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Erntedankfest.

Das Erntedankfest ist nicht bloß für den Landmann da, der die Frucht seiner Felder glücklich in die Scheune gebracht sieht, es ist ein Fest der Arbeit überhaupt. Wenn an dem Beispiel der Landarbeit, die Jahr für Jahr zur selben Zeit durch Bestellen, Säen und Ernten vollbracht wird und von Sonnenschein und Regen, Hitze und Kälte mehr abhängt als andere menschliche Thätigkeiten. es besonders offenbar wird, daß an Gottes Segen alles gelegen ist und alle menschliche Geschicklichkeit und Mühe nichts vermag ohne den, der von oben das Gedeihen giebt, so gilt doch diese Wahrheit überall, wo Menschenhände sich regen und Menschengeist geschäftig ist Wir stehen in der Arbeit, aber der unsere Arbeit lenkt, ist der Gott, der uns auf unseren Posten berufen hat, einen jeden dahin, wo er ihn brauchen kann und will.

Man kann heute vielfach hören, daß in unserem Volk der arbeitende Stand unterschieden wird von anderen Ständen, die man etwa die besitzenden, wohl gar die genießenden nennen hört. Eine größere Thorheit ist nicht denkbar. Daß, wer nicht arbeitet, auch nicht essen soll, ist ein Gesetz, das nicht auf einen einzelnen Stand beschränkt ist und darum nicht minder wahr bleibt, weil Tagediebe, Müßiggänger und Faulenzer, sich in jedem Stande so ziemlich in gleicher Anzahl finden. Arbeiten müssen wir alle, wenn wir nicht verkommen wollen; darin sind sich die Menschen aller Stände gleich. Und wenn die Menge ihres Besitzes verschieden ist, so ist es doch thöricht, zu verkennen, wie reich auch noch der Aermste ist, dem sein Schöpfer gesunden Leib und Geist, die Kraft, sich zu rühren, und die Lust zur Arbeit geschenkt hat, während großer Besitz eine schwere, ver- suchungs- und verantwortungsvolle Last ist, die würdig zu tragen nicht vielen gelingt. Der Genuß aber, den uns bas Leben bietet, hängt nicht ab von der Größe unseres Geldbeutels, sondern von unserer Fähigkeit zur Freude und zum Glück. Was das Herz dauernd froh macht und die Seele wahrhaft befriedigt, liegt dem Geringsten ebenso erreichbar nahe wie dem Höchstgestellten: es ist die Gewißheit, unter Gottes Hut und in seinem Dienste zu stehen.

Daran soll uns das Erntedankfest erinnern. Es ist keine Arbeit so unscheinbar und gering, sie steht unter GotteS Aufsicht und empfängt von ihm ihren Segen. Es ist kein Leben so verborgen und unbedeutend für Menschenaugen, der Herr kennt es und kann die Fülle seines Segens darauf ausgicßen. Was irdisch ist, besteht und gedeiht durch die Himmelskräfte, die darauf herniederströmen. Alle gute und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts. Wir wollen als seine Kinder ihm vertrauen und ihm dienen, daß wir auch täglich seinen Beistand spüren und im irdischen Thun himmlischen Segen genießen können.

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg. In neuerer Zeit treten die Bersandgeschäste mit ihren verlockenden Re­klamen in bedenklichem Maße hervor. Fast kein Tag vergeht, ohne daß den Zeitungen eine Empfehlungskarte von Cottbus oder eine Preis« liste eines Zigarrenversandhauses in Bremen und dergl. beiliegt. Da werden Offerten ge» macht mit den kühnsten Versprechungen. Ab­bildungen von einem Meer von Häusern mit einem halben Hundert Fabrikjchornsteinen ver­setzen den gutgläubigen Leser in den Glauben, der menschenfreundliche Versender sei der In­haber einer großen Fabrik.Der Zwischen­handel verteuere unnötig die Waren" und ähnliche Phrasen werden aufgewendct, um dem kaufenden Publikum den Bezug seiner Bedürf- niste aus der Ferne plausibel zu machen. Sieht man sich aber die Sache näher an. so findet man, daß die Versender dieser verführerischen Anpreisungen durchwegs selbstZwischenhändler­sind und zwar zu den Trägern des wirtschaft­lich nicht berechtigten Zwischenhandels zählen, der die Waren mit unnötigen Spesen verteuert

