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Meitclge zu Ar. 181 des Knzthälers.
Neuenbürg, Donnerstag den 18. November 1897.
Vermischtes.
Wie Für st Bismarck ein Gegner der Spielbanken wurde, davon weiß der „Bär" in seiner jüngsten Nummer nach den Mitteilungen eines ehemaligen Kroupiers aus Baden-Baden folgende Geschichte zu erzählen: Im Laufe eines Gespräches über die Aufhebung der Spielbanken und deren Unterdrückung durch Preußen äußerte der alte Praktiker.' „Ich könnte Ihnen wohl sagen, wer Schuld daran hat; das ist lediglich die Einwirkung des Fürsten Bismarck." — „Natürlich!" wurde ihm entgegnet, „er ist ja Ministerpräsident des preußischen Staates." — „Allerdings, aber ich weiß noch eiaen zweiten Grund, der aus einem persönlichen Erlebnis beruht." erwiderte der alte Herr. „Es war im Jahre 1865. Damals waren viele Fürsten und Staatsmänner in Baden-Baden versammelt. Ihre Anwesenheit lockte auch eine Menge anderer Persönlichkeiten hin, und wir hatten eine glänzende Saison. Die Spielsäle waren stets überfüllt, und neben den Professionsspielern sah man eine Menge Leute, denen man sonst nicht so häufig am Spieltisch begegnet. Auch die Herren von der Diplomatie erschienen öfter, und bald kannten wir die bedeutenderen vom Ansehen, denn wenn sie auch nicht alle spielten, so sahen sie doch häufig dem Spiele zu. Unter diesen Herrn fiel besonders eine große Gestalt auf, ein Mann von strammem Aeußeren, bekleidet mit einem knappen, grauen Reilrock und das Haupt beim Eintritt zumeist von einem großen Schlopphut beschattet. Das war Herr v. Bismarck, der preußische Ministeipräsident. Manchmal trat er an den Spieltisch und legte fünf Napoleons auf eine Karte, ohne sich um das Spielresultat recht zu kümmern, setzte vielmehr seine Wanderung durch den Saal fort und trat nur ab und zu an den Tisch, um zu sehen, ob er gewonnen oder verloren. Hatte er verloren, so setzte er wieder fünf Napoleons, aber nie mehr. Nun spielte eines TageS ein junger norddeutscher Baron, der sich mit seiner wunderschönen Frau auf der Hochzeitsreise befand, mit großer Ver- wegenheit, so daß er allgemeines Aufsehen erregte. Im Anfang vom Glück begünstigt, verlor er bald große Summen; aber je mehr er verlor, desto toller pointierte er. Vergebens suchte die junge Frau ihn hinwegzuziehen; er wich und wankte nicht. Nach einem größeren Verluste tastete er mit nervöser Hast in die Tasche und setzte mehrere tausend Franken. Als der Kroupier sein eintöniges „Nessiours, le jeu est kait" ertönen ließ, sammelte sich alles um den zitternden Baron. Auch Herr v. Bismarck trat hinzu. Die Karte schlug um — wieder hatte der Unglückliche verloren. Da wandte er sich zu seiner schluchzenden Frau und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie ging voran, er folgte. Plötzlich vernahm man einen leisen Knall — und der junge Mann sank mit durchschossenem Kopse zu Boden. Bor der Leiche aber stand mit weit- geöffneten Augen auf den Selbstmörder hinschauend» das junge, schöne Weib, die Hände angstvoll vor sich hingestreckt. Dann tönte ein entsetzlicher Schrei durch den Saal, und wie vom Blitz getroffen stürzte die junge Frau zur Erde nieder. Von allen Seiten liefen Diener herbei, um den Toden und die Ohnmächtige zu entfernen. Neben mir Hörle ich Herrn von Bismarck sagen: „Diese Halunkenwirtschaft muß ein Ende nehmen!" — Sieben Jahre später gab es in Preußen keine Spielbank mehr.
