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altem, gutem Brauch das Opfer für den Gustav- Adolf-Verein bestimmt ist. Der an die evang. Gemeinden des Landes gerichtete Aufruf enthält folgende Mitteilungen: Der Gustav-Adolf-Verein bemüht sich, bedrängten, schwachen und vereinsamten Häuflein von Glaubensbrüdern in nicht evangelischer Umgebung zu helfen, daß sie Wort und Sakrament lauter und reichlich haben, ihres evang. Glaubens in würdigen Gotteshäusern sich freuen und ihre Kinder in solchem Glauben erziehen können. Seit bald 70 Jahren geschieht die Arbeit des Vereins, und manche schöne Frucht hat sie gebracht; aber stets neue Aufgaben stellen sich ihr, zumal seit etlichen Jahren in Oesterreich, wo eine wunder­bare Bewegung in Böhmen und in den Alpenlän­dern viele Seelen dem Evangelium zugeführt und die Bildung neuer Gemeinden veranlaßt hat. In Steiermark, das der Vorstand des Württ. Gustav- Adolf-Vereins diesen Sommer besucht hat, ist die Zahl der evang. Seelsorgerstationen auf 50 ge­stiegen. Vor wenig Wochen ist dort in Stainz, wo ein Württemberger die kleine Gemeinde leitet, das evang. Kirchlein eingeweiht worden. In der zweiten Hauptstadt Kärnthens, Villach, wo noch alte In­schriften an der katholischen Stadtkirche von der Zeit zeugen, da Stadt und Land evangelisch waren, ehe die Gegenreformation mit blutiger Verfolgung hereinbrach, ist der Grundstein zu einer evang. Kirche gelegt worden, und ebenso in Klostergrab in Böh­men. wo einst die Niederreißung der evang. Kirche mit den Anlaß bildete zum 30jährigen Krieg. Wo solche Zeichen geschehen, wo die Herzen in oft stür­mischer, uns beschämender Liebe zur evang. Wahr­heit schlagen und wo die neuen Glaubensgenossen die rührendsten Opfer bringen, wahrlich, da ist unserer brüderlichen Liebe ein würdiges Ziel ge­steckt, eine hoffnungsvolle Thüre aufgethan. Und auch anderwärts nehmen dringende Bedürfnisse unsere brüderliche Hilfe in Anspruch, so in Frankreich, wo eine größere Zahl katholischer Priester der evang. Kirche sich angeschlossen haben; in Spanien, wo Fritz Fliedners Tod eine herbe Prüfung für die Evangelischen gebracht hat, in Chile und Brasilien, wo vielen unserer Landsleute geistliche Sammlung und Pflege mangelt. Selbst im deutschen Reich, und auch in unserem württembergiichen Heimatland, ist die Arbeit des Vereins noch lange nicht vollendet. In den nächsten Tagen gehen evang. Gotteshäuser in Aulendorf und Vogt in Oberschwaben, die mit der Hilfe des Vereins gebaut worden sind, der Ein­weihung entgegen. In Neuhausen a. F., Unter- deufstetten, Großeislingen u. a. a. Orten wird ein Kirchbau vorbereitet. So strecken allüberall die ver­einsamten evangelischen Glaubensgenossen sehnsüchtig die Hände auS nach der Hilfe des Guftav-Adolf- Vereins und Gottes Segen wird gewiß auf den Gaben und Gebern ruhen, welche dieses edle Werk christlicher Bruderliebe fördern Helsen.

* Calw, 28. Nov. Das Kgl. Statistische Landesamt veröffentlicht nunmehr die endgültigen

Ergebnisse der letzten Volkszählung. Tie Zahl der ortsanwesenden Personen betrug am 1. Dezember 1900 in ganz Württemberg 2 169 480. Die Einwohnerzahl hat seit der letzten Volkszählung im Jahr 1895 um 88 329 Köpfe --- 4,24 °/« zu­genommen. Die Zunahme verteilt sich nach Kreisen folgendermaßen: Neckarkreis 48 296, Schwarzwald­kreis 20827, Jagstkreis 1239 und Donaukreis 17 967. Nach dem Geschlechts setzt sich die Bevölkerung aus 1052 769 männlichen und 1116 711 weiblichen Personen zusammen; die Zunahme von 88329 ver­teilt sich mit 45 644 auf männliche und mit 42685 auf weibliche Personen. Die Zunahme war also bei der neuesten Zählung beim männlichen Ge- schlechte größer als beim weiblichen und zwar in allen 4 Kreisen, denn sie betrug beim Neckarkreis 24 327 (gegen 23 969 weiblich), beim Schwarzwald­kreis 10 577 (10 250), beim Jagstkreis 984 (255), beim Tonaukreis 9756 (8211). Auf je 1000 männ­liche Personen entfallen weibliche: im Neckarkreis 1040, im Schwarzwaldkreis 1103, Jagstkreis 1067, Donaukreis 1045 oder im Durchschnitt 1061. Nach dem Religionsbekenntnis ergeben sich 5 Hauptgruppen: Evangelische 1497 299, Römisch-Katholische 650311, andere christliche Bekenntnisse 9507, Israeliten 11916, andere Religionen und ohne Religion 447.

