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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 10. Okt. (Gewerbeverein.) Daß die Beseitigung des B o r g u r> w e s e u s. dieses Krebsschadens des kaufmännischen Verkehrs, wünschenswert ist, darüber herrscht schon fett Jahrzehnten nur eine Stimme. Bereits im Jahre 1878 -faßte der deutsche Handrlstag folg­ende Resolution:Der deutsche Hand-lstag er» kennt in der Einführung von Barzahlungen in Verbindung mil der Annahme von testen Preisen im Kleinhandel seitens der Verkäufer ein wesem- lichcö Mittel zur Hebung der d-utschen Kredit- Verhältnisse u. s. w." Darüber jedoch, ob eine Beseitigung d-s Unwesens überhaupt möglich ist und falls, auf wrlche Weise die Lösung zu er­folgen hat, gchen noch immer die Ansichten auseinander. Auf der einen seile wird die An­sicht vertreten, baß das Bvrgunwcsen seine Wurzrl in den unzureichenden Mitteln weiter Bevölker- ungsschichten habe und daher erst die soziale Frage gelöst werden müsse, ehe man die Zu­stände avändcrn kön-n; man versuche eine Qua dratur des Zirkels, wenn man sich bemühe, oem liebet zu Leibe zu gehen. Auf der anderen Seite werden die Mißstände in der Hauptsache dem Schlendrian und der Rücksichtslosig­keit den Verkäufern gegenüber, sowie anderen ähnlichen Verhältnissen abgeleitet, welche die Be­seitigung des Borgunwesens als wohl möglich erscheinen lassen. Nachdem die in den 70er Jahren gemachten Versuche, namentlich durch Gründung von Barzahlungsv--reinen, eine Re­form der kaufmännischen Zahlungsweise anzu- bahnen, gescheitert waren, behaupteten für lange Jahre hinaus die Zweifler an der Möglichkeit der Reform das Feld; erst seit kurzem beginnen wieder mehr und mehr die Stimmen sich zu mehren, welche eine erneute Inangriffnahme der Frage iür wünschenswert halten. So hat u. a. in dankenswerter Weise die Handelskammer in Bielefeld der Frage ihre Aufmerksamkeit zuge- wandt und folgende Resolution gefaßt: I) Die in Deutschland vielfach übliche Bewilligung zu ausgedehnter und oft unbestimmter Zahlungs­fristen ist auf dem Wege der Selbsthilfe möglichst zu beseitigen resp. zu beschränken. 2) Erfolg- reiche Reformbcstrebungen müssen beim Konsu» menten in seinem Verkehr mit dem Detaillisten und Handwerker beginnen. 3) Im Verkehr, zwischen Konsumenten einerseits, Detaillisten und s Handwerker andererseits ist das zu erstrebende Ziel die Barzahlung. 4) Als erstes Ziel ist die Erteilung von Rechnung bei Ablieferung der Ware dczw bei Beendigung der Arbeit und in regelmäßigen Zwischenräumen ('/«jährlich, später monatlich) ins Auge zu fassen." In der Er- kenntniö, daß die Frage nach dem richtigen Wege der Reform nur von der Gesamtheit des deut­schen Kaufmannstandes gelöst werden kann, hat auch der hiesige Gewerbeverein die Frage be­sprochen und sich mit der Resolution in der Hauptsache einverstanden erklärt. Die Kommis­sion zur Herbeiführung einer Reform der kauf- männljchen Zahlungsweise wird die ihr zuge­gangenen Gutachten veröffentlichen und ihre Ergebnisse in einer Denkschrift zusammenfassen. Sie hofft, daß es gelingen wird, auf einer De legiertenkonferenz Beschlüsse zu fassen, welche d,e für den Deutschen Kaufmannsstand, in erster Linie für den Detaillisten und Handwerker, mittelbar jedoch nicht minder für den Grossisten und Fabrikanten überaus wichtige Frage ihrer Lösung näher zu führen.

Neuenbürg. Der Gesellsch. v. Nagold bringt folgendes Eingesandt:Vor einem Jahr­zehnt kaufte Einsender dieses in einem besseren Geschäft der Residenz Wollmatratzen. Wie sehr er dabei angeichmiert wurde, zeigte sich bei einer nötigen Reparatur. Statt Wolle kam ein buntes Allerlei zum Vorschein: leinene Fäden, Stücke von alten Teppichen. Haare, mit der Maschine zerkleinerte Klciderreste, kurz lauter meist ekelhafter Schund. Ebensolches Zeug ent­hielt eine hygienische Matratze, welche auf An­ordnung des Arztes sRncrzeit auch in Stuttgart von einem fußleidenden Herrn einer Nachbarstadt gekauft worden war. Anläßlich einer Reparatur kam auch bei dieser teuren Matratze der Schatz zum Vorschein. Darum: Vorsicht beim Ein­

kauf von Wollmatratzen! Lieber einkoufen bei Geschäftsleuten mit reellem Geschäftsbetrieb im Oderamlsbezirk als für und sei es hygienische Schwindelware viel Geld nach auswärts schicken.

