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Karlsruhe, 5. Novbr. Zur Erhaltung des Heidelberger Schlosses werden fortgesetzt alljährlich große Summen aus Staatsmitteln aufgewendet. Damit die Figuren an der Fassade des Otto Heinrich-Baues vom Verfall bewahrt bleiben, werden sie herabgenommen, hierher gebracht und nachgebildet. Diese Nachbildungen kommen dann an die Stelle der Originale in die Nischen, während die Originale aufbewahrt werden.

Mannheim, 13. Nov. Ein sehr schweres Eisenbahnunglück trug sich gestern Abend gegen 8 Uhr auf der Station Biblis der hessi­schen Ludwigsbahn zu. Ein leerer Arbciterzug rannte in voller Fahrt auf einen in der Station haltenden Güterzug. Der Anprall war ein äußerst heftiger. 12 Wagen wurden vollständig zertrümmert. Von dem Personal des Güterzuges erlitten 3 Personen leichte Verletzungen, während der Lokomotivführer des Arbeiterzuges lebens­gefährliche Verletzungen davontrug. Die Ursache des Eisenbahnunglücks ist nicht bekannt, jedoch vermutet man falsche Weichenstellung.

Müllheim (Baden), 12. Nvv. In dem Orte Mauchen bei Schlierigen wurde der Schullehrer Leuthner, durch ausgeströmte Kohlengase getötet, in seinem Bette liegend vorgesunden, während die Ehefrau bewußtlos war und die Kinder von zwei und drei Jahren gesund in ihren Betten schliefen. Die Frau ist später wieder zum Bewußtsein gekommen. Auf­fallend ist, daß gerade die kräftigere Natur des Mannes diesen Gasen zum Opfer gefallen ist, während die schwächere der Kinder ihnen Wider­stand behaupten konnte. Das Unglück soll durch einen sogenannten amerikanischen Füllofen ent­standen sein, der die entstandenen Gase nicht durch den Kamin von sich leiten ließ.

Das große Los der preußischen Klassen- lotterte, welches auf Nr. 141279 gezogen wurde, ist nach Breslau in die Kollekte von Hans Furbach gefallen. Das Los wurde in Vierteln gespielt, an denen lauter kleine Leute beteilig^ sind. Unter den Gewinnern sind z. B. ein Weichensteller, ein Dreher, sowie ein Kommis' aus einem Breslauer Kolonialwarengeschäft. ^

Neustadt a. H.» 12. Nov. Fortuna hat hier ein gutes Werk verrichtet. Der arme verwitwete Korbflicker Hoffmann hier gewann mit einem einzigen Los in der bayerischen Veteranenlotkerie 10 000 Mark. Der alte Mann, der eine größere Anzahl Kinder hat, ist natürlich voller Freude.

VomoberenHaardtgebirge, 12. Nov. Der 1897er hat nun vergoren und entpuppt sich als ein brauchbarer Mittelwein. War im Herbst das Geschäft schleppend, so ist es jetzt um so lebhafter, es werden fast täglich Verkäufe bei steigender Tendenz abgeschlossen. F o rst a. d. H. Der 1897er liegt nun im Keller. In quantitativer Hinsicht hat er viele Hoffnungen, die man mit Recht auf ihn setzte, getäuscht. Das anhaltende Regenwetter im September und der massenhaft austretende Sauerwurm haben das Quantum so reduziert, daß z. B. die Rieslingernte in den Lagen Kirchenstück, Jesuiten- garten, Ungeheuer im Durchschnitt per Morgen (24 Ar) kaum */r Fuder (500 Llter) ergab. Beim Mosten aus besseren und besten Gewannen wurde ein sehr hohes Gewicht festgestellt, da- gegen Säurezahlen von bis 12 pro Mille. Die Preise bewegten sich in bekannten Linien. Zur Zeit ist ein Stillstand im Verkaufsgeschäft ein­getreten. Es wurden hier mehrfach Partieen eingelegt, deren Besitzer nunmehr eine zuwartende Stellung bezüglich des Verkaufs einnehmen. Auch nach 1896ern ist momentan keine Frage.

Württemberg.

