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eitage zu Wr. 1S5 des Gnzthäters.
Neuenbürg, Sonntag den 3. -Otvber 1897.
Calw-Neuenbürg, 30. Sepi. Anlaß lich der von dem Gesangverein „Concordia"- Calw in Szene gesetzten Trennung von dem Enz-Nagoldgau-Sängerbund zur Gründung eines Bundes sür das Nagoldthal allein bringt das Calwer Wochenblatt in seiner heutigen Nummer ein „Eingesandt", welches wir auch im Enzthäler aufzunehmen veranlaßt worden sind. In demselben wird die beabsichtigte Trennung entschieden mißbilligt und einem Zusammenschluß zu einem größeren Verband das Wort geredet. Das Eingesandt lautet: „Die Gründe, welche zu einer neuen Bundcsbildung geführt haben, sollen angeblich darin liegen, daß die Orte des Nagold- und Enzthales räumlich zu weit entfernt, daß die Statuten nicht immer eingehalten worden und daß die Orte des Nagoldgebietcs überhaupt mit ihren Ansichten im Bund nicht durchgedrungcn seien. (?) (Oho!); auch andere Gründe wurden noch ins Feld geführt. Der Schwerpunkt der beabsichtigten Trennung und Ncugründung ist aber jedenfalls wo anders zu suchen. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die beiden Vereine des Nagold- thales von dem Ergebnis des Wettgesangs in Calmbach unbefriedigt waren. Sie sind der Ansicht, einen höheren Preis verdient zu haben und daher die Frontveränderung gegen den bisherigen Bund. Sicherlich hat aber der Bund auf das Ergebnis des Preissingens keinen Ein fluß geübt; die Personen des Preisgerichts bürgen dafür, daß alles ehrlich und redlich zugegangen ist. Die Mißstimmung suchen nun die beteiligten Vereine durch eine neue Schöpfung zu verscheuchen. Leider wird dabei die Ursache der Trennung fast vollständig übersehen E^)er Hauptgrund der Unzufriedenheit rührt doch ^ion dem Preisgesang her. Und nun will der neue Bund außer Maffenchöre auch den Wettgesang in seine Statuten aufnehmen; dadurch legt er den Keim zu schweren Verwickelungen und damit fängt er an, sich bei Zeiten das eigene Grab zu graben. Der Wettgesang bei den großen deutschen Sängerbünden hat schon vielen Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben und es haben sich jederzeit gewichtige Stimmen gegen den Wettgesang vernehmen lassen; auch der Schwäbische Sängerbund hat schon oft diese schwierige Sache aufs eingehendste beraten und betont, daß der Wettgesang immer seine Schatten in die fröhliche Stimmung der Sängcrschaar werfe. Wenn nun aber bei einem großen Bund die Nachteile des Wettgesangs offen zu Tage treten, wie vielmehr bei einer Vereinigung von nur wenigen Vereinen. Des Haderns wird kein Ende sein; jeder Verein will die 1. Stelle einnehmen und sobald er durchsällt, glaubt er das größte Unrecht erfahren zu haben. Jahrelang hat der westliche Gäusängerbund den Maffenchor gepflegt und ist nicht schlecht dabei gefahren; mit der Einführung des Wettgesangs hat er den Zankapfel in seine Reihen geworfen, wie sich dies in einigen Jahren fühlbar machen wird. Diese Zersplitterung der Kräfte ist aufs tiefste zu beklagen. Auf kleinem Raume werden künftig 3 Gaubünde stehen, die alle den Preisgesang in ihrem Programm haben. Jeder Bund besteht aus ca. 10—-15 Vereinen. Wäre es nicht besser, wenn die 3 Bünde sich in einen Bund Zusammenschlüßen, gewiß würden die Leistungen ganz andere werden und ein Preis- singen hätte eine viel größere Berechtigung und einen besseren Erfolg. Würden die Vereine des Enzthales. des Nagoldthales bis gegen Horb hin und die westlichen Gäuorte sich zu einem Bund vereinigen, so wäre ein Gau geschaffen, der sich dem oberen Schwarzwaldgau würdig
