Unterhaltender Teil.
Der Weltläuser.
Bon Georg von Rohrscheidt.
(Schluß.)
Eines Junimorgens war der gute Kant abermals verschwunden, und eines Juniabends, gerade ein Jahr später, trat er wieder mit dem üblichen, gleichmütigen Gruße im Schützenhause an. Er bekam ein Glas Pilsener und bestellte sich ein Kotelett mit Gurkensalat. Diesmal kam er von Australien, Tasmanien, Seeland über Kalifornien mit der Pacific-Bahn zurück und stiftete zwei Känguruhteppiche. Der Abend war schön und hell, durch die geöffneten Fenster drang die milde Frühsommerluft ungehindert ins Zimmer; man übersah vom Stammkneipcheu aus den freien Platz, welcher den Schützenhos von den ersten Häusern der Stadt trennte.
Plötzlich erweiterten sich des Weltumseglers Augen zu Thalergröße, und unwillkürlich folgten die Blicke der andern Gäste dem seinen. Dort drüben stieg steifbeinig der ewige Friedrich auf den Gasthof zu, neben ihm eine Dame in gewählter Toilette neuester Pariser Ausgabe. Kant öffnete sein Portemonnaie, übersah blitz schnell den Inhalt und warf ein Geldstück auf den Tisch. „Gute Nacht, Herrschaften!" Damit ergriff er seinen Hut und war verschwunden.
Wie die Zurückbleibenden sofort merkten, hatte er den Weg aus der Hinterthür genommen, welche in der der Stadt entgegengesetzten Richtung nach dem Park hinausging. Durch diesen führte ein Fußpfad nach dem Bahnhof, den der Durchgänger benutzt haben mußte, denn er blieb nunmehr volle sieben Jahre unsichtbar, ohne irgend ein der Bekanntenwelt merkbares Lebenszeichen zu gebcu. Die Ursache war seine teure Gattin, denn als solche entpuppte sich beim Näherkommen die erwähnte Dame, die übrigens jetzt vollkommen verblühte und quittengelb gewordene westindische Kreolin. Sie hatte der Sehnsucht nicht mehr widerstanden und war zum Geliebten übers Weltmeer gegondelt. Der bitterböse Friedrich, in strikter, unerschütterlicher Befolgung des Befehls, niemanden in des Herrn Abwesenheit ins Haus zu lassen, verweigerte ihr nach der Ankunft in Saalhausen den Eintritt ins sozusagen eigene Heim, wagte ihr aber nicht die Begleitung nach dem Schützcnhofe abzu- schlagen.
Weg war der Vogel, und man kann nicht behaupten, daß die getäuschte Schöne sich mit Würde ins Unabänderliche fügte; die Südländerin kam etwas merkbar zum Vorschein. Es war ein Glück, daß sie französisch sprach und ihre Ausdrücke daher zum mindesten der Wirtssamilie ein Geheimnis blieben. SMxl stand aber bei denjenigen fest, welche Frau Carmen Kant, geborene di Castello verstanden, daß dem Wilden nicht ein gewisses Recht abzusprechen war, die liebenswürdige Gesellschaft seiner Gattin thun- lichst zu vermeiden. Als die zorngemute Kreolin herausgebracht, daß ihr Auserwählter soeben erst von einer langen Reise zurückkehrte, mietete sie sich im ersten Gasthofe ein und saß dort hartnäckig ein volles Vierteljahr fest. Erst die rauhen Herbststürme verwehten wieder ihre Spur, dem deutschen Winter fühlte sie sich aus Erfahrung nicht gewachsen, trotzdem die Rose zur dauerhaften Hagebutte zusammenschrumpfte.
Nur zwei von der Tafelrunde weilten noch auf dieser schlechten Erde, der alte Amtsgerichtsrat und Schaumann, der Vetter des Weltläufers. Auch Friedrich, das Faktotum Kants, war zu seinen Vätern versammelt und deshalb von der Verwandtschaft ein anderer, zuverlässiger Hausverwalter bestellt worden. Da öffnete sich eines abends Schlag sieben wieder die Thür: „Guten Abend, Herrschaften!"