und da zu ernten sucht, wo er nicht gesäet hat. Mit welch' großen Spesen arbeitet z. B. ein Cottbuser Tuchversandgeschäft, das für Druck­sachen. Zeitungsbeilagen, Annoncen und Muster­kollektionen ganz enorme Summen aufwenden muß, um sich bekannt zu machen. Derartige Ausgaben fallen dem ortsansässigen Kaufmann entweder gar nicht oder jedenfalls nur in be­scheidenem Umfange zu. Fertige Herrenanzüge werden von Cottbuser Versandhäusern angeboren. Zu mindestens gleichen Preisen kauft man solche auch bei uns, fedenfalls aber in nur soliden Qualitäten. Glaube daher niemand, daß ein Versandhaus in Cottbus billigere oder bessere Waren liefern kann, als unsere einheimischen Kaufleute. Mehr denn je ist die Mahnung ge­rechtfertigt,man kaufe am Platze-, man Be« rückstchlige bei Deckung seines Bebarfs in erster Linie seine Mitbürger, denen man näher steht und die jedenfalls mehr Vertrauen verdienen, als der Fremde in der Ferne, den man nicht kennt und von dem man nicht weiß, wie er sich im Falle eines Anstandes verhalten wird.

Pforzheim. 11. Nov. Das im April verkaufte Gasthaus zum grünen Hof wurde an das Bayrische Brauhaus hier für 167 000 verkauft.

Deutsches Keich.

Die dem Bundesrate zugegangene Novelle zum Gerichtsverfassu ngsgesetz und zur Strafprozeßordnung enthält lediglich in acht Punkten Abänderungen des geltenden Ge­richtsverfassungsgesetzes von geringer Bedeutung. Die gleichzeitig dem Bundesrat zugegangene Novelle zur Zivilprozeßordnung ist ziemlich umfangreich. Sie enthält nicht weniger als 248 Nummern, welche die Punkte angeben, in denen das bestehende Gesetz abgeändert werden soll. Dabei sind in mancher Nummer mehrere neue Paragraphen eingeführt. Das Zustellungs-, sowie das Zwangsvollstreckungsverfahren sollen mehrfach reformiert, die Befugnisse der Gerichts­vollzieher in mancher Beziehung eingeschränkt werden.

Es wird zuverlässig versichert, daß zugleich mit ber Herabsetzung des Briefportos im Ortsverkehr Herr v. Podbielski eine Er­weiterung des Postregals für den Ortsbrief, verkehr plane, d. h. also eine Bekämpfung der privaten Briefbeförderungsanstalten. Das läßt sich nur durch Gesetz machen und es soll dem Reichstag in der nächsten Session eine Vorlage darüber zugehen.

In der Westpriegnitz hat eine Ersatz, wähl zum Reichstage stattgefunden, in welcher der alte konservative Wahlkreis an die Frei­sinnige Volkspartei verloren gegangen ist. Dieses Wahlergebnis ist kennzeichnend für die Zerfahren- heit der Innern Verhältnisse. Die Freisinnigen hatten bei der Hauptwayl thatsächlich einen erheblichen Rückgang ihrer Anhänger im Wahl­kreise zu verzeichnen. Die Konservativen bil­deten nach wie vor die weitaus stärkste Partei und hätten, wie früher, sofort gesiegt, wenn die Antisemiten es nicht für gut befunden hätten, sich von ihnen zu trennen. Es kam zur Stich- Wahl, bei der alle demokratischen unv sozial- demokratischen Elemente für den freisinnigen Kandidaten stimmten; trotzdem wäre er in der Minderheit geblieben, wenn nicht die Anlisemilen auch noch für ihn gestimmt hätten. Kann es etwas Widerspruchsvolleres geben? Die Anti- semiten sind die geschworenen Judenfeinde; sie trennen sich von den Konservativen, weil diese nicht blind gegen das Judentum losstürmen, und geben dann bei der Stichwahl dem Kandidaten der Partei die Stimme, welche die eigent­liche Verteidigerin des Judentums darstellt.

In B a d e n haben am Mittwoch die Wahlen der Abgeordneten zur 2. Kammer stattgesunden. Ihre Ergebnisse entsprechen durchgängig jenen der Urwahlen, nur in Lörrach Land ist noch keine endgiltige Entscheidung erzielt worden, da daselbst bei der Abgeordnetenwahl gleichviel Stimmen für den nationalliberalen uns den de­mokratischen Kandidaten fielen.