an die Seite stellen und eine viel vorteilhaftere Stellung einnchmen könnte als die oben genannten 3 kleinen Bunde. Wie stattlich wäre ein Gaubund mit 30 bis 40 Vereinen und ca. 800—1000 Sängern. Wie könnten die Vereine in edlem Wetteifer zeigen, was sie leisten und wie gewaltig würden die Maffenchöre auf die
Zuhörer ihren Eindruck üben! Der Einsender möchte diese Bedenken und Anregungen den beteiligten Vereinen zur Erwägung anheimstellen mit dem Hinweis, daß es auch bei den Sängern heißen sollte: Einigkeit macht stark! — Anmerkung: Die von den beiden Nagoldthalvereinen ins Feld geführten Gründe und Behauptungen dürften doch nur vorgeschobene, keineswegs beweiskräftige sein, ist cs doch in den eingewe.yken Kreisen zur Genüge bekannt, daß in Wahrheit einzig und allein nur der Umstand Schuld an der Verstimmung trägt, daß ein erst im letzten Herbst in den Enz- Nagoldgaubund eingetretener städt. Verein im Enzthal beim jüngsten Gaufcst den ersten Preis davontrug, einen ersten Preis, den jeder von den 2 Nagoldthalvereincn selbst zu bekommen hoffte. Beide Vereine werden auch künftig nach der neuen Konstellation um die Palme des ersten Preises in Konkurrenz treten. Da verdient allerdings der Vorschlag des Hrn. Einsenders, nach dem Beispiel anderer größerer Verbände sich zu- sammenschließen zu einem Bund, derben ganzen unteren Teil des württemb. Schwarzwaldes umfaßt, alle Beachtung.
Unterhaltender Heil.
Die letzten Gravensteiner.
Kriminal-Novclle von C. Meerfeld 1.
(Fortsetzung)
Der junge Baron war todtenbleich geworden, und seine Fäuste ballten sich, als wolle er sich im nächsten Augenblick auf seinen unsauberen Gläubiger stürzen. Aber er kämpfte seine wilde Erregung gewaltsam nieder und bemühte sich, einen ruhigeren, beinahe freundlichen Ton an- zuschlagcn.
„Lassen Sie uns vernünftig mit einander reden, Herr Michclmann! Zu welchem Zweck haben Sie mich hier im Hause meines Vaters überfallen? Sie konnten doch wissen, daß ich das Geld nicht habe; denn ich hätte es Ihnen sonst ohne Zweifel geschickt. Wozu wollen Sie mich nun mit den alten, abgebrauchten Redensarten quälen? — Sie sind ein reicher Mann, der sich recht gut noch für die wenigen Monate gedulden kann, — um so eher, da Sie doch Ihren Vorteil dabei finden. Bin ich Ihnen, als der Erbe von Gravenstein, nicht sicher für die lumpigen paar tausend Mark?"
Herr Michelmann faltete die plumpen fetten Hände über dem Magen und drehte die Daumen umeinander.
„Wer ist heutzutage noch sicher, Herr Baron ?" sagte er: „Wie kann ich auf eine Erbschaft warten, die Ihnen der Wille Ihres Herrn Vaters noch in jedem Augenblick entziehen kann! Und außerdem der Herr Oberst ist ein rüstiger Mann, ein Mann der noch dreißig Jahre leben kann, während ich selbst alt und gebrechlich bin und aus mein letztes Ständlein gefaßt sein muß. Ich kann auf seinen Tod nicht warten, und cs wäre auch gegen mein Gewissen, das zu thun. Sie sollten mir eine solche Sünde nicht zumutcn, Herr Baron! Hier in der Tasche habe ich Ihre Wechsel, Ihre Ehrenjcheine und ihre Br-efe! — Sie werden Sie innerhalb einer halben Stunde einlösen, und wir werden als gute Freunde auseinander gehen! Noch einmal sage ich Ihnen: es thut mir leid, daß ich Ihnen hier lästig fallen mußte; aber ich bin ja gern-bereit, mich sofort zu empfehlen, nachdem ich mein Geld empfangen Hobe!"
„Und wenn ich Ihnen nun abermals klar und deutlich wiederhole, daß ich diese Summe nicht besitze, daß Sie sich gedulden müssen?" fragte der Baron von Neuem.
„Wer sagt, daß ich mich gedulden muß? Wie soll ich dazu kommen, mich zu gedulden, wenn ich selbst in Verlegenheit bin, und wenn ich auf meinen Wechseln eine so gute Ueber- schrift habe, wie diejenige des Herrn Oberst von Gravenstein?"