Bon unfern Nachba-rn. In Paris ist es verhältnismäßig still geworden im Fremdenverkehr, zumal im Sommer; da sind denn auch die Deutschen recht willkommene Gäste, und weit entfernt, ihnen unfreundlich zu begegnen, sind die Pariser klug genug, auch deutsches Geld im Fremdenverkehr nicht gering zu achten. Mit einem Pariser Kutscher hatte ein Freund unseres
Blattes sogar eine recht vertrauliche Aussprache. An dem Dialekt erkannte unser Rosselenker alsbald den Deutschen, und er gab sich ihm auch als einen ehemaligen deutschen Gefangenen zu erkennen. Er bedauerte fast, den Preußen schon nach zweitägiger Gefangenschaft bei Sedan entwischt zu fein, sonst wüßte er mehr von Deutschland, für das er ein großes Interesse an den Tag legte. Indem er nun seinen Fahrgast aufs freundlichste über alle Pariser Sehens- Würdigkeiten unterwies, holte er aus ihm möglichst viel über Deutschland heraus als Gegengabe. „Nicht wahr, Ihr Kaiser ist noch jung?" — „Ja!" — „Möchte ihn wohl einmal sehen! Wir müßten auch wieder einen Kaiser haben. Hier geht alles zurück, cs ist kein Luxus mehr in Paris. In Deutschland herrscht wohl Orb- nung, aber hier sind viele Diebe!" Als sich unser Landsmann ängstlich umsah, da man gerade in einer weniger belebten Straße fuhr, lächelte der Franzose überlegen und sagte: „Nicht hier, ich meine, in den oberen Kreisen I" Dann wollte er genauer wissen, wie die Verwandtschaft des deutschen und russischen Kaisers sei und was Frankreich wohl von Rußland zu erwarten habe. Mit Begeisterung sprach er von dem Besuch des Zaren in Paris. Damals hat es eben auch ein Droschkenkutscher geschmeckt, was cs heißt, Hosholtcn in einer Hauptstadt; du fällt auch für das Volk etwas ad.
Berlin, 12 . Nov. Der hiesigen Ober- postdirektion werden demnächst 2 Motorwagen vorgesührt werden, die zur Beförderung von Briefschaften und Paketen nach den Postämtern und Bahnhöfen bestimmt sind. Die Motorwagen sind dem Aeußern nach den jetzt im Gebrauch befindlichen Wagen nackgebildet und können von einem Schaffner (ohne Begleiischoffner) bedient werden. Die Einrichtungen sind, wie der „Conf." meldet, so getroffen, daß die bisherigen Post- wagen in Motorwagen umgewandclt werden können. Die ersten Versuche mit diesen Postmotorwagen sind von der Postbehörde in London gemacht worden. Sie sollen sich so bewährt haben, daß eine Anzahl von Motorwagen zur Einführung gelangt, nicht allein weil ihre Bedienung bedeutend billiger ist, sondern auch, weil sie bei weitem schneller fahren können, als die mit Pferden bespannten Wagen.
Maggi's Suppenwürze halte der Drogist Heinrich L. von Barmen im Mai d. I. dadurch verfälscht, daß er sie mit einer wässerigen Lösung beschädigter Bouillonkapseln vermischte. Dieses Gemisch halte er dann noch als bessere Qualität zu erhöhten Preisen verkauft. Dafür wurde er am 30. Juli zu 30 vU Geldbuße verurteilt. Gestern stand er wegen desselben Vergehens abermals vor der Strafkammer. Die Polizei hatte einige Zeit nach der Beschlagnahmung der Brühe nochmals eine Flasche Maggi's Würze von ihm holen lassen, und die chemische Untersuchung hatte ergeben, daß auch diese mit 30°/» und Kochsalzzusatz gefälscht war. L. meinte, es müsse das noch ein Rest der früheren Mischung sein, der irrtümlich unter die guten Würzen gekommen sei. Das Gericht hielt diesen Einwand für nicht widerlegt und verurteilte ihn daher nur wegen fahrlässigen Verkaufs der gefälschten Würze, diesmal aber zu 50 viL Geldbuße oder 10 Tagen Hast.
