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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg. Bon Montag 25 Okt. 1897 an bis zum 28 Februar 1898 einschließlich wird Werktags ein weiterer Personenzug von Pforz' heim nach Neuenbürg ausgefühn. Nr 325. Pforzheim ab 9 20 abends, Neuenbürg an 9.45 abends.

Neuenbürg-Conweiler. 26 Okt. Um zu der Frage der Erbauung eindr Eisen­bahn Marxzell.Neuenbürg Stellung zu nehmen, fand bekanntlich bereits zu Anfang d. I. im Gasthaus zur Sonne in Conweiler eine sehr zahlreich besuchte Versammlung statt, deren Ver­lauf zeigte, daß es ein größerer Kreis von Interessenten Ernst mit der Sache nimmt; und daß von dieser Seite das Projekt lebhaft ver- folgt wird, beweist die Thatsache, daß Hr. Bahningenieur Lutz aus Karlsruhe, z. Zt. ausführender Techniker der Eisenbahndaugesell schaft Lenz u. Comp, in Stettin, beauftragt wurde, mit Vorschlägen an die Hand zu gehen. In der am letzten Sonntag zahlreich besuchten Versammlung im Ochsen zu Conweiler hat nun Hr. Lutz auf Grund der von ihm gemachten Vorerhebungen und Berechnungen eingehende Mitteilungen gemacht. Nachdem Hr. Gemeinde­förster Mehl, als Mitglied des geschäftsführen­den Ausschusses die Versammlung mit einem kurzen Rückblick über das. was bis jetzt in der Sache geschehen, eröffnet hatte, führte Hr. Lutz aus, daß eine Normalspurbahn leider wenig Aussicht auf Verwirklichung biete, ebenso daß kaum der Bau einer Schmalspurbahn von Marxzell aus wegen der höheren Betriebs­kosten. die in keinem Verhältnis zu der Rentabi- lität dieser Strecke stünden, von der Gesellschaft übernommen werben würde. Eine andere Bau­gesellschaft als die Firma Lenz u. Comp, dürfte wohl nicht in Betracht kommen. Die Schmal- spurdahn habe den Nachteil, daß man nicht direkt nach außen verkehren könne, habe aber den Vorteil, daß ein Anschluß an den künftigen Rheinhafen in Karlsruhe möglich sei. Er halte es für das allein Richtige und Vertrauenswürdige, wenn er mit seiner auf Grund langjähriger Praxis gewonnenen Ansicht nicht zurückhaltc und nur das Projekt vorschlage, das auch Aussicht auf Genehmigung habe. Hr. Lutz kommt zu dem Resultat, daß eine Stichbahn von Itters­bach nach Feldrennach-Pfinzweiler-Conweiler- Schwann-Arnbach-Gräsenyausen-Ne u enbürg die einzig rentable werden würde, weshalb er dieses Projekt allen Ernstes zur Annahme empfiehlt. Die Einwohnerzahl dieser sämtlichen Orte sei zur Rentabilität notwendig; den Ertrag aus dem Güterverkehr dürfe man nicht überschätzen Die aus der folgenden Debatte heroorgehenben Fragen beantwortete der Herr Ingenieur dahin, daß der von Arnbach und Gräfenhausen vorge- brachte Wunsch, die Linie von Gräfenhausen direkt nach Pforzheim zu führen (also mit Um- gehung von Neuenbürg) keine Aussicht auf An- nähme habe, ebenso wenig wie der Vorschlag die Bahn nur bis Schwann und von da direkt nach Neuenbürg zu führen. Eine Rentabilität sei, wie schon gesagt, nur vorhanden, wenn sämtliche in seinem Projekt liegenden Orte einbezogen würden. Die direkte Linie nach Pforzheim würde schon deshalb nicht genehmigt, weil ja die zur Ausführung kommende Bahn von Busenbach über Jttersbach-Ellmendiagen-Dietlingen in Brötzingen bezw. Pforzheim ausmünde und es sei dieser Anschluß schon großen Schwierigkeiten begegnet. Diesen Ausführungen des Herrn Lutz stimmte die Versammlung bei und cs wurde aus der Mitte der­selben die Notwendigkeit eines einigen Vorgehens sämtlicher beteiligten Gemeinden, die ja auf ein- ander angewiesen seien, betont. Auf den Antrag mehrerer Redner wurde beschlossen, so bald als möglich eineDelegiertenversammlung zu Hallen, welche weiter beraten soll. Es werden zu diesem Zweck die nnzelnen Gemeinden ge­beten, je Mindestens zwei Vertreter zu ernennen, welche als Bevollmächtigte der Gemeindekollegien die künftigen Beschlußfassungen herbeizuführen haben. An den provisorisch bestellten geschästs- führenden Ausschuß, der bisher die Sache in die Hand genommen (HH. Schultheiß Gann. Ge­meindeförster Mehl und Schullehrer Siegle

