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Unterhaltender Teil.
Die letzten Gravensteiner.
Kriminal-Novelle von C. Meerfeld t.
(Fortsetzung)
„Nun ja." brachte Martin mit vortrefflich dargestelltem Wiederstreben heraus. »Es war von wegen dem jungen Baron Herbert und von wegen des Försters Lisbeth!"
„In wiefern konnte die Erwähnung dieser beiden Personen die Veranlassung zu einem Wortwechsel abgeben?"
„Ach ja. Herr Gerichtsrot, das ist eine diffizile Sache, und ich weiß wirklich nicht —"
„Machen Sie keine Umstände» Mann! wir fragen Sie nicht aus Neugierde, sondern weil es unserS Amts ist. und wir können uns darum auch nicht mit halben Antworten und dunklen Andeutungen genügen lassen! Also reden Sie frisch heraus. Was war es mit dem jungen Baron und mit der Tochter des Försters?"
„Nun. was soll es gewesen sein. Herr Gerichtsrat? — Sie haben eben ein Liebesverhältnis mit einander gehabt. Und als nun der Oberst dem Förster Vorwürfe machte wegen seiner Nachlässigkeit, da mag dem wohl die Galle übergelaufen sein und er sagte, es wäre eine Schmach uod eine Schande, wie der junge Baron seinem Mädel nachstellte und der Herr Oberst sollte lieber auf die Streiche seines Sohnes achten, als auf jedes kleine Versehen seiner Untergebenen!"
„Nun hören Sie: das klingt doch aber etwas unwahrscheinlich! Zu einer solchen Unehrerbietigkeit wird sich ein Förster seinem Gutsherrn gegenüber doch schwerlich ohne Weiteres Hinreißen lassen."
„Wenn Sie mir nicht glauben wollen, Herr Gerichtsrat, da ist es mir desto angenehmer. So wird der Herr Förster keine Gelegenheit haben, seine Wut an mir auszulassen! Aber dann bitte ich auch, mir die ganze Erzählung zu schenken."
„Nein, sprechen Sie nur weiter! — Welche Antwort gab der Oberst dem Förster?"
„Er wurde fuchsteufelswild und schrie, das Mädel werde wohl danach erzogen sein, daß ihm die jungen Herren nachliefen, und der Förster sollte ihn ein für alle Mal mit solcher albernen Geschichten in Ruhe lassen. Im Uebrigen würden sie ja nicht mit einander verwachsen und es stände ihm frei, das Gut zu verlassen, wenn es ihm beliebte."
„Er drohte ihm also mit Entlassung. Und der Förster — nahm die Entlassung an?"
„Noch mehr als das! Er benahm sich sehr wenig respektierlich gegen den gnädigen Herrn und sagte, es sei längst seine Absicht gewesen, wegen des unzureichenden Gehalts und des schlechten Försterhauses den Dienst zu quittieren, heute aber sei sein Entschluß ganz unumstößlich. Er ginge auf jeden Fall und wenn er auch die Schweine hüten müßte, so wäre ihm das immer noch viel lieber, als einer solchen Herrschaft zu dienen!"
„Und darauf gingen sie auseinander?"
„Ja, der Oberst trieb sein Pferd an, und rief dem Förster im Davonreiten noch etwas zu. das ich nicht verstehen konnte. Aber es muß wohl etwas sehr Hartes gewesen sein, denn der Förster riß sein Gewehr von der Schulter, und einen Augenblick dachte ich wirklich, er würde es gegen unseren gnädigen Herrn Baron in Anschlag bringen. Mir fuhr der Schrecken so gewaltig in die Glieder, daß ich wohl, ohne es selbst zu wissen, einen kleinen Schrei aussticß, und da zuckle der Herr Förster zusammen, schaute wild umher und ließ seine Büchse sinken. Wenn er mich entdeckt hätte, so wäre es mir gewiß hundsübel gegangen. Darum verkroch ich mich sachte noch tiefer unter die Hecke und entging damit wirklich seinen Blicken. Er mochte wohl meinen, daß er sich getäuscht habe, und schaute nun wieder nach dem Oberst aus. Der aber war unterdessen schon an der Wegkrümmung verschwunden, und da warf der Förster sein Gewehr mit einem grimmigen Fluch wieder über die Schulter, schüttelte drohend die Faust nach dem Schlosse und
murmelte etwas vor sich hin. von dem ich nur das Wörtlein „sterben" oder so etwas Aehnliches verstand. Es kann aber anders gelautet haben
— dafür möchte ich meinen Kopf just nicht zum Pfand setzen, denn ich war so erschrocken, daß es mir in den Ohren sauste und daß ich gar nicht recht wußte, wie mir geschah! Erst nach einer ganzen Weile wagte ich mich aus meiner Hecke heraus und lief spornstreichs nach Hause."
