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hatten die Verkäufer die Zusage gegeben, bis zum Samstag keinen Abschluß einzugehen und nun traf heute Montag die Antwort ein, daß die Straßenbaudirektion auf das Anwesen verzichtet. Die Verhandlungen können nun event. ihren Fortgang nehmen.
* Calw, 1.Dez. Das Prüfungskonzert der Schüler von Hrn. Stadtmusikus Frank erfreute sich eines zahlreichen Besuches und war in allen Teilen wohl gelungen. Die Stückfolge umfaßte 18 Nummern und bestand aus Orchester-, Klavier- und Violinvorträgen. Unter den Orchesterstücken heben wir besonders hervor „Am Meer" von Schubert, „O Sanktissima" von Krön, „Albumblätter", Potpourri von Rum und „Finnländischer Reitermarsch". DaS Zusammenspiel zeugte von tüchtiger Schulung, fester Taktbildung und präzisem Vortrag. Bei den Einzelvorträgen konnte man unschwer den Stufengang vom Leichten zum Schweren erkennen, ebenso unverkennbar war der Fortschritt in der Auffassung und in der technischen Sicherheit und Gewandtheit. Tie Schüler gaben ihr Bestes und entledigten sich ihrer Aufgabe mit Lust, Liebe und Geschick. In der Schlußnummer „Ungarischer Tanz" von Eichhorn bewies sich der Leiter des Konzerts als trefflicher und ausgezeichneter Violinspieler, der die schwierigsten Passagen mit Leichtigkeit und Eleganz überwand. Sämtliche Vorträge wurden von den aufmerksamen Zuhörern stürmisch applaudiert.
Mönsheim, 29. Nov. Auf eine bedauerliche Weise kam der 61 Jahre alte Waldschütz Hagenlocher um's Leben. Derselbe war in Pforzheim. Auf dem Rückweg wollte er heimfahren. Beim Besteigen eines Wagen rutschte er aus und siel vom Wagen. Anscheinend hat er innere Verletzungen erlitten, denn obwohl er noch ganz munter war, als er heimkam und auch noch lies, lag er heute früh tot im Bett. Er hinterläßt acht zum Teil noch unversorgte Kinder.
Ebingen, 28. Nov. Nachdem vorgestern Hotelier Louis Brecht hier sein altrenomiertes und insbesondere von Reisenden vielbesuchtes Hotel zur Post einer Versteigerung ausgesetzt hatte, wobei jedoch nur 117,000 ^ geboten wurden (es sollten wenigstens 100,000 mehr erlöst werden), hat derselbe gestern den Konkurs angemeldet.
Köln a. Rh., 29. Nov. Ter gestern Abend 7 Uhr 10 Min. in Köln fällige Personenzug von Herbesthal ist zwischen den Stationen Buir- Horrem entgleist. Tie Maschine, 2 Packwagen und 3 Personenwagen 1. Klasse sind beinahe vollständig zertrümmert. Eine Fran wurde getötet und deren Mann die Brust eingedrückt. 5 Personen wurden schwer und 13 leichter verletzt. Die letzteren wurden, nachdem sie verbunden waren, über die Strecke Büren—Neuß nach Köln geschafft.
Köln, 29. Nov. Zu dem Eisenbahnunglück bei Horrem erfahren wir, daß einer der schwer Verwundeten heute Vormittag gestorben
ist. Der Personenzugverkehr wird noch immer durch Umsteigen bewerkstelligt. Heute Mittag hat sich eine Gerichts-Commission an Ort und Stelle begeben. Die vermutliche Ursache ist, daß eine auf dem Eisenbahnkörper gelagerte Schiene freventlich auf das Fahrgleis gelegt worden ist. Nach einer'Meldung der Kölnischen- sind bereits 5 Leichen geborgen. Die Zahl derjenigen, welche ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußten, soll über 30 betragen.
Köln, 30. Nov. Zu dem Eisenbahnunglück wird noch gemeldet, daß die Zahl der Toten heute 5 und die der schwer Verletzten 13 beträgt, und daß außerdem 13 Personen leichtere Verletzungen erlitten haben. Seit gestern Abend 8 Uhr sind die Geleise wieder frei.
Berlin, 29. Nov. Nach einer Meldung aus Wien erschien gestern in Lemberg von der ga- lizischen Kaufmannschaft ein Aufruf, in welchem die galizische Geschäftswelt aufgefordert wird, alle Handelsbeziehungen mit Deutschland abzubrechen und Waren die unentbehrlich sind, lieber aus England und Frankreich zu beziehen. Wer sich gegen diesen einmal gefaßten Beschluß wehrt, wird boy- cottiert. Die Restaurationen und Kaffeehäuser Lembergs wollen 1 bis 2 °/° ihrer Brutto-Einnahmen vom 1. bis 15. Dezember nationalistischen Sammlungen widmen.
