauptungen zu beweisen. Der Abg. Schrempf-Schorndorf weist seiner- seits den Borwurf der Inkonsequenz, den ihm der Abg. Rembold gemacht hat, entschieden zu- rück. Pfaff Cannstatt betont, daß die deutsche Partei nicht für Verschleppung der Angelegen- heit sei, der Abgeordnete von Crailsheim habe seine persönliche Ansicht vertreten. Redner polemisiert dann gegen Haußmann»Balingen. Dasselbe thut Haffner Calw, der im weiteren für die Aufhebung der 3jährigen Schonzeit ein tritt. Haußmann Balingen: Der Versuch des Abg. Rembold, die zweideutige Haltung der Zentrumspartei zu rechtfertigen, sei ihm keines. Wegs gelungen, wie schon aus den Worten des Ministers hervorgegangen fei. Redner wendet sich den Ausführungen des Abg. Pfaff zu, den er daran erinnert, daß er mit Hilfe der Demo- kratie gewählt worden fei. Zum Schluß giebt Redner der Hoffnung Ausdruck, daß in der Kommission ein Weg gefunden werde, der eine allgemeine befriedigende Lösung herbeiführen werde Die Debatte spinnt sich noch eine Weile fort, ergiebt aber im Wesentlichen nichts Neues. In seinem Schlußwort betont der Minister v. Pifchek noch einmal, daß die Darlegungen des Abg. Rembold den Thalsachen nicht ent sprächen und hebt hervor, daß er bereit fei. mit der Kommission wegen der 3jährigen Schonzeit Verhandlungen zu pflegen. Hierauf wird abgestimmt über den Antrag Schuhmacher: Den Entwurf einer lögliedrigen Kommission zu über» weisen. Dieser Antrag wird mit allen gegen 2 Stimmen angenommen.
Ludwigsburg, 12. Dez. Die bürgerlichen Kollegien hier haben auf den Antrag der O konomieverwaltung beschlossen, daß vom Jahre 1899 ab, die Dauer der hier abgehaltenen Kiämermärkte von je 3 Tagen auf je 2 Tage beschränkt worden ist. — Bei der am Donnerstag in Markgröningen stattgehabten Gemeinde- ratswahl wurde ein Stimmzettel in die Wahlurne gelegt, auf dem statt der Namen der zu Wählenden stand: „Jesaia 41, Vers 24.«
Zuffenhausen, 12. Dez. Am Freitag Nachmittag begab' sich laut „Anz. f. Z.« eine Deputation, bestehend aus den Herren Oberbürgermeister Habermehl von Pforzheim. Schultheiß Schlechter von hier und dem Schultheißen Weißbach zum Ministerpräsidenten Frhrn. v. Mlltnacht und zum Präsidenten v. Balz, um denselben das Projekt der Bahn linie Pforzheim-Zuffenhausen zu unterbreiten. Während der Ministerpräsident der Deputation keine weitere Auskunft gab. erklärte Präsident v. Balz, daß sein früherer Standpunkt betreffs des Anschlusses dieser Bahn in Ludwigsburg ein überwundener sei und daß nur noch Zaffen Hausen in Betracht kommen könne. Ob aber der Bau einer solch langen Bahn einer Privat- gesellschaft überlassen werden könne, ob vielmehr nicht der Staat selbst den Bau in die Hand nehmen werde, das sei noch sehr in Erwägung zu ziehen, ebenso, ob in letzterm Falle nicht statt einer Schmalspurbahn eine Normalspurbahn gebaut werde, da er, falls die Kosten nicht zu hoch seien, mehr für eine Normalspur sei.
Biberach, 12. Dez. Durch einen
Beschluß der gestern dahier tagenden Amtsversammlung ist der Bau der Bahn Biberach Ochsenhausen nun gesichert. Zu der Bahn sind 102000 »fL an Beiträgen seitens der beteiligten Gemeinden zu leisten, bisher waren indessen nur 95000 zugesichert, gestern aber hat die
Amtsversammlung beschlossen, die fehlenden
7000 auf die Amtskörperschaft zu übernehmen, so daß also die Realisierung dieses Jahrzehnte- alten Eisenbahnwunsches difinitio gesichert ist.
Cannstatt, 12. Dez. Dem hiesigen
Arbekterbildungsverein wurden von Se. Majestät dem Könige mehrere Bücher für die Bibliothek zugestellt. Die Sendung war von einem Huld- Dollen Kabinetschreibcn begleitet.
Ausland.