„Es ist gut! — Nur noch eine Frage: Sie glaubten also wirklich ganz fest, daß der Förster auf den Oberst schießen würde, als er das Gewehr von der Schulter riß?"
„Es war meine Ueberzeugung, Herr Gerichtsrat; denn der Förster ist ein heftiger und jähzorniger Mann. Er hat vor vielen Jahren schon einmal einen Wilderer kreuzlahm geschossen."
„Nun, in diese Zwangslage kann am Ende jeder gewissenhafte Forstbeamte einmal kommen,
— das würde noch nicht viel für seine Gewalt- thätigkeit beweisen. — Uebrigens — sind Sie mit dem Förster irgendwie verfeindet? — Haben Sie einen Grund, ihm etwas Ueblcs zu wünschen?"
Martin nahm die Miene einer gekränkten Unschuld an.
„Sie sagen, daß Sie bei dem Oberst in besonderer Gunst gestanden hätten. Aus welcher Ursache? — Dienten Sie ihm als Spion? Ihr ganzes Wesen läßt auf etwas Derartiges schließen."
O. Herr Gerichtsrat, das ist ein hartes Wort — das hat mir noch kein Mensch gejagt!
— Ich habe noch niemals spioniert, und ich würde mich auch sicherlich viel zu ungeschickt dazu anstellen. Nein, ich hatte dem Oberst einmal das Leben gerettet, als ihn sein scheu gewordenes Pferd abgeworfen hatte, und er mit einem Fuß im Steigbügel hängen geblieben war. Das hat er mir nicht vergessen, und hat es mich entgelten lassen, wo er nur immer konnte.
„Nun, das läßt sich hören! Es ist wohl möglich, daß ich Ihnen Unrecht gethan habe. Aber ich muß Sie doch noch einmal darauf aufmerksam machen, daß Sie späterhin Ihre ganze Aussage zu beschwören haben werden und daß dieselbe für die vorliegende Untersuchung möglicher Weise eine sehr große Bedeutung ge- winnen kann.
Martin that sehr betroffen und nahm eine weinerliche Miene an.
„Ach, lieber Himmel! Wie hätte ich ahnen können, daß mich meine Schwatzhaftigkeit in eine so schlimme Lage bringen würde. Nun wird man mir vorwerfen, daß ich cs gewesen sei, der den Förster ins Verderben gebracht hat. Und das habe ich doch nicht gewollt! — Aber wiederrufen kann ich trotzdem nichts. Die Wahrheit geht mir über Alles, — und was ich gesagt habe, ist nichts als die reine, lautere Wahrheit."
„Nun gut, wir werden das ja bald erfahren!
— Hat man noch einmal nach dem Förster Hagemeisler gesandt?"
Martin machte einen Kratzfuß und ging. Niemand sah das triumphierende Lächeln, das für einen Augenblik seinen breiten Mund verzerrte, und das tückische Aufflackern in seinen kleinen bösartigen Augen.
Der Untersuchungsrichter gab dem Kommissar einen Wink und der Förster wurde eingeführt. Er war in feinem Dienstanzuge so, wie er aus dem Walde heimgekehrt war. Die beiden Beamten faßten ihn scharf ins Auge; aber sie mußten sich sagen, daß in seiner Erscheinung nichts Verdacht erweckendes lag. Seine Haltung war straff und militärisch, seine Züge von ruhigem, männlichem Ernst und sein Blick so frei und offen, wie ihn ein schuldbeladenes Gewissen schwerlich zugelassen hätte.
Der Untersuchungsrichter durchblätterte noch einmal das eben aufgenommene Protokoll und begann dann das neue Verhör:
„Sie waren es, Herr Förster, der die Leiche des Ermordeten zuerst auffand, und zwar unmittelbar, nachdem das Verbrechen verübt worden war?"
