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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg. 28. Septbr. (Eisen- bahnsache.) Aus Anlaß des bevor­stehenden Herbstverkehrs werden die Interessenten auf nachstehende Verfügungen der Generaldirektion der Staats-Eisenbahnen auf­merksam gemacht: 1) Die Begleitung von Weinsendungen in Wagenladungen durch die Versender beziehungsweise durch deren Leute ist allgemein zulässig. Diese Begleitung ist auch zugelassen, wenn für verschiedene zusammen geladene Einzelsendungen ein gemeinschaftlicher Begleiter gestellt werden will. Der Begleiter hat zutreffenden Falls eine Fahrkarte III. Klasse zu lösen und Aufstellung im Innern des Wagens, also nicht auf der Plattform zu nehmen. 2) Die Güterstellen sind angewiesen, zur Ver­meidung von Verwechslungen und Verschlepp­ungen, nur solche leere und gefüllte Weinfässer zur Beförderung anzunchmen. welche an einer der beiden Bodenseilen mit weißer Oelfarbe ge­nau gezeichnet sind. Es empfiehlt sich, die zum Versandt kommenden Gebinde womöglich an beiden Bodenseiten mit dem vollständigen Namen zu versehen. 3) Im Interesse einer regelmäßigen und raschen Abfertigung wird den Versendern von neuem Wein dringend empfohlen, jeder Auflieferung wenn thunlich, stets den Fracht brief beizugeben oder die Güterstellen bei der Anfuhr wenigstens mit einer Notiz zu versehen, aus welcher zu entnehmen ist, nach welcher Station die Sendung bestimmt ist uns ob solche als Einzel- oder als Wagenladungsgut Beförder­ung finden soll.

Neuenbürg, 4. Oft. Der Turner­gesangverein unter Leitung des Herrn Lehrer Vollmer gab gestern Abend im Gasth z. Bären eine Abendunterhaltung, die, wie vor­auszusehen war, sich eines sehr zahlreichen Besuches zu erfreuen hatte. In hübscher Ab­wechslung brachte der rührige Verein wieder Männerchöre, humoristische und Solostücke zum gelungenen Vortrag. Die von der Turnerriege ausgeführten gymnastischen Uebungen zeichneten sich wieder durch neue Gruppierungen vorteilhaft aus^urid fanden ebenfalls das lebhafteste Interesse

Bern eck bei Altensteig, 2. Oft Schon ^längst rief die hiesige Station, bestehend in einem Schutzdach als Personen- und einem Güterwagen als Güterbahnhof den Spott der Fremden her­vor; jetzt ist die Erbauung eines geeigneten Gebäudes beschlossen und dürfte bald erfolgen.^-

Nagold, 3 Oft. Gestern vormittag ver­anstaltete die Biehzuchtgenossenschaft des Be­zirks Nagold eine Viehausstellung mit Prämierung. Oberamtmann Ritter wies in einer Ansprache darauf hin, daß seit Bestehen der Ge- nossenschaft die Viehzucht sich sehr gehoben habe und forderte zu weiterem Beitritt in dieselbe auf.

Pforzheim, 2. Oft! Gestern Vor­mittag nahm der Untersuchungsrichter Hr. Land- gerichtsrat Schenk aus Karlsruhe an Ort und Stelle, wo am 20. Sept. ds. Js. der Gold- arbeiler Friedrich König von Ottenhausen erstochen wurde (westliche Karlfriedrichstraße) einen Augenschein vor. wozu 6 der Inhaftierten, welche sich bei der Schlägerei beteiligt hatten, durch die Schutzmannschaft vorgeführl wurden.

Pforzheim, 2. Oft. Auf den heutigen Schweinemarkt waren 170 Ferkel zuge führt. Von denselben wurden 130 Stück zu einem Durchschnittspreis von 18 M. das Paar verkauft.

Deutsches Aeich.

Berlin, 2. Oft. Der Neunerausschuß des Zentralkomites zur Unterstützung der Heber- schwemmten in Deutschland hielt heule unter des Stadlverordnetenvorstandes Dr. Langer- hans eine Sitzung, in der folgende Summen zur Versendung bestimmt wurden: Nach Ep- Pin gen (Baden) 35000 nach Elsaß Lothringen 25 000 nach der Stadt Guben, nach der Stadt Forst, nach dem Kreise Sorau, an den Kreis Kollbus, nach Delitz je 20000 vkL; nach Bitterfeld 30 000 vlL; nach Eilcnburg 10 000 nach Dessau 15 000 nach Württemberg 1000001L Es verbleiben zur Disposition etwa noch 1 Million vkL Ge­

zahlt soll nur an Hilfsbedürftige werden, welche zur Fortführung ihrer Existenzen einer Unter­stützung bedürfen. Die ganz Unbemittelten sollen jedoch einen höheren Prozentsatz erhalten.

Das endgiltige Ergebnis der Landtags­wahlen in Meiningen ist folgendes: Gewählt sind 4 Nationalliberalle, 4 Sozial- demokraten, 3 Mitglieder des Bundes der Land­wirte und 1 Freisinniger. In die Stichwahl kommen 2 Nationalliberale, 2 Freisinnige, 2 Bündler und 2 Sozialdemokraten.

