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Ach so!" gab dieser zurück und spießte eben ein Stück Fleisch auf die Gabel.Ich meine, das ist auch heißer gekocht, wie es ge­gessen werden wird."

Du beliebst wieder in Hiroglyphen zu reden. Sprich einmal deutlich! Wie sollen wir uns dem Befehl gegenüber stellen?"

Wie Ihr Euch zu dem Befehl stellen sollt? Erlaube, lieber Hans, das ist eine schnurrige Frage. Wir tragen des Königs Rock. Der Be­fehl ist seitens der Vorgesetzten gegeben, wir haben ihn also zu befolgen. Sela!"

Nach einem Augenblick allgemeinen Schweigens begann der Dr. Phil, von neuem:Lieber Bodo, wir halten hier ja keine Jnstruktionsstunde ab. Ich sehe schon, heute muß ich Dir anders zu Le'be gehen, um Deine Ansicht zu ergründen; Du bist in Deinen Aeußerungen allzu vorsichtig. Wir sind unter uns, also heraus damit! Was gedenkst Du in Zukunst betreffs Deines Anzugs zu thun?"

Ohne sich zu besinnen, stand Grundmann auf, stellte sich so hin, daß ihn alle Tischgäste sehen konnten, holte aus einer Rocktasche die schirmlose Feldmütze, die sogenannte Hurrahmütze, hervor, setzte sie aus und drehte sich langsam um sich selbst, so daß ihn jeder von allen Seiten beschauen konnte.

Ein allgemeines Gelächter folgte dieser Pro­zedur. Man gewahrte erst jetzt, daß Grundmann den schlechtesten Dienstrock trug, der an den Schultern, auf der Brust, um den Leib ganz hellblaue Stellen in Folge der Gewehrumgriffe und des Riemenzeuges auswies.

AlsPatent-Kamerad" könnten Sie augen­blicklich gerade nicht auftreten", bemerkte der Jurist.Aber reden Sie weiter, machen Sie sich etwas verständlicher!"

Nun, das ist alles! In diesem vorschrifts- mäßigen Anzug gehe ich jeden Abend in das Sommcrtheater."

Brillant, Grundmann, brillant!" tönte es von allen Seiten.Ihr Spezielles, Herr Kamerad!" ries der Jurist herüber.

Man halte sich verstanden.

Mit dem Sommertheater in C. verhielt es sich nun folgendermaßen:

In einem schattigen Gartenlokal hatte eine umherreisende Schauspielertruppe ihren Thespis­karren aufgeschlagen. Die ganz annehmbaren Leistungen dieser Mimen, gehoben durch zahl­reiche Gastspiele bekannter Darsteller aus der nahen Residenz, hatten nach und nach das ge- samte bessere Publikum der kleinen Stadt her- angezogen, und so sah man fast jeden Abend eine ansehnliche Anzahl von Offizieren mit ihren Familien die Vorgänge auf jenen Brettern, die die Welt bedeuten, mit Interesse verfolgen. Einen spaßhaften Eindruck machte es auf den Eingeweihten, daß die Herren vom Militär auch hier ganz streng die Anciennität wahrten und sich stets wie nach der Rangliste gesetzt, prüfen- tierten. Noch origineller jedoch erschien die gleiche Beobachtung der Rangordnung seitens anwesenden Damen, die gewöhnlich an dem einen Ende des Tisches beisammen saßen. Von der gestrengen Frau Oberst angefangen, reihte sich alles genau nach Charge und Dienstalter ihrer Ehemänner aneinander.

(Schluß folgt.)

Der Fernschreiber. Der Tele- scripteur oder Fernschreiber, wie wir die Vor­richtung in deutscher Sprache besser nennen, eine Erfindung des Pariser Ingenieurs Hofmann, hat auf der Ausstellung in Brüssel berechtigtes Aufsehen erregt. Er ist eigentlich nichts anderes als ein Schreibapparat, wie solche in den Konstruktionen von Kughes, Baudot undCassagnes bereits bekannt und im Gebrauche sind; doch ist er allen diesen Apparaten durch seine Einfachheit überlegen, und zu seiner Bedienung sind besondere Kenntnisse nicht erforderlich. Er besteht aus einer Klaviatur, die auf einen den Mechanismus enthaltenden kleinen Kasten ange­bracht ist. Die Klaviatur ist treppenförmig angeordnet und enthält vier Stufen, auf welchen Tasten für die Buchstaben. Zahlen und Zeichen angeordnet sind; eine überhöhende Rückwand nimmt den Fardapparat auf sowie das Rad

