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die oberen Umrisse über dem Dunstschleier sicht­bar, Lupfen, Längen und Randen blieben ganz verdeckt Der Tödi ist für unsere Gegend der Beherrschende und scheinbar Höchste. Dabei ist von Föhn keine Rede. Und auch diesmal scheint die Alpenfernsicht mehrere Tage anzu- halten. (S. M.)

Eb Hausen. 24. Novbr. In der am Sonntag nachmittag hier stattgehabtcn Haupt- Versammlung des Landwirtschaft!. Bezirksvereins Nagold wurde die Errichtung einer Jung­viehweide beschlossen; es zeichneten sofort 22 Mitglieder Aktien ä 25 Die Aktionäre werden bei der Weide um 1 pro Stück Jungvieh billiger zugelassen werden als die Nichtaktionäre. Es ist dies ein wichtiger Be­schluß im Landwirtschaft!. Bezirksverein.

Pforzheim. 22. Nov. Das Restaurant Grüner Hof- ging für 67 000 in den Be­sitz der Bayrischen Brauhaus Gesellschaft über. Das RestaurantRussischer Hof- wurde von der Brauerei-Gesellschaft Sinner für 138000 ^ gekauft.

Deutsches Aeich.

Altona, 24. Nov. Der Kaiser ist heute nachmittag kurz nach 2 Uhr hier eingelroffen und hat beim Grafen Waldersee das Frühstück eingenommen. Kurz vor 4 Uhr erfolgte die Abreise nach Berlin.

Aus dem Testament des Generals v. Schachtmeyer. Aus Celle wird derKreuz zeitung- geschrieben: Es hat hier und da zu Ber- mutungen Anlaß gegeben, daß bei der Beerdigung des Generals o. Schachtmeyer kein Vertreter des Kaisers anwesend war. Zur Erklärung dieser Thalsache mag folgender Passus aus dem Testamente des Verstorbenen dienen:Aus der Welt will ich still scheiden, wie ich gekommen bin ; weder durch ein feierliches Leichenbegängnis, noch durch emen Denkstein will ich ausgezeichnet werden.- Dieser Wunsch des Verstorbenen war dem Kaiser bekannt. Man hatte auch ver- mutlich weil der amtierende Geistliche, Divisions- Pfarrer Stuhlmann, nicht im Talar erschienen war verbreitet, im Hause des Generals von Schachlmcyer habe keine Trauerfeier statt- gefunden. Letzteres ist falsch; eine Trauerfeier hat selbstredend stattgefunden.

Die bayerische Kammer der Reichsräte hat bei der Beratung des Militäretats die hohe Be­deutung der diesjährigen Kaisermanöver nicht nur für die bayerische Armee, der so unge­teiltes Lob zu teil wurde, sondern auch für das gesamte deutsche Reich betont, da die Eden- Hurtigkeit der bayerischen und preußischen Armee von dem In- und Auslande festgestcllt worden sei. Der Kriegsmimster dankte für die Aner­kennung, die er angesichts der Besprechung, welche die Manöver in der Abgeordnetenkammer fanden, um so freudiger empfinde.

D a r m st a d t, 23. Nov. Bei der heutigen Eröffnung der elektrischen Straßenbahn, an der der Staalsmtnister Finger und Finanz- minister Weber und die Spitzen sämtlicher Behörden teilnahmen, ist es besonders ausgefallen, daß der Oberbürgermeister von Karlsruhe eine Einladung erhalten hatte und daß der Oberbürgermeister unserer Stadt dessen An­wesenheit beim Festessen betonte und anläßlich desselben Gelegenheit nahm, den Sympathien für den Großherzog von Baden, an dessen ehrwürdiger Herrschergestalt alle Deutschen mit Ehrfurcht und Liebe hängen, zum Ausdruck zu bringen. Der Oberbürgermeister von Karlsruhe dankte für diese Kundgebung, die von den Gästen mit lautem Beifall ausgenommen wurde.

Kehl, 23. Nov. Mil der heute eröffnten neuen festen Rheinbrücke wird die alte Schiffbrücke außer Dienst gestellt und damit ein Wahrzeichen schwinden, welches die früheste Ver­gangenheit Kehls mit der Gegenwart verband und nun dem Bedürfnisse der Zeit, deren Gestaltung größeren Anforderungen an die Verkehrsmittel stellt, weichen muß. Manchen Störungen war diese' alte Brücke unterworfen durch Ebbe und Hochflut oder durch Eisgang und rn ernsteren Zeiten, wenn sogar dieses Verbindungsglied getrennt werben mußte und die beiderseitigen Uferbewohner sich grollend

gegenüberstanden. Eine neue Zeit ist angebrochen und die Grenznüchbarn sind jetzt durch stärkere Kräfte verbunden an Stelle des alten Holzbaues, der nun nach langen Dienstjahren zur Ruhe gestellt ist.

