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Nagold. Für die bedürftigen Gewitter, beschädigten des Landes sind an das Kassenamt der Zentralleitung des Wohlthätigkeitsvernns in Stuttgart einschl. 500 Beitrag der Amts» korporation aus dem Bezirk Nagold nun­mehr bar abgeliefert worden 6510 56

Pforzheim, 22. Nov. Die Arbeiter des städtischen Gaswerks haben gestern Sonntag früh plötzlich ihre Arbeit niedergelegt und damit die Herren von der Gaskommission und die Be­wohnerschaft Pforzheims in nicht geringe Auf. regung versetzt. Der Versuch, rasch auswärtige Kräfte zu gewinnen, mißlang und so sah man sich veranlaßt, die verlangte Lohnerhöhung zu bewilligen. Nachmittags war dieser eigenartige Ausstand schon beendigt.

Deutsches Keich.

Die Landtagswahlen im Groß­herzogtum Baden sind mit der am Samstag stattgefundenen nochmaligen Abgeordneten- wähl im Wahlkreise Lörrach. Land zum endgiltigen Abschluß gelangt. Bei der Hauptwahl waren für den freisinnigen Kandidaten Ha giß 60, für den nationalliberalen Kandidaten Dreher 59 Stimmen gezählt worden, während 5 Stimm» zettel wegen verschiedener Formfehler für ungiltig erklärt wurden. Bei der am 20. November in Lörrach Land vorgenommenen anderweitigen Wahl ist nun der nationalliberale Kandidat mit 65 Stimmen zum Abgeordneten gewählt worden, auf seinen Gegner fielen 59 Stimmen.

Aus der Pfalz. 21. Nov. Heute nach, mittag fand in Eden loben eine vom Bund der Landwirte einberufene Versammlung der Weinbauern aus dem pfälzischen Oberland statt, zu der ungefähr 200 Personen erschienen waren. Weingutsbesitzer Fitz aus Ellerstadt sprach über die gesetzliche Regelung der Kunstweinfcage. Einleitend verbreitete sich der Redner über das Ueberhandnehmen der Kunstweinfabrikatton, so z. B. seien nach einem Bericht der württemb. Eisenbahnen im Jahre 1896 in Württemberg 163000 Ztr. Rosinen eingeführt worden, was einer Fabrikation von 50000 Fuder Wein gleich komme. Im Interesse der Weingegenden, die geringere Qualitäten Trauben produzieren, sollte ein Zucker- Wasserzusatz von 25 Prozent gestattet werden, dagegen müsse gegen die Kunstweinfabrikation ganz entschieden vorgegangen werden. Von dem bayerischen Gewerbesteuergesetz verspricht sich Redner kein Erfolg, weil die Kunstweinfrage auf reichsgesetzlichem Wege geregelt werden müsse. Es wurde ern Beschluß angenommen» der die Beseitigung der Kunstweinfabrikation auf reichs- gesetzlichem Wege fordert und ausspricht, daß man selbst vor einer Kellerkontrolle nicht zurück­schrecken dürfe. Die Kontrolgebühr soll nur so hoch sein, daß die Kosten der Kontrole gedeckt werden.

Aus dem Rheingau, 20. Nov. Die Weinlese ist in mehreren größeren Wein­gütern des Rheingaues, darunter z. B. denjenigen der königl. Domäne, des Frhrn. v. Stumm- Haiberg in Hattenheim, des Kommerzienrats Aschrott in Hochheim u. a. noch nicht beendet. Die Verlängerung steht unter der Gunst des fortdauernd milden Wetters, und namentlich die Auslesen liefern sehr hervorragende, den neuen Jahrgang des Rheingauer Wachstums kenn- und auszeichnende Ergebnisse.

Straubing, 20. Nov. Hier hat die Hinrichtung des Raubmörders Nußsteiner heute früh 7*/, Uhr stattgefunden.

In Jena wurde der Student Schauburg aus Elbing während des Schlafes durch Gas, das aus dem Zimmerofen ausströmte, getötet.

Einen Privatbrief des Oberförsters Lange veröffentlicht der Hamburger Korrespondent. Lange bedauert darin die von ihm nicht aus­gehenden Veröffentlichungen über angebliche Differenzen mit dem Fürsten Bismarck auf das Tiefste und erklärt, er werde zeitlebens zu dem gewaltigen Begründer des deutschen Reiches mit unwandelbarer Treue und tiefster Ehrerbietung aufbl'cken.