js Calw, 28. Nov. Mit dem 30. dieses MonatS scheidet Herr Oberlehrer Dengler nach langjährigem Dienst in hiesiger Stadt aus seinem Amte, lieber 19 Jahre lang wirkte er als ständiger Lehrer an unserer Volksschule und in früherer Zeit als unständiger Lehrer 10 Jahre lang. Die Last des Alters hat den so lange Rüstigen genötigt, dem ihm lieben Schulamt zu entsagen; aber bis zuletzt ist er jung geblieben in dem Eifer und der Hingebung für das­selbe. Dafür ist ihm auch die allerhöchste Aner­kennung durch Verleihung der Verdienst-Medaille des Kronordens zu teil geworden. Ter Dank alter und junger Schülerinnen folgt dem wackeren Manne bei seinem Scheiden aus dem Amt. Möge ihm nun nach gethaner treuer Arbeit in unseren Mauern ein freundlicher, gesegneter Lebensabend beschieden sein!

Stuttgart, 27. Nov. (Mostobstmarkt.) Auf dem Nordbahnhof.wurde heute zugeführt:

22 Waggons aus Frankreich, 1 aus Italien, zus.

23 Waggonladungen Mostäpfel, Preise 1200 bis

1240 je per 10 000 i-x bahnamtliches Gewicht Stuttgart. Verkauf im Kleinen zu 6 20 A bis

6 40 A per 50 kx. Ferner wurden 6

Waggonladungen französische Mostbirnen im Großen zu 1030 bis 1050 die 10 000 und im Kleinen zu 5 20 bis 5 50 A die

50 üss verkauft.

Stuttgart, 28. Nov. In der Mord­aff aire vor dem Hofwaschhaus haben sich bis jetzt hinsichtlich der Ermordeten Wohl genügende Aufklärungen ergeben, jedoch bezüglich der Thäter- schaft ist die Sache immer noch dunkel. Der Bruder

der Babette Wirth hat gestern vor der Kriminal­polizei seine Angaben gemacht und wurde sofort entlassen. Auch das Gerücht, ein Beamter der Kunstschule sei in den Verdachtskreis einbezogen, entbehrt jeder Begründung. In den Kleidern der ermordeten Babette Wirth fanden sich postlagernde Briefe, deren Absender, vier an der Zahl, von der Staatsanwaltschaft dringend ersucht werden, sich als Zeugen zu stellen. Die Leiche hat sich bei der niederen Temparatur der letzten Tage vorzüglich erhalten und dürfte in den nächsten Tagen noch öffentlich im Leichenhause des Pragfriedhofs aus­gestellt werden. Wie man heute hört, ist der Haus­knecht in der Kanalstraße, welcher mit der Wirth seit einigen Monaten ein Verhältnis unterhielt, und bald nach Bekanntwerden der That in Haft genommen, nach seiner Vernehmung aber wieder entlassen wurde, aufs neue eingezogen worden. Zwecks Förderung der Untersuchung wurden gestern Schutzleute in Uniform zur Rundfrage in allen Häusern umhergeschickt. Nach einer neueren Be­kanntmachung der Staatsanwaltschaft ist dem Ober­staatsanwalt Herrschner gestern ein Brief mit der ChiffreU. Ll. 101 hauptpostlagernd" zugesendet worden, der eine wichtige Mitteilung für die vorliegende Untersuchungssache enthält. Der Ver­fasser dieses Briefes wird deshalb dringend ersucht, sich zur näheren Vernehmung sofort bei dem Ober­staatsanwalt einzufinden.

Stuttgart, 28. Nov. Beim Ausfahren aus dem Kuhnschen Anwesen an der Neckarstraße in Berg fiel heute früh ein großer Dampfkessel vom Wagen; dabei wurde ein Pferd der Bespann­ung totgequetscht. Außerdem wurde ein in der Nähe stehender städtischer Brunnen abgerissen und ein Teil der der Straßenbahn gehörigen Riegel­wand eingedrückt. Personen wurden glücklicherweise nicht beschädigt. Das Wegschaffen des Pferdes und das Wiederaufladen des Kessels nahm geraume Zeit in Anspruch.