DerRheinwasserstand ist so zurück­gegangen, daß die Köln-Düsseldorfer Dampf- schiffahrts-Gesellschast den oberrheinischen Verkehr einstellen mußte. Unterhalb Köln haben große Schiffs-Ansammlungen stattgefunden.

Bet einem Brande in St. Johann sind 3 Kinder des Wirtschaftsbesitzers umgckommen.

In Bruchsal starb, erst 24 Jahre alt. der Tierarzt Lydlin. ein Sohn des in weiteren Kreisen bekannten Bezirkstierarztes Lydtin. Der junge Mann hatte sich vor etwa einem halben Jahr in Dresden bei Behandlung eines, wie sich später herausstellte, tollwütigen Hundes den Keim jener furchtbaren Krankheit zugezogen, die za Anfang voriger Woche mit Anschwellung des Halses und Schlingbeschwerden ihren Anfang nahm und trotz aller ärztlichen Sorgfalt seinem Leben ein Ende machte.

Württemberg.

Württembergischer Landtag.

Stuttgart. 24. Nov Präsident Payer eröffnet um 9 '/» Uhr die Sitzung. Am Minister- tisch haben sich eingefunden der Minister des Innern von Pischek und Regierungsrat Scheuerten. Auf der Tagesordnung steht: Bericht der Justizgesetzgebungskommission über den Entwurf eines Gesetzes, betr. die Abänderung des Polizeistrafrcchts. Berichterstatter Kiene- Ehingen. Der Entwurf bezweckt die im Laufe der Zeit notwendig gewordenen, strafrechtlichen Neuerungen gesetzlich festzulegen, und zwar sind 10 neue Artikel eingestellt worden. Ferner eine Abänderung bezw. Erweiterungen von 4, schon bestehenden Artikeln. Bon dem Abgeordneten Kiene bezw. Nieder sind ferner 5 weitere Abänderungen vorgeschlagen. Die vorgeschlagenen Neuerungen bezw. Aenderungen berühren teils das Gebiet der öffentlichen Ordnung, in der Mehrzahl jedoch das gewerbepolizeiliche, teils das gesundheits- und wohnungspolizeiliche Ge­biet, teils das der Jagd und Fischerei. Diese Strafbestimmungen sollen dem Landespolizeistraf- geietz vom 27. Dezember 1871 eingefügt wer­den. Der Antrag der Kommission der Einleitung und Ueberfchrift zuzustimmen. wird angenommen und sofort in die Einzelberatung eingetreten.

Die von mehr als 1200 Ortsvorstehern des Landes beschickte Versammlung am letzten Sonntag hat nach einem eingehenden Referat des Eßlingcr Oberbürgermeisters, dem sich der Correferent. Oberbürgermeister Wagner von Ulm durchweg anschloß, einstimmig eine Re­solution gefaßt, in welcher die k. Regierung und die Ständeverfammlung ersucht werden, die Lösung der Frage über die lebenslängliche Amts- dauer der Octsvorsteher wenigstens so lange zu vertagen, bis die Einführung des bürgerlichen Gesetzbuches einen Ueberblick über die notwendige Gejchäststhätigkeit der Ortsvorsteher gewähren werde; wenn dies aber nicht gut geheißen würde, so sollte man wenigstens den bisher auf Lebens- länglichkeit gewählten Ortsvorstehern ihr ganzes bisheriges Einkommen als Pension gewähren, falls sie nicht wieder gewählt werden sollten. Man wird der Versammlung das Zeugnis einer würdigen Haltung nicht versagen können.

Tübingen, 24. Nov. Amtmann Hepp in Stuttgart hat dem hies. Gemeinderat milge­teilt, daß er sich wegen Erkrankung genötigt sehe, seine Bewerbung um die Stadtschultheißen- stelle zurückzuziehen. Es ist sonach noch der einzige Bewerber Polizeiamtmann Haußer hier.

Reutlingen, 22. Nov. Der Rcutltnger Liederkranz feierte am Samstag sein 7 0jähr. Jubelfest in großartiger Weise. Die Huupt- nummer des aus diesem Anlasse veranstalteten Festkonzerts bildete ein von Handelskammer- sekretär Schäffer gedichteter und von Professor Würz in Tübingen in Töne gesetzter großer Festgesang für Orchester, Chor, Halbchor und Solo. Prof. Wörz wurde in Würdigung des von ihm geschaffenen mit jubelndem Beifall auf- genommenen ToawerkS zum Ehrenmitglied des Liederkranzes ernannt.