in Conweiler) sind zunächst alle Mitteilungen zu richten. Es müssen sodann die Kosten der Ausarbeitung eines detaillierten Projekts, welches ver Regierung zur Prüfung vorgelegt werden kann, aufgebracht werden. Das vorbesprochene Projekt ist wohl wert, daß ihm die in Betracht kommenden Gemeinven ihre kräftige Unterstützung angedeihen lassen. Gerade dadurch, daß in das­selbe all die genannten Gemeinden einbezogcn find, gewinnt es ein größeres volkswirtschaftliches Interesse und ist für die Gemeinven von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Freilich wird es zur Bedingung gemacht werden müssen, daß neben diesem Projekt die Bahnlinie von Conweiler- Luigenald aus über Maisenmühle nach Marx zell fortgesetzt wird, so daß es also nicht nur von Busenbach aus, sondern auch von Marxzell aus einen Anschluß von und nach der Albthal- bahn giebt. Nur wenn diese ganze Verbindung zu Stande kommt, wird allen Interessen Rech­nung getragen und nur so wird sich von lelbst eine Rentabilität ergeben, da zugleich auch für die Hinteren Amtsorte eine Verbindung mit der Amts- stadt und dem Enzthal geschaffen würde. Auf dieser Grundlage wird es den einzelnen Gemeinden leichter gemacht, Stellung zur Sache zu nehmen. Es sollte jetzt überall in den in das Projekt einbezogencn Gemeinden die Frage der Bahnverbindung vor­urteilsfrei auf ihren Wert geprüft und ernstlich ins Auge gefaßt werden. Mit wegwerfenden, nasenrümpfenden Bemerkungen wird der guten Sache ein schlechter Dienst erwiesen. Die volks­wirtschaftliche Bedeutung der Eisenbahnen wird heutzutage, wo man im Zeichen des Verkehrs steht, überall anerkannt. Man blicke auf die letzten württembergischen und badischen Kammer­oerhandlungen zurück, wo zusammen allein etwa 30 Millionen für neue Eisenbahnlinien ge- nehmigt wurden. Warum sollte unsere zwischen Alb- und Enzthal gelegene Gegend mit solch hervorragend handelstreibenden Gemeinden der Wohlthat eines modernen Schienenwegs nicht auch theilhaftig werden dürfen.

Neuenbürg, 27. Okt. Am heutigen Mittwoch werden in 29 Landtagswahlbezirken des badischen Landes die Wahlmännerwahlen vorgenommcn. In dem benachbarten Pforz­heim stehen sich im 42. Wahlbez. Pforzheim Stadt Fabrikant Wittum (natl.) und Redakteur Geck (Soz. Dem); im 43 Wahlbez. Pforzheim Land Landwirt Frank (natl.), Sladtverordn. Lauber (Soz. Dem.) und Landgcrichtsrat von Stockhorner (konserv.) gegenüber.

Neuenbürg, 26. Okt. (Einges.) Am letzten Sonntag wurde von dem seit kurzem bestehenden Fußballclub ein unseren Einwohnern weniger bekanntes Schauspiel auf­geführt. Der nicht besonders zahlreiche Jugend­verein schlug sich mit dem Pforzheimer Verein Fidelitas oberhalb der Eisenfurlh in einem sogenannten Match (Wettspiel.) Wie voraus­zusehen war, fiel der Sieg den Pforzheimern zu mit 5 Goals zu 1. Doch haben sich auch unsere Neuenbürger sehr wacker gehalten, was sämtliche Zuschauer und besonders die Anwesenden anderer großen Vereine anerkannten. Diese hatten unserem Club im Hinweis auf die Tüchtigkeit der Fidelitas 1520 Goals ver­heißen und waren deshalb sehr erstaunt, als die erste Entscheidung erst nach einer halben Stunde fiel. Wir hoffen, daß das turnerische Spiel, das sich allmählich in ganz Deutschland eingebürgert hat, auch hier zur vollen Ausbildung kommen möge. Es ist besonders den Eltern zu empfehlen, ihren Söhnen hiezu die Erlaubnis zu geben, da es für junge Leute doch besser ist, durch heitere Uebungsspiele den Körper zu kräftigen, als Sonntags vom Mittagessen ab in den Wirtshäusern sich herumzutreiben.

Waldrennach, 26. Okt. Heute Nach­mittag wurdehier dieTochter eines Kupferarbciters in Pforzheim, ein 16jähriges Mädchen beerdigt, das von einem raschen Tod hlnwsggerissen wurde. Dasselbe machte mit seinen Eltern einen Spaziergang von Pforzheim ins Größelthal. als es auf dem Wege plötzlich von Schwäche befallen wurde und mit dem Ausrufich kann nicht mehr gehen" umftel. Die Eltern brachten es rn das nächst gelegene Haus, wo es nach Verfluß von kaum einer Stunde verschied.