W'e bedeutend der Börsenverkehr in Berlin geworden ist, beweist die Thatjache, daß in den Kellern des Berliner Kossenvereins iu letzter Z-it einmal an besonders lebhaften G schäftstagen die Summe von 31 Milliarden M>rk das sino 3l 000 Millionen Mark in Wertpipiercn aufdewahrl waren. 16 Beamte sind angeitellk, um di-se Aktien, die an der Berliner Börse gehandelt werden, und die in eis-rnen, feuersicheren Schränken wohl verschlossen sind, während des Nachts zu bewahren.

Ei« Ankläger.

Der Wert der Sozialdemokratie für die Arbeiter­schaft, Erlebnisse eines in der Partei thätig gewesenen Genossen" ist eine Broschüre betitelt, die soeben im Verlage von Hermann Walther (Friedrich Bechlyi in Berlin erschienen ist. Der Verfasser - der Korbmacher Ernst Fischer in Berlin hat mit der Sozialdemokratie böse Erfahrungen gemacht, schließlich aber doch den Mut gesunden, die Zustände offen klar zu legen, die in jener Partei herrschen, um andere, die gleich ihm unerfahren sich von den Lehren sozialdemokratischer Agitatoren umgaukeln lassen, zu warnen, der Lockungen und Versprechungen zu folgen. Seine tragische Ge­schichte wird von niemand ohne Teilnahme gelesen werden:

Ein zufriedener obersränkffcher Handwerker wird von einem Verwandten, eifrigen Parteigänger der Sozialdemokratie, durch Versprechungen in die Reichs­hauptstadt gelockt. Er wird in die Geheimnisse der Sozialdemokratie eingesührt und ist als untergeordneter Führer thätig. Sein Unglück wird dadurch herbei­geführt, daß er für einen Parteigenossen eintritt und deswegen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird. In höchster Bedrängnis nimmt der dem Untergange nahe Korbmacher die Hilfe des ehemaligen, später von der Anwaltskammer ausgestoßenen Rechtsanwalts und Reichstagsabgeordneten Stadthagen in Anspruch. Diesem übertrug er seine Verteidigung. Stadthagen hielt es indessen nicht einmal für nötig, die Entlastungs­zeugen vorzuladen und rechtzeitig im Termin zu er­scheinen. Als aber Fischer im Gefängnis saß, ließ Stadthagen dessen Familie auspfänden, weil sie die Kosten der Verteidigung nicht sofort zu decken vermochte. Fischer erzählt ferner, wie er sich an die Partei und an Sinzer gewandt habe, von jener aber nursozial­demokratische Grüße", von diesem die Versicherung er­halten habe, daßer (der Millionär Singer) selbst nur gerade so viel habe, wie er brauche."

Interessant ist die L-childerung des Verfassers, in welcher Weise die Anhänger der Sozialvemokratie tmmer von neuem wieder von den Führern ausgebeutet werden, und wie alle Einwände mit dem Schlagwort: Immer nur vorwärts, um das Ziel zu erreichen!" widerlegt werden. Die Ausbeutung der Arbeitskraft durch die Sozialdemokratie wirb an Beispielen gezeigt. Außerdem berichtet Fischer mancherlei über die innersten Vorgänge bei Streiks, über das Wohlleben der Führer, über die Lügen, welche gesponnen und in marktschreier­ischer Weise verkündet werden müssen, um das Gebäude der Sozialdemokratie zu stützen, ferner die Act, wie die Führer sich an die Krippe drängen, wie einer den andern wegzubeißeu sucht, wie sie sich angesehene und einträgliche Brokstellen zu verschaffen wissen, kurz, er läßt manche Blicke hinter die Kulissen der Sozial­demokratie thun.

Sein Urteil faßt Fischer wie folg', zusammen: An Versprechungen fehlt es dieser Art von Leuten nie; gehalten aber haben sie ihre Versprechungen eben­falls noch nie. Es ist die höchste Zeit, daß die Menge der Arbeiter erwacht und sieht, in welchen Sumpf der Verderbnis jene sie führen wollen. Wer sich einmal mit der Sozialdemokratie eingelassen hat, ist ihr fast immer für alle Zukunft verfallen. Nur wenige haben die Krast und die Geschicklichkeit, sich zu retten. Die Sozialdemokratie giebt niemand frei, so lange er noch irgend etwas hat, das geopfert werden kann. Sind aber seine Kräfte erschöpft, dann wirst sie ihn mitleids­los, hohnlachend über Bord; sie kann den Ballast nicht tragen, denn sie hält sich selbst nur durch allerlei Künste noch an der Oberfläche."