Die Verfassungskommission der Kammer der Abgeordneten beschäftigte sich gestern mit der Abschaffung der Stichwahlen. Der Berichterstatter will die Einrichtung der Stichwahlen erhalten wissen, der Mitbericht- erstatter ist dagegen. Für die Beibehaltung der Stichwahlen erklärt sich die Volkspartei, dagegen alle anderen Parteien. Bon einem Mitglied wird gewünscht, daß die relative Mehr­heit genügen soll, wenn mindestens zwei Drittel der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben

haben. Ueber das Wahlgesetz ist der Abg. Kiene Berichterstatter. Die Aenderungen des bisherigen Rechts bestehen wesentlich in der Einführung von Wahlcouverten, der Ausdehnung der Abstimmungszeit bis abends 7 Uhr und der Abschaffung der Stichwahlen. Der Bericht­erstatter ist mit diesen Aenderungen einverstanden und bringt ferner Wünsche bezüglich der Legitimation der Abgeordneten vor. Das Eingehen auf die Einzelberatung wurde ein­stimmig beschlossen, worauf sich die Kommission vertagte.

S t u t t g a r t, 13. Nov. Die Steuer­kommission der Kammer der Abgeordneten erledigte am letzten Freitag den Gesetzesentwurf über die Abänderungen des Katastergesetzes von 1873. Hiezu lag ein Antrag der Volkspartei vor, die für die Staatssteuer beschlossene Re­duktion des Grundkatasters um 20°/» und des Gewerbekatasters um 50°/ auch für die G e - mein de-Besteuerung als maßgebend zu erklären» vorbehältlich abweichender Bestimmungen in dem Gemeindesteuergesetz für besondere Aus­nahmezustände. Im Falle der Annahme dieses Antrags will die Volkspartei dem Beschlüsse auf eine Verminderung der beiden Kataster beitreten und ihren Antrag auf Umwandlung der Ge­werbesteuer in eine Betriebskapitalsteuer zurück­nehmen. Ferner beantragt die Volkspartei den Abzug beim Grundkataster auf die Waldungen nicht auszudehnen. Letzterer Antrag wurde mit 7 gegen 4 St. abgelehnt, dagegen der Haupt­antrag, die Katasterabzüge auf die Kommunal- besteuerung auszudehnen, mit 9 gegen 2 Stimmen angenommen.

Hedelfingen. 13. Nov. In der ver­flossenen Nacht ist beim Gemeindepfleger in Hedelsingen eingebrochen und die Summe von etwa 900 bestehend in vier 100 Markscheinen, das andere in Gold, entwendet worden. Die Thäter ließen verschiedene Brechwerkzeuge, sowie eine Haue zurück. Da dieselben bekannt sind, werden sie sich ihrer Freiheit nicht mehr lange erfreuen dürfen. ,, , -

Leutkirch, 14. Nov. Vor einigen Tage« machten sich einige junge Männer von hier den Spaß, den Maler W. dahier nachts in ein Seil zu verwickeln. Maler W. fiel dadurch derart zu Boden, daß er eine schwere Gehirnerschütterung erlitt, an welcher er gestern gestorben ist. Der. unüberlegte Spak^wird ein teures Nachspiel! haben. ^

Neuenbürg, 10. Nov. 1897.

Die Jahresberichte der Handels- «nd Gewerbekammern. i.

Wie alljährlich, so hat auch für das Jahr 1896 die Württemb. Zentralstelle für Gewerbe und Handel die einzelnen Jahresberichte der Kammern zusammengefaßt und kürzlich in einem eigenen Werke erscheinen lassen. Den Darleg­ungen entnehmen wir folgendes: Gleich im An­fang wird seitens der Handelskammer Rottweil Klage erhoben, daß die von den einzelnen Kammern erbetenen Berichte seitens der Industriellen nur in ungenügender Zahl und mit nicht entsprechen­dem Inhalte einlaufen. Dies ist leider nrcht nur in Württemberg der Fall, und die Mahnung, daß das Reich und der Einzelstaat eine richtige Wirtschaftspolitik nur dann treiben können, wenn sie über die Wirkungen ihrer Maßregeln auf das genaueste unterrichtet werden und daß es gerade eine der Hauptaufgaben der Handels­kammern ist. den Regierungen die Kenntnis dieser Wirkungen zu vermitteln, erscheint ebenso berechtigt als für die weitesten Kreisen geltend. Verschiedene Industriezweige sind mit den der- maligen Handelsverträgen mit der Schweiz und Oesterreich unzufrieden und empfehlen, zur Vor­bereitung der künftigen Verträge schon jetzt einen Zollbeitrag zu schaffen, dagegen spricht die Uhrenindustrie des Schwarzwalds sich all­seitig günstig über den russischen Handelsvertrag aus. Bon einem aggressiven Vorgehen des deutschen Reichs gegenüber Amerika wird seitens der Stuttgarter Handelskammer gewarnt, da eia solches sofort zu Retorsionen verwertet würde. In einem Zollkrieg würden beide Parteien schweren Schaden erleiden, am meisten aber

Deutschland. Trotz der exorbitanten Zölle nimmt die Union doch immer noch 8 bis lO Proz. unserer Exportfabrikate auf. Der Mühlen» industrie werden von der Stuttgarter und Reut- linger Kammer einige Worte gewidmet. Beide klagen über die starke Konkurrenz der Export­länder Ungarn, Nordamerika, Rußland. Zu diesen geselle sich seit neuestem Frankreich, dessen Mühlenindustrie infolge der Einführung einer hohen Exportprämie der deutschen Mehlausfuhr erfolgreiche Konkurrenz mache.