Der Umständlichkeit und Kosten wegen, welche die Verbringung der Leiche von der hiesigen Markung nach Pforzheim mit sich gebracht hätte, entschlossen sich die bedauernswerten Eltern ihr Kind hier beerdigen zu lassen.

Stammheim. 24. Okt.Der Hopf ist ein Tropf." Dieses Wort hat sich auch bet dem diesjährigen Hopfenhandel bewahrheitet. Während anfangs 60 per Zentner erlöst wurden und die Eigner aber in Erwartung höherer Preise sich sehr zurückhaltend hielten, kamen gestern größere Posten zu 40 per Ztr. zum Verkauf. Für kleinere Reste werden sogar nur noch 35 ^ geboten.

Pforzheim. 26. Okt. In der gestrigen Bürgerausschußsitzung wurde die Vorlage über Forterhebung des Oktrois in hiesiger Stadt aus Antrag mehrerer Mitglieder bis auf nächste Woche vertagt. Zur Unterstützung armer Typhuskranker wurden u a 5000 Mark aus der Stadtkaffe bewilligt. Gestern wurden keine neuen Typhuserkrankungcn angemeldet.

Langen st einbach, 25. Okt. In der Nacht von gestern auf heute ist das Anwesen des Landwirts Gegenheiwer in Auerbach abgebrannt. Hierbei gingen auch ca. 1000 M. verloren, die kurz vorher aus ernem Biehverkauf gelöst worden waren. Des herrschenden Wasser­mangels wegen waren die Löscharbeiten sehr erschwert. (Pf. Anz.)

Deutsches Weich.

Berlin. 26. Okt. Der Kaiser empfing gestern Abend den russischen Großfürsten Michael, der mit Gefolge zur Abendtafel geladen wurde. Heute Vormittag empfing der Kaiser den Bot­schafter Frhrn. Marschall v. Biberstein und begab sich mittags mit dem Großfürsten Michael nach Berlin, wo in der Kaserne des ersten Garde-Feldartillerieregiments, a la suite dessen der Großfürst steht, Borexerzieren der reitenden Batterieen und Parademarsch stattfand.

Berlin, 25. Okt. Die Meldung eines HofberichtS derKarlsr. Ztg ", wonach der Zar den beabsichtigten Besuch des Großherzogs von Baden abgelehnt habe, weil er schon über die Tage bis zu seiner Abreise von Darmstadt verfügt habe, wird in weiteren Kreisen ein leb­haftes Bedauern Hervorrufen. Es unterliegt für uns allerdings keinem Zweifel, daß dem Zaren die Absicht ferngelegen hat, dem hochverdienten und allseitig hochverehrten badischen Fürsten eine Kränkung zuzufügen. Aber schon die Thatsache der öffentlichen Mitteilung dieser Ablehnung be­weist, daß der Beschluß des Zaren in Karlsruhe als eine Kränkung empfunden worden ist. Jeden­falls bleibt die auffällige Form zu beklagen, die gewählt worden ist, um einem reinen Höflich­keitsakte aus dem Wege zu gehen. Wir können uns den Vorfall nicht anders erklären, als daß er auf einer Verstimmung beruht, die zwischen den beiden benachbarten Höfen von Hessen und Baden besteht. Der Kaiser von Rußland hatte Rücksicht zu nehmen auf die Wünsche des Hofs, dessen Gastfreundschaft er zur Zeit genießt und der dem badischen Besuche avgeneigt gewesen sein wird.

Karlsruhe, 25. Okt. Wie begreiflich, beschäftigt sich die Presse lebhaft mit der Dar­stellung des Hofberichts über die Nicht­annahme des beabsichtigten Besuchs unseres Großherzogs bei dem Zaren in Darmstavt und namentlich auch mit dem Umstande, daß diese Nichtannahme im Hofberichk knapp und klar veröffentlicht wurde, was sicherlich nicht ohne bestimmte Absicht geschah. Der Sache eine hoch- politische Bedeutung veizumcffen, bei der auch der Kaiser bis zu einem gewissen Grade beteiligt ist, geht wohl nach den hisher vorliegenden Anhaltspunkten kaum an. Thatsache ist soviel, daß allerwärls in der Bevölkerung an der Ab­lehnung des Besuches schärfste Kritik geübt wird. Daß französische Blätter die Sache in jeder Weise ausbeuten, versteht sich von selbst.

Berlin, 26. Okt. Die Straßv. Post schreibt: Unsere gestrige Annahme, daß die Vereitelung des Besuchs des Großherzogs von Baden beim Zaren in Darmstadt auf eine Ver­stimmung des hessischen Hofes gegen den badischen