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eitage zu Wr. 169 des KnzLbäters.
Neuenbürg, Donnerstag den 28. Oktober 1897.
Neuenbürg. Im Anschluß an einen dem Enzlhäler entnommenen Artikel über die „Rabenplage" bringt das Calw. Wochenbl. eine Klage über die Katzenplage, welche lautet: „Unter der (Überschrift „die Rabenplage" wird in einem Artikel der letzten Nummer dieses Blattes bittere Klage darüber geführt, daß die Zahl der Singvögel, welche durch ihren lieblichen Gesang Ohr und Gemüt des Menschen erfreuen, unaufhaltsam abnimmt. Diese Klage ist ganz begründet, allein an der bedauerlichen Thatsache tragen nicht bloß die Raben, sondern in mindestens gleichem Maße die vielen in Feldern und Gärten umherschweifenden Katzen die Schuld. Es ist eine unbestreitbare Thatsache, daß im Freien hcrumstreifendc Katzen ihren Zw ck als Hauskatze nicht mehr erfüllen, vielmehr verwildern. Statt Mäuse zu sangen gehen sie dem Vogelfang nach, man kann täglich beobachten, wie sie an Büschen, an und auf Bäumen auf Vögel lauern. Viele fallen der Mordlust der Katzen zum Opfer, namentlich zur Blütezeit, wo ganze Nester zerstört werden. Die jungen Vögel werden von den Katzen in der Zeit gefangen, wo sie noch nicht recht fliegen können. Wir sind keine Feinde der Katzen, wir wissen, daß sie bei der Mäusevertilgung in den Häusern wichtige Dienste leisten können, wir haben ein Verständnis dafür, daß sie den Katzenfreunden liebwerte Hausgenossen sind. Wenn aber eine Katze tagtäglich in Gärten und Feldern herumstreicht, um bei jeder Gelegenheit die lieblichen und nützlichen Vögel zu erwürgen, so erfüllt sie ihren Zweck als Hauskatze nicht mehr und der Eigentümer hat die Pflicht, dieselbe als schädliches Geschöpf zu beseitigen. Die meisten Katzenbesitzer sind leider anderer Ansicht, ihnen liegen nur ihre Katzen am Herzen, die sie meist aus Liebhaberei und nicht aus Bedürfnis halten, die Erhaltung der Singvögel ist ihnen ganz gleich- giltig. Ja, manche Katzenbesitzer gehen soweit, daß sie es als ein Recht ansehcn, daß ihre Katzen sich tagtäglich in fremdem Eigentum herumtrciben, Singvögel abfangen, in ein- gepflanzten Gartenbeeten herumscharren und dieselben in ekelhafter Weise verunreinigen. Was ist erklärlicher, als daß die Gartenbesitzer sich mit allen Mitteln gegen die widerwärtigen Umtriebe in ihrem Eigentum wehren, sie haben das volle Recht dazu. Wie wir vernehmen, will der landwirtschaftliche Verein, mit Rücksicht darauf, daß die Vögel durch Vertilgung schädlcher Insekten für den Obstbau wichtige Dienste leisten, durch Ausstellen von Nistkästen wieder eine größere Anzahl von Vögeln heranziehen. Jeder Baumbesitzer, jeder Freund der lieblichen Sänger wird diese Absicht dankbar begrüßen, aber es ist zu befürchten, daß Mühe und Aufwand vergeblich fein wird, solange die Mörder dieser Vögel (Raben und Katzen) in so übermäßig großer Anzahl vorhanden sind. Wir sind der Ansicht, daß der landwirtschaftliche Verein seine lobenswerte Absicht, die Zahl der nützlichen Vögel zu vermehren, am ehesten dadurch erreicht, wenn er nicht nur die Ausstellung von Nistkästen veranlaßt, sodcrn insbesondere dahin wirkt, daß in j>der Gemeinde ein Flugschütze aufgestellt wird, mit der Aufgabe, die übermäßige Anzahl von Raben und der in Gärten und Feldern herumstreifenden Katzen zu vermindern."
Unterhaltender Heil.
Die letzten Gravensteiner.
Kriminal-Novelle von C. Meerfeldt.