Zum Nachfolger des Barons v. Mohren- heim ist, wie amtlich bekannt gemacht wird, der Gesandte in Brüssel, Fürst Urusow zum russischen Botschafter in Paris ernannt worden.
Kalkutta, 18. Nov. Der Wirbel- sturm vonTschittagong. Die amtlichen Berichte darüber zeigen, daß nicht nur die beiden Inseln an der Mündung des Kanarphuli. sondern sämtliche Küstendörfer von der ungeheuren Flutwelle getroffen wurden. 17 Dörfer Eingeborener find auf diese Weise völlig zerstört, zum Teil sogar so gründlich fortgeschwemmt worden, daß kein Haus, kein Baum mehr ihre Lage erkennen läßt. Ueber 1 100000 Menschen sind obdachlos geworden, davon haben mindestens 10000 das Leben eingebüßt, die übrigen sind dem Fieber und verderblichen Darmkrankheiten ousgesetzt. da sie nach Vernichtung ihrer Ernten und Vorräte auf den halbreifen Reis der überschwemmten Felder und auf das brackig gewordene Wasser ihrer Brunnen und Behälter angewiesen sind. Selbst aus dem entfernten Binnenland, von den nach der birmanischen Grenze zu gelegenen Luschai-Bergen kommen Nachrichten über die Verheerungen durch die furchtbaren Cyklone vom 24 Oktober. Auch dort dieselbe Zerstörung von Häusern. Wäldern. Telegraphen- linien. Unter anderem sind große Schwärme von Möven und anderen Seevögeln meilenweit ins Binnenland verschlagen und an den Hängen des Gebirges mit zerschmetterten Flügeln auf gefunden worden. Die Furcht vor Ausbruch von Seuchen ist noch nicht gehoben, weil zahl- reiche Leichen von Menschen und Tieren noch immer an der Küste und in den Flußläufen treibend umherschwimmen.
Vermischtes.
Versandgeschäfts-Schwindel. Wie sehr die Mahnung „Kaust am Platze« beherzigenswert ist. das zeigt eine Verhandlung, welche sich unlängst vor der Strafkammer in Elberfeld abspielte. Als Angeklagter erschien der 17jährige Schleifergeselle Max Kirberg aus Solingen. Er hatte in Hunderten von deutschen Zeitungen große Inserate erlassen, in welchen er seinem Namen die Bezeichnung „Versandtgeschäft" beifügte. Gleichzeitig versandte er Tausende von großartigen Prospekten, so daß man zu der Annahme gelangen mußte, die Firma Max Kirberg sei eines der größten Versandtgeschäfte Solingens. Selbstverständlich versah der schlaue Scherenschleifer seine zahl- reichen Offerten mit dem Zusatz: „Versandt nur gegen Nachnahme oder vorherige Einsendung des Betrags.« Er nahm die ihm von seinen zahlreichen Bestellern eingesandten Beträge an sich und ließ dagegen die Bestellungen unerledigt Diejenigen, welche die bestellten Waren gegen Nachnahme wünschten, erhielten je nach dem Umfange ihrer Bestellungen ein Packet mit mehr oder weniger Rasiermesserhülsen, denen mit goldenen Lettern die Firma ihres Absenders aufgedruckt war. Die täglich zahlreich einlaufenden Reklamationen wurden einfach nicht beantwortet. Die Einnahmen Kirbergs steigerten sich von Monat zu Monat. Im Monat Dezember 1896 betrugen die Nachnahmebeträge allein gegen ^ 1100. Nach seinen eigenen Angaben
bezifferten sich seine Einnahmen auf ^ 60 bis
90 pro Tag. Gegen Weihnachten gelangte das Geschäft zu einer solchen Blüte, daß der Genannte die Arbeit nicht mehr allein bewältigen konnte; er nahm deshalb den Hausknecht R. als Gehilfen an. Die vielen Zeitungsannoncen wurden natürlich nicht bezahlt. (Wir für unsern Teil hoben sr. Zt. die Aufnahme der Annonce dieser Firma verweigert. Die Red.) Außerdem prellte K. einen Wirt in Solingen um 76 und eine Mainzer Weinhandlung um 20 Flaschen „Kloster Erbacher«. Als K. gegen Ende Dezember v. I. von der Polizei eine Vorladung hielt, reiste er nach Köln, wo er eine Damenkapelle mit Champagner regatierte. und begab sich von da, nachdem er vorher noch den Boden in Düsseldorf sondiert hatte, nach . Hannover. Hier errichtete er ein Versandtgeschäft > unter der Firma „H Kratz« und hielt es für
geboten, seinen Freund R. auf den Namen „Walter Förster« umzutaufen. Letzteren ließ er jedoch nach kurzer Zeit im Stiche und begab sich nach Magdeburg, wo er unter dem Namen „Engel" seine Betrügereien fortsetzte. Doch erreichte ihn hier bald der Arm des Strafrichters. Die Elberfelder Strafkammer verururteilte ihn zu 3 Jahren Gefängnis; sein Freund R. erhielt 6 Monate wegen Beihilfe.
