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Württemberg.

Stuttgart, 29. Nov. Bei der gestrigen Vereinigung schwäbischer Sänger in der Licder- halle wurde an den Wiener Kartellverein des Liederkranzcs ein Begrüßungskelegramm abge­lassen, was bei der gegenwärtigen politischen Situation in Oesterreich sehr bemerkt und von den 1300 Sängern mit stürmischen Beifallsrufen begleitet wurde.

Hall, 29. Novbr. Als Naturseltcnheit wird berichtet, daß heute früh zwischen 3 und 3*/, Uhr ein Gewitter mit heftigen Donner- schlügen über hier und die Hohenloher Ebene niederging. Es war mit Schneegestöber und starkem Sturm begleitet.

Winnenden, 29. Nov. Heute früh bald nach 3 Uhr hatte man hier das um diese Jahreszeit seltene Schauspiel eines heftigen Gewitters. Das ganze Firmament glich einem Flammenmeer; doch der die ganze Nacht tobende Sturm ließ den rollenden Donner nur leicht vernehmen.

Vom Schwarzwald, 29. Nov. Der dieBerbindung Schramberg-Oberndorf herstellende Postwagen ist heute Nachmittag im Schnee stecken geblieben.

Lauffen a. N., 24. Nov. Die Draht­seilbahn, welche das Württ Portland Zement­werk von der Fabrik auf den Bahnhof aus­führen läßt, wird nun bald befahren werden können. Die Ausführung kostet über 100000 Mark. Betonarbeiten sind cs etwa 1600 cbm. die von Werkmeister Allgaier in Besigheim aus- geführt wurden. Die Länge der Bahn ist 1400 m; es sollen daraus in 10 Stunden 6000 Ztr. Zement auf den Bahnhof befördert werden können. Da die Bahn durch Wohngebäude ge- hindert war, eine gerade Linie einzuhalten, mußte eine Winkelstation mit einem größeren Kosten- aufwand errichtet werden. Für unsere Etter- straßen ist diese Drahtseilbahn eine große Er­leichterung.

Mergentheim. 30 Nov. Die Eröffnung der städtischen Wasserleitung hatte ver­schiedene für die Beteiligten recht unliebsame Erfahrungen mit sich gebracht, welche auch für weitere Kreise von Interessen sein dürsten. Einer der Wasserabnehmer halte aus Sparsamkeits- rücksichten beim Einlaufrohr in den Brunnen­schacht keinen richtigen Verschluß angebracht, d. h. der sparsame Monn schlug einfach einen Zapfen in die offene Röhre, welchen jedoch das Wasser, nachdem die Hauptleitung geöffnet war, selbst­redend sofort hinausdrückte. Die Folge war, daß nicht nur der Keller des eigenen Hauses sondern auch diejenigen der benachbarten Häuser mit Wasser derart angefüllt wurden, daß wäh­rend der ganzen Nacht und dem darauffolgenden Morgen Leute beschäftigt werden mußten, um die ungeheure Menge Wasser aus den Kellern herauszupumpcn. Die einzelnen Häuser- resp. Kellerbesitzer beanspruchen Schadenersatz und mußte der schlaue Mann allein einem Hausbesitzer 100 Entschädigung bezahlen, während die übrigen mit dem gleichen Ansinnen kommen.

Ravensburg, 29. Nov. Nach einer hier eingelaufenen Nachricht ist der Raubmörder Rochus Geiger, welcher einer Wirtin in Kausbeuren den Hals abgeschnitten hat, in Wörishofen verhaftet worden.

Tübingen, 29. Nov. Der Studiosus juris Kiese, der heute in das juridische Examen gehen sollte, machte heule Nacht seinem Leben durch einen Pistolenschuß ein Ende. Er soll schon wiederholt aus dem Examen gegangen sein, aus Angst durchzufallen. Der junge Mann und dessen Familie sind sehr zu bedauern, da der Unglückliche ein solider und fleißiger Student gewesen ist und zudem die Familie in den glänzendsten Verwögensverhältnissen steht.

Stuttgari. fLandesproduktenbörse. Bericht vom 29. November von dem Vorstand Fritz Kreglinger.j In Folge der weniger günstigen Ernteaussichten aus den Laplatastaaten hat sich die Tendenz am Weltmärkte wesentlich befestigt. Amerika und Rußland senden höhere Forderungen bei spärlichem Angebot. Die Landmärkte sind gut befahren, die Preise durchschnittlich unverändert. Die Stimmung aus dem Hopfenmarkt war flau. Verkauf SV Ballen zum Preis von 60

bis 100 «4L. Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 34 «k ^ bis 35 «k

Nr. 1: 82 «« ^ bis 33 «4L Nr. 2 : 30 50

bis 31 «4L 50 4 ,, Nr. 3 : 29 «4L bis 29 «4L 50 ^z, Nr. 4: 25 «kt «s bis 25 50 Suppengries

34 «4L 50 ^ bis 35 50 «». Kleie 8 «kt.