Berlin, 30. Nov. Vor einigen Tagen wurden im Reichsbankgebäude einem Kassenboten 3500^M gestohlen. Die Summe ist gestern in einem Nebenraum in einem Winkel versteckt aufgefunden worden.
Potsdam, 29. Nov. Gestern Abend fand im deutschen Kaiser-Garten eine große öffentliche, hauptsächlich von den besseren Kreisen besuchte Volks-Versammlung statt, in der nach einem Vortrage des Reichstags-Abgeordneten Dr. Böckel folgende Resolution angenommen wurde: Die heute im deutschen Kaisergarten sehr zahlreich versammelten Mitbürger der zweiten Residenz des Reiches sprechen ihre tiefste Entrüstung aus über die grausame Kriegsführung der Engländer und erwarten, daß die Regierung Mittel und Wege findet um diesen Scheußlichkeiten schleunigst Einhalt zu gebieten sowie sich dafür zu verwenden, daß den in den Konzentrationslagern Darbenden eine menschliche Behandlung zu Teil werde. — Diese Resolution wurde an den deutschen Botschafter in London gesandt.
Basel. Vor dem Strafgericht spielte sich eine eigenartige Verhandlung ab. In Oberhof, bad. Amts Säckingen, fiel am 19. Okt. 1900 eine Bauernfrau Schlagcter, als sie Aepfel pflückte, von der Leiter und brach den Fuß. Dr. I. Baumann in Laufenburg (Schweiz) wurde gerufen und legte der Frau einen Gipsverband an. Am nächsten Tag stellten sich im Bein Schmerzen ein, die Haut wies schon brandige Stellen auf. Der Arzt wurde wieder gerufen, kam aber nicht. Erst auf wiederholtes Bitten kam er endlich am 5. Tag zu einer Zeit,
Die Gräfin benutzte die erste Gelegenheit, mit Lily „Mein liebes Kind," sagte sie mit anscheinender
über das Thema zu sprechen. Zärtlichkeit, „du hast doch
nicht dein Versprechen vergessen, „mein Töchterchen zu werden?"
„Nein!" erwiderte das Mädchen scheu und zitternd.
„Ich fürchte, Philipp beginnt ungeduldig zu werden; der September ist fast vorüber und er möchte r or Weihnachten heiraten. Was denkst du, wenn wir die Hochzeit auf Anfang November festsetzen?"
„O, das ist zu schnell, liebe Tante!" stvtt rte Lily erschreckt. „Wir haben ja noch gar nicht daran gedacht. Warum kann es nicht noch so bleiben, wie es jetzt ist?"
Die Gräfin runzelte ärgerlich die Stirne. „Höre, Lily, es scheint, daß du noch immer an jenen Unwürdigen denkst, der nicht mehr zu uns gehört. Aber achte wohl meine Worte! Ich werde nie zugeben, daß du Antony Melstrom heiratest. Er ist ausschweifend und undankbar und verkehrt am liebsten mit fchleäter Gesellschaft. Ueberdies hat er dir nicht einmal einen Namen zu bieten; also schlage ihn dir aus dem Sinn und denke lieber an deine Pflicht!"
„Ich will es versuchen," schluchzte Lily, „aber es ist so schwer. Verlange wenigstens nicht, daß ich jetzt schon einen anderen heirate, Tante!" fügte sie mit flehendem Blick hinzu, „es würde mir das Herz brechen!"
„Welch' ein Unsinn!" rief die Lady ungeduldig. „Ich kann solche sentimentalen Worte nicht anhören." — Damit verließ sie das Zimmer und begab sich zu Miß Paget, um mit ihr Rat zu halten.
„Ich weiß nicht, was ich mit den Beiden anfangen soll," sagte sie mit unverhohlenem Aerger, „sie sind geradezu verhext. Philipp ist ganz gleichgültig in Betreff seines Heiratsprojektes und Lily macht tausend Ausflüchte, um demselben zu entgehen."
da die brandigen Erscheinungen eine gefahrdrohende Ausdehnung aufwiesen. Der Gipsverband wurde gelöst und nun zeigte sich, daß das Bein nicht mehr zu retten war und selbst das Leben in Gefahr stand. Die Frau wurde sofort nach Freiburg verbracht und dort mußte das Bein am 8. Nov. amputiert werden. Der Ehemann Schlageter klagte den Arzt in Säckingen an, allein Dr. Baumann erschien nicht vor Gericht. Um Weiterungen zu entgehen, begab er sich nach Basel. Es wurden dann diplomatische Unterhandlungen eingeleitet, um die Aburteilung vor dem Strafgericht zu ermöglichen. Der Schweiz. Bundesrat sagte zu, und letzte Woche fand die Verhandlung statt. Sie dauerte von morgens 8 Uhr bis 4 Uhr nachmittags. Viele Zeugen belasteten den Arzt schwer. Hofrat Prof. Dr. Kraske in Freiburg stellte grobe Fahrlässigkeit fest. Ein Basler Arzt sagte milder aus. Der Staatsanwalt beantragte eine Geldbuße von 600 FrcS., der Verteidiger Freisprechung oder eine kleine Buße. Schließlich erklärte sich das Gericht für inkompetent. Es ist anzunehmen, daß die badische Regierung weitere Schritte unternimmt, um dem Recht zum Recht zu verhelfen.