Wien, 10. Dez. Lin paar seltene Menschenkinder werden jetzt in Danzers Orpheum für Geld gezeigt, scheckige Mädchen. Die jüngste Schecke ist 6'/r, die älteste 19 Jahre alt; alle drei sollen aus Brilisch-Afrika stammen. Die schwarz-weiß gefleckten Mädchen haben einen halbeuropäischen Typus; ihre dunkle Hautfarbe weist große, fleckartige, ganz Helle Parlieen auf, und ihr tiefjchwarzes. wolliges Kraushaar zeigt bei allen dreien einen schneeweißen Schopf in der Mitte des Kopfes. Diese interessanten Menschenkinder bilden selbst in ihrer Heimat eine Spezialität, weil ihre Familie die einzige sein soll, welche dieses sonderbare Natur- schaujpiel ausweist. Aber nicht nur ihre Erscheinung, auch ihre Gesänge. Tänze und insbesondere die gymnastischen Hebungen, die sie buchstäblich nur katzenartiger Behendigkeit ausführen, werden vom Publikum mit Recht angestaunt.
Ende Oktober schickte ein Kaufmann in Paris eine große Kiste mit eingepacklen Glaswaren nach Algier, wo sie am 15 November ankam und ausgepackt wurde. Zum größten Erstaunen der Anwesenden schlüpfte, als der Deckel gehoben wurde, eine große Katze heraus, die, ohne daß man weiß wie, hineingeraten war und nun also 16 Tage lang ohne Nahrung >n der K ste zugebracht halte. Sie ist 15 Jahre alt; ihr Pariser Besitzer bat, sie schleunigst zurückzusenden, erklärte sich auch bereit, den von ihr angerichteten Schaden — ste hatte drei Glasglocken zerbrochen — tragen zu wollen.
Die Dienstb otenf rage graphologisch gelöst hat Frau Professor Dilloo in einem Vortrag in Berlin. Sie wies nach, daß der ganze Jammer daher kommt, daß Herrschaft und Dienstbote übelassortierte Paare sind. Eine vorhergehende Vergleichung, ob dir Handschriften zusammenpassen, ist das Wesentliche. Frau Dilloo wies nach, wie ein nach der Handschrift tüchtiges, ehrliches, aber schroffes und verbittertes Mädchen sich zu einer Herrin nicht finden konnte, deren Züge das Bild nervöser Gejagtheit, mangelnder Harmonie darbolen. Das Mädchen trat dann bei einer anderen Dame in Dienst, deren klare, freundliche Schrift- züge mit rundlichen kleinen Buchstaben ohne Schnörkel eine ganz anders geartete Frau verrieten, die, einfach und gerecht, nicht zu viel verlangt; die kurz abgebrochenen Schleifen beim h und g ließen aber auch erkennen, daß diese Frau zu leiten weiß und niemals zu weit geht. Unsere Vermieterinnen und Herrschaften werden sich hoffentlich diese Aufschlüsse zu Nutze machen.
(Einen kostbaren Fund von größter Seltenheit) machte der Inhaber der Firma Karl Becker in Stoip. Er erhielt eine Ladung von Nußbaumblöcken aus Südbrastlien, und beim zerschneiden eines Blockes fand sich, mitten in demselben eingewachsen, eine altindianische Tabakspfeife aus Tujaholz vor. Nach der Begutachtung durch Sachverständige muß sich diese Pfeife länger als 300 Jahre in dem Stamm befunden haben, dessen Alter auf mindestens 500 Jahre geschätzt wird.
svas Beste.) Dichterling: „Sie raten mir also, meine Gedichte selbst zu verlegen?« — Kritiker : „Gewiß, mein Bester! Und womöglich so, daß Sie sie nicht mehr wieverfinden!«
sErkennungszeichen) „Woran bestimmst Du das Alter eines Huhnes?« — An den Zähnen!« — „Ein Huhn hat doch keine Zähne!« — „Aber ich!«
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.