Krrsland.

Wien, 30. Nov. Die Nachricht von der Absetzung des Grafen Badeni und von der Bildung eines neuen Ministeriums wirkte in dem aufgeregten Wien zauberisch schnell zur Beruhigung der Gemüter, die Straßendemon­strationen hörten auf und Sonntag Abend 8 llhr war die Stadt ganz ruhig geworden Kurz vorher hatte auch die Entlassung des bei den letzten Skandalszenen im Abgeordnetenhause verhafteten deutsch - nationalen Abgeordneten Wolf aus der Untersuchungshaft stattgefunden, welche Maßregel ebenfalls wesentlich mit zur Beseitigung der herrschenden Gährung in der Wiener Bevölkerung beitrug Man kann dem Kaiser Franz Joseph nur aufrichtig zu dem Entschluß Glück wünschen, dem Grafen Badeni endlich den Laufpaß zu geben, drohte doch dieser seltsameStaatsmann" durch seine überaus kurzsichtige und gewaltthätige Politik gegenüber dem Deutschtum in Oesterreich diesen Staat in einen Zustand völliger Anarchie zu stürzen; wird doch die mehr als zweijährige ministerielle Wirksamkeit Badeni's sowie so noch auf lange hinaus ihre unheilvollen Spuren im öffentlichen Leben des Donaukaiserstaates zurücklassen. Gleichwie die Wiener Bevölkerung in Jubel über den Sturz Badenis ausbrach, fanden auch in Mähren, Steiermark und Kärnthen Freudenkundgebungen statt. Besonders in Graz war die Erbitterung der Bevölkerung aufs Höchste gestiegen, und mehrfach kam es zu Zu­sammenstößen zwischen den Volksmassen und den bosnischen Soldaten. Als die Nachricht von dem Sturze Badenis laut wurde, illuminierte man, und Aehnliches wird aus Brünn und Klagen- furt berichtet. Badeni hat den deutschen wie ein Alp auf der Brust gelegen. Ec wollte sie erdrosseln und ihnen ihr kostbarstes Gut, ihre Sprache und damit ihre Vorherrschaft im geistigen und politischen Leben Oesterreichs rauben. Die Sprachenverordnungen, die jeden Beamten in Böhmen, Mähren und Oesterreich-Schlesien zwingen, das Tschechische zu lernen und zu beherrschen, auch wenn in seinem Bezirk nur ein einziger Tscheche wohnt, haben den Anlaß zu dem beispiellosen parlamentarischen Kampf gegeben, der mit einer entscheidenden Nieder- läge des Grafen Badeni geendet hat. Noch einmal sind die Deutschen glücklich der Gefahr entronnen, in die Knechtschaft der Slaven und der Klerikalen zu geraten. Zu diesem erfreulichen Ergebnis haben in erster Linie die Deutschliberalen beigetragen, aber sie wurden von den Tirolern nicht im Stich ge­lassen, dem schwerfälligen Heerbann des Tiroler Großgrundbesitzers Baron Dipauli. In diesen ernsten Kämpfen, in denen die politische Bedeutung des Deutschtums auf dem Spiele stand, erinnerten sich die Tiroler trotz ihrer streng katholisch-kirchlichen Gesinnung vor Allem ihrer Nationalität und der Pflichten, die sie ihnen auferlegt. Der abgehende Ministerpräsident Graf Badeni, der einer italienischen, im 16. Jahr­hundert nach Polen eingewanderten Familie entstammt, hat Fiasko gemacht, weil er ver­suchte, die polnisch-nationalen Grundsätze, nach denen er im kleineren Wirkungskreis als Statt­halter von Galizien regiert hat. auf die große Politik zu übertragen. Ob nun der Nachfolger des Grafen Badeni, der frühere Unterrichts Minister Freiherr v. Gautsch, den Slaven und Klerikalen gegenüber größere Standhaftigkeit beweisen wird, ist nach seiner politischen Ver­gangenheit zweifelhaft. Gautsch erwies sich keineswegs als ein unbedingter und zuverlässiger Freund der Deutschen; glatt und geschmeidig, wie er ist, kam er wiederholt auf dem Gebiet des Schulwesens, den Forderungen der Tschechen, sobald sie ihm in einigermaßen energischer Form nahegelegt wurden, weit entgegen. Wenn feine Grundlätze auch mehr nach der liberalen Seile hinneiglen, lieh er doch bei Gelegenheit den