Im Wahlbezirk Wertheim-Walldürn hat bei der gestern vorgenommenen Wahl, wie nicht anders erwartet wurde, der Zentrums -

bewerber, Pfarrer Werr von Uissigheim, das Mandat erlangt, er ist der Nachfolger des Reichstagsprästdenten, Frhrn. v. Buol, der bekanntlich zuvor erklärt hatte, kein Mandat mehr anzunehmen. In Lörrach-Land ist ein neuer Wahltag anzuberaumen; die Stimmen zwischen Dreher (lib.) und Hagist (freis,) stehen dort aufSpitz und Knopf-; beim ersten Wahlgange Halle der freisinnige Bewerber mit 60 eine Stimme mehr als sein Gegner, aber nicht die absolute Mehrheit.

Die Leiche des Generals Frhrn. v. Schacht­meyer wird auf letztwilligen Wunsch in Gotha verbrannt werden.

Walldürn, 10. Nov. Ein 1'/r Jahre altes Kind fiel» während dessen Mutter einige Augenblicke abwesend war, in einen Kübel Wasser und ertrank.

Württemberg.

Stuttgart. 12. Nov. Von der Ver­fassungskommission der Kammer der Abgeordneten wurde gestern das Gesetz über die Proportionalwahlen beraten. Der An­trag des Berichterstatters, Abg. Nieder, in die Einzelberatung des Entwurfs einzutreten, wurde einstimmig angenommen. Dafür stimmten auch die Abgeordneten der Deutschen Partei und der Freien Bereinigung, nachdem sie vorher gegen das Wahliystem sich erklärt hatten, da auch sie eine Spezialberatung des Entwurfs wünschen.

Stuttgart, 12. Nov. Wie derSchw. M.- vernimmt, haben die Verhandlungen zwischen der Stadtgemeinde Stuttgart und der Staatsfinanzverwaltung wegen Ankaufs der Legionskaserne zunächst zu folg. Er­gebnis geführt: Der Kaufpreis der Legions­kaserne beträgt 2 500 000 hieran bezahlt die Stadt: 1400000 ^ und giebt ferner als Tauschobjekte: den Holzgarten, berechnet zu 700000 und den städt. Platz zwischen der Garnisonskirche und der Staatslurnhalle an der Linden- und Militärstr., berechnet zu 400 000 »k. Zu dem Wert der Tauschobjekte wird bemerkt, daß die gerichtliche Schätzung eine niederere ist, als der Preis, zu dem die Staatsfinanzverwaltung diese Grundstücke übernimmt; es würde sich mi» hin die Kaussumme der Legionskaserne von 2*/, Millionen Mark um diese Differenz noch ver­ringern

Der diesjährige Wein herbst hat auf Stuttgarter Markung einen Ertrag von 6738 im Gesamtwert von 391477 ge­liefert; somit durchschnittlich 5.7 lll pro Morgen und 58,10 pro öl, ein recht günstiges Er­trägnis.

Tübingen, 10. Nov. Der Gemeinderat hat in einem Flugblatt der Bürgerschaft amtlich den Lebenslauf der 3 Bewerber um die erledigte Ortsvorsteherstelle mitgeteilt. Es sind dies die Herren Haußer, Polizeiamtmann in Tübingen» Hepp, Sekretär berm Stadtschultheißenamt Stuttgart, und Kommerell. stellv. Amtmann in Rottenburg. In der Bekanntmachung sind sogar die Examensnoten der Bewerber nicht ver­gessen worden. Heute erklärt Amlm. Kommerell, daß er sich leider veranlaßt sehe, seine Kandidatur zurückzuziehen. Die Gründe dieses Entschlusses sind nicht angegeben, lassen sich aber ahnen. ES stehen sich also jetzt nur Haußer und Hepp gegenüber, wenn nicht noch eine weitere Kan­didatur auftaucht. (S. M.)

Heilbronn, 9. Nov. Die Ausgrabungen auf den Feldern, wo das römische Lager stand, nehmen das Interesse in hohem Grad in An­spruch. Wenn, wie anzunehmen, das Lager dem 1. Jahrh. n. Chr. angehört und ein Glied der ältesten Befestigungslinie der Römer ist, als der Neckar noch die Grenze zwischen dem römischen und dem freien Germanien gebildet hat, so fällt hieunt auf die Anfänge der heil- bronnischen Geschichte ein bedeutsames Licht. Der Umkreis des Lagers mit seinen abgerundeten Ecken liegt vollständig klar vor Augen. Auch eine Villa außerhalb des Lagers mit wohl- echaltenen Heizungsresten kam zum Vorschein.

In Saulgau verkaufte ein dortiger Ein­wohner eine Gans nach dem Kubikmeter, und zwar pro Kubikmeter 70 vlL Bei der Berech­nung kam dann die Gans auf 15