nebst Mechanismus mit dem sich abrollenden Papierstreifen nach der Art wie beim Morseschen Farbschreiber. Die Einzelheiten der Konstruktion sind nicht näher bekannt. Will man eine Depesche aufgeben, so genügt einfaches Nieder­drücken einer Taste, um auf einer oder gleich­zeitig auch zwei Empfangstellen den Abdruck des mit der Taste übereinstimmenden Buchstabens auf dem Papierstreifen zu erhalten, wobei es unwesentlich ist, ob auf der empfangenden Station jemand am Apparat sich befindet oder nicht. Dieser ist stets zum Nehmen einer auf­gegebenen Depesche fertig; man kann sein Geschäftszimmer verlassen und findet nach Rück­kehr alle inzwischen eingetroffenen Depeschen lesefertig auf dem Papierstreifen aufgetragen, der nur dann abrollt, wenn ein Buchstabe tele­graphiert wird. Dre Gebrauchsfäyigkeit des Apparats ist durch Versuche in London, Wien und Pest außer Zweifel gestellt, und gegen­wärtig werden Versuche damit bei der Pfälzischen Eisenbahn in Mannheim gemacht. Es leuchtet ein, daß ein solcher Apparat für Geschäfte, Behörden, Zeitungskorrespondenzen u. s. w. von höchster Bedeutung ist. In der Festung Antwerpen wurde der Fernschreiber unter Leitung des Majors Tournaire versucht, und seine militärische Brauchbarkeit soll sich dabei völlig erwiesen haben, sodaß cs wohl angezeigt erscheint, den Apparat auch beim Feldheere zu erproben.

(Biolinspiel ohne Bogen) führte am Frei­tag Nachmittag der Erfinder dieser interessanten Technik, Henry Müller-Braunau aus Hamburg, einem geladenen Publikum im alten Reichstag vor. Er und zwei andere Herren spielten auf einer ersten und einer zweiten Violine, sowie auf einem Celloohne Bogen" das hübsche schwedische LiedI rosous äokt" mit vollem Beifall. An sich scheint die neue Erfindung noch nicht bis zu ihrer Vollendung ausgebaut zu sein. Die Töne klangen voll und weich, ähnlich dem Harmonium, doch machte sich ein schnarrendes Geräusch störend bemerkbar. Wie die Töne hervorgebracht werden, ist Geheimnis des Erfinders, was er ängstlich zu hüten scheint. Immerhin ist die Sache interessant genug, sie fich einmal anzusehen.

(Eine Touristenkatze) ist das Neueste im Katzengenre, was man gegenwärtig in der Schweiz hat. Es ist eine kleine weißgraue Katze, die in ziemlich verwahrlostem Zustaude, dem Wirte des kleinen Bergwirtshauses hart am Dent du Midi, in der Nähe von Salanse, an einem schönen Julitage dieses Jahres zuge­laufen ist. Sie hat sich aber jetzt wieder her- ausgemacht und ihre Spezialität ist es, die Bergsteiger auf größeren und kleineren Touren treu wie ein Hund zu begleiten. Kürzlich begab sie sich mit einer Touristenkarawane bis auf den Gipfel des Dent du Midi und wieder zurück. Dieser Höhenrekord (3188 Meter) dürfte ihr sobald von keiner aus ihrem Geschlecht streitig gemacht werden.

Der Herzog Karl von Württem­berg, der im vergangenen Jahrhundert gelebt hat, war ein gar gestrenger Herr, und wollte Alles in der Welt, d. h. in seiner Württemberg, ischen Welt, nach seinem eigenen Kopf ummodeln. Einstmalen reitet der Herzog Karl auf einem schönen Schimmel durch das Städtchen Calw im Schwarzwalde. In dieser Stadt war ein berühmter Färber, er steht eben vor dem Hause und zieht seine Mütze ab.Hör' Er einmal, sagt der Herzog, kann Er mir den Schimmel da blau färben?"Ja, Durchlaucht, wenn er das Sieden verträgt," antwortet der Färber. Der Herzog ist still davon geritten.

(Die Herstellung einer gewöhnlichen Zigarren­kiste) scheint dem Laien eine sehr einfache Sache, und doch macht man sich kaum einen Begriff von den technffchen Schwierigkeiten, die sich an­fänglich der Massenproduktion entgegenstellten. Neunzehn verschiedene Prozesse hat das Holz durchzumachen, ehe man daran denken kann, die Kiste selber zusammenzufügen. Das Holz, aus dem Zigarrenkisten gemacht werden in der

Hauptsache Mahagoni kommt von Cuba und Mexiko. Cuba allein liefert ungefähr sieben Achtel des ganzen Mahagonibedarfs der Welt.