Der Straßb. 8. 6. hat seit Beginn des Semesters den offiziellen Frühschoppen abgeschafft. Der Beschluß wurde damit be-

I gründet, daß die Mehrzahl der Aktiven durch ! die Teilnahme am Frühschoppen im Besuche der Vorlesungen behindert sei. Es ist erfreulich, daß eine durch jahrelange Praxis so fest ge- wurzelte und vielfach abfällig beurteilte Ge­pflogenheit nunmehr beseitigt ist. Dieses Vor- gehen des 8. 6., welcher allgemein als der Träger alter Ueberlicferungrn gilt, wird nicht nur in der Studentenschaft, sondern in den weitesten Kreisen der Bevölkerung den Korps- studenten diejenige Achtung erneuern und de- stärken, die sie in der That verdienen.

Die Waren müssen zu den im S ch a u - fenster verzeichneten Preisen und zwar auf Verlangen der Kunden in jeder nachweislich vorhandenen Menge verkauft werden-, entschied dieser Tage das Berliner Schöffengericht in einer gegen einen dortigen Kaufmann gerichteten Klagesache. Dies Urteil zeigt deutlich die nach- drückliche Einwirkung des Gesetzes wider den unlauteren Wettbewerb auf unser Erwerbsleben. Während früher fast alle in solchen und ähnlichen Fällen von getäuschten Käufern angestrengten Klagen zu Gunsten des Verkäufers ausfielen, haben diese jetzt einen viel schwereren Stand, da die Gerichte Ausreden, wie z B. die Sachen könnten nicht aus dem Schaufenster entfernt werden, sie seien nur in geringer Menge vor- Händen oder dürfen zu solchen Preisen nur an die Stammkundschaft abgegeben werden, als beweislose Einwendungen- behandeln.

Württemberg.

Württ. Landtag, 23. Nov. (154. Sitzung.) Präsident Payer eröffnet die Sitz­ung um 3^/«. Uhr. Unter den eingelaufenen Eingaben befindet sich auch eine solche der bürgerl. Kollegien von Stuttgart um Gewährung von 4 Abgeordneten für die Hauptstadt bei der in Aussicht stehenden Revision der Verfassung. Der an Stelle des ausgeschiedenen Prälaten von Lechler gewählte Prälat von Weit brecht wird vereidigt. Punkt I derTagesordnung betrifft eine Eingabe des Kunstschülers Hollenberg und Genossen. Berichterstatter istSchmidt - Maul­bronn. Die Kommission beantragt Uebergang zur Tagesordnung. Minister von Sarwey bezeichnet diesen Beschluß der Kommission als die beste Antwort auf die Eingabe der Kunstschüler. Zu dem Gegenstände sprechen noch Haußmann-Balingen und Kanzler v. Weiz­säcker. Es wird Uebergang zur Tagesordnung beschlossen. Der zweite Punkt der T.-O. betrifft eine Eingabe der Werkmeister Württembergs, die III. Klasse der Baugewerkschule in Stutt- gart für das Winterhalbjahr wieder einzuführen. Berichterstatter ist Kloß-Stuttgart (Stadt). Der Antrag der Kommission geht dahin, die Eingabe der Regierung zur Erwägung zu über- geben, ob es nicht möglich gemacht werden könnte, einen Teil der III. Klassenabteilung in den Winter und einen Teil der IV. Klassen­abteilung in den Sommer zu verlegen. Die Abga. Kiene und Vogler stellen den Antrag, die Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu übergeben. Abg. Gabler-Nürtingen ist für diesen letzteren Antrag. Direktor Walter und Minister von Sarwey sind nicht grund­sätzlich gegen den Antrag Kiene-Vogler; jedoch giebt der Minister zu bedenken, daß die Wieder- Verlegung der III. Klasse in den Winter den Anbau von 2 Flügeln an der Anstalt nötig machen würde, was etwa 150000 erfordern würde. Der Antrag Kiene-Vogler wird nach einer weiteren kurzen Debatte angenommen. Nächste Sitzung Mittwoch Vormittag 9 Uhr. T. O.: Bericht der Justizgesetzgebungskommission über den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Polizeistrafrecht.

Stuttgart, 22. Nov. Der Herzog Robert, Bruder des Herzogs Albrecht, ist am Freitag nachmittag auf dem Cannstatter Wasen vom Pferde gestürzt. Der Herzog konnte sich noch zu Pferd nach seiner Wohnung begeben, Verlor aber alsbald infolge Gehirnerschütterung das Bewußtsein. Auf Anordnung seines sofort benachrichtigten Bruders Albrecht wurde er noch im Laufe des Abends nach dem Kronprinzenpalais überführt. Erst Samstag nachmittag ist das

Bewußtsein wieder zurückgekehrt, die Nacht vom Samstag auf Sonntag war gut, der heutige Zustand ist ein befriedigender.