AuS Locarno, 29. Nov., meldet die N. Zürch. Ztg.: Ein schreckliches Unglück hat sich gestern hier ereignet. Stadtbibliothekar Biedermann aus Winterthur mietete ein Schiffchen und fuhr mit seiner Frau und seiner 8jährigen Tochter auf den See hinaus. Dort tötete er seine beiden Begleiterinnen und brachte dann sich selbst um. Man ist über die Gründe dieser gräßlichen That noch durchaus im unklaren. — Aus Winterthur wird dem genannten Blatt dazu folgendes berichtet: Das Stadtpräsidium macht soeben folgende amtliche Mitteilung: Gestern Abend hat der Stadtbibliothekar Karl Biedermann in Locarno seine Frau, sein einziges 8jähriges Töchterlein und sich selber erschossen. Seit längerer Zeit hat er an Schlaflosigkeit schwer gelitten und in seiner Aufregung plagten ihn düstere Gedanken über seine Zukunft und Verzweiflung über das Schicksal seines gesundheitlich etwas schwächlichen lieben Kindes fürchterlich. Dem Drängen von Verwandten und Freunden nachgebend, sollte er Erholung suchen.
Wien, 30. Nov. In einem hiesigen Hotel hat in der letzten Nacht eine zugereiste fremde circa 30 Jahre alte Dame ihr dreijähriges Töchterchen und dann sich selbst erschossen.
Lemberg, 30. Nov. Gestern Abend versuchten eine Anzahl Studenten zwei Mal vor dem -deutschen Consulat zu demonstrieren. Die Polizei schritt ein und verhinderte die Ausschreitungen.
Haag, 1. Dez. In hiesigen Burenkreisen erwartet man mit Bestimmtheit die rasche Eröffnung von Friedens-Verhandlungen. Präsident Krüger soll sich bereits zum Friedensschluß bereit erklärt haben und zwar auf Grundlage des Londoner Vertrages vom Jahre 1881, welcher den Buren-
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„Sie muffen nicht vergessen, Milady," warf die Gesellschafterin in ungewöhnlich sanftem Ton ein, „daß sie beide einen harten Schlag erlitten haben."
„Wegen Antony? Gut, das gebe ich zu, aber habe ich nicht noch mehr erduldet ? Bedenken Sie doch, einundzwanzig Jahre für das uneheliche Kind einer anderen gesorgt zu haben — es ist wirklich unerhört!"
„Bereuen Sie es nicht, Milady!" erwiderte Miß Paget ernst. „Die unglückliche Mutter, die jene Jahre hindurch ihr Kind entbehren mußte, würde Sie sicher segnen für Ihre Freundlichkeit. Und Antony selbst wird nicht undankbar sein. Er ist vielleicht ein wenig leichtsinnig, aber er hat ein edles, gutes Herz."
„O Miß Paget, Sie haben von jeher seine Partei genommen! Ich bin nicht Ihrer Meinung, aber da wir ihn wohl kaum Wiedersehen werden, wollen wir uns seinetwegen nicht streiten. Geben Sie mir lieber einen Rat in Betreff Lily's und meines Sohnes!"
„Wie wäre es, wenn Sie sie eine Zeit lang von hier fortnehmen würden?" „Ich sollte Gardenholm verlassen?"
„Nun ja, — warum nicht? Eine kleine Veränderung würde allen gut thun, denn hier erinnert jeder Baum und jeder Stein die beiden an den verlorenen Jugendgespielen. Eine Reise ins Ausland würde Philipp auf andere Gedanken bringen, würde es Lily erleichtern, zu vergessen und durch das bedingte Zusammensein ließe sich die von Ihnen gewünschte Verbindung vielleicht eher erzielen."
„Sie sind ein Genie, Miß Paget! Treffen stets das Richtige! Ich glaube selbst, eine Luftveränderung wird das beste Heilmittel für alle Wunden sein, die das tragische Ereignis uns geschlagen hat. Es ist jetzt freilich nicht mehr ungeschehen zu machen, aber — offen gestanden — ich wünschte, mein Gatte hätte das Geheimnis, das Antony Melstrom betrifft, niemals enthüllt!"
(Fortsetzung folgt.)