Die Schrift Fischers macht den Eindruck der Wahr­haftigkeit. Was er erzählt, klingt umso glaubwürdiger, als es mit den Mitteilungen überemstimmt, die man aus andern ähnlichen Enthüllungen kennt. Die Arbeit­geber und alle andern bürgerlichen Elemente, die eine praktische Bekämpfung der Sozialdemokratie sich zur Aufgabe gemacht haben, sollten nicht säumen, diese außerordentlich lehrreiche und interessante, dabei in einem durchaus volkstümlichen Stile gehaltene Schrift zu verbreiten, Senn ein wirksameres Mittel zur Bekehr­ung von den sozialdemokratischen Lehren dürfte sich ihnen schwerlich darbielen.

Württemberg.

Als Predigttext skr die am Sonntag, 10 Oktober stattfindende kirchliche Feier ves be­vorstehenden Geburtsfestes I. M. der Königin in den evangelischen Kirchen des Landes ist von Sr. Maj. dem König die Stelle Psalm 40, 12 Du Herr wolltest Deine Barmherzigkeit von mir nicht wenden; laß Deine Güte und Treue allewege mich behüten" bestimmt worden.

Das Regierungsblatt Nr. 19 vom 30 Sep. enthält eine Verfügung deS Ministeriums deS Innern und der-Finanzen vom 17. September betr. die Vornahme einer Viehzählung in Württemberg am 1. Dezember 1897.

Stuttgart. Wie derSchw. Merk." vernimmt ist die E i u b e r u f u n g desLand - tags für Ende November in Aussicht genommen. Vorher werden die verschiedenen Kommissionen zusammentreten, um die Vorlagen, die sofort nach dem Wiederzujammentritt der Stände erledigt werden sollen, zu beraten. Es wird anzunehmen sein, daß in erster Linie die noch erledigten Steuergrsetzesentwürfe beraten werden und daß dann die allgemeine Beratung über das Verfassungsgesetz und das O rts o o rste h er g e s etz statlfindet. Die von dem Kultministerium emberusene B o l ks sch u lk o m mi s si o n hat ihre Berat­ungen in 3 Sitzungen, die am Mittwoch und Donnerstag staltgefunden haben, zu Ende geführt. Den Vorsitz führte der Slaatsminister des Kirchen- und Schulwesens. Anwesend waren eben den aus dem Land einberusenen Persönlichkeiten die Vorstände und Referenten der beiden Oserschulbehörden.

Stuttgart, 2. Oft. Auf der Station Vaihingen-Sersheim ist heute früh 4 Uhr ein von Bietigheim nach Mühlacker fahrender Lokomotiozug mit einer Rangiravteilung des Gütcrzugs 825 zusammengestoßen. Ein Bremser wurde verletzt, eine Lokomotive uno 4 Güter­wagen sind beschädigt. Beide Gleise sind seit 8 llhr wieder fahrbar. Die Ursache des Unfalls ist, soweit bis jetzt festgestellt werden konnte, Nichtbeachtung der Haltstellung des Slattons- Einfahrtssignals seitens des Führers des Loko- motivzugs.

Cannstatt, 1. Okc. Nachdem die Er­hebung einer Gebühr für die von einer Polizei­behörde auszustellende Radfahrerkarte als unzu­lässig erwiesen ist, sollen hier von den Radfahrern die in Aussicht genommenen 2 nicht als Gebühr", sondern als Ecfatz der Auslagen für die nur von der Octspollzelbehörse zu beziehen­den 2 Nummernplatten nebst Radfahrcrkarle er­hoben werden.

Tübingen, 28. Sept. Das Militär« gericht hat, wie die Blätter melden, dreier Tage einen Lanüwehrunrerosfizlec aus Eßlingen wegen Ächtungsoerletzuag im Dienst zu zwei Monaten Gefängnis uno Degra­dation verurteilt. Das Vergehen wurde in der Weise begangen, daß, als während eines Marsches auf kotiger Siraße der vorauSreitende Landwehr- hauptmann den Mannschaften zurief, sie sollten aufpassen, daß ihnen die Stiefel nicht stecken blieben, der Unteroffizier aus dem Gerede heraus dem Hauptmann zurief:Fallen nur Sie nicht oom. Pferde!" Der Hauprmann stammte auch aus Eßlingen und war ein guler Bekannter des Unteroffiziers, was dazu beigetragen haben mag, diesen den Unterschied der derzeitigen Stellung vergessen zu lassen. Wie es heißt, ist an den König bereits erne Bittschrift um Be­gnadigung eingereicht worden.

Ü l m, 2. Okt. Die Zivilkammer des hies. Landgerichts har gestern die Encjchädigungsklage der Schrernerswilwe Metzger gegen den Draht­warenfabrikanten Wörz in Ulm abgewiesen. Der Mann der Klägerin war im Winter 1896 in einem Neubau des Würz die noch gelänüerlose uns unbeleuchtete Treppe herabgestürzr und ge­storben. Wörz wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Woche Gefängnis verurteilt, aber nach­träglich begnadigt. Die Witwe Metzger klagte nun aus eine jährliche Reute von 600 und für jedes ihrer zwei Kinder jährlich 225 c/L Das Gericht entschied sich gestern gegen sie, da ihr Mann den rötlichen Fall sich durch eigene Fahrlässigkeit zugezogen habe; ec hätte den Neu-