Enzklösterle, 15. Oki. In dem benach­barten badischen Jagdgebiet Kaltenbronn wurden am gestrigen Tage nicht weniger als 21 Hirsche erlegt.

Grafen hausen, 15. Okt Die Wein- lese ist bei schönstem Wetter seit gestern im Gang. Das Erzeugnis ist besser wie das vor­jährige; die Menge schlägt jedoch zurück. Bis heute Freitag mittag noch kein fester Preis.

Ober- u. Uuterniebelsbach, 15. Okt. Auch bei der hiesigen Weinlese, welche am 12. und 13. beendet wurde, schlug die Quantität beträchtlich zurück, was manche Enttäuschung brachte, während die Qualität allgemein be­friedigt. Käufe wurden abgeschlossen zu 150 Mark per 3 Hektoliter.

Ellmendingen, 13. Okt. Die dies­jährige Weinlese, die Donnerstag beendigt worden ist, liefert wieder einen guten Rotwein, dessen Qualität bedeutend besser ist, als die des Vorjahres. Die Quantität ist nicht groß, die Preise sind mäßig.

Ettlingen. 13. Okt. Gestern vormittag bat hier der Herbst begonnen. Einige faule Trauben abgerechnet ist das Ergebnis als zu­friedenstellend zu bezeichnen. Das Gewicht des Mostes beträgt zwischen 65 und 75 Grad. Ein bestimmter Preis ist bis jetzt noch nicht bekannt.

Pforzheim, 15 Okt. Mit den Arbeiten zur Vergrößerung des hiesigen Bahnhofes, dessen Geleise-Anlagen namentlich nach der württem- bergischen Seite hin sehr ausgedehnt werden sollen, wird voraussichtlich im kommenden Früh­jahr schon begonnen werden. Die Bahn hat bereits das erforderliche Gelände erworben.

Neuenbürg, 16. Okt. Schweine­markt. Zugeführte 35 St. Milchschweine wurden zu 1023 ^ das Paar verkauft.

Deutsches Reich.

Der Kaiserist von seinen letzten größeren Reisen, die ihn von den deutschen Kaiser- manöoern nach Ungarn, von dort nach Ostpreußen und zuletzt nach Jagdschloß HuberluSstock führten, am Mittwoch Nachmittag in Begleitung der Kaiserin wieder im Neuen Palais bei Potsdam eingelroffen. Am Montag und Dienstag hatte der Kaiser noch in Hubertus­stock die Chefs des Militär-, Marine- und Zivil- kabinets, ferner den Kriegsminister v. Goßler, den kommandierenden Admiral v. Knorr und den Staatssekretär im Marineamt Tirpitz em­pfangen; hiezu müssen wohl zwingende Gründe Vorgelegen haben. Es liegt nahe, diese Be­rufungen vor Allem mit den schwebenden Fragen der Militärstrafprozcßreform und der Flotten- verstärknng in Zusammenhang zu bringen, und in der Thal ist oie Annahme ziemlich allgemein, daß nach beiden Richtungen hin irgend welche Entschließungen gefaßt worden sind. Dieser Annahme steht auch der Umstand keineswegs entgegen, daß der Reichskanzler nicht nach Hubertusstock berufen worden ist. denn der Kaiser empfing noch am Mittwoch Nachmittag im Neuen Palais den Fürsten Hohenlohe, dann den Finanzminister Dr. v. Miguel und den stell­vertretenden Staatssekretär oes Auswärtigen v. Bülow. Vielleicht, daß man nun über den Stand der Militärstcasprozeßreform wie über den Inhalt der neuen Marinevorlage endlich etwas Bestimmtes erfahren wird, denn bisher waren hierüber so viele unbestimmte und teil­weise einander widersprechende Nachrichten oer- breitet, baß man auf diesen Nachrichlenwirrwarr wohl die Worte in dem bekannten Gedicht an­wenden könnte:

Der Eine heißt den Andern dumm

Am End' weiß Keiner nix!"