(Fortsetzung)
Mit Tagesanbruch hatte sich dann die ganze Untersuchungskommission an die Stätte des Verbrichens begeben, welche der Förster, den man dazu aus seinem provisorischen Gefängnis geholt hatte, bezeichnen mußte. Man hatte den bedauernswerten Mann nicht erst zu wecken brauchen, denn er hatte währcnd dieser cntsttz lichkn Nacht kein Auge geschlossen und nicht
einmal seine Kleider abgelegt. Er sah in Folge dessen sehr bleich und ermattet aus und schien in den wenigen Stunden um Jahre gealtert. Aber seine vorherige Heftigkeit war gänzlich gebrochen.
Finster auf sich hinstarrend und mit düster zusammengezogencn Brauen gab er Antwort auf alle an ihn gerichteten Fragen. Die Aufforderung des Staatsanwalts, nunmehr in seinem eigenen Interesse die volle Wahrheit zu sagen, hatte er mit der stolzen Erklärung beantwortet, daß er nichts weiter zu sagen habe, als das, was man bereits gestern von ihm vernommen. Im Uebrigcn schien er sich ganz darauf zu verlassen, daß die weiteren Erhebungen seine Unschuld auch ohne sein Zuthun erweisen würden, und dem Staatsanwalt war es, trotz seiner reichen p ychologischen Erfahrung, unmöglich, festzustellen, ob es die Ergebung die Gewissensruhe eines unschuldig verdächtigten Mannes, die geschickt festgchaltene Maske oder die verzweifelte Resignation eines wirklichen Verbrechers sei Doch nötigte Hagemeistcr's Verhalten den Beamten immerhin so viel Achtung ab. daß sie ihn mit jeder Rücksicht behandelten, die man einem Untersuchungs Gefangenen zu Teil werden lassen konnte.
Auf dem Wege zum Schlosse zurück stießen die Beamten auf viele ins Feld gehende Arbeiter, und die von des Försters Verhaftung, welche schon seit gestern Abend als ein dunkles Gerücht umhergeschwirrl, aber von Niemanden ernstlich geglaubt worden war, weil man sie zuerst aus Martin's Munde vernommen hatte, verbreitete sich nun wie ein Lauffeuer über das ganze Gut. Obwohl vorher Keiner dem Förster etwas Schlimmes zugetraut hätte, war doch der Respekt der einfachen Leute von der hohen Obrigkeit und der Glaube an die Unfehlbarkeit ihrer Maßregel ein so großer, daß sich die allgemeine Ansicht sofort zu seinen Ungunsten änderte. Jetzt wollte mit einem Male Jeder etwas bemerkt haben, was als eine Bestätigung des furchtbaren Verdachts dienen konnte, und die schwer belastende Erzählung der beiden Holzfäller, welche den Förster gleich nach dem Laulwerden des Schusses mit so verstörtem Aeußern halten an sich vorbeistürzen sehen, ging bald von Mund zu Mund. So war auch ein scheues und geradezu verletzendes Benehmen gegen Lisbeth nur zu leicht erklärlich. Man bedauerte sie von ganzem Herzen; aber es war Keiner unter ihnen, der mit der Tochter eines Mörders noch hätte etwas zu thun haben wollen.
Von diesen eigentümlichen Ursachen ihrer sonderbaren Wahrnehmungen hatte Lisbeth natürlich keine Ahnung und zum Glück blieb ihr auch die entsetzliche Ueberraschung, ihren Vater als Gefangenen inmitten der Beamten zu sehen, vorläufig erspart. Der Förster war eben wieder in das Verhörzimmer geführt, als Lisbeth atemlos und mit vom raschen Lauf geröteten Wangen auf der Terosse dcs Schlosses anlangte. Der alte Diener des Oberst öffnete ihr die Thür und wich einen Schritt zurück, als er sie erkannte. Doch Lisbeth hatte auch dafür keine Augen; alle ihre Gedanken richteten sich ausschließlich auf ihren Vater und ihm galt dann auch ihre erste hastige Frage.
„Ist mein Vater noch hier? Warum hält man ihn so lange zurück? „Und warum sandte er mir keine ausführliche Nachricht?"
„Ach, liebes Fräulein," brachte der alle Mann stotternd und verlegen hervor, „ist es kenn möglich, daß Sie noch gar nichts wissen?"
„Um Gotteswillen, — was soll ich wissen?"
— Was ist meinem Vater denn zugestoßen? — Ist er denn erkrankt?"
„Nein! Ach, wenn cs nur das wäre! — Es ist ja viel schlimmer — viel, viel schlimmer!
— Aber ich kann cs Ihnen nicht sagen, Fräulein Lisbeth, ich bringe es nicht über die Lippen?"