(Ein Prozeß wegen eines Glases Bier.) Ein solcher Prozeß, der seinen Anfang am 19. November v. I. in Heilsbronn (Bayern) genommen hatte, endigte vor einigen Togen am Landgerichte zu Ansbach. Der Sachverhalt war folgender: Ein früherer Sparkassengehilse aus Windsbach hatte in Gesellschaft mehrerer Herren im Eisenbahnrestaurant in Heilsbronn ein Glas Bier getrunken. Als er sich am Bahnhof befand, um abzureisen, kam der Wirt und verlangte das Glas Bier bezahlt, worauf jener be
teuerte. daß er den Betrag, 12 schon auf den Wirtstisch hingelegt habe. Nach Hin-- und Herreden, wobei der Wirt auch beleidigend aufgetreten sein soll, zahlte der Windsbacher Herr die 12 4 Z nochmals. Doch stellte er, in Windsbach angekommen, Beleidigungsklage gegen den Restaurateur; weiter strengte er eine Klage an wegen Herausgabe der nochmals bezahlten 12 Die Beleidigungsklage kam in zwei Instanzen zum Austrag, während die Forderungsklage mit 12 vor einigen Tagen ihr Ende damit nahm, daß der Restaurateur Vs und der Herr aus Windsbach Vs der Kosten zu zahlen hat. Die Kosten, darunter für 2 Rechtsanwälte, belaufen sich aus 2—300 »- 6 , so daß das Glas Bier für beide Teile sehr hoch zu stehen kommt. Zeugen hatten gesehen, daß die 12 ^ auf dem Wirtstische lagen, niemand aber Halle bemerkt, daß die 12 L vom Tische weggenommen wurdrn.
Der Hungerkünstler Succi hat sich vor einer Woche in Rom um 12 Uhr nachts in ein riesengroßes Weinfaß einmauern lassen. Vorher hatte er die römische Presse zu einem Festessen in die Gambrinushalle eingeladen. Bei diesem gab er in der Unterhaltung ganz merkwürdige Geschichtchen zum Besten. Er sei einmal Reisender für ein talienisches Handelshaus in Afrika gewesen. Als er eines Tages dort, über den schlechten Geschäftsgang nachdenkend, in seinem Zimmer saß, habe er gesehen, wie ein auf der Erde liegendes Buch, eine Bibel, aus den Tisch sprang! Dieses Phänomen habe ihn von dem Vorhandensein einer den meisten Menschen unbekannten Kraft überzeugt und ihn auf den Gedanken gebracht, diese Kraft in seinen Dienst zu stellen Er behauptet, daß es lediglich diese Kraft ist, die ihn in den Stand setzt, sechzig Tage zu hungern, ohne — und dadurch unterscheide er sich noch seiner Ansicht von allen anderen Hungerkünstlern — das geringste körperliche und geistige Unbehagen zu empfinden. Ueber die Ansichten der Physiologen, die ihn beobachtet haben, lacht er verächtlich. Er ist ein überzeugter Spiritist und meint, daß aus seinen Fastenübungen eine neue Religion hervorgehen werde. Natürlich wurde über diese schnurrigen, aber mit großem Ernst vorgetragenen Bekenntnisse Succis weidlich gescherzt und gelacht. Und die Heiterkeit der Gesellschaft stieg auf ihren Gipfel, als der merkwürdige Heilige versicherte, er sei, seitdem er faste, bedeutend dicker geworden. (!?!) In feierlicher Prozession zogen um Mitternacht die Gäste» Unter denen sich auch die Fürstin Potenzani befand, die eigens zu diesem Zwecke hierher gekommen war, zu dem großen Faß, dessen vordere Seite durch eine Glasscheibe verschlossen war und in dem sich ein Sopha, ein Tisch, ein Schreibzeug und mehrere Bücher befanden. Es wurden noch ein Krug mit Wasser zum Waschen und mehrere Flaschen Mineralwasser hincingestellt, dann ließ sich Succi wiegen- Er wog „mit der Zigarre", wie ein Spaßvogel unter den Gästen bemerkte, 72 Kilogramm. Darauf nahm er unter allgemeiner Heiterkeit für fünfzehn Tage Abschied und kroch in das Faß. Die Oeffnung, durch die er hinein- sci. lüpfte, wurde verschlossen. (??)
(Der ausgcknobelte Reisende.) Das Fach- blalt „Küche und Keller" schreibt: Eine heitere Szene spielte sich kürzlich auf dem Bahnhose in N- ab. Einem ankommenden Reisenden wurde von sämtlichen anwesenden Hotel-Hausdienern das von jedem vertretene Hotel zum Absteigen angcbotcn. Als der Reisende erklärte, daß er nur in einem Hotel nahe dem Bahnhof wohnen wolle, lagen natürlich alle Hotels in der Nähe. Um dem Konkurrenzstreite ein Ende zu machen, schlug ein schlauer Hausdiener vor, den Reisenden „auszuknobeln", d. h. der Reisende solle in dem Hotel absteigcn, dessen Hausdiener das längste Streichholz ziehen würde, womit sich