Nun hat sich allerdings gerade in diesen Tagen der bayerische Kriegsminister v. Asch im Finanzausschüsse der bayerischen Abgeordneten­kammer hinsichtlich der geplanten Neuregelung der Militärstrafprozeßordnung ausgelassen. Seinen Darlegungen zufolge sind die Vor­beratungen der zuständigen Bundesrats-Aus- schüsse in dieser Frage noch nicht abgeschlossen,

Bayern vertritt hierbei nachdrücklich die in der bayerischen Militärgerichtsordnung enthaltenen Grundsätze der Gerichtsorganisalion, der Münd­lichkeit und Oeffentlichkeit des Hauptveriahrens und beharrt auf Wahrung seiner Reservakrcchte im vollen Umfange. Sollte keine gemeinsame Militärstrafprozeßordnung für das Reich zu Stande kommen, so will Bayern an semem jetzigen Sondergesetz sesthalten. Diese Acußer- ungen des bayerischen Kriegsministers beruhen zweifellos auf authentischen Grundlagen, dem­nach wären die Aussichten für die Militär­strafprozeßreform nach wie vor wenig günstige.

Der Kaiser hat sämtlichen Bataillonen der am 1. April neu errichteten Infanterie- Regimenter Fahnen verliehen, deren Nagel­ung und Weihe in Gegenwart des Kaisers diesen Sonntag vormittag in Berlin staliftndet. Zu der Feier sind die kommandierenden Generale und von jedem der neuen Regimenter eine An­ordnung nach Berlin befohlen worden.

Fürst Bismarck Hai den ihm schon von früheren Unterredungen her bekannten bayerischen Reichrat Häßler aus Augsburg empfangen und mit einer Einladung zum Frühstück beehrt. Die Unterhaltung war sehr lebhaft, Fürst BiSmarck nahm u. a. Gelegenheit, seine leohafte Genug» thuung über das Zusammengehen von Landwirt- fchrft, Industrie und Handel bei den Vorbereit­ungen für den Abschluß von Handelsoerträgen ouszudrücken.

DerReichsanzeiger" warnt deutsche Er­zieherinnen, bei der Annahme von Stellungen in Spanien die gebotene Vor­sicht nicht außer Acht zu lassen und rät, vor allem schrittliche B'rträqe zu machen.

Die preußische Regierung hat beschlossen, die Dienstkautionen sämtlicher Beamten avzu- fchaffen. Manchem sonst sehr tüchtigen Mann fällr es eben schwer, die Dienstkaation zu ve- schaff-n und er mutz unter manchmal rcchr er­schwerten Umständen das Geld für die Kaution entleihen, was nicht selten der Anlang zum finan­ziellen Ra>n des Betreffenden wirs.

Berlin. Getreidemarkl - Bericht. Wiewohl die Getreideunterbringung bisher keinen rechten Fortgang zeigte, haben sich die Getreide- Preise nichlSdistoivenlg-'r mäßig gehoben. Hiezu gaben stärkere Anschaffungen Englands und an­haltende Dürre in den Winterweizen - Distrikten der V-reimgten Staaten von Nordamerika, deren ungünstiger Einfluß auf den PflanzcnwuchS ernst­liche Besorgnisse dervorriei, im allgemeinen V.r» anlassung. Die Preise haben sich mehr an den großen Handelsplätzen, als im ganzen Lande gehoben. Auch Mehladsatz hat sich etwas ge­bessert, und die Preise dafür haben sich ebenfalls etwas befestigt. Die Umsätze waren aber hier im allgemeinen ebenso gering, als in Weizen und Roggen, vielleicht woyt mit aus dem Grunde, daß sich die Deckung des Winterbedarfs kaum fühlbar macht. Slärkerc Umsätze fanden in gutem, trockenem amerikanischem und nord- russischem Hafer gegenüber den meist abfallenden inländischen Sorten statt.

München, 14. Okt. Die Kammer der Abgeordneten hat nach dreitägiger Debatte den Antrag Steininger angenommen, wonach die Staatsregierung bei dem Bundesrat einwirken soll, daß ausländisches Schlachtvieh an der Grenze mindestens einer zehntägigen veteinär- polizeilichen Beobachtung und am Bestimmungs­orte einer tierärztlichen Kontrolle unterzogen, ferner daß die Biehtransportcurc gründlicher desinfiziert werden sollen. Außerdem wurde ein Teil des Antrags Ratzinger angenommen, wo­nach die Einfuhr bereits geschlachteten Viehs ver­boten werden möge. Alle wcitcrgchenden An­träge wurden abgelehnt.

Stettin, 12. Okt. DerKöln. Ztg." wird von hier geschrieben:Bor einigen Tagen starb hier der Steuersekrctär Ticde, der vor mehreren Jahren das Interesse weiter medizin­ischer Kreise erregt hatte. Tiede war vor Jahren am Magenkrebs erkrankt, Hilfe schien dabei ausgeschlossen, bis sich Oberarzt Dr. Schuchardt vom hiesigen städtischen Krankenhaus entschloß, durch eine Operation dem Kranken den Magen heranszunehmen und durch Erweiterung des Darmes einen künstlichen Magen herauszustellen.