„Um des Himmes willen. Mensch, Sie denken doch nicht daran, sich an meinen Vater zu wenden?"
„Warum sollte ich nicht? Ist doch Ihr Herr Vater als Bürge für Sie eingetreten, und wird er doch nicht wollen, daß ein armer, alter Mann, wie ich, sein sauer erworbenes Geld an Ihnen verliert?"
Baron Herbert war mit starken Schritten einmal in dem Gemach auf- und niedergegangen, und in seinem Gesicht arbeitete eine verzweifelte Angst, als er abermals vor seinem Peiniger stehen blieb.
„Was Sie da sagen, kann Ihr Ernst nicht sein", brachte er mit mühsam erzwungener Freundlichkeit hervor. „Nennen Sie mir Ihre Bedingungen, und ich bin bereit, auf Alles ein- zugehcn. Nur verlassen Sie dies Haus, ehe mein Vater etwas von Ihrem Hiersein gewahr wird."
„Meine Bedingungen sind sehr einfach, Herr Baron! Ich verlange nichts, als mein Geld! —- Aber ich gelobe Ihnen mit einem feierlichen Eid, daß ich meinen Fuß nicht wieder über die Schwelle des Schlosses setzen werde, ohne volle Bezahlung!"
Der junge Mann mußte sichtlich in seinem Herzen einen furchtbaren Kampf bestehen, ehe er sich an der Seite des Herrn Michelmann in einem zweiten Sissel niederließ und sich ganz nahe zu ihm hinüberbeugte.
„<sie sollen Ihr Geld haben, Herr Michelmann, — auf Heller und Pfennig, und innerhalb weniger Tage. Ich will Sie für die Kosten und die Versäumnisse Ihrer Reise fürstlich entschädigen, wenn Sie nur dies wahnwitzige Vorhaben aufgeben, mit meinem Vater zu reden. Ich weiß ja, daß Sie gar nicht so unmenschlich sind, als Sie sich jetzt stellen wollen, — Sie haben die Absicht, möglichst viel zu verdienen,
— und das nehme ich Ihnen nicht übel, — aber Sie haben sicherlich nicht die Absicht, mich zu Grunde zu richten! Sie sind also mit meinem Vorschlag einverstanden, nicht wahr?„
Der Angeredete aber zuckte gleichmütig die Achseln und meinte:
„Thui mir sehr leid, verehrter Herr Baron! Kann mich aber auf gar nichts einlaffen, als auf sofortige Zahlung. Bekomme ich sie nicht von Ihnen, so bekomme ich sie ganz gewiß vom Herrn Oberst! — Sein Name auf den Wechseln ist mir gut dafür!"
„Sie wollen mich zum Aeußcrsten treiben! Wissen Sie doch so gut wie ich, was es mit dieser Unterschrift auf sich hat!"
„Wie soll ich das wissen! — Ich verstehe Sie nicht, Herr Baron!"
„Wozu diese lächerliche Komödie! — Sie sind viel zu klug, als daß Sic nur einen Augenblick Härten glauben können, das Giro rühre von meinem Vater selbst Herl"
Herr Michelmann riß seine kleinen Augen so weit als möglich auf und gab seinem fetten .Gesicht den Ausdruck des höchsten Erstaunens.
„Wollen Sie ihren Spott treiben mit einem armen Mann, Herr Baron? Diese Unterschrift, auf welche hin ich Ihnen ganz allein die große Summe anvertraut habe, — sie wäre gefälscht?"
„Wenn Sie es durchaus so nennen wollen,
— meinetwegen! Aber Niemand trägt die Schuld daran, als Sie selbst! Haben Sie mir nicht damals wiederholt versichert, es handle sich um nichts, als um eine leere Formalität? Es wäre eine Nichtswürdigkeit sonder Gleichen, wenn Sie mich jetzt wegen einer Leichtfertigkeit verderben wollten, zu der Sie selbst mich ver- führt!"
Er war aufgesprungen und auch der würdige Mann an seiner Seite erhob sich vom Sessel.
„Nach diesem Geständnis, Herr Baron, das mit der größten Betrübnis erfüllt, kann ich nur noch einmal die Frage an Sie richten: Können Sie mich auf der Stelle bezahlen?"
„Sie hörten, daß ich es nicht kann!"
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