Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Neuenbürg, 30. Okt. Der morgende Sonntag, an welchem wir in unserer Stadt anläßlich des Bezirkskriegertags unsere Veteranen- und Militärvereine hier begrüßen dürfen, wird uns auch die Ehre des Besuchs Seiner Hoheit des Prinzen Herrmann von Sachsen-Weimar bringen. Wie schon bekannt gegeben, wird Seine Hoheit mittags 1.31 von Stuttgart hier eintreffen, um in seiner Eigenschaft als Ehrenpräsident des Württ. Kriegerbunds dem Bezirkskriegertag anzuwohnen. In Begleitung Seiner Hoheit werden sein die Mitglieder des Präsidiums des Württ. Kriegerbundes HH. Oberstlieutenant Eisen mann und Major Frhr. v. M auch. Zum Empfang stellen sich die Vereine mittags 1 Uhr in alphabet. Ordnung beim Bahnhof auf.
Neuenbürg, 30. Okk. In der Voraus setzung. daß es dem Bedürfnis entspricht, hat aus Anregung des hiesigen Giwcrdevereins der G-'meinderat beim K. Oberamt darum nach gesucht, daß an dem morg. Sonntage anläßlich des Bezirkskriegerlags die öffentlichen Berkauis- stellen bis abends 7 Uhr geöffnet sein dürfen. Diesem Gesuch wuroe in bereitwilliger Weise staitgegeben.
Wildbad, 29. Okt. Hr. Ehr. Kemps z. Villa „Concordia" hier hat die neben seinem Anwesen gelegene Billa Hirn er um die Summe von 165000 von Frau Hirn er We. käuflich erworben. (W. Ehr.)
Neuenbürg, 30. Okt. Schweine» markt. Zugcsührle 40 Sk. Mllchjchweinc fanden alle raschen Absatz und wurde das Paar zu 19—26 ^ verkauft
Neuenbürg, 30 Okt. Krautmarkt. Während letzten Samstag der Verkauf zu 5 pr. 100 St, recht flau war, wurden heuie mehrere Wagen zu 7.—, 6 .—, 5 — und 4,80
pc. 100 St. rasch verkauft.
Aus demPfinzthal. 27, Okt. In unserem Thale hat der Tabakbau seit etwa 10 Jahren Einaang gefunden und ist die Produktion mit jedem Jahre gestiegen, ein Beweis, daß er sich uvt r den landwirtschaftlichen Produkten wohl noch am besten rentiert. Die diesjährige Ernte dürste allein in den Gemeinden Königsbach, Wilferdingen, Nöttingen, Darmsbach, Mutschelbach, Singen, Söllingen. Berghausen, Grötzingen, mindestens 4000 Zentner betragen. Die Qualität ist eine vorzügliche und die Produzenten wissen ihn auch richtig zu behandeln. Eine Bruchsaler Fabrik hat sich bisher immer mir unserm Tabak versehen, ein Beleg dafür, daß sic zufrieden war; aber auch weitere Käufer dürften Versuche mit demselben machen, und sie würden gewiß idre Rechnung dabei finden. ^Pf. A.)
Königsbach, 29. Okt. Beim Graben eines Rübenloches stieß dieser Tage Hr. Landwirt Aug. Fränkle in geringer Tiefe auf menschliche Gebeine. Dabei lagen die Ueberreste einer Lanze. Aus welcher Zeit der merkwürdige Fund stammt, wird erst nach der Beurteilung durch Sachverständige festzustellen sein.
Deutsches Reich.
Zum Reformationsfest.
So oft der 31. Oktober wiederkehrt, denkt das deutsche Volk seines großen Helden Martin Luther. Und solches Gedenken darf nicht aufhören. Gerade jetzt, wo man es vom römischen Stuhle her bald mit Lockung, bald mit Schmähung gegen den Protestantismus versucht, gilt es, im deutschen Volke lebendig zu erhalten, was es seinem Luther verdankt.