„Ja wohl!"
„Woraus schlossen Sie, daß die Ermordung des Oberst erst soeben stattgefunden habe?"
„Ich hörte einen Schuß fallen und ging sofort der Richtung nach, weil ich glaubte, einen Wilderer zu erwischen."
„Sie befanden sich also dem Thatorte ganz nahe?"
„Ich war kaum dreißig Schritte von der Stelle entfernt an welcher der Oberst fiel."
„Und dennoch nahmen Sie nichts von dem Thäter wahr? — Dachten Sie denn nicht an seine Verfolgung?"
„Es mußte meine nächste Sorge sein, mich um den Baron zu kümmern, und als ich die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß ihm keine menschliche Hilfe mehr nützen könne, da hatte der Mörder längst Zeit gefunden, zu entwischen."
„Wußten Sie. ehe dies Alles geschah, daß der Oberst im Walde sei.
„Ich war kaum zwei Minuten vorher mit ihm zufammengetroffen."
„Sie hatten bei der Gelegenheit auch mit ihm gesprochen?" — „Ja!" — „Worüber?"
„Der Förster zögerte, und seine Stimme klang weniger sicher, denn zuvor, als er sagte:
„Ueber gleichgiltige Dinge!" Wir wechselten überhaupt nur wenige Worte!"
„Es ist Ihnen nicht bekannt, daß der Oberst einen Feind hatte, von dessen Rachsucht man sich einer solchen That versehen könnte?"
„Darauf vermag ich nur mit einem „nein" zu antworten. Der Oberst war ein strenger Mann; aber ein durchaus humaner Herr, und wie ich ihn kannte, halte ich es für unmöglich, daß er irgend Jemand so sehr gegen sich aufgebracht haben sollte."
„Er lebte also mit allen seinen Beamten stets im Frieden?"
„Das entzieht sich meiner Beurteilung, denn ich kümmerte mich nur um die Dinge, die meinen eigenen Dienst betrafen."
„Und Sie selbst haben niemals üble Erfahrungen mit ihm gemacht? — Sie lebten stets im besten Einvernehmen mit ihm?"
„Stets! — Er war mir, ebenso wie sein in Gott ruhender Bruder, mehr ein wohlwollender Freund, als ein Brotherr!"
„Hm! Aber kleine, unerhebliche Zerwürfnisse werden doch wohl zuweilen vorgekommen sein! — Er machte Ihnen noch einmal einen Vorwurf wegen einer Versäumnis oder eines Versehens in Ihrem Dienst?"
„Niemals!" war des Försters rasche und bestimmte Antwort. „Er hatte unbedingtes Vertrauen zu meiner Gewissenhaftigkeit und ich glaube nicht, daß er jemals Veranlassung hatte, dies Vertrauen zu bereuen."
(Fortsetzung folgt.)
Cannstatt, 16. Okt. (Man muß sich nur zu helfen wissen.) Den Rekruten ist es seit einigen Jahren verboten, in hiesiger Stadt zu singen. Bei der gestrigen Einstellung nun kam ein langer Zug künftiger Vaterlandsverteidiger vom Bahnhof in Reih und Glied gegen den Sammelplatz beim Oberamt marschiert und die bekannten Rekruten- und Abschiedslieder pfeifend, was allgemeine Heiterkeit erregte.
(Verlockend.) Förster (in einem Witzblatt eine Jagdgeschlchte lesend): „Hurra, die Geschichte muß ich aber auch mal erleben!"
Auflösung des Silben-Rätsels in Nr. 163. Arbino, Nebenius, Greenbacks. Astorga, Roller.
Nabob. Ungarn-Brasso.
Auflösung der Ausgabe iu Nr. 163.
Von der Zahl 66.
Aufgabe.
Als Herr N. gefragt wurde, wann er seinen Geburtstag feiere, antwortete er: „Datumszahl und Monatszahl kann man leicht aus den folgenden Angaben berechnen. In diesem Jahre Hab ich meinen Geburtstag noch nicht gefeiert. Zieht man von der Jahreszahl 1896 die 49fache Datumszahl ab, so bleibt die 72fache Monatzahl übrig."
Wann feiert Herr N. seinen Geburtstag?
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neue nbürg.