Klerikalen ein williges Ohr. Gautsch ist ein geschäftskundiger Bureaukrat, aber der gegen- wärtigen schwierigen Lage in Oesterreich, die einen Mann von eisernem Willen und unwandel­barer Treue gegen das Deutschtum verlangt, dürfte er kaum gewachsen sein Er hat sich schon wiederholt genötigt gesehen, durch das kaudinische Joch der slavisch-klerikalen Reichsratsmehrheit zu kriechen, und wird daher kaum die sofortige Aufhebung der Sprachenverordnungen, durch die allein die Erregung der Deutschen endgiltig be­schwichtigt werden könnte, wagen.

Wien, 30. Nov. Die Bildung des Kabinets ist nachts zu stände gekommen. Die Veröffentlichung der Ernennungen erfolgt morgen durch das Amtsblatt.

Prag, 29. Nov. In vielen Ortschaften Deutschböhmens dauert die Erregung fort, da die Tschechen Gegendemonstrationen gegen die Entlassung Badenis ins Werk zu setzen suchen. Eine solche fand auch in Prag statt, verlief ober ziemlich unbedeutend. Allmählich wird auch in Böhmen völlige Ruhe eintreten. Man rst ge­spannt. in welcher Weise Herr v. Gautsch die Badenischen Sprachenverordnung behandeln wird. Die Regierung scheint die Absicht zu haben, diese Frage, um die Tschechen nicht vor den Kopf zu stoßen, dilatorisch zu behandeln und allmählich einschlummern zu lassen.

Wien, 29. Nov. 90 Professoren der hiesigen Universität beschlossen eine Kundgebung an die beiden Häusern des Reichs« rats, worin sie erklären, daß die parlamentarischen Vorgänge der jüngsten Tage alle Kreise der Universität erregt haben und worin sie zum Schluffe gelangen, daß die gegenwärtigenZustände mit der Tendenz, die Bedeutung des deutschen Volks in Oestreich herabzudrücken, ihnen als den berufenen Trägern deutscher Bildung in Oestreich die Pflicht auferlegen, rechtzeitig die Stimme zu erheben und vor dem weiteren Verfolgen der eingeschlagenen Wege zu warnen, auf dem das von Allen ersehnte Ziel friedlichen Zusammenwirkens aller Stämme zu gemeinsamer Kulturarbeit nicht erreicht werden könne. Sämtliche wegen der jüngsten Straßentumulte dem Landesgerichte eingeliefcrten Personen wurden heute in Freiheit gesetzt. Die Untersuchung gegen dieselben wird jedoch fortgesetzt.

London, 30. Nov. Auf den gewaltigen Sturm, welcher in der vergangenen Nacht in ganz England wütete, folgte heute früh die höchste Flut, die in den letzten 30 Jahren vorgekommen ist. Es wurde ein furchtbarer Schaden angerichtet, besonders an der Ostküste, sowie an den Mündungen der Themse und des Nedway. Man befürchtet, daß der Deich in Queensborough nachgegebcn hat. In Sheerneß und Broadstairs sind die Landungsbrücken zum Teil fortgcrissen. Die nach Sheerneß und Port Vicktoria führenden Bahnlinien stehen unter Wasser, ebenso die Stadtteile aller übrigen Städte an der Themse. In Woolwich sind mehrere öffentliche Gebäude unter Wasser gesetzt.

sEi n Da u erf ahrer.s A.:Wie geht'S unserm Freund Gustav?" B.:Der ist jetzt Dauerfahrer!" A:Ist es möglich!" B.: Ja, wer ihn fahren sieht, den dauert er!"

Telegramm.

Paris, 1. Dezbr. Der Senat lehnte im weiteren Verlauf der Sitzung nach der Beratung über die als ungesetzlich bezeichnete Versetzung eines Richters die vom Justizminister verlangte einfache Tagesordnung ab und nahm mit 133 gegen 113 Stimmen unter dem Beifall der Radikalen eine Tagesordnung an, worin die Regierung aufgefordert wird, die Gesetze genau zur Anwendung zu bringen. In den Wandel­gängen der Kammer erklärten die Radikalen, sie würden darauf bestehen, daß infolge dieser Abstimmung das Kabinet verpflichtet sei, sich zurückzuziehen.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.