Natürlich waren diese halben Andeutungen ganz danach angethan, die Angst und Aufregung
des jungen Mädchens bis auf das Acußerste zu steigern. Es öffnete sich eine Thüre zu ihrer Rechten und mit einem Ausruf des Schreckens trat Georg v. Gravenstein auf sie zu.
„Allmächtiger Gott, — Lisbeth, Du hier!" sagte er erschüttert. „Warum hast Du das gethan? — An dieser Stätte dcs Entsetzens — ist jetzt nicht Dein Platz."
„Aber mein Vater, Georg, mein Vater?" fragte sie verzweifelt zurück. „Wo ist er, und was ist mit ihm geschehen?"
„So weißt Du noch nicht, daß er, — o, wie soll ich es Dir nur sagen! — Ich bitte Dich: tritt zunächst in dies Zimmer! Hier draußen können wir nicht miteinander reden!"
„Nein, nein, ich weiche nicht von der Stelle, — als bis Ihr mir gesagt habt, wo ich meinen Vater finde! — Warum will denn Niemand von Euch mit der Sprache heraus?
— Er ist tot, nicht wahr, er ist tot?"
„Um Himmelswillen, so beruhige Dich doch nur, Lisbeth! Er ist nicht tot und befindet sich körperlich wohl, aber —"
Doch sie ließ ihn nicht erst ausrcden, sondern hob aufjubelnd die Hände empor:
„Ec lebt? Er lebt? — Und er ist gesund?
— O, Gott, ich danke Dir! Was kann ihm sonst Schlimmes geschehen sein, wenn nur seiner Person nichts widerfahren ist!"
Des jungen Regicrungsossessors Gesicht blieb immer sehr bleich und ernst.
„Ach ich hoffe, daß das Mißgeschick, welches, Deinen Vater betroffen, keine ernstliche Bedeutung hat, Lisbeth." sagte er, sich mühsam zu einem zuversichtlichen Ton zwingend, „und daß es schon binnen wenigen Stunden gehoben sei. Aber wir können wirklich nicht an diesem unangemessenen Orte weiter darüber reden!"
„Wozu auch reden Georg?" rief sie in ihrem beinahe übermütigen Gefühl der Freude über die Widerlegung der gräßlichen Befürchtungen aus. „Ich bin nicht darauf gespannt, sondern nur darauf, meinen Vater zu sehen! Was ihm widerfahren ist, wird er mir dann wohl selbst erzählen. Wo also ist er, und warum ist er noch nicht gekommen, mich zu begrüßen?"
„Er kann nicht kommen, Lisbeth! Er ist nicht mehr wie ehedem der freie Herr seiner Zeit. Man hält ihn zurück und man wird auch Dir nicht ohne Weiteres gestatten, zu ihm zu gehen, denn nun, — es muß ja gesprochen werden, das harte Wort — denn man hat ihn verhaftet."
Lisbeth sah zu ihm auf, als hätte er in einer fremden, unverständlichen Sprache geredet.
„Verhaftet?" wiederholte sie mechanisch. „Und mit welchem Recht?"
Der junge Baron hatte einen unsäglich schweren Kampf zu durchkämpfen. Zu gern hätte er das zitternde Mädchen an seine Brust geschlossen und ihr sogleich mit der Mitteilung des Entsetzlichen den Schwur geleistet, daß er von der Unschuld ihres Vaters überzeugt sei und daß er ihn befreien werde um jeden Preis. Aber er hatte schon vorher einen andern, einen heiligen Eid geschworen, und diesen Eid in die kalte Hand eines geliebten Toben mußte er halten, ob auch sein eigenes Herz darüber brechen sollte. So schonend als es die Umstände, nur immer zuließen, brachte er ihr die furchtbare Neuigkeit bei, zugleich bemüht, das Ganze als ein verhängnisvolles Mißverständnis darzustellen, das sich ehestens ausklären müsse.
(Fortsetzung folgt.)
Paris, 22. Okt. Was ist eigentlich das Fahrrad? Ist es hinsichtlich der Fortbewegung seines Reiters ein Wagen oder ein Reittiei? Diese höchst wichtige Frage hat der „lourinA elud äo franco" zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht, indem er Preise für die besten Gutachten aussetzte. Zweiundzwanzig Gutachten liefen ein. Nach ernster Prüfung und Benechung entschied sich der Prüfungsausschuß für folgende Erklärung: „Das