Die Familie unseres Reichstagsabgeordneten Siegle ist von einem schweren Schicksalsschlag betroffen worden. Die Zweitälteste Tochter, die sich vor kurzem mit einem bayr. Offizier. Frhr. v. Feilitzsch, verlobt hatte und im Januar Hochzeit haben sollte, ist am Samstag in Ludwigshasen, wo sie zu Besuch weilte, durch einen Unglücksfall (in Folge Gasausströmung) jäh dahingerafft worden. Der schwergeprüften Familie, insbesondere dem selbst von langwieriger Krankheit noch nicht völlig wieder hergestellten Vater, wendet sich allgemeine Teilnahme zu.

Stuttgart, 22. Novbr. Heute ver­starb hier im Alter von 74 Jahren Direktor Dr. Oskar v. Fraas, welcher sich um die Geologie Württembergs und den derzeitigen Stand des hiesigen Naturalienkabinets große Verdienste erworben hat. Der Verstorbene ge­noß in der wissenschaftlichen Welt, auch des Auslandes, hohes Ansehen.

Stuttgart. 22. Nov. In der heutigen Sitzung des Gemeinderats wurde wiederholt in mehrstündiger Beratung über die Rathaus­bau f r a g e verhandelt, ein endgiltiger Beschluß jedoch nicht gefaßt, sondern vielmehr beschlossen, eine zweite Lesung in dieser Angelegenheit vor- zunehmcn, aber erst im Januar nächsten Jahres, wodurch der neugewählte Gemeinverat mit der Sache betraut wird. Bei dem erbitterten Kampfe in der Bürgerschaft, ob das neue Rathaus an die Stelle der bisherigen Legionskaserne zu stellen sei, oder an die Stelle des bisherigen Rathauses, wird also die bevorstehende Gemeinderatswahl von dem Gesichtspunkte der Rathausbaufrage vorgenommen werden.

Stuttgart, 20. No». Gestern Abend wurde ein hiesiger Po st Praktikant wegen Unterschlagung einer größeren Anzahl von Briefen und Beraubung derselben sestgenommen.

Tübingen Die Schwurgerichts­sitzungen des IV. Quartal beginnen hier am Dienstag den 28. Dezember d. I. vorm. 9 Uhr unter dem Vorsitz des Landgerichtsrats Kohl- Hund.

Böblingen, 23. Nov. Das gestern amtlich bekannt gegebene Ergebnis der Land­tagswahl vom 19. lautet wie das bereits am 20. mitgeteilte. Die Stichwahl findet am Donnerstag den 2. Dezember statt.

Wie in allen württemb. Städten, wo die Sozialdemokratie eine größere Anzahl Anhänger besitzt, besteht auch in Göppingen ein Kon­sum-Verein, der seinen Lieferanten zumutet, die Konsumvereinsmitglieder billiger zu bedienen, als andere Leute, d. h. elfteren Abnehmern einen Rabatt zu gewähren, der den Nichtkonsum­vereinlern nicht gewährt werden darf. Dieser wilde Egoismus des Göppinger Konsumvereins hat die Göppinger Metzger veranlaßt, ihre Lieferantenvertiäge auf den 1. Dez. zu kündigen. Darob wilde Erregung bei den Mitgliedern des genannten Vereins. Letzterer will einen eigenen Konsum-Metzger anstellen, aber die Metzger­genossenschaft hat das Recht, einem solchen die Benützung des Schlachthauses zu versagen, und da die Hausmetzgerei verboten ist, so hat sich der Konsumverein bereits als Mitglied der Metzger- genossenschaft angekündigt und will im Fall der Nichtannahme dieses Gesuchs sein angebliches Recht bis bei den höchsten gerichtlichen Instanzen erstreiten. Es scheint geradezu lächerlich, wenn die Göppinger Sozialdemokraten für sich billigeres Fleisch verlangen, als die andern Einwohner es erhalten können. Einstweilen wollen die Sozialdemokraten diejenigen Metzger, welche zugleich eine Wirtschaft betreiben, boy- koltieren. Falls die Metzger je bei den Ge­richten unterliegen sollten, so werden sie durch den Göppinger Konsumverein zweifelsohne völlig ruiniert werden; übrigens hat es ja die Sozial­demokratie allenthalben auf die Zerstörung deS Mittelstandes abgesehen.

Fortsetzung in der Beilage.

Redaltion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neue »bürg.