(Neue Ungereimtheiten.) Wenn ein Logen- bruder im Parquet sitzt. Wenn ein Ein- lähriger in Zweibrücken auf einem Dreirad Vier- radener raucht. Wenn ein Backfisch einen Rabenvater hat.Wenn ein Sitzredaktcur ein Stehscidel trinkt. Wenn ein Oberkellner am Unterarm ein Ueberbein hat. Wenn sich der Minister des Innern äußert. Wenn sich jemand im Westend ostentativ benimmt. (L. Bl.)

(Unterthänigst.j Fürst:Nun, Herr Förster, ist das Wild schon in Sicht?" Förster; Unterthänigst aufzuwarten, Durchlaucht, es macht sich eben schußfertig." (Sonntagsjäger), der einen kapriolenschlagenden Hasen viermal gefehlt, schleudert zornig das Gewehr nach dem ruhig dasitzenden Wilde:Verfluchtes Vieh, bring Dich meinetwegen selbst um. Ich hab's satt."

Mutmaßliches Wetter am Dienstag den 28. Sept. Ueder Mittel- und Nordskandi­navien liegt noch ein Luftwirbel von 145 mm, während in Irland das Barometer schon wieder über Mitte! gestiegen ist. Ueber dem größten Teile von Frankreich, ferner über ganz Italien, der Schweiz, Süd- und Mitteldeutschland be­hauptet sich ein Hochdruck von 770 mm, über Nordfrankreich, England, Belgien, Holland. Norddeutschland und Russisch-Polen ein solcher von 765 mm. Im südlichen Württemberg zeigen sich gewitterige Lufteinsenkungen, die aber bald wieder aufgelöst werden dürften. Für Dienstag und Mittwoch steht nur zeitweilig bewölktes, fast ausnahmslos trockenes und mehrfach heiteres Wetter bei warmer Temperatur in Aussicht.

Telegramm.

Kassel, 26. Sept. Der erste Staats­anwalt Schumann von Hanau, welcher gestern zum 50jährigen Dienstjubiläum des Oberstaats­anwaltes Bartels hier eingetroffen war, llarb inmitten einer Ansprache vor einer großen Fest­versammlung am Herzschlag.

Athen, 26. Sept. Havasmeldung. Die öffentliche Meinung ist für Annahme der Friedensbedingungen und erheben nur gegen den Artikel, betreffend die Finanzkontrolle Ein­spruch. Die ZeitungAsti" hält es auf Grund einer in den Provinzen verunstalteten Enguste für angezeigt, sich den Friedensbedingungen zu unterwerfen, da kein Vertrauen zu den Ergeb­nissen einer etwaigen Fortführung des Krieges vorhanden sei.

Madrid, 26. Scptbr. Havasmeldung. Der neue amerikanische Gesandte, General Woodford, ist ohne Zwischenfall in Madrid eingetroffen. Dem Vernehmen nach sei der eigentliche Zweck seiner Mission, die Vermittel­ung der Vereinigten Staaten zur Beilegung des Kriegs auf Kuba anzustreben. Wenn Spanien diese Vermittlung zurückweist, werden die Vereinigten Staaten nicht den Krieg erklären, wohl aber die Kubaner durch Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Spanien be­günstigen.

Simla, 26. Sept. Der Sieg der briti­schen Truppen im Bedomamaipasse hat die vom Mulbah von Haddah angesammelten Streitkräfte vollständig desorganisiert.!

Petersburg, 26. Sept. DieNowoje Wremja" meldet aus Ufa: Am 20. September früh 4 Uhr brach im Maschinenraum des PassagierdampfersAdmiral Gervais" Feuer aus, als der Dampfer mit etwa 200 Personen an Bord in Ufa anlangte. Das Feuer über­raschte die Passagiere und Mannschaften im Schlafe. Der panische Schrecken unter den Passagieren wurde dadurch noch gesteigert, daß der brenneude Dampfer vom Ufer entfernt wurde, um die in der Nähe liegenden Schiffe nicht in Gefahr zu bringen. Viele Personen retteten sich durch Springen über Bord, wobei mehrere in den Fluten versanken. Zahlreiche Personen erlitten Brandwunden; 2 kamen in den Flammen um. Wie viele Personen getötet wurden, ist noch nicht festgestellt. Der Dampfer hatte Naphtaheizung.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neue nbü.rg.

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