Der Gerichtsrat und Schaumann blickten ohne Erstaunen auf, während die andern Gäste, lauter fremde Gesichter, sich nach dem unbekannten Eindringling ins Heiligtum des Herrenzimmers umsahen. Der Ankommende nahm keine Notiz von den neugierigen Blicken, sondern schob einen Stuhl zwischen die beiden einzigen Bekannten. Kein Wirt erschien mit dem üblichen
„Wohl bekomm'-!" und dem Glas Pilsener, erst das Klingelzeichen rief einen glotzenden Kellnerburschen herbei.
„Pilsener!"
„Giebt's nicht, mein Herr, wir führen nur Spaten!"
„Meinetwegen!"
Kant war alt geworden und sah recht müde aus. Er reichte langsam gegen seine frühern Gewohnheiten den beiden die Hand und sagte: „Jetzt fehlt nur noch Nord- und Südpol, die will ich aber andern überlassen. Ich hab's nunmehr satt — gut. daß Ihr wenigstens noch auf der Welt seid, sonst wär'S ganz einsam für mich im alten Nest!"
Er ergriff sein Glas und hob es ans Licht: „Weichliches Zeug — Spaten ist kein Pilsener — na, kann nichts helfen — zum Wohl, ihr lieben Freunde!"
Die „Spaten" klirrten aneinander, und der Wilde führte halb widerwillig das Getränk zum Munde. Stoch ehe der Becherrand die Lippen berührte, hielt er plötzlich inne, als ob er sich besänne. Mit festem Stoße setzte er das Glas auf den Tisch zurück und sank vom Stuhle zur Erde.
Der nach zehn Minuten erscheinende Arzt konnte nur den Tod infolge Herzschlages konsta- tieren. So ruhte der unruhige Wellläufer wenigstens im Schoße des Heimatsbodens von seinen Fahrten aus.
Hoch lebe der Reservemann! — „Drum Brüder stoßt die Gläser an: — Wer treu gedient hat seine Zeit, dem sei dies volle Glas geweiht!" So und ähnlich klingt es jetzt in den Kantinen der Kasernen und auf den Bahnhöfen, von denen die nunmehr ausgedienten Mannschaften und Reservisten wieder in die Heimat fahren. Früher wurde der letzte Vers der zitierten Strophe vielfach übermütig gesungen: „Drei Jahre sind keine Kleinigkeit," das ist seither aus der Mode gekommen. Aber mit der Einführung der zweijährigen Dienstzeit ist auch die „gerollte" Achselklappe seltener geworden, da den Reservisten seither keine Waffemöcke mehr belassen werden. To kennzeichnet denn zumeist nur noch die Troddel am Knotmstock oder Reitgerte und die Fröhlichkeit den Reservisten. Denn wenn gar mancher von ihnen auch nicht gern vom frischen, fröhlichen Soldatenlebeo, von den Kameraden und andern Personen, die ihm lieb geworden sind, Abschied nimmt, die allgemeine Freude des Tages läßt auch die weniger Fröhlichen einstimmen und die ernstern Empfind- ungen zurückdrängen. Bald aber tritt der Ernst des Lebens an die meisten wieder heran. Da mag sich jeder dessen bewußt werden, was er in der und durch die Schule des Heercs gewonnen hat an körperlichen und geistigen Fähigkeiten, an Strammheit und Mannhaftigkeit, an Pünktlichkeit und Adrettheit. Alles das wird jedem einzelnen in seinem alten bürgerlichen Berufe, welcher Art dieser auch sei, von Nutzen und Vorteil sein.