Vaihingen a. d. E., 23. Nov. Der auch auswärts wohlbekannte Gasthof z. Post ging samt Mobiliar und Inventar auf Hrn. Ernst Mönch von Herren alb um den Preis von 72 500 käuflich über; die lieber- nähme erfolgt auf 1. Dezember.

Ehingen, 25. Nov. Eine Rohheit sonder­gleichen leistete sich vorgestern nachmittag ein Fuhrmann hiesiger Gegend. Derselbe überfuhr ein mit seinen Kameraden spielendes Knäbchen im Alter von 56 Jahren mit seinem Bauern­fuhrwerk mitten in der Stadt vor dessen elter­lichem Hause, wodurch dem Kinde ein Fuß ab­gedrückt wurde. Das erbärmliche Wehklagen der Kinder ließ den rohen Menschen ganz gleichgiltig, ohne sich um das Kind auch nur im Geringsten zu kümmern, suchte er in beschleunigtem Tempo sich vom Thalorte zu entfernen. Von nach- eilenden Personen eingeholt, wurde seine Per­sönlichkeit festgestellt. Die Staatsanwaltschaft hat sich der Sache bereits angenommen.

Wendlingen, 24. Nov. Einen guten Appetit entwickelte dieser Tage ein hier in Arbeit stehender, aus Oesterreich gebürtigter Taglöhner» indem derselbe innerhalb 2 Stunden 5 Grieben- Würste L 20 L 6 Leberwürste. V» Pfund roheS Fleisch und 5 Brote verzehrte und hiezu 18 Schoppen Bier trank.

Ausland.

Der österreichisch-ungarische Minister deS Aeußern. Graf Goluchowski, hat in diesen Tagen im auswärtigen Ausschüsse der ungari­schen Delegation eine bedeutfame Rede gehalten. In der kretischen Frage habe das europäische Konzert die Feuerprobe bestanden, so daß eS fortan ein erfolgreicher Faktor in der Regelung der Octentverhältnisse vleiden dürfte. DaS Bundesoerhältnis zu Deutschland und Italien bleibe der Grundpfeiler der Politik Oesterreich- Ungarns; die drei Kabinete seien gemeinsam be­strebt, ein eminentes Friedensvollwerk, welches bei gleichmäßiger Verteilung der Rechte und Pflichten sich glänzend bewährt habe, zu er­halten. Graf Goluchowski hob sodann die er­freuliche Ausgestaltung- des Verhältnisses zu Rußland hervor. Die russische Presse antwortet auf diese Kundgebung mit äußerst sympatischen Leitartikeln und versichert, daß in der Thal kein trennender Punkt zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland mehr bestehe. Wenn die lang­jährige Abneigung Rußlands gegen Oesterreich- Ungarn einem so aufrichtigen Verhältnis ge­wichen ist, so darf mit großer Sicherheit ange­nommen werden, daß gerade der deutsche Kaiser ein wesentliches Verdienst sich um den Völker­frieden erworben hat.

Wien, 24. Nov. Der Heeresausschuß der ungarischen Delegation bewilligte das Extra- ordinarium und den Rest der Beitrags Kreoite. Auf eine Anfrage des Abg. Bolgar erklärte der Reichskriegsminister v. Kneghammer, daß nun­mehr bei dem jetzigen Felogeschützsystem eine größere Feuerschneülgkeit erzielt werde. Am Schluß der Sitzung tprach der Präsident seinen Dank für die ausführlichen Aufklärungen des Ministers aus, jwelche der Ausschuß seitens des Ministers bereits gewohnt sei.

Wien, 24. Nov. ImFremdcnblatt" erklärt Graf Nikolaus Moritz Esterhazy, die französische Linie Esterhazy sei 1876 im Mannes- stamm erloschen. Der in oen Fall DreyfuS ver­wickelte Major Walsin Esterhazy sei Urenkel einer Gräfin Esterhazy, die mir einem Offizier morganatisch getraut gewesen sei; doch hätten die dr« bestehenden Häuser Esterhazy die sogenannten Walsin-Esterhazy niemals als Grafen Esterhazy anerkannt.

Paris, 24 Nov. Oberst Picquart. welcher demnächst in Paris einlreffen wiro, Machten Dreyfus und Major Esterhazy werden einander gegenübergestellt werden. Man muß deshalb den Erfolg ihrer Vernehmung abwanen.

Paris. 24. Nov. Die »vepoelre äe Toulouse" bringt anscheinend aus guter Quelle stammende Mitteilungen über die Rolle de- Obersten Picquart rn der Affäre Dreyfus. Picquart, der tm Kriegsminlsterium dem geheimen Nachrichtendienst zugeteilt war, ertappte eines Tages den Grasen Esterhazy in einer verdächtigen