Auf allen Lebensgebieten stoßen wir noch heut auf die Spuren seines Geistes und seiner Thätigkeit. Ihm danken wir's, wenn unser deutsches Volk wie alle evangelischen Völker unter den Kulturvölkern obenan steht. Denn als Luther zuerst die Menschen von päpstlicher und priesterlicher Bevormundung vor Gott frei machte und alle aus den Glauben, also auf ein persönliches Verhalten zu dem persönlichen Gott wies, da hat er zugleich die Menschen und
Völker, die diesen Weg gingen, um eine ganze I Stufe emporgehoben: aus unmündigen Kindern ' wurden ihrer selbst gewisse Männer; aus weltflüchtigen Heiligen wurden berufstreue Kämpfer, die in ihrer Weltarbeit doch Gott suchen und ihm dienen; durch seine Befreiungsthat empfing die Wissenschaft ihr Recht, die Welt zu durchforschen, wie denn nach Gottes Willen der Mensch berufen ist sie zu beherrschen, so daß einer unserer größten Forscher mit Recht gesagt hat: der Reformation verdankt die Naturwissenschaft ihr Dasein und ihre Entwickelung. Und als das deutsche Volk nach Luthers Bruch mit Rom aufhörte sein geistiges Haupt jenseits der Berge zu suchen, da fing es endlich wieder an, sich im eigenen Lande wohlzufühlen, das deutsche Nationalbewußtsein fing an zu erstarken, genährt durch das deutsche Lied, die deutsche Sprache, die deutsche Schule, die Luther und seine Freunde dem Volke schenkten.
So stark sind die Wirkungen dieses Geistes gewesen, daß selbst Rom sich ihm nicht entziehen konnte. Die kirchlichen Reformen, die man auf mancher Kirchenversammlung vergeblich erstrebt hatte, wurden nach Luthers Auftreten endlich zur Wirklichkeit. Das Mönchtum besserte sich, die Predigt fand wieder einen Platz im Gottesdienst, der Jugendunterricht wurde nach dem Vorbild des Protestantismus mehr gepflegt und umgestaltet. Und wie steht es in unseren Tagen? Hören wir nicht, wie evangelische Kirchenlieder in römischen Kirchen gesungen, die Werke der evangelischen Liebesthätigkeit der Innern Mission eifrig in die römische Kirche eingeführt werden?
Trotz aller Schmähungen bleibt es bei dem, was der damals noch katholische Professor Döllinger gesagt hat: „Luther ist der gewaltigste Bolksmann, den Deutschland je besessen," — und bei dem Worte Gustav Freytags: „Alle Konfessionen haben Ursache, auf Luther zurückzuführen, was heute in ihrem Glauben innig, seelenvoll und segensreich für ihr Leben ist."
Wiesbaden, 28. Oktober. Der „Rhein. Courier" meldet aus Ems: Der Kaiser hat dem hiesigen evangelischen Kirchenbauverein aus seinem Dispositionsfonds ein Geschenk von 38000 bewilligt.
Der Kaiser hat zum Bau einer neuen Kirche in Wilhelmshaven 200000 Mark bei. gesteuert.
Wie verlautet, wird in Bundesratskreisen versichert, daß die feste Absicht bestehe, den Relchstagerst Anfang Dezember cinzuderufen.
Der gefchäflsführende Ausschuß des Jn- nungsverbandes deutscher Bau- Gcwerksmeister hat an den Bundesrar. das Reichsiustizamt und die Staatsministerien der deutschen Bundesstaaten einen Antrag gerichtet, der dahin gehl: im Aussichtswege Anordnungen zu treffen. durch welche die Verwaltungs- und Polizeibehörden angewiesen werden, innerhalb der gesetzlichen Grenzen den arbeitswilligen und friedliebenden Arbeitern nachhaltigen Schutz gegen Vergewaltigungen durch ruhestörende arbeitsscheue Personen zu verschaffen, und den Anklagevchörden das Erheben der öffentlichen Anklage gegen solche, insonderheit gegen die Leiter der Streikbewegung als Anstifter dazu, empfohlen wird.
Die braun schwergige Frage wird seit einiger Zeit in einem Teile der Tagesprcsse wieder besprochen, ü. A. führen die „Hamb. Nachr." in einer Polemik gcgcn die „Bcaunschw. Landesztg." aus. daß ein Verzicht auf Hannover dem Herzog von Cumberlanb noch keineswegs zum braunschweigischen Tyron verhelfen würde, das genannte braunschweigische Blatt, das die Ansprüche des Herzogs von Cumderland vertrete, mache sich dadurch der Begünstigung landes- verräterischer Umtriebe gegen Preußen schuldig. — Trotz dieser Zeitungspolemik bleibt aber in der braunschwcigiicheu Frage Alles beim Alten!