Zur Geschichte der Ansichtskarten schreibt die „Frkf. Ztg.": Auch die Ansichtskarte hat ihre Geschichte, so schreibt das Wiener Fremdenblatt. Als ihr Erfinder wird ein deutscher Lithograph, Miesler mit Namen, bezeichnet, dem aber, wie so vielen Erfindern, die Vorteile der Erfindung von andern, die praktischer an die Sache herangingen, entwunden worden sind. Anfangs der Sechziger Jahre, als Miesler die ersten Berliner Ansichtskarten herstellte, gab es noch keinen Gebrauchsmusterschutz und übrigens dürfte er damals kaum seiner Idee eine große Tragweite beigemessen haben. Heute giebt es ick Deutschland allein an sechzig Fabriken, die für Postkarten mit Ansicht Sammelalbums her. stellen. Der „Postkarte mit Ansicht" haben sich bereits zwei besondere Fachzeitschriften gewidmet, und natürlich besteht auch schon ein „Allgemeiner Zentralverband für Ansichtskartensammler", der unter anderm auch den Zweck verfolgt, die Mitglieder vor unreellen Händlern — auch diese giebt cs schon — zu beschützen. Mehr als ein Dutzend hervorragender lithographischer
Attstalten in Berlin, Leipzig, Eisenach, München, Stuttgart, Frankfurt, Würzburg. Nürnberg und an andern Orlen beschäftigen sich heute ausschließlich mit der Herstellung von Postkarten mit Ansicht; Künstler von Ruf und betitelte Professoren wirken häufig hiebei mit und der Lithograph braucht manchesmal, um die Entwürfe mit der nötigen Präzision auf den Stein zu bringen, eine Arbeit von zehn Wochen für eine einzige Karle. Aquarelldruck. Buntdruck, Gummi- stempel, Holzschnitt. Krcidedrucke, Lithographie, Lichtdruck, Zinkdruck. Phololithographie, Photographie und Prägedruck, in allen Gattungen werden die Bilder hergestellt. Wie bereits bemerkt, ist Deutschland die Heimat der neuen Industrie und es hat auch heute noch die führende Rolle. Karlen von Rom, von Petersburg, von Griechenland, von San Franzisko, von Sansibar, von Tirol, von der Schweiz, ja sogar von Wien und andern niederösterreichischen Orten werden draußen hergestellt und hier verkauft.
fEinfaltj Hausfrau: „Kathi, hast Du meinen Brief besorg!?" — Kathi: „Ja, gnädige Frau, aber ich Hab' ihn zuerst wiegen lassen, und weil er doppeltes Gewicht hatte. Hab' ich noch eine Marke draufg pappt." — Hausfrau: „Schön, aber Du wirst doch nicht die zweite Marke so aufgeklebt haben, daß sie die Adresse verdeckte?" — Kathi: „O nein, gnädige Frau! Ich habe schon Obacht gegeben — ich Hab' sie genau aus die andere gepappt."
Auflösung der Aufgabe i» Nr 149. Athen.
Richtig gelöst von Maria Toussaint, Wildbad; Gottfried Dittus, Obernhausen; Hermann Grotzmann, Feldrennach: Jakob Schmid, Feldrennach.
Bilderrätsel
(Nachdruck verboten.)
Mit dem 1 . Oktober beginnt ein neues vierteljährliches Abonnement auf den
„GnztlMer".
Wir bitten unsere geehrten Leser die Bestellungen bei der bisherigen Bezugsstelle alsbald zu erneuern, wenn keine Unterbrechung im Empfang des Blattes eintreten soll.
In Neuenbürg abonniert man bei der Geschäftsstelle, sonst überall bei den betreffenden Poststellen und Postboten.
Der Enzthälec enthält bekanntlich die amtlichen Bekanntmachungen sämtlicher Behörden des Oberamtsbezirks. Wie er über die wissenswerten Ereignisse im Bereiche der Politik schnell orientiert, was ihm besonders durch telegraph. Nachrichtendienst möglich ist, so legt die Redaktion großen Wert auf gediegenen Unterhaltungsstoff und Mitteilung gemeinnütziger Sachen.
Wir bitten deshalb alle unsere Freunde, mit uns dafür zu wirken, daß
„Der Gnxthkler"
in jedem Hause bekannt und heimisch werde.
Privat-Anzeigen
aller Art finden durch den Enzthäler in unserem Oberamtsbezirk die dichteste Verbreitung und sind deshalb von bestem Erfolg.
Med. «. Wertag des Knzthäters.
«rdrltio», »ruck und <8«l«z von L. vi«; i» «»»«»bürg.