Bietigheim, 27. Nov. In der verg. Nacht brach in den Germania Linoleum-Werken, Akt.-Ges. Bietigheim, infolge Selbstentzündung des Rohmate­rials ein Brand aus, der durch die automatische Feuerlöscheinrichtung und die sofort aufgerufene Fabrikfeuerwehr auf seinem Herd beschränkt wurde. Maschinen und Gebäude sind nur unbedeutend be­schädigt und der Schaden beschränkt sich in der Hauptsache auf Rohmaterialien und Halbfabrikate und ist durch Versicherung gedeckt. Der Betrieb ist in einem Gebäude auf die Dauer von 24 Stunden unterbrochen und wird morgen in vollem Umfang wieder ausgenommen,

Berlin, 27. Nov. Die sozialdemokratische Reichstags-Fraktion hielt gestern nach Beendigung der Plenarsitzung eine Fraktions-Sitzung ab, in der dem Vorwärts zufolge zunächst beschlossen wurde, bei der heutigen Wahl des ersten Vicepräsiden- ten den Abgeordneten Singer in Vorschlag zu

Tony, sprich mit mir!" bat Lily in flehendem Ton.

Sei glücklich, mein Lieb, wenn du kannst, und versuche, mich zu vergessen! Kommen Sie, Fosbrooke! Man hat Ihnen ein trauriges Willkommen in Garden­holm bereitet, aber ich weiß. Sie werden zu mir halten bis ans Ende."

Mit ganzem Herzen, lieber Junge! Wenn auch alle Sie verließen, ich bleibe Ihr Freund! Lassen Sie uns zu unserem fröhlichen, ungebundenen Leben zurückkehren, ich kann für uns beide sorgen. Namenlos, freundlos, vermögenslos, was thut's? Ich bin es auch. Kommen Sic, Antony, Sie sollen mein Sohn sein."

Einen Augenblick, meine Herren!" mischte sich jetzt Mr. Ashfold ein. Dieser junge Mann ist nicht so arm, wie Sie vorauszusetzen scheinen. Der verstorbene Lord hat für ihn Sorge getragen und ich bin jeder Zeit bereit, die Angelegenheit mit Mr. Melstrom zu ordnen." *

Sie werden mich bis morgen in Daarham treffen, Mr. Ashfold," entgeg- nete Antony,und ich hoffe, daß Sie mir dann volle Aufklärung über das Ge­schehene machen werden."

Er warf einen letzten Blick auf das alte, epheuumwachsene Schloß, dessen Fenster in den Strahlen der untergehenden Sonne blitzten und wandte sich dann zum Gehen. Nicht einmal schaute er sich um und so sah er auch nicht das toten­bleiche Gesicht Miß Pagets, die ihm mit starrem verzweifelten Blicke nachschaute, ahnungslos, welch' hartes Geschick ihren Liebling in die Ferne trieb.

9. Kapitel.

Ein kläglicher Triumph.

Als Antony und Fosbrooke verschwunden waren, herrschte ein unheimliches Schweigen unter den Zurückgebliebenen. Die Gäste des Hauses, die sich um die Gruppe versammelt hatten, wagten nicht, ihre Meinung zu äußern, aber man

konnte es auf ihren Gesichtern lesen, was sie dachten. Der junge Lord blickte unzufrieden und mißmutig vor sich hin; Lily lehnte halb bewußtlos an einem Baum; der kleine Advokat strich sich nachdenklich das glattrasirte Kinn und der Gräfin wurde es unbehaglich zu Mute, als fühle sie, daß sie einen Fehler gemacht habe.

Sind sie wirklich fort?" fragte sie endlich, um der peinlichen Situation ein Ende zu machen.

Es scheint so!" entgegnete Mr. Ashfold mit trübseliger Miene.

Sie können doch aber nicht ohne Wagen fort, die Station ist zu entfernt. Was haben Sie nur gedacht?"

Erlauben Milady mir die Bemerkung, daß die Ihnen so unvermittelt gemachte Mitteilung Sie überhaupt nicht zum Nachdenken kommen ließ."

Wie jeden anderen auch nicht." fiel der Lord ärgerlich ein,denn sonst hätte ich dich, ehe du meinen Bruder aus Gardenholm auswiesest, daran erinnert, daß das Schloß mir gehört."

Ein Schlag ins Gesicht hätte die Gräfin nicht mehr zusammenzucken lassen, wie diese Worte ihre« Sohnes. Er hatte Recht das Schloß gehörte ihm ihr Witwensitz lag einige Meilen entfernt, aber seit dem Tode ihres Gatten war sie so gewohnt, wie in früheren Zeiten weiterzuherrschen, daß sie ganz ver­gessen zu haben schien, wer jetzt der eigentliche Besitzer war. Und nun rief Phi­lipp ihr dies vor allen Gästen und bei dieser Gelegenheit ins Gedächtnis. Hatte sie ihren Sieg nicht zu teuer erkauft? Eine scharfe Erwiderung schwebte ihr auf den Lippen, aber sie besann sich rechtzeitig, daß es besser sei, die Sache auf sich beruhen zu lasten.Er ist ja eigentlich gar nicht dein Bruder," sagte sie mit erzwungener Ruhe,dock, sprechen wir nicht mehr davon. Willst du nicht Lily in's Haus bringen, Philipp? Das arme Kind ist durch die unliebsamen Vorgänge vollständig rerwirrt"