Der Wasserrechtsentwurf wird von den Kammern mit Freuden begrüßt. Mit Aus­nahme der Rottweiler Kammer, welche den Be­griff der öffentlichen Gewässer anders gefaßt haben möchte, beziehen sich die Ausstellungen nur auf Nebensächliches. Bor allem tritt die Stuttgarter Kammer für Beibehaltung der Kreis­regierungen und gegen die Errichtung eines Wasseramts ein. Die Ausführungen über die Organisation des Handwerks nehmen einen sehr großen Umfang ein, die Stellungnahme der einzelnen Kammern zu dem Gesetz sind bekannt. Es wird der Standpunkt einer ablehnenden Haltung gegenüber der Zwangsinnung nnd dem Befähigungsnachweis eingehend begründet. Die Kammern sprechen sich übereinstimmend ent­schieden gegen die im Reichstage gestellten Anträge Plötz und Genossen in Sachen der Kunstweinbesteuerung" aus, ebenso waren sie gegen eine Beschränkung in der Fobrikation von Margarine. Bei der Erörterung der Frage der Personentarife wird auf die große Be­liebtheit hingewiesen, deren sich die Kilo meter­hefte in Baden erfreuen (es wurden im Jahre 1895 72794 Hefte für netto 1841701 «-L ausgegeben) und der Wunsch ausgesprochen, solche allgemein eingeführt zu sehen.

Manches Interessante bietet die allgemeine Uebersicht des Erwerbslebens im Jahre 1896. Die Stuttgarter Kammer sagt: Das Jahr 1896 chqt für Handel und Industrie ausreichende Be­schäftigung und ein befriedigendes Erträgnis gebracht; die Aufwärtsdewegung, die 1895 ein­getreten war, setzte sich fort und wurde durch politische Vorgänge nicht ernstlich berührt. An ;dem befriedigenden Geschäftsgang haben im ^ großen und ganzen auch die Mittel- und Klein­gewerbe teilgehabt, mit Ausnahme der im land­wirtschaftlichen Bezirke ansässigen, sowie ver­schiedener seit Jahren bedrängter Betriebe, wie z. B. der Bierbrauerei und Kundenmüllerei. Derselbe Zug geht durch die Berichte der übrigen Kammern. Ueberall besonders m der Groß­industrie wird ein erfreulicher Fortschritt fest­gestellt, mit wenigen Ausnahmen. Die Rott­weiler Kammer äußert sich:Bei einer zu- .sammenfassenden Beurteilung des Geschäftsgangs von 1896 wird man von vornherein auf die Ausstellung einer kurzen allgemein gültigen Censur verzichten müssen. Dazu liegen unsere Verhältnisse nicht einfach genug. Für die Lage vieler unserer Gewerbetreibenden giebt das Blühen oder Gedeihen der Landwirtschaft den Ausschlag. Da es nun dieser schlecht ging, fehlt es auch in den Berichten, insbesondere aus dem Oberamt Sulz, nicht an Klagen.* Doch ist im allgemeinen die Anschauung wohl berechtigt, daß Handel und Gewerbe in Württemberg sich befriedigender Verhältnisse zu erfreuen haben, daß es an geeigneten Einricht­ungen und Hilfsmitteln zu ihrer Bethätigung und Förderung nicht fehlt und daß das Land in seinen Handels- u. Gewerbekammern insbesondere zweckmäßige Organe zur Geltendmachung von zweckmäßigen Anschauungen und berechtigten Wünschen besitzt.

Bon der Handelskammer Calw wird be­richtet:Eine Anzahl von Industriellen ist in das Berichtsjahr mit günstigem Geschäftsgang eingetreten, welcher sich im Jahre 1895 andahnte und im Jahre 1896 fortsetzte. Im großen Ganzen kann der Geschäftsverlauf für die Mehr­heit der Industriezweige als ein befriedigender bezeichnet werden. In einer Reihe derselben war der Absatz ein reger dp- verhältnismäßig günstigen Verkaufspreisen. Vor allen waren es die in unserem Handelskammerbezirk stark ver­tretenen Holzschneidewerke, welche bei der ganz außergewöhnlichen Bauthätigkeit in den Groß-