Gegenstand der Besprechung, die der Staatssekretär des R eichsv v st a m ts, v. Po d die lski, mit Vertretern von 16 deutschen Handelskammern, des deutschen Handelskages und des Vereins Berliner Kauflcute und Jndu strieller in diesen Tagen gehabt hat, waren die Reformen, welche der Staatssekretär im Tarif-,
I wesen vorzunehmen, beziehungsweise dem Reichs- > kanzler vorzuschlagen beabsichtigt. Diese Reformen betreffen die Erhöhung des einfachen Brief» gewichts, die Ermäßigung des Briefportos für den Naheverkehr und die Gebühr für Postanweisungen über kleine Beträge. Neben diesen Fragen wurden Vorschläge gemacht, welche eine Vereinfachung des technischen Betriebes bezwecken. — Ueber die Beratungen der Postkonferenz teilt jetzt die „D. Verkehrsztg." mit: „Es sind hauptsächlich Fragen des technischen Betriebes besprochen worden, bezüglich deren es von Interesse war, Urteile aus der Praxis zu hören. Insbesondere sind die Einrichtungen im Postanweisungsverkehr, dessen dauerndes und schnelles Anwachsen Vereinfachungen im Betriebsdienst erfordert, ferner die Beförderungs«, Bestellungsund Abholungseinrichtungcn und der Sonntagsdienst Gegenstand der Erörterung gewesen.
Aus Baden, 29. Okt. Das Ergebnis der am 27. ds. MtS. statlgefundenen Wahl- männerwahl zum Landtage ist der Verlust der seitherigen liberalen Kammermehrheil. Die Nationallrberalen verloren von Karlsruhe zwei Mandate an die Sozialdemokraten, 1 an Demokraten, Lörrach Land an Freisinn; Heidelberg Land an Antisemiten; Mannheim an Sozialdemokraten. Freisinn gewann Stadt Lörrach (von Sozialdemokr) und Lörrach Land (von Nationallib.) Demokraten gewannen 1 Karlsruher Mandat. Sozialdemokraten gewannen 2 Karlsruher Mandate und Mannheim, verloren Lörrach Stadt an Freisinnige. Antisemiten gewannen Heidelberg Land. Das Zentrum hat seine Mandate behauptet. Die liberale Partei hatte seither 32 Mitglieder, also bei 63 Abge- ordneten die bekannte „Zweiaugenmajorilät." Künftighin wird sie in der Minderheit sein, auch wenn die beiden Konservativen sich ihr an- gliedern würden, was aber nur von „Fall zu Fall" anzunehmen wäre. Der schwerste Schlag für die liberale Partei bedeutet der Verlust der drei Karlsruher Mandate, auf deren Behauptung man in nationalliberalen Kreisen, wie wir positiv wissen, trotz mancherlei bedrohlicher Symptome mit Sicherheit gerechnet hatte. Man glaubte dazu um so mehr berechtigt zu sein, als vor kurzem erst der Landesfürst in unverkennbarer Beziehung auf den Wahlkamps sein Vertrauen in die unwandelbare Treue der Karlsruher Bürgerschaft ausgesprochen hatte. Der Verlust des dritten Mannheimer Mandates kam den Nationalliberalen eigentlich nicht überraschend, denn mit dieser Möglichkeit hatten sie von Anfang an gerechnet. Mit Genugthuung erfüllt sie der Wahlausfall in Pforzheim Stadt und Land, wo die Liberalen Wittum und Frank in hartem Kampfe die Oberhand behielten. Auch daß der nationalliberale Führer, Herr Fieser, der in seinem gefährdeten Wahlkreis Donau- efchingen wiedergewählt wurde, war eine willkommene Kunde für seine Parteigenossen im Lande. Ueberhaupt haben die Liberalen in ihren alteingesessenen Bezirken, mit Ausnahme von Karlsruhe und Mannheim sich behauptet; aber der Verlust der Residenz vergällt ihnen die Freude hierüber.
Aachen, 26. Okt. In Lumpen gehüllt und zwischen Lumpen auf dem Fußboden liegend, wurde in einem Dachzimmer auf dem Gasborn die Leiche einer 78jährigen Greisin aufgefunden. Man hatte die Thür aufgebrochen, als die Bewohnerin von den Nachbarn seit 5 Tagen nicht mehr gesehen worden war. Nicht Not, nur Geiz, war die Ursache des elenden Lebens» das die Verstorbene seit 20 Jahren führte. Sie lebte in guten Vermögens- Verhältnissen, lieh Kapitalien auf Zinsen, hatte Geld auf der Sparkasse und Forderungen an Bewohner der Stadt und Umgegend. Dabei war sic so geizig, daß sie ihr eigenes Bett an einen Nachbar zur Benutzung für 50 Pfennig jede Nacht verlieh und aus den auf den Straßen zur Abfuhr bereit stehenden Müllkasten die etwa noch brauchbaren Abfälle heraussuchte und in ihrer Dachstube aufftapelte. Zwischen diesen Lumpen fand man noch eine Anzahl Schuldscheine versteckt. Da sich die Frau nicht das Geringste gönnte, dürfte in erster Linie mangelhafte Ernährung ihren Tod herbeigeführt haben.